MIT SCHNELLSYSTEM:
BESCHWERDEN & RÄUCHERSTOFFE
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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek
Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2009 Lüchow Verlag
in der J. Kamphausen
Mediengruppe GmbH, Bielefeld
www.luechow-verlag.de
E-Book Ausgabe 2017
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: ReclameBüro, München
Umschlagbild: © Deliss/Godong/Corbis
Satz: de·te·pe, Aalen
E-Book Gesamtherstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt a. M.
ISBN Print 978-3-7831-9058-8
ISBN E-Book 978-3-95883-252-7
Vorwort
Die Welt des Räucherns
Wissenswertes über das praktische Räuchern
Räuchern für alle Lebenslagen
1. Anwendungen für das persönliche Wohlbefinden
2. Selbstheilungskräfte und Gesundheit
3. Räucheranwendungen im Kreislauf des Lebens
4. Spirituelles Räuchern
5. Reinigung und Schutz
Räucherstoffe und ihre Wirkung im Überblick
Nachwort
Schnellfindesystem
Liebe Leserin, lieber Leser,
schon als Kind faszinierte mich die Welt der Düfte. Allerdings: Allzu aufdringlich durften die Gerüche nicht sein, sonst musste ich niesen oder bekam Kopfschmerzen. Diese Empfindsamkeit ist mir bis heute geblieben, sie macht auch vor meiner Familie nicht halt. Noch gut erinnere ich mich deshalb an meine ersten Erfahrungen mit Räucherstäbchen, die ich – wie es der Zufall so will – mitten im Winter zuhause im Wohnzimmer ausprobierte. Es ist schon viele Jahre her, und ich hatte keinerlei Erfahrung mit dem Räuchern, noch nicht einmal mit Räucherstäbchen. Die Stäbchen wurden mir mit einer hölzernen Halterung geschenkt; ich wusste noch nicht einmal, wie ich sie zum Glimmen bringen sollte, denn niemand hatte mir gesagt, wie es ging. Auf der Packung standen ausschließlich fremde Worte, sie stammte aus Asien und war mit sehr fremden Schriftzeichen versehen. Nichtsdestotrotz wollte ich die Stäbchen natürlich sobald als möglich ausprobieren. Da meine Familie schon ganz komisch schaute, als ich das Geschenk bekam, wartete ich einen geeigneten Moment ab, um die Stäbchen zu entzünden. Mann und Kinder waren außer Haus, sodass ich in Ruhe experimentieren konnte. Ich steckte das Stäbchen in die Halterung und zündete es mit einem Feuerzeug an. Doch es entstand dabei kein Rauch. Erst als ich es ausblies und nur noch ein glimmender Kopf übrig blieb, stieg eine sanfte Rauchfahne in die Höhe. Es dauerte keine drei Minuten, dann war der Raum erfüllt von einem unbekannten exotischen Duft, der schwer und schwül die Atmosphäre tränkte und leider unangenehm aufdringlich war. Viel zu süßlich klebte der Rauch in jeder Nische des Wohnzimmers. Es war unerträglich! Voller Entsetzen öffnete ich die Fenster und wedelte den Rauch in die eisige Winterluft. Ich löschte das Räucherstäbchen unter fließendem Wasser und fächelte mit der Tageszeitung die verbliebenen Rauchschwaden zum Fenster hinaus. Dann schnupperte ich herum und blickte auf die Uhr. Es blieb noch genügend Zeit, um den Duft aus dem Raum zu bekommen, dachte ich aufatmend, er würde sich sicher bald in Wohlgefallen auflösen. Doch das tat er keineswegs. Meine Familie war überhaupt nicht begeistert!
Alle taten so, als raubte ich ihnen die Luft zum Atmen und wollte unser friedliches Heim in eine sündige Räucherstube verwandeln.
