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Sima G. Sturm

VORSICHT, BISSIG!

Roman

© 2017

édition el!es

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Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-231-2

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© maxtor777 – Fotolia.com

1

Was für ein anbetungswürdiger Tag, dachte Kriminalkommissarin Dana Peters. Natürlich nur rein wettertechnisch betrachtet. Die Sonne strahlte in alle Himmelsrichtungen, kein Wölkchen war in Sicht. Schon am Morgen, als Dana mit dem Rad zur Dienststelle gefahren war, war sie von sommerlich warmen Temperaturen verwöhnt worden.

Ausgerechnet an diesem Wochenende hatte sie Bereitschaftsdienst. Das bedeutete, dass sie die Kollegen des Kriminaldauerdienstes personell unterstützen musste, egal, was für ein dramatischer oder auch weniger dramatischer Fall gerade anlag. Meistens war es Letzteres.

Seufzend wandte sie den Blick vom Fenster ab. Er blieb an der Akte hängen, die vor ihr auf dem Tisch lag. Definitiv eine von den weniger dramatischen Angelegenheiten. Als sie das ungeduldige Scharren von Füßen vernahm, sah sie auf und blickte die Person an, die ihr gegenüber in dem karg eingerichteten Verhörraum saß und zu der die Akte gehörte.

Das schien für diese der Startschuss für eine ganze Tirade von Schimpfwörtern und Flüchen zu sein. Dana verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich ein Stück zurück und verfolgte stoisch den Wutausbruch ihres Gegenübers.

»Was habt ihr blöden Bullen nur immer für ein Problem?«, fauchte die aufgebrachte Dame schlussendlich und blitzte Dana böse an.

Die neigte den Kopf zur Seite und musterte die zornbebende Blondine. »Hm . . . lassen Sie mich mal überlegen.« Gelassen blätterte sie die Akte durch, die bislang nur wenige Seiten füllte. »Ich hätte da Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Drogenbesitz und nun auch noch Beamtenbeleidigung im Angebot. Beantwortet das fürs Erste Ihre Frage, Frau Köhler?«

Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen. Na so was, hatte es da jemandem etwa die Sprache verschlagen?

»Pah . . . Drogenbesitz . . .«

Okay, zu früh gefreut.

»Das war doch nur ein kleines bisschen Gras. Kein Grund, gleich als Kriminelle abgestempelt zu werden«, wetterte Juliane Köhler. »Meine Anwältin wird euch in der Luft zerfetzen.«

Dana Peters hob kurz die Augenbrauen. Mein Gott, diese Frau hatte wirklich Feuer. Aber aus Erfahrung wusste sie, dass viele Menschen in einer unbehaglichen Situation so reagierten. Derartige Drohgebärden dienten oftmals dem reinen Selbstschutz. Bloß nicht klein beigeben, schon gar nicht gestehen, immer schön auf seinen Rechten beharren oder wenigstens so tun, als ob man sich mit den Gesetzen auskennt. Abgesehen davon droht man am besten gleich mit dem Rechtsanwalt, das soll ja Eindruck machen bei der Polizei. Gerade noch konnte Dana verhindern, dass ihre Mundwinkel allzu verräterisch nach oben zuckten.

Trotzdem lag ihr ein Schmunzeln auf den Lippen, als sie erwiderte: »Da hab ich ja Glück, dass ich mich mit Ihrem Fall nur heute beschäftigen muss. Aber ich bin mir sicher, dass Sie den zuständigen Kollegen noch das Fürchten lehren werden.« Die letzten Worte begleitete sie mit einem Augenzwinkern.

Juliane Köhler, die bislang auf ihrem Stuhl gelümmelt hatte, streckte ihren Oberkörper durch. Doch sie sagte nichts. Mit aufrechter Haltung fixierte sie Dana, und ihre dunkelbraunen Augen schienen sie regelrecht durchbohren zu wollen.

Was für ein Jammer, dachte Dana unwillkürlich. So eine schöne Frau, so heißblütig und ungezähmt . . . Fast wäre ihr ein Seufzer des Bedauerns herausgerutscht. Sie biss sich auf die Lippen und hielt dem stechenden Blick stand. Hier war immer noch sie die Herrin im Haus.

»Wollen Sie sich nun zu den Vorwürfen äußern?«, fragte sie beiläufig, während sie die Frau mit den dunkelblonden Haaren unverwandt ansah. Wie lange wollten sie dieses Spielchen eigentlich noch treiben?

Juliane Köhler verzog verärgert das Gesicht. »Nein, natürlich nicht«, polterte sie sofort los, aber ein weiterer Wutausbruch blieb aus. Mit der Hand fuhr sie sich über ihre langen Dreadlocks, die von einem breiten Haarband im Hippie-Style im Zaum gehalten wurden, und wirkte dadurch plötzlich nachdenklich. Darüber hinaus schien sie vergessen zu haben, auf ihrem hartnäckigen Blickkontakt zu beharren. Beinahe abwesend starrte sie auf ihre Beine, die in einer hautengen Bluejeans steckten.

Ruhig erwiderte Dana: »Das dachte ich mir.« Sie nutzte die Gelegenheit, um auf dem Vernehmungsprotokoll im Computer ein paar Kreuzchen zu setzen. Dieser Einsatz hier würde sie weit weniger Zeit kosten, als sie gedacht hatte – und weniger, als ihr plötzlich lieb war. Die fesche Dame war zwar eine echte Kratzbürste, und sie machte keinen Hehl daraus, dass sie Polizisten nicht ausstehen konnte, aber trotzdem hätte sich Dana ganz gern noch ein wenig länger mit der blonden Schönheit befasst.

»Kann ich jetzt endlich gehen?«, unterbrach Juliane Köhler abrupt ihre Gedanken. Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern erhob sich vom Stuhl und wandte sich bereits zur Tür.

Schnell war Dana ebenfalls aufgestanden. »Ich bedaure, aber Sie müssen uns noch ein wenig Gesellschaft leisten.« Sie schlängelte sich um den Schreibtisch herum. Dass ihre Beschuldigte womöglich noch flinke Füße bekam, wollte sie nun doch nicht riskieren, auch wenn so ein Fang-mich-doch-Spiel durch die heiligen Hallen der Polizei mit ihr vielleicht ganz unterhaltsam geworden wäre.

»Ach, und wieso nicht?«, ereiferte sich Juliane Köhler wild gestikulierend. Eine zarte Röte, die offensichtlich ihrem erhitzten Gemüt geschuldet war, legte sich über ihre Wangen.

Aufmerksam beobachtete Dana diesen reizenden Farbwechsel. Sie hätte gern den Grund dafür gewusst, dass ihre Gegenspielerin offenbar ein wenig an Sicherheit verloren hatte. »Ich brauche noch Ihre Fingerabdrücke und ein Erinnerungsfoto von Ihnen«, teilte sie achselzuckend mit.

