Titel der Originalausgabe:
THE TRANSLUCENT REVOLUTION
© 2005 Arjuna Ardagh
New World Library, Novato, California
Arjuna Ardagh: |
Übersetzung: Monika Richter |
Die lautlose Revolution |
Lektorat: Hendrik Bönisch |
Projektleitung: Marianne Nentwig |
Umschlag-Gestaltung: |
© J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, |
Shivananda Heinz Ackermann |
Bielefeld 2006 |
Typografie/Satz: KleiDesign |
info@j-kamphausen.de |
E-Book Gesamtherstellung: |
www.weltinnenraum.de |
Bookwire GmbH, Frankfurt a. M. |
4. Auflage 2017
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN print 978-3-89901-090-9
ISBN eBook 978-3-95883-259-6
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.
Wie eine im Alltag gelebte Spiritualität
uns und die Welt verändert
Vorwort von Ken Wilber
Vorwort von Ken Wilber
Einführung:
Von kleinen Inseln zum Inselmeer
Teil Eins:
Was ist Transluzenz?
Kapitel 1: Jago und dein reines Herz
Kapitel 2: Radikales Erwachen
Kapitel 3: Es wirklich leben
Teil Zwei:
Individuelle Transluzenz
Kapitel 4: Mein verrückter Onkel: Die transluzente Identität
Kapitel 5: Inspirierte Gewissheit: Das transluzente Handeln
Kapitel 6: Das Drama fallen lassen: Das transluzente Gefühl
Kapitel 7: Die Du-Erkenntnis: Die transluzente Beziehung
Kapitel 8: Überfließende Fülle: Der transluzente Sex
Kapitel 9: Die Ketten brechen: Die transluzente Kindererziehung
Kapitel 10: Durch – nicht von: Die transluzente Kunst
Teil Drei:
Kollektive Transluzenz
Kapitel 11: Die Weisheit des Nicht-Wissens: Das transluzente Bildungswesen
Kapitel 12: Der Krieg ist vorbei: Das transluzente Geschäftsleben
Kapitel 13: Mehr als Leben und Tod: Das transluzente Gesundheitswesen
Kapitel 14: Direkt zum Ziel: Die transluzente Religion
Kapitel 15: Perfekte Unvollkommenheit: Eine Vision von einer transluzenten Welt
Nachwort
Anmerkungen
Literaturliste
Who is Who: Über die befragten Personen
Über den Autor
Es ist eher eine außergewöhnliche, ja sogar historische Zeit, in der wir leben, nicht nur wegen der Gefahren, sondern auch wegen der Aussichten. Von den Gefahren, da bin ich sicher, habt ihr schon viel gehört. Dies ist ein Buch über die Aussichten oder über eine der strahlendsten von ihnen: die Chance zu erwachen, radikal zu erwachen und dir bewusst zu werden, wer und was du wirklich bist, unter dem alltäglichen, oberflächlichen, schwatzenden Geist und der chronischen Selbstverkrampfung, die ein verheißungsvolleres Morgen verhindert. Wenn du dieses Buch zu Ende gelesen hast, wirst du, so glaube ich, ein unbestreitbares Empfinden dieses größeren Bewusstseins haben – in dir selbst, in der Gesellschaft und in der übrigen Welt.
Der Grund dafür, dass diese spezielle Aussicht so außergewöhnlich ist, liegt in der Geschichte der vergangenen dreißig Jahre; der Geschichte darüber, was als „die menschliche Potenzial-Bewegung“ bekannt wurde. Anfang der 1960er Jahre gab es ein explosionsartig anwachsendes Interesse an östlichen Religionen, Meditation, Selbsterfahrungsgruppen, bewusstseinserweiternden Drogen, Bewusstseinstraining, EST-Training, Yoga, New-Age-Dies-und-Das und vielem mehr. Einiges davon war gut, einiges schlecht, einiges dumm. Und glaub mir – wir alle haben einen Blick in das Dumme geworfen; ich habe es sogar in Boomeritis beschrieben. Aber aus jener außerordentlich experimentellen Periode – die als ernsthaftere Seite sowohl die Humanistische Psychologie als auch die Transpersonale Psychologie hervorgebracht hat – lernten wir zumindest drei wichtige Dinge über das menschliche Wachstum und sein Potenzial.
Erstens: Es gibt viele verschiedene Zustände des Bewusstseins: gewöhnliche Zustände, veränderte Zustände, Zustände unter Einfluss von Drogen, meditative Zustände, hypnotische Zustände, Traumzustände, schamanische Zustände, formlose Zustände, nicht dualistische Zustände, Schlafzustände mit Halluzinationen, Grenzerfahrungen, Flow-Zustände, erwachte Zustände. Und was uns das alles gelehrt hat, war, dass es da mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Verschiedene Zustände des Bewusstseins offenbaren sehr viele verschiedene Welten und so begann eine Erforschung dieser Welten.