Auch mir war der duftende Rauch zu intensiv und zu stark. Ich versuchte erneut, die Geruchsbelästigung durch vermehrtes Lüften zu beseitigen, was mir aber nicht vollständig gelang – es war eben Winter. Schließlich reagierte meine Familie mit Kopfschmerzen und dem Gefühl, dass Räucherstäbchen wohl nicht zum menschlichen Wohlbefinden beitragen konnten. Ich war enttäuscht und ließ für eine Weile das Räuchern sein.
Es genügte mir, wenn ich auf Yogafortbildungen mit dem Räuchern in Kontakt kam. Doch auch dort war mir der intensive Geruch in geschlossenen Räumen einfach zu viel. Da ich an Asthma leide, konnte ein »schlechter, aufdringlicher Geruch« zu einem Anfall führen. Deshalb ließ ich die Finger von weiteren Räucherversuchen. Während meiner eigenen Yogakurse verzichtete ich aufgrund meiner schlechten Erfahrungen auf das Räuchern und ging dazu über, rein aromatherapeutisch zu arbeiten.
Dann aber erlebte ich vor mehreren Jahren während einer Studienfahrt nach Mexiko ein bemerkenswertes Räucherritual, das mich dazu brachte, meine Meinung zu ändern und Räuchern unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Unsere Reisegruppe besuchte gerade einen uralten Aztekenritualplatz, als sich ein kleines Grüppchen Ureinwohner näherte und sich ungeachtet der vielen Touristen in der Mitte des Platzes aufstellte. Mich beeindruckten nicht nur die authentischen Kleidungsstücke, sondern eben auch die ganze Feierlichkeit, die plötzlich in der Luft lag und eine geheimnisvolle, ja beinahe mystische Stimmung beschwor. Die Zeremonienmeisterin trug ein fließendes Gewand und offene lange, graue Haare. Um ihren Hals hingen verschiedene Ketten aus Knochen oder Muscheln. So genau kann ich mich nicht an die Ketten erinnern, weil sich unsere Reisegruppe respektvoll, aber dennoch neugierig im Hintergrund hielt. In den Händen barg die Frau ein altes Tongefäß, aus dem dicke Rauchschwaden in die Luft stiegen. Sie verschüttete gelbe Körnchen, vermutlich Mais, und murmelte wahrscheinlich Gebete oder Segensworte, die sie in alle vier Himmelsrichtungen sandte. Die restlichen Mitglieder ihrer Gruppe wiederholten den Singsang und wirkten dabei sehr ernst und feierlich. Es war ihnen allen wohl bewusst, dass sie beobachtet wurden, aber es gab keinen einzigen Touristen, der die Ruhe störte und nicht ergriffen war von der erhabenen Kraft dieses Rituals.
Als sich unsere Reisegruppe schließlich entfernte, wussten wir alle, dass wir Zeugen eines wunderbar archaischen Rituals geworden waren, das wir niemals mehr vergessen würden.
Auf diese Weise schlich sich das Räuchern wieder in mein Leben.
Zur gleichen Zeit befasste ich mich sehr stark mit unseren keltischen Wurzeln und lernte dabei, dass das Räuchern Wurzeln in allen Kulturen und spirituellen Gemeinschaften hat und auch noch heute zum Beispiel während katholischer Messen als Weihrauchräucherung zum Einsatz kommt.
Mein eigener Räucherweg brachte mich allmählich zurück zu den Traditionen der Vorfahren und Ahnen unseres eigenen Kulturkreises, und so machte ich mich auf die Suche nach traditionellen Räucherungen, die bei uns üblich sind und die in ländlichen Gebieten zum Teil noch zum Einsatz kommen. Ich experimentierte mit den Blüten meiner geliebten Rosen, mit Lavendel und jedem nur erdenklichen Kraut, das meine Küche hergab. Mit Küchensieben und Teelichtern, mit Schalen und Tellern aus dem Küchenschrank, mit gepflückten Blättern von Bäumen, mit Gewürzen und Früchten stellte ich meine Räucherrituale zusammen und achtete dabei stets darauf, die Kunst des feinen, intimen Räucherns zu verfeinern, die nur einen ganz subtilen, manchmal kaum wahrnehmbaren Rauch entwickelt und ein sehr liebevolles und feines Aroma entfaltet.