»Was? Ich bin doch keine Verbrecherin!« Juliane Köhler schien es nicht fassen zu können. Mit gereizter Miene starrte sie Dana an, ehe ihre Mundwinkel sich unvermittelt zu einem spöttischen Lächeln verzogen. Es war überhaupt das erste Mal, seit sie in diesem Raum waren, dass sich so etwas wie ein Lächeln auf ihrem Gesicht abzeichnete. »Wollen Sie vielleicht auch noch meine Telefonnummer?«, fragte sie keck.

»Fürs Protokoll?« Dana grinste kurz. »Das wäre wirklich sehr nett.« Innerlich mahnte sie sich zur Ordnung. War sie etwa gerade im Begriff, mit einer Beschuldigten zu flirten? Sie schüttelte ein wenig den Kopf. Das war doch nun wirklich absurd. Obwohl . . .

Das spöttische Lächeln in Juliane Köhlers Gesicht wurde noch ein wenig breiter und auffallend frecher. »Das würde Ihnen gefallen, nicht wahr?«, fragte sie lauernd.

Ups, dachte Dana. War das etwa so offensichtlich? Da hatte sie sich also doch nicht so unter Kontrolle, wie sie geglaubt hatte. Dabei verriet ihre Mimik nie etwas, wenn sie es nicht wollte. Dass Juliane Köhler so ganz nebenbei den Spieß umgedreht hatte, konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. Nichts als die Wahrheit? Bitte schön! »Selbstverständlich«, konterte sie und setzte sich lässig auf die Schreibtischkante.

Juliane Köhlers wundervoll geschwungene Lippen öffneten sich ein wenig. Dana kam nicht umhin zu denken: Wie eine Einladung – eine Einladung zum Küssen. Natürlich würde sie das niemals tun. Niemals!

Geblendet vom Sonnenlicht, das durch die Fensterscheibe drang, trat Juliane Köhler einen Schritt zurück und lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür. Ihre dunklen Augen glänzten geheimnisvoll und unergründlich, während ihr Blick nun tiefer glitt und Danas Mund streifte. Mit der Zungenspitze befeuchtete sie ihre Lippen, sinnlich und lockend.

Oha, so weit sind wir dann doch noch nicht, Schätzchen. Dana lachte leise, seltsam berührt von diesem Intermezzo. Die Dame hatte es faustdick hinter den Ohren, da war Vorsicht angesagt. Dennoch konnte sie die aufkommende Erregung nicht leugnen, dieses Prickeln, das wie kleine Blubberbläschen im Wasser durch ihren Körper strömte. Sie schluckte leer und unterdrückte das Bedürfnis, sich zu räuspern.

Mit beiden Händen stieß sie sich vom Tisch ab und ging langsam auf Juliane Köhler zu. Als sie direkt vor ihr stand, sah sie das aufgeregte Funkeln in deren Augen. Oh ja, Dana kannte diesen erwartungsvollen Blick. Sie wusste nur zu gut, was er zu bedeuten hatte.

Beherrsch dich, Frau Kommissar, mahnte sie sich zum wiederholten Male.

Juliane Köhler presste ihren schlanken, wohlgeformten Körper fest gegen die Tür, ihr Brustkorb hob und senkte sich in schneller Folge. Sie atmete irritierend schnell. »Wollen Sie immer noch meine Telefonnummer?«, wisperte sie. Ein leichtes Zittern lag in ihrer Stimme.

Dana beugte sich ein wenig zu ihr vor und drehte den Kopf etwas zur Seite, als wolle sie in ihr Gegenüber hineinhören. Doch jetzt vernahm sie nur ihren eigenen Herzschlag, der ihr unnatürlich laut erschien und sich zunehmend beschleunigte. Sie schaute wieder auf und schüttelte lächelnd den Kopf. »Die brauche ich nicht unbedingt.«

Juliane Köhler sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Offenbar hatte sie mit einer anderen Reaktion gerechnet – oder darauf gehofft.

Äußerlich ruhig wandte sich Dana von ihr ab, ging zum Schreibtisch zurück und griff nach dem Telefon. »Sie können Frau Köhler jetzt für die ED-Behandlung abholen. Ich bin hier fertig«, sprach sie monoton in den Hörer, als gehe sie das alles nichts mehr an.

Als sie aufgelegt hatte, schien sich Juliane Köhler von ihrer Überraschung ein wenig erholt zu haben. Sie warf Dana einen bitterbösen, ja geradezu vernichtenden Blick zu. »Sie haben ja keine Ahnung, was Ihnen entgeht«, fauchte sie.

Na hoppla! Danas Mundwinkel zuckten spontan nach oben. Die Zweideutigkeit, die in diesen Worten lag, übte einen unbeschreiblichen Reiz aus. »Es ist mir durchaus bewusst, worauf ich verzichte«, antwortete sie mit gespielter Lockerheit. In Gedanken fügte sie hinzu: Mehr, als du ahnst. Ihre Kehle fühlte sich furchtbar trocken an. Die Anspannung, die schwer in der Luft lag, war beinahe greifbar.

Sie beobachtete Juliane Köhler aus sicherer Entfernung. Diese hatte die Augen geschlossen und sah in diesem Moment seltsam friedlich aus, auch wenn das unruhige Flattern ihrer Augenlider Bände sprach. Zweifellos war sie sehr wütend. Oder vielleicht auch nur enttäuscht.

»Ich will Sie wiedersehen . . . wenn Sie nicht gerade im Dienst sind«, sagte sie plötzlich. Trotz schwang in ihrer Stimme mit, und ihr Ton hatte etwas Forderndes, als dulde sie keinen Widerspruch.

Dana schnappte verblüfft nach Luft. Eine solche Wende hatte sie nicht erwartet. Ratlos zuckte sie mit den Schultern, während ihr Blick auf Juliane Köhlers ebenmäßigem Gesicht ruhte. »Das . . . das halte ich für keine gute Idee«, erwiderte sie ausweichend. Allmählich wurde ihr die Sache wirklich zu heiß. Was war nur in sie gefahren, dass sie eine Beschuldigte zu einem solchen Annäherungsversuch ermutigte? Doch trotz allem rutschte es ihr heraus: »Ich dachte, Sie haben für Polizisten nichts übrig.«

Juliane Köhler erwiderte ihren fragenden Blick mit einem breiten Grinsen. »Ich kann doch mal eine Ausnahme machen, oder etwa nicht?« Doch dabei nestelte sie an der Naht ihrer Jeans, eine Geste, die Nervosität verriet. Dana registrierte es mit einem Schmunzeln.

»Ich verstehe«, sagte sie leichthin.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie beide gleichzeitig zusammenzucken. Juliane Köhler sprang aufgeschreckt zur Seite. Die Tür ging auf, und ein uniformierter Polizist, so groß und kräftig, dass er fast den gesamten Türrahmen einnahm, stand dahinter. »Sind Sie soweit?«, wollte er wissen.

»Ähm, ja, Sie können sie mitnehmen«, beeilte sich Dana zu sagen, als sie den neugierigen Blick ihres Kollegen vom Erkennungsdienst bemerkte. Auf irgendwelches Getratsche konnte sie nun wirklich verzichten. Bei der Polizei war das zum Teil schlimmer als bei einem Kaffeekränzchen unter Hausfrauen. Vorsichtshalber fügte sie noch hinzu: »Wenn Sie fertig sind, kann Frau Köhler gehen.« Nicht, dass die kleine Raubkatze noch versehentlich in einer Zelle landete. Das wäre dann tatsächlich ein Fest für jeden Rechtsverdreher, wie Dana die Strafverteidiger insgeheim gern bezeichnete.

