KAPITEL 4
Das Geheimnis


MR SNEEZEWEED FÜHRTE die Zöglinge durch den langen schmalen Flur des Sperberhauses. »Eins, zwei, eins, zwei! Haltet euch ran, ihr nutzlosen kleinen Biester!«, trieb er sie an und hielt dabei drohend das Paddel hoch.
An diesem Montagmorgen zogen sie wie an jedem Morgen in den tristen Speisesaal ganz am anderen Ende des Heims. Nummer Dreizehns Magen knurrte ununterbrochen. Der Weg erschien ihm endlos lang, denn das Waisenhaus war sehr weitläufig. Vom Mittelpunkt des kreuzförmigen Bauwerkes gingen vier langgestreckte Häuser ab. Jedes war nach einem Raubvogel benannt: Habicht, Sperber, Falke und Eule. Das Sperberhaus führte von der Mitte des Kreuzes bis ganz nach hinten zu den Schlafsälen der Waisen und zu dem Hof, in dem sie sich zum Morgenappell versammelten. Schulzimmer und Speisesaal lagen im Habichtshaus, das gegenüber dem Sperberhaus den vorderen Teil des Gebäudes bildete. Ganz vorn befand sich die dicke Eichentür, vor der Miss Carbunkles Hunde knurrten und sabberten und bellten.
Das Eulen- und das Falkenhaus bildeten die seitlichen Arme des Kreuzes. Darin befanden sich Dutzende von Werkstätten, darunter auch eine heimeigene, mit Dampfkraft betriebene Fabrik. Hier bauten die Zöglinge unter Anleitung eines übellaunigen Meisters namens Mr Bonegrubber, von den Waisen auch Knochenklauber genannt, merkwürdige kleine Geräte zusammen. Sie sahen aus wie kleine schwarze Käfer, und wozu sie gut waren, wussten die Zöglinge nicht.
Auch wie es in den ersten Stockwerken der Häuser aussah, wussten sie nicht, denn dort hatten nur Miss Carbunkle und ihre Angestellten Zutritt. Natürlich hatten die Waisen ihre Theorien. Sie reichten von mittelalterlichen Folterkammern mit Kesseln voll kochendem Öl, in die unartige Erdlinge getaucht wurden, bis hin zu scheußlichen Zellen, in denen böse Geschöpfe gezwungen wurden, Schüsseln voller großer, behaarter, giftiger Spinnen leer zu essen. Was die Kellerräume anging, waren alle sich sicher, dass sie mit riesengroßen schwarzen Ratten bevölkert waren, die gern Zehen anknabberten und einen Erdling unter Umständen auch mit Haut und Haaren verspeisten, wenn er sich lange genug dort unten aufhielt.
»Hopp, hopp! Beeilt euch!«, brüllte Mr Sneezeweed. Sein Fuß schmerzte nach Miss Carbunkles Stich mit der Stockspitze immer noch, daher war er besonders gereizt.
Sie gelangten in die große Halle, wo sich alle vier Flure trafen und wo sich auch Miss Carbunkles Büro befand. Vor der Tür des Büros verlangsamte Sneezeweed plötzlich sein Tempo, denn Neid packte ihn. Das Büro der Schulleiterin war sehr geräumig, ebenso wie ihre Wohnräume, was man von seinem eigenen Zimmerchen nicht gerade behaupten konnte. Miss Carbunkles Büro war schalldicht und bestand aus einem speziellen Glas, das es ihr erlaubte, nach draußen zu sehen, ohne dass jemand zu ihr hineinsehen konnte. Es reichte vom Keller bis in den ersten Stock. Eine Wendeltreppe führte ganz nach oben in ihre Privaträume, und von dort aus gelangte sie in ihren Beobachtungsturm. Hier konnte sie mit ihrem Fernglas oder der Fernglasbrille in alle Richtungen Ausschau halten. Ihre Zimmer waren zwar nicht üppig eingerichtet, aber groß, modern und sauber.
