Die Religionen der Menschheit
Begründet von
Christel Matthias Schröder
Fortgeführt und herausgegeben von
Peter Antes
Manfred Hutter
Jörg Rüpke
Geschichte des globalen Christentums
1. Teil: Frühe Neuzeit
unter Mitarbeit von Katharina Kunter
Verlag W. Kohlhammer
Übersetzungen: Gerlinde Baumann, Priska Komaroni
1. Auflage 2017
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-21931-1
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-31500-6
epub: ISBN 978-3-17-31501-3
mobi: ISBN 978-3-17-31502-0
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Vorwort
Zu diesem Band: „Geschichte des Globalen Christentums. Teil 1: Frühe Neuzeit“
Einleitung Europäisches und globales Christentum in der Frühen Neuzeit
Nationale Vorurteile
Konfessionelle Wertungen
Europazentrische Positionen
Patriarchale Strukturen
Probleme und Konzeptionen
Die fundamentale Bedeutung des neuen Schismas im 16. Jahrhundert
Das Konfessionalisierungsparadigma
Prozesse der religiösen und kirchenpolitischen Differenzierung
Der Siegeszug des Absolutismus in Europa
Der Kampf um Gewissens- und Religionsfreiheit
Die europäische Expansion nach Übersee
Neue Entwicklungen in den Künsten und Fortschritte in der Wissenschaft
Die Krisen des 17. Jahrhunderts
Die polyzentrische Struktur des Weltchristentums
Kontinuitäten, Diskontinuitäten, Widersprüche
Das Spannungsfeld von Theologie und kirchlicher Praxis
Signifikante Schritte hin zum Weltchristentum
Katholizismus in Spanien, Portugal und ihren Weltreichen
1. Das Christentum in der Neuen Welt
1.1. Spanisch-Amerika
1.1.1. Debatten um die Rechtmäßigkeit der Unterwerfung
Ein subtiler Scholastiker: Francisco de Vitoria
Ein aristotelischer Humanist: Juan Ginés de Sepúlveda
Ein christlicher Humanist: Bartolomé de Las Casas
1.1.2. „Tragbares Europa“
1.1.3. Evangelisierung in den einheimischen Sprachen und Missionsmethoden
1.1.4. Die Einstellung gegenüber den indianischen Religionen
1.1.5. Folgen für den Umgang mit dem „Götzendienst“
1.1.6. Die friedliche Mission und die Missionsdörfer
1.1.7. Die Antwort der Missionierten
1.1.8. Einheimischer Klerus und Indigenisierung
1.2. Die Philippinen
1.3. Brasilien
1.4. Die afrikanischen Sklaven
1.5. Die Kongo-Mission
1.6. Römische Akzente: Die Gründung der Propaganda-Kongregation (1622)
2. Spanien
2.1. Staat und Kirche
2.1.1. Kirchenreform
2.1.2. Königliches Kirchenpatronat (Schirmherrschaft)
2.1.3. Vikariatstheorie und Regalismus
2.2. Vertreibung von Juden und Morisken und die -Statuten
2.2.1. Vertreibung von Juden und Morisken
2.2.2. Die -Statuten
2.3. Die geistige Wende der 1550er Jahre
2.3.1. Verfolgung der Kryptoprotestanten
2.3.2. Spirituelle und theologische Strömungen im 16. Jahrhundert
2.3.3. Melchior Canos Gutachten über das Werk Bartolomé Carranzas
2.4. Inquisition
2.4.1. Opferzahlen und Strafmaßnahmen
2.4.2. Buchzensur
2.5. Theologie und Bibel
2.5.1. Die „Schule von Salamanca“
2.5.2. Die neue theologische Methode Melchior Canos
2.5.3. Die Biblia Polyglotta Complutense und die wissenschaftliche Exegese
2.5.4. Gegen Bibelübersetzungen in der Volkssprache
2.6. Spiritualität, Mystik, Volksreligiosität
2.6.1. Die wichtigsten drei Perioden in der spanischen Mystik
2.6.2. Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz
2.6.3. Volksreligiosität
2.6.4. Aberglaube und Zauberei
2.6.5. Sakralkunst und religiöses Theater
3. Portugal
3.1. Inquisition
3.2. Spiritualität, Mystik, Volksreligiosität
3.3. Tridentinische Kirchenreform
4. Entwicklungen des 18. Jahrhunderts im spanischen und portugiesischen Bereich