Räuchern ist weitaus mehr als nur das Entzünden eines stark riechenden Räucherstäbchens!
Und auch wenn Sie hin und wieder zu Ihrem eigenen Vergnügen auf Räucherstäbchen zurückgreifen – falls Sie das wünschen –, so werden Sie in diesem Buch alles über das richtige Räuchern erfahren und auch über all seine Einsatzbereiche. Das moderne Räuchern verbindet nämlich die Bedürfnisse des heutigen Menschen mit den mystischen Traditionen und Weisheiten der Vergangenheit und schafft so eine Brücke zwischen Räucherlust, Wohlbefinden und heilsamen, sinnvollem Einsatz des Räucherns.
Ich möchte Sie also herzlich einladen, sich durch die Welt des Räucherns führen zu lassen und dabei Ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Denn Räuchern ist eine Sache der praktischen Anwendung und Erfahrung. Learning by doing wird das Motto sein. Das Räuchern müssen Sie erleben! Und zwar mit allen Sinnen. Dann erfüllt es seinen Zweck, und dann macht es auch Spaß!
Es kann also losgehen.
Viel Freude beim Ausprobieren wünsche ich Ihnen.
Nehmen Sie Witterung auf! Dieses Kapitel führt Sie in die geheimnisvolle, ursprüngliche und doch so moderne Welt des Räucherns ein, die Sie überall und ganz einfach anwenden und ausführen können.
Unsere Vorfahren hatten es einfach mit dem Räuchern. Es ergab sich nämlich wie von selbst, draußen am offenen Feuer. Irgendwann in der Geschichte der Menschheit, nachdem das Feuer »erfunden« worden war, entdeckten die Menschen das Räuchern. Dazu warfen sie einfach Hölzer, Wurzeln, Früchte, Gräser, Zweige, Pflanzen oder Harze in die offene Glut und nahmen über den Geruchssinn die unterschiedlichen Aromen wahr, die sich im Rauch entfalteten. Am Feuer sitzend veränderte das Einatmen des Rauchs den Menschen mit Leib und Seele. Es griff in das emotionale Empfinden ein oder wirkte körperlich und entfaltete Wohlbefinden, Ruhe, Entspannung oder Tatkraft. Manchmal roch es einfach nur gut, wenn ein Harz verbrannte, und der Mensch konnte sich entspannen, ein wenig vor sich hin träumen oder innerlich zur Ruhe finden, weil der Wohlgeruch gut tat und gute Laune verbreitete. Ein anderes Mal spürten die Menschen, dass das Atmen des Rauchs körperliche Beschwerden sanft beeinflusste und linderte. Oder der Rauch weckte die Lebensgeister und wirkte gegen Erschöpfung und Niedergeschlagenheit. Mit der Zeit entwickelte sich aus den unorganisierten und rein zufälligen Geruchsentdeckungen ein kontrolliertes und durchdachtes System, das die Gaben des Rauchs gezielt einsetzte. Diese sogenannte Erfahrungsmedizin gab man mündlich über die Generationen hinweg weiter, sie wurde irgendwann auch zu religiösen, spirituellen und kontemplativen Ritualen eingesetzt.
Überall auf der Welt ist das Räuchern bekannt. Es gibt kein Volk, keinen Stamm und keine Kultur, die nicht räuchert. Das Verbrennen von Räucherstoffen über dem offenen Feuer verband alle Menschen der Erde. Nur die Räucherstoffe waren nicht dieselben, jedes Volk räucherte das, was geographisch vorhanden war und was die Natur vor der eigenen Haustüre wachsen ließ. So begleitete das zielgerichtete Räuchern den Menschen über viele Jahrtausende lang, bis die menschliche Entwicklung den Handel und das Reisen möglich machte. Erst sehr viel später kam also durch den Gewürzhandel ein Austausch kostbarer Räucherstoffe zum Einsatz, der bis heute hin anhält.