Mr Sneezeweed dagegen schlief in einem Kämmerchen, in das gerade ein Bett und eine Kommode hineinpassten. Es befand sich im Sperberhaus, gleich neben der Krankenstube und gegenüber dem Schlafsaal der Kleinen. Er hatte die Aufgabe, die Erdlinge nachts zu beaufsichtigen, was dazu führte, dass er kaum Schlaf bekam. Ein Babysitter für Missgeburten bin ich, mehr nicht, sagte er zu sich selbst, während er durch die große Halle ging und an Miss Carbunkles Büro vorbeikam.
Vor Miss Carbunkles Büro stand eine riesengroße Kuckucksuhr. Nummer Dreizehn trug den Kopf gesenkt, um nicht sehen zu müssen, was gleich passieren würde, wie immer zur vollen Stunde, gerade wenn alle hier vorbeizogen. Aus einem Türchen im Zifferblatt erschien ein leuchtend gelber Vogel. Der mechanische Kuckuck zwitscherte und tanzte genau zehn Sekunden lang. Dann schoss ein großer Schnabel hervor und verschluckte das Vögelchen mit einem grässlichen SCHNAPP!
Endlich erreichten sie den Speisesaal. »Nehmt eure Schüsseln, setzt euch und seid still!«, rief Mr Sneezeweed. Er riss an dem dicken Seil, das von einem Dachbalken herunterhing, und ein schrilles Läuten verkündete den Beginn des Frühstücks.
Die Zöglinge bekamen nur Frühstück und Abendessen, und es gab immer das Gleiche: morgens Haferbrei und abends eine dünne Erbsensuppe und trockenes, grobes Brot. Manchmal gab es zum Abendessen auch noch ein Stück rohe Rübe oder eine kleine Möhre oder eine Pellkartoffel, aber dieser Luxus war selten. Nummer Dreizehn war jeden Morgen ausgehungert.
Er setzte sich an den langen Holztisch, an dem sich die kleinsten Erdlinge versammelten – die gutmütige, stachelige Mimi, die sich weigerte, größer zu werden als ein Igel, Blinzel, der eine Kreuzung aus Schwein und Mops war, der Dackel-Erdling Nickel, die kaninchenähnlichen Zwillinge Nesbit und Schnuck, die Faultier-Erdlinge Morris und Mo und der Wombat-Erdling Rufus. Nesbit und Schnuck sahen Nummer Dreizehn freundlich an und formten mit den Lippen ein unhörbares Hallo. Er brachte ein schüchternes Lächeln zustande und machte sich dann über sein Schälchen mit grauem Haferbrei her. Auch die Faultier-Brüder begrüßten ihn, aber sie brauchten so lange, um die Münder zu öffnen, dass Nummer Dreizehn ihren Gruß nicht bemerkte.
Der Speisesaal war hoch und hatte eine Gewölbedecke. Die Wände waren in einem früheren Leben mit farbigen Malereien geschmückt gewesen, und die Mönche hatten hier ihre Chorproben abgehalten. Doch inzwischen waren Wände und Decke schon lange mit einem düsteren Eisengrau überstrichen. Anders jedoch als die übrigen Räume, in denen nur eine weiße Uhr an jeder Wand hing, war der Speisesaal auf ganz besondere Weise dekoriert.
Überall hingen Schilder, dicht an dicht, vom Fußboden bis nach oben zur Decke. Darauf standen Miss Carbunkles Lieblingssprüche, wie: Kenne deinen Platz! Er ist ganz unten! und Die Zeit wartet nicht – und schon gar nicht auf dich! und Gesegnet ist, wer dient und gehorcht! und Musik ist die Wurzel allen Übels!
Nummer Dreizehn warf einen Blick auf das Schild, das über seinem Tisch hing: Warum nach den Sternen greifen, wenn die Sterne außer Reichweite sind? Er seufzte. Gute Frage, sagte er zu sich selbst.
Seine beiden Widersacher und ihr neuer Freund setzten sich an einen Tisch in der Nähe. Wer war diese Kreatur mit den schwarzen Kieselaugen und dem Abwasser-Atem? Nummer Dreizehn spürte, dass die Drei ihn hinter seinem Rücken anstarrten, denn sein ganzes Ohr juckte davon. Ich tue einfach so, als wäre ich unsichtbar, dachte er und aß schweigend seinen wässrigen Haferbrei.