4.1. Säkularisierung der Pfarreien: Spannungen zwischen Welt- und Ordensklerus
4.2. Kreolisierung: Spannungen zwischen „Amerikanern“ und Europäern
4.3. Regalismus und Aufklärung
4.4. Die Vertreibung der Jesuiten
5. Abschließende Überlegungen
Literatur
Die Russische Kirche 1448–1701
Einleitung
1. Die Entstehung der Moskauer Autokephalie
2. Kirche und Staat in Moskau nach 1448
3. Diversität und Häresien
4. Der Richtungsstreit zwischen „Besitzenden“ und „Nichtbesitzenden“
5. Die Zeit Ivans IV. (1530–1584)
6. Polen-Litauen: Konfrontation mit dem Westen I
7. Moskau und die : Konfrontation mit dem Westen II
8. Reformen I: Kiew
9. Reformen II: Moskau
10. Kirche und Kultur am Vorabend Peters des Großen
Literatur
Christen unter osmanischer Herrschaft (1453–1800)
1. Einleitung
2. Die Christen im Reich
3. Die Entstehung des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel
4. Die Reformation und die katholische Gegenreaktion
5. Der Armenische Patriarch von Konstantinopel
6. Aleppo als Epizentrum der Unionsbewegung
7. Kopten und Maroniten
8. Weltliche Politik und nationales Erwachen
9. Muslimisch-christliche Beziehungen im Osmanischen Reich
Literatur
Das Christentum in Afrika zwischen 1500 und 1800
Überblick
1. Das koptische Christentum
2. Das Christentum in Nubien
3. Das äthiopische Christentum
4. Katholische Missionare aus Portugal in Afrika
5. Das christliche Reich im Kongo
6. Die Portugiesen in Ostafrika
7. Der Sklavenhandel und der Einfluss nordeuropäischer protestantischer Mächte in Afrika
8. Die Holländer in Südafrika
9. Die Mission der Brüder-Unität
Fazit
Literatur
Das lateineuropäische Christentum im 16. Jahrhundert
1. Konzeptionelle Vorüberlegungen
2. Das lateineuropäische Christentum um 1500
3. Die Reformation im Reich (bis 1530)
4. Europäische Reformationsprozesse
4.1. Niederlande und Frankreich
4.2. England und Schottland
4.3. Skandinavien
5. Gegenreformation und katholische Reform
6. Täufer, Spiritualisten, minoritäre protestantische Gruppen
7. Entscheidungen im Reich
8. Strukturen des lateineuropäischen Christentums im konfessionellen Zeitalter
Literatur
Das Christentum in Asien zwischen ca. 1500 und 1789
1. Indien
2. Sri Lanka
3. Die Philippinen
4. Japan
5. Die malaiische Welt
6. Vietnam
7. Siam (seit 1945: Thailand)
8. China
9. Korea
Literatur
Christentum in Europa: Das 17. Jahrhundert
1. Europa – das Reich – der Krieg
1.1. Religion und Kriegsneigung in Europa
1.1.1. Das Reich: Habsburg – Böhmen – Liga und Union
1.1.2. Spanien: Reconquista – katholisches Königtum – Inquisition
1.1.3. Frankreich: Konfessioneller Bürgerkrieg – Machtpolitik jenseits des Konfessionellen
1.1.4. Die Niederlande: Calvinismus – überseeische Expansion – politische Emanzipation
1.1.5. Der Ostseeraum: Konfessionelle Identitätsbildung – Kampf um das „Mare balticum“
1.2. Die „Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit“
1.3. Verlauf und Phasen des Krieges
1.3.1. Böhmisch-pfälzischer Krieg
1.3.2. Dänisch-niedersächsischer Krieg
1.3.3. Schwedischer Krieg
1.3.4. Schwedisch-französischer Krieg
1.5. Der Westfälische Frieden
2. Konfession – Herrschaft – Gesellschaft
2.1. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und die Schweiz
2.2. Frankreich
2.3. England, Schottland und Irland
2.4. Osteuropa
2.5. Skandinavien und die Niederlande
2.6. Italien
2.7. Konfessionalisierung und konfessionelle Uneindeutigkeit, Zwang und Toleranz
3. Religiöse Bewegungen
3.1. Die evangelische Frömmigkeitsbewegung und das „Wahre Christentum“ Johann Arndts
3.2. Der Puritanismus und die Nadere Reformatie
3.3. Der Jansenismus