Juliane Köhler schaute zu ihr herüber. Anscheinend überlegte sie, ob sie noch etwas sagen sollte. Am liebsten hätte Dana ihr ein Zeichen gegeben, dass sie sich bedeckt halten solle. Aber das brauchte sie gar nicht, denn über die Lippen der Raubkatze kam kein Wort mehr. Stumm folgte sie dem Beamten hinaus.

Nachdem sie die Tür wieder geschlossen hatte, atmete Dana tief ein und aus. Sie lehnte sich an die Wand und rieb sich mit einer Hand über den von der ganzen Anspannung schmerzenden Nacken. Puh, das war wirklich knapp gewesen. Fast hätte sie sich und darüber hinaus ihre Dienstpflicht vergessen.

Was besagte die gleich noch mal? Das inner- und außerdienstliche Verhalten eines Polizeibeamten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das sein Beruf erfordert. Und er trägt die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen.

Alles klar! Innerlich klopfte sich Dana auf die Schulter. Sie hatte ja so was von alles im Griff gehabt.

Das glaubst auch nur du, meldete sich verächtlich ihr zweites Ich.

Okay, okay, schon gut. Dana machte eine wegwerfende Handbewegung und grummelte missmutig vor sich hin. Sie wusste natürlich, dass sie sich nicht gerade professionell verhalten hatte. Aber irgendetwas hatte Juliane Köhler an sich, etwas, dass es ihr schwermachte, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Sie fuhr den PC runter und stierte wie hypnotisiert auf den Bildschirm, bis er endlich dunkel war. Dabei sah sie aus dem Augenwinkel etwas Rotes, Rechteckiges. Verdammt! Sie hatte vergessen, dem Kollegen die Akte mitzugeben. Jetzt musste sie deswegen noch mal rüber ins Nachbargebäude, wo sich die Räume vom Erkennungsdienst befanden – und dort würde sie sehr wahrscheinlich ein weiteres Mal auf Juliane Köhler treffen. Das schmeckte ihr gar nicht. Womöglich machte es dann noch den Eindruck, als hätte sie die Akte absichtlich liegen lassen . . . Besser nicht drüber nachdenken. Kopfschüttelnd verließ Dana den Verhörraum. Es schien einfach nicht ihr Tag zu sein.

Ihre Befürchtung wurde wahr. Sie sah die reizende Frau Köhler schon von weitem, die wie ein kleines Häufchen Elend auf einem Stuhl im Gang saß. Bei dem Anblick musste Dana ein wenig schmunzeln. Wie das Kälbchen auf dem Weg zur Schlachtbank . . .

Sie blieb stehen und nahm sich die Zeit, den Augenblick des Unbemerktseins auszukosten und sie einfach nur zu betrachten. Die Sekunden verstrichen, und ihr kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. Doch dann hob Juliane Köhler den Kopf, erblickte sie und schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln.

Dana war sofort wie versteinert. Doch gleichzeitig durchströmte sie ein undefinierbares Glücksgefühl. Um sich nicht zu verraten, fiel ihr nichts Besseres ein, als mit der blöden roten Akte herumzuwedeln. Sie spürte förmlich, dass ihr Gesicht denselben Farbton anzunehmen drohte.

Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, kam jener große, vierschrötige Polizeihauptmeister, dessen Namen sie nicht einmal kannte, in diesem Moment um die Ecke geschlendert. Abrupt blieb er stehen und starrte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem dämlichen Grinsen, während sein Blick zwischen ihr und Juliane Köhler hin und her wanderte.

Breitbeinig stand er vor ihr, die Daumen lässig zwischen Gürtel und Hosenbund geschoben, und sie reichte ihm wortlos die Akte. Diese Machos und Möchtegern-Rambos gingen Dana gehörig auf die Nerven. Als er den roten Hefter entgegennahm, zwinkerte er ihr auch noch zu. Das war zu viel für sie.

»Haben Sie irgendwas im Auge?«, fuhr sie ihn nicht gerade freundlich an. Hinter ihm kicherte es unterdrückt.

Seine Gesichtszüge entgleisten, und er stotterte: »N. . .nein.«

Dana nickte ihm kurz zu. »Na, dann ist’s ja gut.« Ohne sich zu verabschieden, drehte sie sich um und verließ nun endgültig den Schauplatz.

Sie beeilte sich, auf dem schnellsten Weg das Gelände der Polizeidirektion zu verlassen. Draußen schwang sie sich auf ihr Fahrrad und trat in die Pedale, als würde sie verfolgt. Erst als sie im Park angelangt war, gönnte sie sich eine kurze Verschnaufpause.

Ihr Gesicht glühte wie im Fieber, und das lag sicherlich nicht nur an der körperlichen Anstrengung oder an der Sonne, die inzwischen heiß herniederbrannte. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und suchte sich ein schattiges Plätzchen unter einem Eichenbaum.

Aufatmend lehnte sie sich an, spürte die raue Rinde an ihrem Rücken. Es fühlte sich fast wie eine Massage an. Als Nächstes entledigte sie sich ihrer Schuhe und streifte mit ihren nackten Füßen durch das warme, trockene Gras. Es kitzelte, und sie schloss verträumt die Augen. Doch sofort kreisten ihre Gedanken wieder nur um sie.

Gewiss hatte sie die süße Juliane enttäuscht, als sie sie ohne einen weiteren Gruß oder eine nette Geste ihrem Schicksal überlassen hatte. In dem Lächeln der Frau hatte so viel Hoffnung gelegen. Aber worauf eigentlich? Hatte sie wirklich gedacht, Dana wäre nur ihretwegen zurückgekommen? Grübelnd fuhr sich Dana durch das vom Wind zerzauste Haar und klemmte sich eine besonders widerspenstige Strähne hinters Ohr.

Wie zahm die kleine Wildkatze mit einem Male geworden war, wie sie fast darum gebettelt hatte, ihr ihre Telefonnummer zu geben. Dana griente vor sich hin, als sie daran dachte. Dabei wusste sie doch genug über die liebe Frau Köhler, um sie ausfindig zu machen, wenn sie das denn wollte.

Tja, das Wollen war nicht das Problem. Und außerdem, wenn sie es sich recht überlegte . . . Warum sollte sie sich nicht mit ihr treffen, außerhalb ihrer Dienstzeit? Juliane Köhler war ja nun keine Schwerkriminelle. Sie war eine der Aktivistinnen, die immer mal wieder eine Protestaktion starteten. Unter anderem gegen die stetig steigenden Mietpreise, die wegen der verschärften Lage am Wohnungsmarkt gerade in beliebten Stadtteilen deutscher Großstädte wie Berlin selbst für einen Normalverdiener kaum mehr bezahlbar waren. Dann besetzten sie auch schon mal ein leerstehendes Haus, um ihrem Protest mehr Nachdruck zu verleihen. Natürlich führte das dann meistens dazu, dass das Haus durch die Polizei geräumt werden musste, weil es der Eigentümer oder die Stadtverwaltung so verlangte.