Es wurde ohnehin von ihm erwartet, dass er schwieg. Schweigen und Stille, das war die erste und wichtigste von Miss Carbunkles goldenen Regeln.
Lärm, darunter auch Gespräche, wurde praktisch nicht geduldet. Im Speisesaal war jedes Geräusch, das nicht unbedingt nötig war, streng verboten. Für manche, die unwillkürlich leise Schnüffelgeräusche machten, während sie die bescheidenen Portionen hinunterschlangen, war diese Regel schwer zu befolgen. Wer bei den Mahlzeiten redete, sich nicht ordentlich benahm oder aber so dumm war, den missmutigen Mr Bunmuncher um einen Nachschlag zu bitten, kassierte mehrere harte Schläge auf das Hinterteil. Mr Bunmuncher, den die Zöglinge heimlich Semmelmampfer nannten, war der Koch des Heims. Sein großer kahler Schädel ähnelte einem glänzenden rosa Schinken.
Singen, Summen und Musizieren jeder Art waren ebenfalls verboten. In Miss Carbunkles Augen war Musizieren sogar das schwerste Vergehen überhaupt. Bei Verstößen wurde der Übeltäter zu einem Monat Einzelhaft in das sogenannte Rattenverlies im Keller geschickt und musste zudem wochenlang Toiletten schrubben.
Nummer Dreizehn bemerkte, dass die beiden kleinen Erdlinge neben ihm unter dem Tisch Zettelchen austauschten. Selbst in diesem grässlichen Haus gelang es den Waisen, sich zu verständigen. Sie unterhielten sich hastig flüsternd, mithilfe kleiner Grimassen oder mit einem Geheimcode aus Klopfzeichen mit Fuß, Hand oder Pfote. Sie steckten sich winzige Briefchen, Geschichten und Bilder zu. Es war unmöglich, nicht miteinander zu sprechen oder zu lachen, auch wenn es klammheimlich geschehen musste. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft war viel größer als die Angst vor Strafen, mochten sie noch so hart sein.
Auch der einohrige Waisenjunge sehnte sich nach Freunden. Aber immer wenn er den Mut aufbrachte, auf jemanden zuzugehen, sprach er so leise und stotterte so sehr, dass man ihn kaum verstehen konnte. Einige Erdlinge und vor allem die Heimleiterin und Mr Sneezeweed behandelten ihn, als wäre er taub. Für sie war es unvorstellbar, dass dieses stammelnde Geschöpf mit dem Namen Nummer Dreizehn und dem einen jämmerlichen Ohr überhaupt hören konnte.
Doch Nummer Dreizehn hörte gut.
Er hörte alles, was um ihn herum geschah. Und wenn er sich scharf genug konzentrierte und sich an einen stillen Ort in sich selbst zurückzog, konnte er manchmal sogar außergewöhnlich gut hören.
Er hörte die heimlichen Bewegungen von Insekten, die unter den Bodendielen und in den Wänden fleißig ihre Arbeit verrichteten, und fragte sich, ob sie ihn ebenfalls hören konnten. Er hörte, wie der alte Esel im Stall sich abends leise in den Schlaf iahte und wie die beiden Kutschpferde im Sommer mit ihren Schweifen Fliegen verjagten. Nummer Dreizehn hatte diese Tiere noch nie gesehen, aber er wusste, dass es sie gab. Und im Winter konnte er sogar im Hof den Schnee fallen hören. Bei schlechtem Wetter hörte er die schönsten Geräusche: pfft, pfft, pfft, wusch, pfft, pfft, pfft, wusch. Dann fragte er sich, ob diese Melodie des Schnees wohl eine Art Lied war.