Dabei war das Räuchern innerhalb geschlossener Räume nie ein Problem, denn geräuchert wurde prinzipiell in der freien Natur. Das hat sich bis heute bei allen ursprünglich lebenden Gesellschaften nicht geändert, die in Zelten, Jurten, anderen unbefestigten Hütten oder in warmen Breitengraden wohnen, wo sich das Leben überwiegend draußen abspielt.
Das Räuchern in geschlossenen Räumen, das einzig und allein dem persönlichen Wohlbefinden dient, ist ziemlich neu und eine Erfindung des modernen zivilisierten Menschen, der sich nach Ursprünglichkeit und nach dem Anknüpfen an mystische Traditionen sehnt.
Noch vor gut über hundert Jahren wurde selbst bei uns nur dann in geschlossenen Räumen geräuchert, wenn sie von Krankheitskeimen oder bösen Geistern befreit werden sollten und Kranken ein »gesunder Geist« eingehaucht werden sollte. Auch Schutz- und Bannräucherungen waren bekannt, wurden aber von der Kirche geahndet oder stillschweigend als bäuerliche Tradition geduldet. Man räucherte Stall und Wohnraum sorgfältig mit getrockneten Kräutern, die zusammengebunden waren, aus. So sollten Flüche, der böse Blick, Dämonen und der Teufel ausgetrieben werden. Ansonsten wurde, bis auf den Weihrauch in der Kirche, stets nur draußen bei traditionellen Festen geräuchert. Auch im Winter.
Unsere eigene Kultur steckte stets voller Widersprüche. Auf der einen Seite herrschte eine strenge Frömmigkeit, auf der anderen Seite hielten sich heidnische Bräuche wie das Räuchern, die sich nie ganz ausrotten ließen. Die Erfahrungen der Heilkundigen und weisen Frauen wie Hildegard von Bingen, von Klostermedizin und Hexenwissen, von Aberglaube und Inquisition vermengten sich. Hinzu kam das Bestreben, medizinisches Wissen zu etablieren und gleichzeitig fromm und gläubig zu sein. So waren die Menschen des Mittelalters überzeugt, dass Räuchern die Pest vertreiben könne und der allgemeinen Reinigung diene – der Kontakt mit Wasser war verpönt und galt als gefährlich, die hygienischen Zustände waren unbeschreiblich. Lieber räucherte man, als sich zu waschen. Exkremente entsorgte man vor der Haustür, Ungeziefer und Krankheiten plagten die Menschen; das Räuchern diente dazu, den bestialischen Gestank zu übertünchen, der über den Städten und Gemeinden lag. Diese unhygienischen Zustände öffneten schließlich der Pest Tür und Tor. Die Menschen selbst stanken »wie die Pest«. Um diesen »Eigengestank« zu überdecken, puderte und parfümierte sich der Adel, während das gemeine Volk räucherte.
Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, wie der Alltag im Mittelalter aussah und unter welch erbärmlichen Bedingungen die Menschen manchmal vor sich hin vegetierten. Dass das Räuchern unter solchen Lebensbedingungen kaum heilend wirkte, versteht sich von selbst.
Es ist also kein Wunder, dass die Neuzeit und das Voranschreiten des medizinischen Wissens erst einmal der Naturheilkunde und dem Räuchern den Garaus machten. Erst als medizinisches Wissen und Hygiene einen gewissen Stand erreicht hatten, konnten Krankheiten getilgt werden. Dadurch geriet das Räuchern in Vergessenheit und wurde nur noch in sehr ländlichen Gegenden und zu traditionellen Festen wie etwa dem Johannisfest im Sommer um die Sonnenwende herum eingesetzt – allerdings lediglich aus der traditionellen Überlieferung heraus, für viele Menschen sinnentleert und aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen.