4. Kulturen – Praktiken – Mentalitäten
4.1. Die Geistlichen und die Heilsmedialität ihrer Kirchen
4.1.1. Katholische Priester: die Professionalisierung einer geistlichen Elite
4.1.2. Lutherische Pfarrer und reformierte Pastoren
4.2. Die Kirchenräume und die Sakrallandschaften
4.2.1. Räume der konfessionellen Identität
4.2.2. Räume der Männlichkeit und der Weiblichkeit
4.3. Die Logiken der Laienpraxis
4.3.1. Konfession und Herrschaft
4.3.2. Die ‚Funktionalisierung‘ der Religion und das ‚Eigengewicht‘ des Glaubens
4.3.3. Die konfessionellen Niemandsländer
Literatur
Hungersnot, Seuchen, Krieg: Die dreifache Herausforderung der mitteleuropäischen Christenheit, 1570–1720
1. Die ‚Kleine Eiszeit‘ als Paradigmenwechsel und ihre religiösen Folgen
2. Trost- und Erbauungsliteratur
3. Aus der Angst zur Hoffnung auf das ewige Leben
4. Aus der Not zur Repression
5. Die Suche nach den Grundlagen von Gottes Weltordnung
6. Religiöse Transformationen als Folge der Krisen des 17. Jahrhunderts
Literatur
Christliche Kirchen und Gemeinschaften in Nordamerika bis 1800
1. Frühe Spanische Kolonien und Missionen in Nordamerika
2. Die Anfänge Britisch-Nordamerikas
2.1. Die Chesapeake Bay
2.2. Neuengland
3. Neufrankreich und Neu-Niederlande
3.1. Neu-Niederlande und New York
4. Die Ausweitung und Transformation Britisch-Nordamerikas bis 1700
4.1. New Jersey, Delaware und Pennsylvania
4.2. Die Carolinas
4.3. Die Wende der Glorreichen Revolution
4.4. Die Chesapeake Bay
5. Die französischen und spanischen Kolonien im 18. Jahrhundert
6. Der Kampf um die Vorherrschaft in Nordamerika
6.1. Kanada als Teil des Britischen Empire
7. Der Wandel der religiösen Landschaft Britisch-Nordamerikas im 18. Jahrhundert
8. Die amerikanische Aufklärung
9. Die protestantische Erweckung
10. Afroamerikanische und indigene Formen des Christentums
11. Religion in der Amerikanischen Revolution
Literatur
Christentum im Europa des 18. Jahrhunderts
1. Kirche und Staat
1.1. Autokratie und Ausweisung: Frankreich und die Idee des Nationalstaates
1.2. Absolutistisches Frankreich
1.3. Religiöse Orden
1.4. Mitteleuropa
1.5. Toleranz und Dissens in England
2. Entstehung und Verbreitung des Pietismus
2.1. Ein neues Konzept des Staates: Preußische Werte
2.2. Dänemark: Erweckung, Kontrolle, Mission
2.3. Schweden in einem Zeitalter der Freiheit
2.4. Die Schweizerische Eidgenossenschaft: Eine Nation ohne einen Staat?
2.5. Herrnhuter und Methodisten
2.5.1. Zinzendorf, Herrnhut und die evangelische Brüder-Unität
2.6. Methodismus: Wesley, Whitefield, und die breiten Massen Englands
3. Radikale spirituelle Gemeinschaften
4. Das 200. Reformationsjubiläum 1717: ein internationales Festspiel
5. Das Christentum zwischen Theologie und Philosophie
6. Der Württembergische Pietismus, Swedenborg
7. Die Aufklärung
8. Entwicklungen in der römisch-katholischen Kirche
9. Deutschland: Neue Zugangsweisen zur Religion
10. Kritische Bibelforschung
11. Natur, Kultur und Kunst
12. Skandinavien
13. Angriffe auf das Papsttum
14. Philosophie: Lessing, Herder und Kant
15. Die Französische Revolution
16. Das 18. Jahrhundert. Eine Zusammenfassung
Literatur
Zusammenfassung und Ausblick
Kurzbiographien der beteiligten Personen in alphabetischer Reihenfolge
Ortsregister
Personenregister
Abbildungsverzeichnis
Die drei Bände zur globalen Geschichte des Christentums seit der Reformation im 16. Jahrhundert bis in das 20. Jahrhundert gehen auf die Notwendigkeit einer Erweiterung der viel beachteten, im Kohlhammer-Verlag Stuttgart erschienenen Reihe „Religionen der Menschheit“ zurück.