Und so wie Dana das leidenschaftliche Temperament der hübschen Frau Köhler vorhin selbst zu spüren bekommen hatte, konnte sie sich bildlich vorstellen, dass die sich nicht einfach so ohne jegliche Gegenwehr von den Beamten hinausführen ließ. Durch Danas Kopf spukten Bilder von einer zappelnden, um sich schlagenden Frau, die ihr loses Mundwerk nicht im Zaum halten konnte. Sie lächelte vergnügt, weil die Phantasie mit ihr durchging.

Es wäre doch wirklich äußerst interessant herauszufinden, ob sich eine Rebellin wie Juliane Köhler wohl bändigen ließe. Im Bett zum Beispiel, sinnierte sie. So ein kleines Abenteuer, nichts Ernstes, was war schon dabei? Das Kribbeln in ihrem Bauch verstärkte sich, breitete sich unaufhaltsam in ihrem Schoß aus. Ein tiefer Seufzer entglitt ihr. Mit den Armen umschlang sie ihre angewinkelten Beine und stützte ihr Kinn auf den Knien ab.

Dumm nur, dass sie auch noch Marihuana einstecken hatte, dachte sie dann. Bei näherem Nachdenken war das sogar nicht nur dumm, sondern ziemlich verwunderlich. Es war nur eine winzige Menge, und mit Sicherheit würde das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt, aber es hinterließ einen faden Beigeschmack. Denn Dana schätzte Juliane Köhler eigentlich nicht so ein, dass sie bei ihren Aktionen so töricht war, Drogen bei sich zu führen. Schließlich musste sie immer damit rechnen, dass sie dann mit der Polizei zu tun bekäme. Was hatte sie sich also dabei gedacht?

Dana erinnerte sich daran, dass sie als Beruf Sozialpädagogin angegeben hatte. Klar, was auch sonst. Wie Dana in Erfahrung gebracht hatte, war sie für ein Hilfswerk tätig, das sich um sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche kümmerte. Eigentlich ein Grund mehr, einen großen Bogen um Drogen jeglicher Art zu machen, grübelte Dana. Hatte Juliane da nicht eine Vorbildfunktion zu erfüllen?

Na, nun werd mal nicht gleich zum Moralapostel, meldete sich ihre innere Stimme.

Aus ihrer Kehle drang ein amüsiertes Glucksen. Ich doch nicht, sagte sie zu sich selbst. Das würde ihr sowieso keiner abnehmen, denn die Rolle des anständigen, braven Mädchens passte nun wirklich nicht zu ihr. Und das war auch gut so. Sie lachte beherzt auf und scherte sich nicht darum, dass vorübergehende Spaziergänger sie merkwürdig beäugten.

Ihr Magen fing an zu grummeln und erinnerte sie daran, dass sie dringend etwas essen musste. Heute Morgen hatte sie lediglich einen Apfel verspeist, dafür aber schon vier Tassen Kaffee getrunken. Und wenn sie Pech hatte, dann klingelte ihr Diensthandy bald ein weiteres Mal, weil der nächste »schwere Fall« – sie lächelte ironisch – auf sie wartete.

Seufzend und ein bisschen schwerfällig erhob sie sich. Sie mochte diese Wochenendbereitschaften nicht besonders, weil sie da einfach nicht wusste, was sie erwartete und wie lange sie dann wieder auf der Dienststelle zubringen musste. Und zu solch einer aufregenden und unterhaltsamen Begegnung wie der heutigen kam es eher selten. Genau genommen war ihr das noch nie passiert in den immerhin fünfzehn Jahren, die sie nun schon bei der Polizei war.

Dana runzelte nachdenklich die Stirn. Wenn sie ehrlich war, hatte sie selbst in ihrem Privatleben, das hinsichtlich Spannung und Aufregung doch sehr überschaubar war, schon seit Monaten nicht mehr so einen Kick erlebt. Zu Hause gab es keine Frau, die auf sie wartete. Und die Zeiten, in denen sie sich die Nächte um die Ohren geschlagen hatte, als sie durch die Discotheken gezogen war oder mit Freundinnen stundenlang in irgendwelchen Kneipen abgehangen hatte, gehörten auch der Vergangenheit an. Sicher, hin und wieder gönnte sie sich ein bisschen Spaß, suchte Abwechslung in der einen oder anderen Affäre, aber sie hatte es nie als wirkliche Befriedigung empfunden. Sie war eindeutig beziehungsgeschädigt, seit Isabella sich von heute auf morgen aus dem Staub gemacht hatte. Einfach so aus ihrem Leben verschwunden war, ohne eine Erklärung.

Dana wischte die trübsinnigen Gedanken beiseite und schlüpfte schnell in ihre Schuhe. Sie brauchte jetzt endlich etwas Essbares.

3

Der Mond schien hell durchs Fenster und tauchte den Raum in ein zauberisches Spiel aus Licht und Schatten. Schlanke, durchtrainierte Beine lugten unter der Bettdecke hervor. Die sanfte Bräune der Haut bildete einen schönen Kontrast zum blütenweißen Bezug aus glänzendem Satinstoff.

Dana hielt den Atem an, während ihr Blick zärtlich über Jule streifte, die sich sinnlich und verführerisch auf dem Laken räkelte wie Aphrodite, die Göttin der Liebe und Schönheit. Die Decke jetzt vollständig zwischen ihre nackten Beine geschoben, rollte sie sich auf die Seite, mit den Armen ihre entblößten Brüste verdeckend.

Dana fühlte dieses heftige Pulsieren zwischen ihren Schenkeln, ohne wirklich zu wissen, ob dies immer noch oder schon wieder so war. Das Herz hämmerte in ihrer Brust beim Gedanken daran, was sie bis eben noch in diesem Bett getan hatten. Wie Butter in der Sonne war Jule in ihren Armen und unter ihren Berührungen dahingeschmolzen, hatte sich ihr mit unbändiger Leidenschaft hingegeben. Und Dana war ihr wie im Rausch gefolgt. Für einen One-Night-Stand war das ungewöhnlich gewesen. Ungewöhnlich aufregend.

Jule blinzelte ein wenig mit den Augen, sie wirkte müde und erschöpft. Erst jetzt wurde Dana bewusst, dass auch sie sich ziemlich verausgabt hatte. Vielleicht war sie ein bisschen aus der Übung gekommen, wie sie selbstironisch feststellte. Sie spürte jeden Muskel in ihren Gliedmaßen, und die Anspannung wich nur langsam aus ihrem Körper.

Jule streckte eine Hand nach ihr aus, ließ ihre Finger sanft über Danas Bauch kreisen. »Willst du, dass ich jetzt gehe?«, fragte sie leise. Ihre Augen schimmerten im Mondlicht.