Als im letzten Jahrhundert der Siegeszug der Naturwissenschaften und des technischen Fortschritts nicht mehr aufzuhalten war, der Lebensstandard wie die Lebenserwartung deutlich stiegen und auch viele Krankheiten besiegt wurden, geriet dann die Tradition des Räucherns ganz in Vergessenheit. An ihre Stelle trat für die zivilisierte Menschheit eine ganz neue Lebensart, die trotz zweier Weltkriege nicht mehr aufzuhalten war und dem modernen Menschen ein sehr bequemes und schönes Leben bescherte.
Auch wenn immer wieder die allgemeine Unzufriedenheit zu spüren ist und viele Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz, ihre Rente, ihr Fortkommen und die Zukunft im Allgemeinen haben, so geht es den zivilisierten Staaten so gut wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Wir jammern auf einem sehr hohen Niveau und vergessen, dass erst die Errungenschaften der Moderne wie zum Beispiel das Internet, die globale Vernetzung, unsere ultramodernen Maschinen und Transportmittel es uns ermöglicht haben, den Luxus der Rückbesinnung auf alte Traditionen richtig auszukosten.
Wir alle können es uns leisten, einfach nur so zum Spaß und zur eigenen Freude, alte Künste und Traditionen wieder zu entdecken, auszuprobieren, uns Wohlbefinden zu gönnen und es uns mit feinen Düften und himmlischem Räucherwerk einfach richtig gut gehen zu lassen.
Unsere moderne Gesellschaft ermöglicht es dem Menschen, sich der persönlichen Selbstentfaltung zu widmen, sich geistig, emotional und spirituell zu verwirklichen und der Sehnsucht nach Magie, Mystik und ursprünglichen Traditionen nachzugeben.
Die Sehnsucht nach einer Rückbesinnung zur Natur, zu magischen und mystischen Quellen der Menschheitsgeschichte erfasste im Laufe der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts viele Menschen, die nach Sinn und Spiritualität suchten. Sie wollten hauptsächlich Alternativen zum »spießigen« bürgerlichen Leben, zu Rollenklischees, zu einem konformen, politischen Denken und einer erstarrten Religiosität. Diese Sinnsucher waren es, die das Räuchern wieder entdeckten. Allen voran all jene, die im asiatischen Raum – vor allem in Indien – Sinn und Erleuchtung suchten und die asiatische Räucherware nach Deutschland »importierten«. Neben all den Yoga- und Reikilehrern, den Ashrambesuchern, den vom Buddhismus und Hinduismus Begeisterten gab es eine weitere Gruppe, die das Räuchern zu uns brachte. Das waren die ethnologisch Interessierten, die sich mit den Traditionen der nordamerikanischen Indianer vertraut machten. Indianisches Räuchern mit Federn, schamanisches Reisen, Schwitzhüttenräucherungen, Visions- und Krafttiersuche – die entsprechende Räucherware hielt bald darauf hin bei uns Einzug.
Erst im neuen Jahrtausend kam eine weitere Gruppe hinzu, zu der auch ich mich zähle, selbst wenn ich Yoga- und Reikilehrerin bin. Diese Gruppe entdeckte die eigenen Wurzeln wieder und orientierte sich an alten Überlieferungen, keltisch-heidnischen Ritualen, Jahreszeitfesten und dem Räucherwerk, das bei uns in Wald und Wiesen wächst oder sogar im eigenen Garten zu pflücken ist. Hinzu kam dann noch eine weitere Räucherware, nämlich die aus dem Supermarkt!
Das klingt wie ein schlechter Witz, dennoch schließt sich so der Kreis, und das Räuchern hält wirklich Einzug ins moderne Leben.