Jens Holger Schjørring, emeritierter Kirchenhistoriker der Universität Aarhus/Dänemark, wurde vom Kohlhammer-Verlag angefragt, dieses Projekt zu leiten. Schjørring seinerseits bat den amerikanischen theologischen Lektor Norman Hjelm, mit ihm zu Werke zu gehen. Die beiden Wissenschaftler hatten bereits lange und erfolgreich zusammen gearbeitet und haben diese gemeinsame Tätigkeit nun fortgesetzt. Von Beginn an war deutlich, dass die drei Bände inhaltlich global ausgerichtet und der Kreis der Autoren international und interkonfessionell zusammengesetzt sein würde. Mehr als dreißig Wissenschaftler aus Afrika, Amerika, Europa, Lateinamerika, dem Nahen Osten sowie Neuseeland konnten für das Projekt gewonnen werden. Die Verfasser haben eng kooperiert, damit sich ihre Beiträge inhaltlich aufeinander beziehen. Dabei hat jeder von ihnen zu Beginn einen Ausblick formuliert, der dann im Gespräch und in gegenseitiger Beratung überprüft und überarbeitet wurde. Selbstverständlich sind die Verfasser für Inhalt und Stil ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Einer der Verfasser, Hartmut Lehmann, Emeritus der Universität Göttingen sowie Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Washington/DC, hat dieses Projekt nicht nur durch seine Beiträge im vorliegenden Band bereichert, sondern auch von den ersten Entwürfen an durch seine redaktionelle Mitarbeit sehr unterstützt.
Während des Entstehungsprozesses gab es zwei größere Treffen der Verfasser: eines im September 2011 im Tagungszentrum der Universität Aarhus in Sandbjerg und ein weiteres im Mai 2015 an der Universität Göttingen. Autorentreffen in kleinerem Rahmen wurden 2012 in Göttingen und 2013 im englischen Chichester abgehalten. Diese Treffen wurden durch großzügige Zuschüsse der Universität Aarhus, des Kohlhammer-Verlags, der Universität Göttingen sowie des George Bell Instituts in Chichester ermöglicht. Das letzte und größte dieser Treffen fand 2015 unter der Leitung des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann an der Universität Göttingen statt; die Mittel hierfür wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen bereitgestellt.
Angesichts des globalen Charakters dieses Projekts werden die Bände nun sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache veröffentlicht. Der Kohlhammer-Verlag publiziert die deutschsprachige Ausgabe, und der internationale Wissenschaftsverlag Brill zeichnet für die englische Ausgabe verantwortlich. Unser Dank gilt Jürgen Schneider, Sebastian Weigert und Julia Zubcic vom Kohlhammer-Verlag sowie Mirjam Elbers von Brill. Katharina Kunter hat die redaktionelle Betreuung übernommen; Gerlinde Baumann und Priska Komoroni haben einzelne Beiträge für Kohlhammer aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt; David Orton hat für Brill Übersetzung vom Deutschen ins Englische angefertigt. Sie haben die mühevolle Aufgabe des Übersetzens kompetent und mit viel Sprachgefühl gemeistert.
Neben den bereits genannten Institutionen und Personen möchten die Herausgeber und Verlage auch drei dänischen Stiftungen für ihre großzügige Unterstützung dieses Projekts danken: der Velux-Stiftung in Kopenhagen, der Forschungsstiftung der Universität Aarhus sowie dem G. E. C. Gads Fond in Kopenhagen.