Dana hob überrascht eine Augenbraue. »Was ist das denn für eine Frage?«

Jule zuckte mit den Schultern. »Ich dachte nur . . . vielleicht . . .« Sie räusperte sich und senkte den Blick. »Du hast gerade so nachdenklich gewirkt.«

»Und deswegen glaubst du jetzt, dass ich meine Ruhe haben will?« Dana starrte sie perplex an und holte dann tief Luft: »Oder willst du etwa gehen?«

»Nein«, kam es wie aus der Pistole geschlossen. Jules Finger setzten ihre Wanderung fort, die sie für einen Moment unterbrochen hatten, umkreisten Danas Bauchnabel und glitten tiefer.

Eine neue Welle der Erregung schwappte über Dana hinweg. Nur zu gern war sie bereit, sich diesem Gefühl ein weiteres Mal zu ergeben. Aber in ihrem Kopf schwirrte noch ein Gedanke, den sie erst loswerden musste. Sie ahnte, dass Jule ihre Frage nicht ohne Grund gestellt hatte.

»Ist dir das denn schon mal passiert, dass du direkt . . . ähm, danach . . . gehen solltest?«

Jule zuckte merklich zusammen und zog ihre Hand weg. Zaghaft hob sie den Kopf. Ihr Blick war unruhig, als suche er irgendwo nach Halt. »Um ehrlich zu sein«, antwortete sie fast flüsternd, »gab es niemals ein ›Danach‹. Ich kenne es nicht anders.«

Mit großen Augen starrte Dana sie an. Sie hatte ja schon so etwas in dieser Richtung vermutet, aber diese Antwort hatte sie nicht erwartet. »Das kann ich kaum glauben«, murmelte sie verwirrt. Eine selbstbewusste, taffe Frau, wie Jule es zu sein schien, würde das doch nicht immer wieder mit sich machen lassen. Oder etwa doch?

Dana atmete tief durch und schmiegte sich an Jule, die die Augenlider gesenkt hatte und ihrem Blick auswich. Sanft streichelte sie über Jules erhitztes Gesicht und sagte zärtlich: »Ich möchte, dass du bleibst, damit wir noch ein bisschen dort weitermachen können, wo wir vorhin aufgehört haben.« Sie suchte Jules Blick und lächelte auffordernd.

Deren Mundwinkel hoben sich reflexartig, dann schlug sie die Decke zur Seite, schlang ihre Arme um Dana und zog sie noch fester an sich. »Und ich dachte, du bist müde«, sagte sie neckend, jetzt wieder ganz selbstsicher.

Dana senkte den Kopf zu ihr hinab. Wie ein Hauch streifte ihr Mund Jules weiche Lippen. »Bin ich auch, aber . . .« Weiter kam sie nicht, denn Jule öffnete die Lippen und gewährte Dana Einlass für ein zärtliches Zungenspiel, dem Dana sich nur allzu bereitwillig hingab.

Sie knabberte leicht an Jules Unterlippe, ließ ihre Zunge in deren Mund gleiten, tastete über die glatten Zähne und kitzelte die Innenseiten ihrer Wange. Jule seufzte leise, als sich ihre Zungen trafen, miteinander tanzten, sich spielerisch voneinander entfernten und dann wieder zueinanderfanden, um schließlich zu einem innigen Kuss zu verschmelzen.

Gleichzeitig schickte Dana ihre Hand auf die Reise. Sie streichelte an Jules Hals entlang, umkreiste dann deren feste Brüste, die sich ihr frohlockend entgegenstreckten. Mit den Fingernägeln fuhr sie sacht über die harten Brustwarzen und entlockte Jule ein tiefes Stöhnen. Atemlos löste sie sich von Jules Lippen, in ihrem Schoß breitete sich bereits wieder die Nässe aus. Sie spürte eine Hand zwischen ihren Schenkeln und zuckte stöhnend zusammen.

»Ich weiß, was du meinst«, keuchte Jule ihr leise ins Ohr, »geht mir genauso.« Sie stieß ihren Finger in Dana hinein und ließ gleich noch einen zweiten folgen, zog beide zurück, um sie im nächsten Moment wieder tief hineinzustoßen.

Dana presste ihr zuckendes Becken gegen Jules Hand. Diese begann jetzt auch mit dem Daumen über ihre Perle zu streichen und sie mit sanftem, dann immer stärker werdendem Druck zu massieren. Dana warf den Kopf zurück und schloss die Augen. Sie hob ihren Oberkörper ein Stück an, stützte sich mit den Armen ab und schob sich geschmeidig auf Jules vor Erregung zitternden Körper. Gleichmäßig hob und senkte sie ihr Becken, wurde immer schneller und spürte, dass sie dieses Mal nicht in der Lage sein würde, den nahenden Orgasmus lange hinauszuzögern. Sie passte sich dem Rhythmus von Jules Handbewegung an, seufzte, stöhnte und bebte.

Jules Lippen hatten unterdessen den Weg zu Danas Ohrläppchen gefunden. Sie knabberte zärtlich daran. »Jaaaa, meine Schöne . . . komm . . . komm für mich«, hauchte sie ihr ins Ohr.

Dana erschauerte. Ihr Körper stand vollends unter Strom, sie hatte Jules Berührungen nichts mehr entgegenzusetzen. Ihr Zittern ging in ein unkontrolliertes Zucken über. Noch einmal bäumte sie sich auf und stieß ihre heiße Mitte hart gegen Jules Handfläche. Dann brach die Welle über ihr zusammen, schüttelte sie durch. Sie schrie ihre Erlösung hinaus und sackte entkräftet zusammen.

Das Klingeln ihres Handys riss Dana aus einem wunderschönen Traum. Schlaftrunken tastete sie nach dem Störenfried. »Ja?«, murmelte sie.

Aus dem Gerät erscholl die tadelnde Stimme ihres Kollegen Tim Bauer: »Wo bleibst du, Dana? Es ist schon nach neun!«

Erschrocken fuhr sie auf und fasste sich an die Stirn, bemüht, zu sich zu kommen. »Oh Mann, ich . . .«

Ein belustigtes Lachen drang durch den Hörer. »Ich weiß, dass ich ein Mann bin, Dana . . . und dass diese Tatsache dich eher weniger interessiert.« Er hüstelte vielsagend. »Und trotzdem schiebst du deinen hübschen Hintern jetzt schleunigst hierher.«

Die saloppe Art ihres Lieblingskollegen trieb Dana ein Schmunzeln ins Gesicht. »Gib mir eine halbe Stunde, Tim, ich beeile mich.«

Erst als sie aufgelegt hatte, fiel Dana auf, dass das Bett neben ihr leer war. Irritiert tastete sie dennoch über das Laken und ließ ihre Hand sogar unter der Bettdecke verschwinden. Sie brauchte ein paar Sekunden, um endgültig zu realisieren, dass Jule nicht hier war.

Barfuß tapste sie die wenigen Meter bis zum Bad, aber sie fand es ebenso leer vor. Sie wollte schon kehrtmachen, um auch den Rest ihrer Dreiraumwohnung zu inspizieren, als ihr Blick auf den gelben Klebezettel fiel, der am Spiegel hing. Sie trat ein bisschen näher heran und las die Zeilen darauf, ohne den Zettel in die Hand zu nehmen.