Wenn dann im Frühling in dem Baum draußen hinter der Mauer ein Vogel sang, klein und mit zarten Flügeln, dann konnte Nummer Dreizehn ihn so deutlich hören wie die Glocke drinnen im Heim. Er hörte jedes leise Knacken, jedes sanfte Flattern, wenn der Vogel von Ast zu Ast hüpfte. Am allerschönsten aber war der zärtliche Gesang der Vogelmutter, wenn sie zu ihrem neuen Nest flog. Dieses Lied erfüllte Nummer Dreizehn mit einer so unerträglichen Sehnsucht, dass er meinte, das Herz müsse ihm zerspringen.
Seine Fähigkeit – ob sie eine Gabe war oder ein Fluch, das wusste Nummer Dreizehn nicht – hatte sich ständig weiterentwickelt, seit er denken konnte. Aber warum? Und besaßen andere sie auch? Nummer Dreizehn bezweifelte das, und weil er sich davor fürchtete, anders zu sein, erzählte er niemandem davon.
Trotz Miss Carbunkles goldener Regel der Stille und des Schweigens füllte sich der Saal allmählich mit Geräuschen. Die Blechschalen klapperten auf den Tischen, Freunde flüsterten miteinander, Nieswurz rief alle paar Minuten »Ruhe!« und trötete laut beim Naseputzen, und an allen Wänden in allen Zimmern und auf allen Stockwerken tickten unermüdlich die Uhren.
Als Nummer Dreizehn aufgegessen hatte, schloss er die Augen, konzentrierte sich und lauschte. Nicht auf das zunehmende Getöse ringsherum oder auf das Ticken der tausend Uhren, sondern auf etwas, das tief aus dem Bauch des Gebäudes kam, nämlich auf die unruhigen kleinen Mäuschen, die hinter den Wänden umherhuschten.
An ihr Scharren und Piepsen war Nummer Dreizehn gewöhnt. Aber an diesem Morgen hörte er etwas Neues, etwas sehr Merkwürdiges, Wundersames.
Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er die Mäuse sprechen hören.
Werde ich jetzt verrückt?, dachte er. Nein, das sind eindeutig Mäuse. Und ich kann jedes Wort, das sie sagen, verstehen.
Was bedeutete das? Bisher hatte Nummer Dreizehn gedacht, nur Menschen und Erdlinge könnten sprechen. Aber Mäuse? Die Menschen bezeichneten sie als dumme Tiere, sie standen sogar noch unter den Erdlingen. Machte ihre Fähigkeit zu sprechen sie vielleicht auch zu Erdlingen? Und wenn nicht, warum war er der Einzige, der sie hören konnte? Außer ihm schien niemandem die lebhafte Unterhaltung hinter den Wänden aufzufallen.
Nummer Dreizehn beugte sich zur Wand und neigte sein Ohr dagegen.
Die Mäuse sprachen anscheinend über eins ihrer Lieblingsthemen, nämlich über das Essen. Ihr Geplauder war faszinierend. Innerhalb weniger Minuten erfuhr Nummer Dreizehn, dass sie erstens Käsekenner waren und insbesondere eine französische Sorte namens Brie schätzten, dass sie zweitens äußerst, ja, fast schon übertrieben höflich waren und dass sie drittens ausgeprägte Meinungen zu etwas hatten, das Poesie hieß. Was immer das sein mochte, die Mäuse diskutierten leidenschaftlich darüber.
Doch dann begann hinter der Wand eine weitere Unterhaltung. Sie wurde immer lauter, bis sie die piepsigen Stimmchen der Mäuse übertönte und sie offenbar forttrippelten. Nummer Dreizehn vermutete, dass die beiden neuen Sprecher Ratten waren, die großen schwarzen Ratten, die durch die Abwasserrohre in den dunklen Keller huschten, in den Miss Carbunkle ungezogene Erdlinge schickte. Ihr Gespräch war größtenteils böse, aber auf vornehme Weise.
RATTE EINS: Sag mal, hast du eigentlich dieses köstliche tote Etwas gesehen, das ich letzte Woche gefunden habe?
RATTE ZWEI: Aber ja, das war in der Tat ein vorzüglicher Fund! Kompliment, mein Freund, Kompliment!
RATTE EINS: Ja, der Meinung bin ich auch. Aber nicht alle dachten so. Du weißt schon, von wem ich spreche.