Denn Hand aufs Herz: Sie und ich kaufen überwiegend im Supermarkt ein. Sie und ich leben nicht mehr in alten Holzhütten und brauen unser Süppchen draußen am Feuer in einem Kessel. Sie und ich leben überwiegend in geschlossenen Räumen, womöglich in Hochhäusern und innerhalb von Städten, manchmal ganz ohne Garten und eventuell sogar ohne Balkon. Sie und ich haben dennoch Freude am Räuchern, einem schonenden Räuchern, das nicht zur Geruchsbelästigung ausartet und eben auch innerhalb von geschlossenen Räumen stattfinden kann. Und Sie und ich können gut und gerne Kaffeebohnen, Ananas, Basilikum, Pfefferkörner und die getrockneten Früchte aus der Müslipackung räuchern und Freude daran haben. Alles ist schließlich gut erhältlich im Gewürz- oder Früchteregal unseres Supermarktes. Das nennt sich dann moderne Räucherware. Aber warum nicht? Denn auch diese Räucherstoffe beeinflussen unser Wohlbefinden positiv und tragen zum Gesundbleiben und zur Anregung der Selbstheilungskräfte bei.
Im Zuge des Esoterikbooms hielt das Räuchern endgültig Einzug in die Wohnzimmer. Leicht kommt man an exotische Räucherware, vor allem Hölzer und Harze. In jeder größeren Stadt gibt es mittlerweile esoterische Fachgeschäfte, die Räucherware und Zubehör anbieten. Auch Buchhandlungen, Geschenkläden oder Kaufhäuser führen Räucherstoffe, zumindest Räucherstäbchen. Nicht zu vergessen die zahlreichen Möglichkeiten, Räucherware im Internet zu bestellen.
Das Räuchern ist somit zu einer Tätigkeit geworden, die jedermann zum eigenen Vergnügen ausführen kann oder die gezielt als Hilfsmittel zur Gesunderhaltung des einzelnen dient.
Die moderne Gesellschaft kann es sich leisten, die natürlichen Quellen des Räucherns als Gesundheits- und Heilmittel wieder zu entdecken, denn uns stehen die Errungenschaften der modernen Medizin zur Seite, ohne die es nicht möglich wäre, schwere Krankheiten erfolgreich zu bekämpfen. So wird das Räuchern zu einer sinnvollen, natürlichen Ergänzung im persönlichen Heilungs- und Entwicklungsprozess, das die Selbstheilungskräfte aktiviert und medizinische Behandlungen und Therapien unterstützt. Räuchern wird dann aber auch zu einer liebevollen Beschäftigung, zum kreativen Tun und zu einem Akt der eigenen Schöpferkraft: Ihr Ideenreichtum kann sich dabei voll und ganz entfalten. Und Sie entdecken sich selbst auf eine ganz neue Art und Weise.
Was tut mir gut? Was kann ich gut riechen? Welche Stoffe kann ich mischen, damit es noch besser oder noch vielfältiger riecht? Spielerisch entdecken Sie die Möglichkeiten des Räucherns, die Sie ganz einfach in Ihren Alltag integrieren. Denn Räuchern ist einerseits ein geheimnisvoller, magisch-mystischer Akt, eine rituelle Handlung voller Ehrfurcht, Feierlichkeit und Zauberkraft, andererseits aber eine lustvolle Handlung im Alltag, zum eigenen Vergnügen, aus reiner Freude am Räuchern.
Verbissenes Räuchern sollten Sie unbedingt vermeiden! Schon unsere Vorfahren haben aus Freude am Riechen geräuchert. Rituale, spirituelle Handlungen, Reinigung, Schutz und Aktivierung der Selbstheilungskräfte sind Ziele, die erst viel später wichtig wurden. Am Anfang war die pure Lust am Wohlgeruch. Und das soll es auch bleiben!