Die drei Bände befassen sich in umfassender Weise mit der globalen Geschichte des Christentums, auch wenn dieses Vorhaben nicht im Sinne der traditionellen „Kirchengeschichte“ zu verstehen ist. Natürlich widmen sich historische Betrachtungen auch den Kirchen. Doch die Prägungen, die das Christentum im Leben der Menschen hinterlassen hat, lassen sich nicht auf institutionelle oder dogmatische Einflüsse reduzieren. Vielmehr geht es hier um Kultur im weitesten Sinne. Im Fokus stehen die zahlreichen Wechselwirkungen, die zwischen dem Christentum und den einzelnen Gesellschaften, der Politik, der Ökonomie, der Philosophie, der Kunst sowie den vielfältigen Bemühungen bestehen, welche die Kulturen, Nationen und menschlichen Gemeinschaften ausmachen. Wie war das Christentum in die größeren Strukturen des menschlichen Lebens verwoben?
Darüber hinaus geht es in den vorliegenden Bänden um die globale Entwicklung des Christentums im Laufe der vergangenen 400 bis 500 Jahre. Zuvor war das Christentum – abgesehen von wenigen Außenposten in anderen Zentren der Welt – überwiegend auf Europa und Russland beschränkt. Nun aber erreichte der Wirkungsbereich des Christentums vor allem durch die Mission an der Seite der wirtschaftlichen Kräfte sowie durch Eroberungs- und Migrationsbewegungen ein Stadium, in dem sein demographischer Schwerpunkt jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr auf der Nordhalbkugel, sondern dezidiert auf der Südhalbkugel liegt. Es ist ein zentrales Anliegen des Projekts, diese Geschichte der globalen Schwerpunktverschiebung nachzuzeichnen. Dabei hat diese Veränderung eigentlich, was in den einzelnen Kapiteln dieses Bandes deutlich wird, bereits vor 1500 durch das spanische wie das portugiesische Weltreich in Lateinamerika und Asien sowie durch das Osmanische Reich, durch Russland und Afrika begonnen. Im ersten der drei Bände wird es zu Beginn um diese frühe Expansion des Christentums außerhalb Europas gehen.
Wie bereits erwähnt, war das Christentum schon vor seiner in diesem Band dargestellten Geschichte eine globale Religion gewesen. Auf manchen Kontinenten gab es bereits einheimische christliche Gemeinschaften wie etwa die Thomaschristen in Südasien oder alte koptische Gemeinden in Ägypten und Äthiopien. Die iberischen Reiche – Spanien und Portugal – unterstützten gegen Ende des 15. Jahrhunderts die ersten Missionsversuche in Zentral- und Südamerika und auch in Asien. In Afrika waren der Kongo und Mosambik die Zentren der portugiesischen Mission im 16. Jahrhundert. Die Jesuiten – sowie die niederländisch-protestantische Mission vor allem in China und Südostasien haben eine wesentliche Rolle bei der frühen Ausbreitung des Christentums außerhalb Europas gespielt. In Indien begann die dänische Mission mit Unterstützung von Hallenser Pietisten 1706 ihre Tätigkeit in Tranquebar.
Zeitgleich zu diesen Anfängen der christlichen Mission existierte das Christentum auch in Russland. Dort hatte es ausgehend von Konstantinopel im 8. und 9. Jahrhundert mit der Entstehung der russisch-orthodoxen Kirche Verbreitung gefunden. In gleicher Weise gab es das orthodoxe Christentum ebenfalls schon in dieser Region, die nach der Eroberung Konstantinopels 1453 zum Osmanischen Reich gehörte. Die nordamerikanischen Kolonien wurden historisch gesehen relativ spät durch verschiedene ethnische Gruppen gegründet, die mehrheitlich christliche Vorstellungen und Bräuche einführten.
Dass das Christentum schon früh eine globale Religion war, wird durch die Geschichte belegt, die hinter den folgenden zehn Kapitel steht: „Katholizismus in Spanien, Portugal und ihren Weltreichen“, „Die Russische Kirche 1448–1701“, „Das Christentum unter osmanischer Herrschaft (1453–1800)“, „Das Christentum in Afrika zwischen 1500 und 1800“, „Das Christentum in Asien bis etwa 1800“ sowie „Christliche Kirchen und Gemeinschaften in Nordamerika bis 1800“.