RATTE ZWEI: Allerdings! Er ist wirklich ein Neidhammel, nicht wahr? Du weißt doch, man sagt: Neid ist Unwissenheit.
RATTE EINS: Da hast du recht.
RATTE ZWEI: Also, guter Freund, wie hast du reagiert? Solchen Ratten muss man eine Lektion erteilen, möchte ich doch sagen.
RATTE EINS: In der Tat! Wie du dir vorstellen kannst, hatte ich tatsächlich nur eine Möglichkeit. Ich habe ihn gefressen. Das hatte er wirklich verdient.
RATTE ZWEI: Recht so, gut gemacht! Kompliment, alter Kumpel!
Nummer Dreizehn überlief ein Schauder. Wahrscheinlich, dachte er, sind sie mit dieser schrecklichen Ratte verwandt, diesem Freund von – Plötzlich spürte er, wie etwas Kaltes, Feuchtes, Klebriges ihn am Hinterkopf traf und ihm dann in den Nacken tröpfelte. Als er sich umdrehte, sah er Mug und Orlick bis über beide Ohren grinsen. Ihr neuer Freund saß mit höhnischem Lächeln zwischen ihnen. Er legte den Löffel hin, den er als Schleuder für den kalten Haferbrei benutzt hatte, und gähnte, sodass seine rasiermesserscharfen Zähne zu sehen waren.
Nummer Dreizehn wischte sich mit dem Hemdsärmel den Brei ab. Jetzt war sein Ärmel schmutzig und nass. Er seufzte, denn er besaß nur ein einziges Hemd und er würde keine Zeit haben, es zu säubern.
Denk nicht an die drei, sagte er sich. Denk an etwas anderes.
Er legte den Kopf auf den Tisch, und in den wenigen Minuten, die ihm noch blieben, ließ er seine Gedanken zu seinen Lieblingsgeräuschen wandern: Schneefall, Vogelgesang, das leise Trommeln der Regentropfen auf dem Dach. Die trübe Welt mit ihrer Grausamkeit und ihrer Kleinlichkeit verschwand und mit ihr auch seine Angst. Und das Lied von vor langer Zeit, das immer noch tief in seinem Herzen ruhte, erwachte wieder. Nummer Dreizehn hätte gern gewusst, was das alles bedeutete – das Lied, seine Namenlosigkeit und seine heimliche Fähigkeit, Geräusche zu hören, die außer ihm niemand vernahm.
Das schrille Läuten einer Glocke ließ ihn aus seinem Tagtraum hochschrecken. Er stellte sich mit den anderen Erdlingen in einer Reihe auf, und Nieswurz führte sie zu Miss Carbunkles morgendlichem Unterricht ins Schulzimmer.
Nun standen ihnen zwei Stunden bevor, in denen Miss Carbunkle Vorträge hielt, über Themen wie »Die Notwendigkeit von Erdlings-Gehorsam im Dienst von Fortschritt und Industrie«. Darauf würde dann stundenlange, ermüdende Hausarbeit folgen: Die Erdlinge mussten Fußböden schrubben, mit den Händen, Pfoten oder Klauen in eiskaltem Wasser Kleidung waschen, kaputte Pulte und Stühle reparieren, Decken flicken und Socken stopfen. Anschließend wartete dann die zermürbende Fabrikarbeit auf sie.
Der einzige Tag, der sich von den anderen unterschied, war der Sonntag. Die Waisenkinder wurden zwar auch früh zum Morgenappell geweckt und verrichteten die häuslichen Arbeiten, aber es fand kein Unterricht statt.
Doch dieser Dezembertag war kein Sonntag, sondern ein ganz gewöhnlicher Montag. Für unerfüllbare Wünsche, Vogelgesang oder die Musik des Schnees war keine Zeit. Keine Zeit, über die höflichen kleinen Mäuse nachzusinnen, über ihren französischen Käse und die Poesie. Eine weitere Woche im Heim hatte begonnen, und wie an allen Tagen in Nummer Dreizehns bisherigem Leben gab es sehr viel Arbeit.