Ich habe mit Entsetzen in einigen Räucherbüchern gelesen, dass Gerüche, die nicht gut tun, auf jeden Fall zu ertragen sein müssen. Dem stimme ich nicht zu! Meine eigene Erfahrung sagt mir, dass nur das gut tut, was das Wohlbefinden steigert und die Selbstheilungskräfte anregt und was Sie gut riechen können. Alles, was Ihnen »stinkt«, ist nichts für Sie. Vielleicht können Sie es zu einem anderen Zeitpunkt wieder riechen, vielleicht aber auch nicht. Dann ist es einfach nichts für Sie. Auch wenn ein Geruch zu aufdringlich, zu stark oder zu intensiv ist, schadet er mehr als er nutzt.
Und nur, damit Ihr Haus oder Ihr Wohnraum gereinigt oder geschützt wird, müssen Sie keinen Gestank ertragen. Nur weil ein Ritual nur ein bestimmtes Kraut zulässt, heißt das noch lange nicht, dass es wirksam ist. Alles was stinkt, hat keine Wirkung auf Sie und Ihr persönliches Umfeld. Allein Ihre Erfahrung zählt.
Das bedeutet natürlich nicht, dass jedes Räucherwerk immer gut riecht! Manchmal sind die Gerüche schon sehr fremd und eigenwillig. Sobald aber ein Geruch bei Ihnen Widerwillen, Ekel, Abscheu, Übelkeit, Kopfschmerzen oder andere Symptome hervorruft, sollten Sie ihn meiden.
Geräuchert wird aus vielfältigen Gründen, der Hauptgrund allerdings ist das persönliche Wohlbefinden. Es soll schließlich gut riechen um einen herum, denn ein guter Duft beschert dem Riechenden Wohlgefühl.
Unser Gehirn entscheidet in Sekundenbruchteilen, welcher Geruch Wohlbefinden auslöst, welcher Ekel und Abscheu und welchen wir als uninteressant oder mit »na ja, geht so« titulieren. Diese Entscheidung hängt zu einem großen Teil von unseren bisherigen Erfahrungen ab, die im Unterbewusstsein gespeichert sind und die sofort wieder aktiviert werden. Wir erinnern uns an einen Wohlgeruch, weil er mit einem positiven Ereignis verknüpft ist. Zum Beispiel sorgen vanilleartige Gerüche allgemein für ein Gefühl von Geborgenheit, weil es ein Duft ist, der oft mit liebevollen Kindheitserinnerungen verbunden ist. Bei zimtartigen Weihnachtsdüften reagieren die meisten Menschen ebenfalls mit Wohlbefinden. Im Einzelfall kann es aber anders sein, wenn Weihnachtsdüfte oder Vanillegeruch mit schlimmen Erlebnissen verbunden sind.
Neben dem persönlichen Wohlbefinden, das schöne Erinnerungen beschwört und dafür sorgt, dass man sich rundum gut fühlt, steht das zweckgebundene Räuchern. Die Menschheit hat im Laufe ihrer Entwicklung die Heilgeheimnisse der Räucherpflanzen und Räucherstoffe studiert, um den Rauch zielgerichtet einsetzen zu können. Das Räuchern dient zur Gesunderhaltung des Menschen und dazu, Schmerzen und Beschwerden zu lindern und die Selbstheilungskräfte anzuregen.
Ein dritter Grund liegt in der Spiritualität des Menschen. Durch das Räuchern wurden die Götter gnädig gestimmt, Opfergaben gebracht, es begleitete religiöse und spirituelle Handlungen. Unsere direkten Vorfahren feierten mit Räucherwerk die Kraft der Natur; drückten Anbetung, Dank, Bitte, Gebet, Lobpreis und Huldigung aus. Noch heute ist das so, sei es während einer katholischen Messe, bei religiösen Handlungen aus anderen Kulturkreisen, während moderner esoterischer Feste oder beim Meditieren im stillen Kämmerlein.