Verzeih mir . . . Ich wollte dich nicht aufwecken. Danke für diese atemberaubende Nacht. Jule

»Na toll«, grummelte Dana verdrossen, »auf und davon, wie ein kleines Vögelchen.«

Noch auf dem Weg zu ihrem Büro lief Dana ihrem Kollegen Tim über den Weg. Ein Blick in ihr unausgeschlafenes Gesicht genügte ihm offenbar, um sofort die richtigen Schlüsse zu ziehen. »Wohl ’ne lange Nacht gewesen?«, zog er sie auf.

Dana winkte mürrisch ab. »Ich hatte noch nicht mal einen Kaffee, also verschone mich bitte noch ein klein wenig.«

Sie hatte so viel zu erledigen, dass sie nicht so recht wusste, wo sie anfangen sollte. Außerdem wollte sie heute unbedingt noch im Krankenhaus bei ihrem Sorgenkind vorbeischauen. Und zu diesem vollgepackten Terminplan kam nun noch erschwerend hinzu, dass sie permanent an Jule und die vergangene Nacht denken musste.

Sie lächelte verträumt, nur um gleich darauf beim Gedanken an heute Morgen nachdenklich die Stirn krauszuziehen. Wieso hatte Jule sich einfach so davongeschlichen? Noch wenige Stunden zuvor hatte sie so erleichtert, beinahe glücklich gewirkt, weil Dana sie nicht fortgeschickt hatte, sondern gemeinsam mit ihr einschlafen wollte. Das ergab doch keinen Sinn. Dana schüttelte den Kopf.

Außerdem hatte sie bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, ob und wie es jetzt weitergehen sollte. Würden sie sich wiedersehen?

Während sie nach einer Antwort suchte, fiel ihr Blick auf ihr Diensttelefon. Das Display zeigte ihr einen verpassten Anruf an. Die Nummer konnte sie sofort Dr. Ludwig, der Anwältin, zuordnen.

»Was will die denn schon wieder?« Genervt verzog Dana das Gesicht und beschloss, den Anruf bis auf weiteres zu ignorieren. Dafür hatte sie jetzt ohnehin keine Zeit, mal ganz abgesehen davon, dass die Anwältin sie nur noch mehr an Jule erinnerte.

Die folgenden zwei Stunden brachte Dana damit zu, alle Erkenntnisse zusammenzutragen, die sie über »Mickey« gewinnen konnte – diesen verdammten Zuhälter, den sie im Verdacht hatte, die siebzehnjährige Mandy so übel misshandelt zu haben. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Anzeigen gegen ihn wegen Zuhälterei, Menschenhandel und Körperverletzung gegeben, aber die unzähligen Ermittlungsverfahren hatten am Ende kaum zu einer Anklageerhebung, geschweige denn zu einer Verurteilung geführt. Entweder widerriefen die Geschädigten ihre Aussagen, oder sie verschwanden gleich ganz von der Bildfläche. Nötigung, Bedrohung und Erpressung waren an der Tagesordnung im Rotlichtmilieu.

Missmutig klopfte Dana mit dem Kugelschreiber auf die Computertastatur. Tim hatte sie ins Grübeln gebracht, als er gestern vorsichtig angemerkt hatte, dass sie sich da vielleicht in etwas verrannte. Was, wenn die Verletzungen ihres jüngsten Opfers gar nicht von Mickey zugefügt worden waren, hatte er sie gefragt. Er hatte sich mit dem Elternhaus der jungen Frau beschäftigt und dabei herausgefunden, dass ihr Vater ein Trinker und Schläger war.

Und Dana war ja auch im Krankenhaus selbst der Mutter des Mädchens begegnet und über deren jämmerlichen Zustand schockiert gewesen. Es war also durchaus naheliegend, dass sie auch im familiären Umfeld nach dem Täter suchen mussten.

Gut, dachte sie kämpferisch, dann werden wir ihren Eltern mal einen Besuch abstatten. Aber vorher wollte sie zu dem Mädchen selbst. Vielleicht war sie ja heute etwas gesprächiger.

Sie nahm einen großen Schluck von dem inzwischen kalten Kaffee und verzog angewidert den Mund. Gerade als sie schon fast auf dem Weg nach draußen war, klingelte das Telefon.

Auch das noch, dachte sie beim Anblick der Rufnummer im Display. Einen Moment lang zögerte sie, aber es klingelte hartnäckig weiter. Schließlich griff sie nach dem Hörer und meldete sich süffisant: »Frau Dr. Ludwig, was kann ich für Sie tun?«

»Ich benötige das Justizaktenzeichen im Fall Juliane Köhler«, kam die Anwältin sofort zur Sache.

»Damit kann ich Ihnen leider nicht dienen. Die polizeilichen Ermittlungen sind bestimmt noch nicht abgeschlossen. Wenden Sie sich doch bitte mit der Vorgangsnummer an unsere Behörde.«

Ein bedrohliches Grollen drang an Danas Ohr. »Dann verraten Sie mir doch mal, was meiner Mandantin eigentlich konkret vorgeworfen wird.«

Dana rollte mit den Augen. Im selben Augenblick klopfte es auch noch, und Tim stand in der Tür. Dana bedeutete ihrem Kollegen mit einer ungeduldigen Handbewegung, dass sie gleich für ihn da sein würde, was er mit einem fragenden Blick beantwortete. So genervt kannte er sie vermutlich nicht. Normalerweise war Dana ausgeglichen und nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Aber er schien zu merken, dass er jetzt nur stören würde, nickte ihr kurz zu und schloss beim Hinausgehen leise die Tür hinter sich.

»Hören Sie mir überhaupt zu?«, donnerte es durch den Hörer.

»Aber selbstverständlich, werte Frau Doktor.« Dana pfefferte ihre Antwort im gleichen Ton zurück. Was du kannst, kann ich schon lange. »Beantragen Sie Akteneinsicht wie jeder andere Rechtsanwalt auch. Außerdem bin ich mir sicher, dass Sie darüber längst informiert sind.«

»Jetzt passen Sie mal auf, Frau Peters . . .« Die Stimme der Rechtsanwältin wurde schneidend. »Schreiben Sie mir nicht vor, was ich zu tun oder zu lassen habe. Wegen dieser albernen Hausbesetzergeschichte haben Sie bei meiner Mandantin eine erkennungsdienstliche Maßnahme durchführen lassen? Ihr Fingerabdrücke abgenommen?«

Plötzlich musste Dana grinsen. Jules Fingerabdrücke hatte sie inzwischen auch überall auf ihrem Körper . . . und nicht nur das. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf, als sie an letzte Nacht dachte. Sie räusperte sich. Es war gar nicht so leicht, sich unter diesen Umständen auf etwas anderes zu konzentrieren.

»Ja«, antwortete sie so sachlich und ruhig wie möglich, »weil Jule . . . äh, Frau Köhler . . .« Verdammt noch mal, das hätte ihr nicht passieren dürfen. Dana fuhr sich hektisch durch die Haare. Hoffentlich war es der Anwältin nicht aufgefallen. ». . . sich nicht ausweisen konnte. Außerdem ist sie Wiederholungstäterin, und sie hatte Drogen in ihrem Besitz.«

»Ach, machen Sie sich doch nicht lächerlich. Wir sprechen hier von höchstens zwei Gramm Cannabis.«

Dana holte tief Luft. »Das stimmt, und trotzdem ist es nun mal ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das dürfte Ihnen ja bekannt sein.« Sie konnte es einfach nicht verhindern, dass diese Frau sie auf die Palme brachte.