Das europäische Christentum wurde in dem Zeitraum, mit dem sich der vorliegende Band befasst – in den 250 Jahren zwischen den ersten Anfängen der Reformation und dem Beginn der Französischen Revolution (1789) –, durch zahlreiche Ereignisse, Personen und weitere Faktoren stark geprägt. Besonders folgenreich war dabei die Spaltung der westlichen Kirche in zwei tonangebende Gruppen: einerseits das Lager der „alten römischen Kirche“ und andererseits die verschiedenen Bewegungen und Gruppierungen, die sich als „neuer Glaube“ bezeichnen lassen, und die weitgehend aus der Reformation auf dem europäischen Kontinent hervorgegangen sind.
Die „Konfessionalisierung“ wurde eine wichtige Dimension im Kontakt zwischen diesen beiden Zweigen des Christentums. Im römischen Katholizismus lag das Hauptaugenmerk darauf, die Beschlüsse des Konzils von Trient (1545–1563, in drei Sitzungsperioden) umzusetzen und auch positive Reaktionen von Katholiken gegenüber den reformatorischen Lehren zu verhindern. Die Protestanten wiederum widmeten sich stark der Ausbildung der Geistlichen, um die Basis für eine selbstbewusste Identität zu legen. Indirekt wollten sie so auch verhindern, dass die Lehren des römischen Katholizismus wie auch der „radikalen Reformation“, vor allem der Wiedertäufer, unter ihnen auf Wohlwollen stießen.
Ungefähr in der Mitte des 17. Jahrhundert war die Konfessionalisierung weitgehend abgeschlossen. Die beiden Gruppen, die „Alten“ wie die „Neuen“, hatten sich in zwei getrennten und konkurrierenden Gemeinschaften eingerichtet. Im römisch-katholischen Lager machten sich die französische wie die spanische Krone bestimmte konfessionelle und kirchenpolitische Strategien zu Eigen. Die römische Kurie sorgte sich vor allem um Gruppierungen, die bei der Entwicklung der religiösen und spirituellen Identität der „alten Kirche“ bestimmte theologische Schwerpunktsetzungen verfolgten, wie es etwa im Jansenismus und Gallikanismus der Fall war. Im protestantischen Lager gab es große Unterschiede zwischen Orthodoxen und Pietisten, die jeweils für sich beanspruchten, den alleinigen Weg zum Heil zu kennen.
So sah die Lage aus, als in Europa in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhundert die Aufklärung aufkam. Von da an war der Protestantismus in drei Richtungen gespalten: erstens in die Orthodoxen, die sich auf die klassischen Lehren der Reformation beriefen; zweitens in diejenigen, die – wie die Pietisten in Deutschland und den skandinavischen Ländern sowie die Methodisten in England – eine Art erweckter Frömmigkeit proklamierten; sowie drittens die Anhänger der Aufklärung, die von der Macht des gottgegebenen Verstandes überzeugt waren, der den persönlichen wie gesellschaftlichen Fortschritt bringen sollte. Durch die Französische Revolution wurden die religiösen Kräfte weiter gespalten.
Vier Kapitel widmen sich im vorliegenden Band diesen Entwicklungen in Europa: Drei Kapitel befassen sich mit dem Christentum in Europa im 16., 17. und 18. Jahrhundert; ein weiteres Kapitel hat die globale Verschlechterung des Klimas in der Zeit zwischen 1570 und dem frühen 18. Jahrhundert – die manchmal als „kleine Eiszeit“ bezeichnet wird – und ihre Auswirkungen auf die Religion und vor allem den europäischen Pietismus zum Thema.
In diesem sowie den beiden folgenden Bänden, die sich mit dem 19. und 20. Jahrhundert befassen, wird versucht, die – positiven wie negativen – Auswirkungen des Christentums auf die demographischen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Aspekte der Weltgeschichte auszuloten. Alle, die Beiträge zu diesen Bänden beigesteuert haben, haben dies in wissenschaftlich integerer Weise und inhaltlich entsprechend ihren persönlichen Überzeugungen getan, und sie wünschen sich, damit zu einem globalen und weitreichenderen Verständnis beitragen zu können.
Übersetzung: Gerlinde Baumann
Jens Holger Schjørring
Aarhus, Dänemark
Norman A. Hjelm
Wynnewood, Pennsylvania, USA
April 2017