»Nun, offenbar hat die Polizei nichts Besseres zu tun.«

Das reichte jetzt wirklich. Dana hatte endgültig genug von dieser selbstgefälligen Rechtsanwältin. »Was haben Sie eigentlich für ein Problem, Frau Dr. Ludwig?«, schoss es aus ihr heraus.

Am anderen Ende der Leitung lachte es abfällig. »Ich hab kein Problem, aber vielleicht haben Sie ja bald eins.«

»Was wollen Sie damit . . .«

Tuut, tuut, tuut . . . Dana konnte es nicht fassen. Diese dreiste Person hatte einfach aufgelegt. Sie stützte den Kopf in die Hände und verharrte reglos, bis sich ihr Puls wieder beruhigt hatte.

2

Eben erst war Dana von einem Außeneinsatz ins Büro zurückgekehrt, als das Telefon klingelte. Sie warf einen Blick auf das Display und sah, dass es sich um eine öffentliche, ihr unbekannte Nummer handelte.

»Kripo Berlin, Direktion 5, K 3, Peters«, meldete sie sich ordnungsgemäß, aber kurz und bündig.

»Guten Tag, Frau Peters, hier ist Dr. Ludwig. Ich bin Rechtsanwältin von der Kanzlei Hoffmann und Partner.«

Dana lauschte gespannt der etwas herrischen Stimme am anderen Ende der Leitung. Der Name der Anwältin sagte ihr nichts. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals mit ihr zu tun gehabt zu haben. »Guten Tag«, antwortete sie förmlich, »was kann ich für Sie tun?«

»Ich vertrete Frau Juliane Köhler in der Sache . . .« Im Hörer raschelte es. Anscheinend suchte die Anruferin nach der Vorgangsnummer, um sie durchzugeben.

Dana kam ihr zuvor: »Ich weiß, worum es geht, aber da sind Sie bei mir falsch. Ich habe lediglich die Vernehmung mit Frau Köhler durchgeführt, aber ich bearbeite das Ermittlungsverfahren nicht.«

Die Anwältin räusperte sich kurz, dann klang es unwirsch aus dem Hörer: »Das ist mir bereits bekannt. Aber es geht um die Vernehmung. Warum haben Sie mich vorher nicht informiert?«

Bitte? Dana glaubte sich verhört zu haben. Ihr Puls schoss sofort in die Höhe, und ihre Finger trommelten auf der Schreibtischplatte. »Frau Köhler wurde von mir vorschriftsmäßig belehrt«, erklärte sie mit mühsam erzwungener Ruhe. »Sie hat nicht nach einem Verteidiger verlangt.« Sie machte eine kleine, bedeutungsschwere Pause und fügte dann ironisch hinzu: »Sie meinte lediglich, dass ihre Anwältin uns in der Luft zerfetzen wird.« Das konnte sie sich einfach nicht verkneifen. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Grinsen, als sie daran zurückdachte, wie impulsiv Juliane Köhler gewesen war. Und plötzlich fragte sie sich, was sie ihrer Anwältin alles erzählt haben mochte.

»Ich wünsche grundsätzlich bei den Vernehmungen meiner Mandanten anwesend zu sein«, schoss Frau Dr. Ludwig zurück. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, höflich zu sein.

Zwei vom selben Schlag, dachte Dana. Aber anders als bei Juliane Köhler ärgerte sie das Gehabe der Frau Doktor enorm. Als Rechtsanwältin dürfte ihr die Regelung zum Anwesenheitsrecht bei polizeilichen Vernehmungen bekannt sein. Was also sollte dieser ungehobelte Auftritt?

»Wie ich schon sagte«, informierte sie die Anwältin kühl, »hat Frau Köhler nicht nach Ihnen verlangt. Sie hat ohnehin die Aussage verweigert.« Sie wollte dieses Telefonat schnellstmöglich beenden. Schließlich gab es wichtigere Aufgaben, die sich in Form von Aktenbergen auf ihrem Schreibtisch stapelten.

»Das wäre ja auch noch schöner gewesen«, ereiferte sich die Frau Verteidigerin. Sie schien keine Anstalten zu machen, Danas unausgesprochenem Wunsch nachzukommen.

»Hören Sie, Frau Dr. Ludwig . . .« Dana atmete tief durch. Jetzt bloß nicht gereizt reagieren, damit würde sie der Dame nur Futter geben. »Ich habe Ihre Bitte zur Kenntnis genommen. Und sollten Frau Köhler und ich noch einmal das Vergnügen miteinander haben, werde ich Sie selbstverständlich anrufen.« Das Wort Bitte hatte Dana besonders betont, Befehl hätte aber wahrscheinlich besser gepasst. Sie gluckste zufrieden in sich hinein: Bestimmt war ihr zynischer Tonfall bei der Frau Anwältin nicht unbemerkt geblieben.

Frau Dr. Ludwig stieß scharf die Luft aus, dass es regelrecht durch den Hörer zischte. Yes, dachte Dana zufrieden. Hätte sie nicht gesessen, hätte sie sich vielleicht zu einer Strike-Siegerpose hinreißen lassen. »Alles klar«, drang es eisig an ihr Ohr. »Wir hören mit Sicherheit noch voneinander. Auf Wiederhören, Frau Peters.« Schon machte es Klick in der Leitung. Das letzte Wort hatte natürlich die feine Frau Doktor für sich beansprucht.

Dana schmunzelte und zuckte gleichmütig mit den Schultern. Damit konnte sie leben.

Der Rest des Tages zog sich wie Kaugummi, obwohl es Dana keineswegs an Arbeit mangelte und damit auch kein Platz für Langeweile war. Sie steckte bis zum Hals in ihrem aktuellen Fall, schrieb Berichte, wertete Handy-Daten aus, recherchierte unter Ausnutzung aller ihr zur Verfügung stehenden Auskunftssysteme, telefonierte mit der Kriminaltechnik in der Hoffnung, dass ein paar verwertbare Spuren gesichert werden konnten. Für das forensische Gutachten musste sie sich allerdings noch gedulden. Alles brauchte seine Zeit. Am Ende war Dana trotz der vielen Arbeit kaum vorangekommen. Resigniert rieb sie sich über die müden Augenlider.

Sie musste sich eingestehen, dass der Fall sie auch emotional mitnahm. Das Opfer, eine junge Frau von siebzehn Jahren, war fast noch ein Kind. In der Nacht zum Samstag hatte die Rettungsleitstelle eine schwerverletzte Person gemeldet, bei der aufgrund des Verletzungsbildes ein Straftatverdacht nahelag, und gestern war Dana dann offiziell mit den Ermittlungen in dieser Sache beauftragt worden und hatte das Mädchen sofort im Krankenhaus aufgesucht. Obwohl der Anblick des Teenagers leider nichts Neues für sie war – viel zu oft hatte sie Derartiges in ihrem Berufsleben schon mit ansehen müssen –, war sie zutiefst erschrocken.

Das Gesicht der Kleinen war kaum mehr zu erkennen gewesen. Schnittwunden, aufgeplatzte Lippen, blutunterlaufene Augen, alles zu einer blau-grün gefärbten, unförmigen Masse geschwollen. Ihr zarter, ausgemergelter Körper war von Hämatomen und mehr oder weniger tiefen Schnittverletzungen übersät, ihr rechter Arm gebrochen. Es war das Resultat eines Gewaltaktes von unvorstellbarer Brutalität. Wieder einmal. Die Ohnmacht, der sich Dana angesichts derart übel zugerichteter Frauen ausgesetzt sah, machte sie jedes Mal wütend. Auch dieses Mädel war Opfer ihres Zuhälters geworden, dessen war sich Dana sicher; aber beweisen konnte sie es nicht. Die Frauen redeten einfach nicht, sie schwiegen aus Angst und gerade die jungen Mädchen oftmals auch aus Scham. Sie leugneten standhaft, dass sie sich prostituierten, geschweige denn, dass sie zugeben würden, dazu gezwungen worden zu sein.

Und in dem Moment, als Dana das Krankenzimmer wieder verlassen wollte, war die Mutter des Mädchens hereingekommen – betrunken, in einem verwahrlosten Zustand. Gott im Himmel, hatte Dana entsetzt gedacht, diese Kinder haben einfach keine Chance. Sie hätte die Mutter am liebsten angeschrien oder sie geschüttelt. Aber was wusste sie denn schon von ihr, um sich zu einem solchen Gefühlsausbruch hinreißen zu lassen?

Es war bereits acht Uhr abends, als Dana sich endlich von der Arbeit loseisen konnte. Jetzt noch schnell ein paar Kleinigkeiten einkaufen, und dann freute sie sich auf einen gemütlichen Fernsehabend bei einem Glas Wein.

Als sie den Einkaufsmarkt in der Nähe ihrer Wohnung betrat, herrschte noch Hochbetrieb. Missmutig griff sie nach einem Korb und verzog sich in die Gemüseecke, wo am wenigsten los zu sein schien. Sie blies die Backen auf und stieß die angestaute Luft heraus. Wie sie dieses Gedränge hasste. Was machten die ganzen Leute bloß den lieben langen Tag, dass sie alle auf einmal hier aufschlagen mussten? Noch immer vor sich hin grummelnd schnappte sie sich eine Gurke, um sie in ihren Einkaufskorb gleiten zu lassen.

»Nimm doch zwei, dann kannst du eine essen«, raunte es dicht an ihrem Ohr.

»Was?« Wie vom Blitz getroffen schnellte Dana herum. Um ein Haar wäre sie über eine Tomatenkiste gestolpert, die vollkommen deplatziert auf dem Boden im Gang stand. Der Korb mitsamt Gurke glitt ihr aus den Händen, als sie das Gleichgewicht verlor, nach vorn kippte und sich an Juliane Köhler abstützen musste, die jetzt direkt vor ihr stand.

Deren Gesichtsausdruck, dem amüsierten Lächeln, das ihre Lippen umspielte, konnte Dana entnehmen, dass sie diesen Umstand als durchaus angenehm empfand. Aber ihr selbst war es ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Was für eine Unverschämtheit von dieser Frau, sie einfach so zu duzen und mit einem sexistischen Witz zu überrumpeln. Hastig zog sie ihre Hände weg und kam prompt erneut ins Straucheln.

Als sie endlich wieder sicher auf den Beinen stand, warf sie Juliane Köhler einen empörten Blick zu. »Machst du das immer so?« Im nächsten Moment hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Mist. Jetzt hatte sie vor lauter Wut selbst vergessen, die Höflichkeitsform zu wahren.

Juliane Köhler schüttelte den Kopf und kratzte sich am Hals, nun plötzlich verlegen dreinblickend. »Entschuldigung«, murmelte sie. »Es war mir einfach so rausgerutscht. Ich hab nicht groß drüber nachgedacht.« Sie ließ einen Augenaufschlag folgen, der Dana fast von den Füßen riss.

Was war das nur mit dieser Frau, dass Dana sich so stark von ihr angezogen fühlte? Hastig trat sie einen kleinen Schritt zurück und atmete tief durch. Sie musste dringend etwas mehr Platz zwischen sich und ihr schaffen. Trotz der eingeschalteten Klimaanlage hier drinnen fühlte Dana eine glühende Hitze in ihrem Körper aufsteigen, als wäre sie in einen beheizten Backofen gesprungen. Aber zum Glück war sie immer noch wütend genug, um die wunderschönen vollen Lippen, die ihr immer noch viel zu nah waren, nicht auf der Stelle zu küssen.

»Mir scheint, Ihnen rutscht öfter einfach mal was raus«, blaffte sie. »Was machen Sie überhaupt hier?«

»Einkaufen?« Juliane Köhler lächelte zaghaft. Es war ihr anzusehen, dass sie sich längst nicht mehr so wohl in ihrer Haut fühlte wie noch vor einer Minute. Ihr Blick huschte immer wieder an Dana vorbei oder Richtung Boden.

Was das betraf, würde es also heute kein neuerliches Duell geben. Gut so, denn Dana hätte es im Moment auch nicht drauf anlegen wollen. »Hier?«, fragte sie dennoch misstrauisch nach. »Sie wohnen nicht einmal ansatzweise in der Nähe.«

Juliane Köhler grinste verschmitzt. »Meine Adresse haben Sie sich also gemerkt?«

Dana biss sich vor Schreck auf die Lippen. War sie denn vollkommen verrückt geworden? »Ich merke mir eine ganze Menge«, erwiderte sie barsch. So ungehalten hatte sie eigentlich gar nicht reagieren wollen, aber jetzt galt es erst mal, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Verflixt noch mal, so hatte sie sich das Wiedersehen mit dieser hinreißenden Frau nicht vorgestellt. Müde hob sie die Hand und winkte ab: »Geht mich ja auch gar nichts an. Ich muss ohnehin weiter, hab noch einiges zu erledigen.« Sie bückte sich nach ihrem Korb, grummelte ein kurzes »Tschüss« und ging zielstrebig in Richtung Backwaren.

Keine fünf Sekunden später hörte sie ein leises »Warten Sie . . . bitte!« Juliane Köhler hielt sie mit flehendem Blick am Arm fest. Sie war ihr tatsächlich hinterhergelaufen.

Ungläubig starrte Dana sie an.

»Ich war bis eben noch in dem Jugendclub hier um die Ecke. Wollte nach dem Rechten sehen, ein bisschen mit den Kids plaudern . . . deshalb . . .« Juliane verstummte.

Dana griff nach der Hand, die immer noch ihren Arm festhielt. »Wie ich schon sagte, das geht mich gar nichts an.« Ihre eigene Stimme hörte sich seltsam rau und dunkel an. Ihr Blick verfing sich in den wunderschönen braunen Augen, verweilte eine Spur zu lang darin.