Da die meisten Zustände des Bewusstseins und der Grenzerfahrungen Variationen der drei oder vier natürlichen Zustände von Wachen, Träumen, tiefem formlosen Schlaf und Einheit sind, wurden sie oft in diese vier allgemeinen Kategorien eingeordnet. Es wurden ihnen Namen gegeben wie grobstofflich (wachen), feinstofflich (träumen), kausal (formlos) und nicht dualistisch (Einheit). Dieses Buch erforscht besonders Variationen eines Einheitszustandes oder eines erwachten Zustandes des Bewusstseins – ein Erwachen oder eine Grenzerfahrung und ihre dramatische Auswirkung auf das Leben der Menschen, auf Leute wie dich, wie das im Untertitel des Buches steht.
Aber eines war unter denjenigen, die dieses Thema ernsthaft untersucht haben, klar: Die Art der Welt, die du wahrnimmst, hängt in großem Maße von dem Bewusstseinszustand ab, in dem du bist. Verschiedene Zustände nehmen nicht nur verschiedene Welten wahr, sie bringen sie hervor, sie kreieren sie mit, sie beeinflussen selbst ihre Beschaffenheit. Das Subjekt nimmt nicht nur das Objekt wahr, es hilft auch, es zu kreieren. Immerhin haben wir das schon seit Kant oder sogar schon davor gewusst, aber es wurde noch nie so vielen Leuten in so kurzer Zeit so fühlbar veranschaulicht. Ernsthafte Schriftsteller und Forscher konnten von nun an nicht mehr so tun, als gäbe es einfach nur eine Welt, die herumliegt und darauf wartet, wahrgenommen zu werden. Nein, mein Freund, die Welt, die wahrgenommen wird, wird von deinem Bewusstsein mitkreiert. Verändere dein Bewusstsein, und du veränderst die Welt.
Zweitens: Zusätzlich zu den Zuständen des Bewusstseins gibt es auch Stufen des Bewusstseins. Was ist der Unterschied? Zustände sind temporär, Stufen sind permanent. Okay, aber was sind Stufen? Stufen sind die Art und Weise, wie die Evolution sich über das Chaos in immer größer werdende Sphären der Organisierung und der Verschachtelung hineinkatapultiert. Ein einfaches, typisches Beispiel: von Atomen zu Molekülen, zu Zellen, zu Organismen. Jedes davon ist eine Stufe, und jede Stufe übertrifft oder beinhaltet ihren Vorgänger, so dass die Evolution in der Tat eine Serie von verschachtelten Sphären – oder Holons ist. Löcher, die Teile eines größeren Loches sind, unbegrenzt, wie es scheint. Und so ist da eine Richtungsweisung in die Evolution eingebaut, vom Atom zum Molekül, zu den Zellen: Du wirst nie auf Moleküle stoßen, bevor Atome vorkommen, oder auf Zellen, bevor Moleküle da sind. Es sind im Universum keine Ausnahmen davon bekannt, und so scheint es, dass „Stufe“ und „Evolution“ und „Wachstum“ eigentlich bedeutungsgleich sind.
Beispiele für Stufen menschlichen Wachstums sind zu zahlreich, um sie hier aufzulisten. Es gibt Stufen der psychosexualen Entwicklung, der linguistischen Entwicklung, der Selbstentwicklung, Embryologie, Physiologie, Neuroanatomie und … nun, die Liste ist endlos. Aber sie sind alle Variationen einer Reihe, wie Buchstaben, Wörter, Sätze, Absätze. Jede Stufe in dieser Reihe übertrifft und schließt ihren Vorgänger wieder mit ein, in einer Entwicklung, die eine Umhüllung ist. So ist da eine immer größere Ganzheit und Verschachtelung in jedem Stadium, und so, wie in der natürlichen Evolution, gibt es da eine Richtungsweisung, die von Natur aus in dieser Sequenz liegt – du hast nie Wörter, bevor du Buchstaben hast oder Sätze vor Wörtern, und in keiner menschlichen Kultur kennt man Ausnahmen davon.
Was hat das mit menschlichem Potenzial zu tun? Genauso, wie entdeckt wurde, dass es höhere Zustände gibt, so wurde auch entdeckt, dass es höhere Stufen der menschlichen Entwicklung gibt; Stadien, die erheblich über die konventionellen Stufen der Entwicklung, die je von orthodoxen Psychologen für möglich gehalten wurden, hinausgingen. Diese höheren Stufen sind ein ererbtes Potenzial aller Menschen, obwohl nicht jeder dementsprechend lebt.
Abraham Maslow war einer der ersten großen Erforscher dieser höheren Stufen des menschlichen Potenzials, und er entdeckte, dass es zusätzlich zu den typischen, normalen Stufen, welche die Menschen besitzen – den physiologischen Bedürfnissen, den Sicherheits bedürfnissen, Besitzbedürfnissen, und Bedürfnissen des Selbstwertgefühls – höhere Stufen der Selbstverwirklichung und Selbsttranszendenz gibt. Er bezeichnete die letztgenannten Begriffe als Wachstumsbedürfnisse im Kontrast zu Defizitbedürfnissen, weil das erste aus einem Bewusstsein des Superüberflusses und das zweite aus einem Gefühl des Mangels und Entbehrens entsteht. So wie bei allen wahren Stufen tauchten sie in einer Ordnung auf, die man nicht umdrehen konnte, und jede baute sich auf der vorhergehenden auf und schloss diese mit ein. Lasst mich ein berühmtes Beispiel geben: der Stufenbegriff von Carol Gilligan. In ihrem Buch In a different voice (und in späteren Werken) hat Gilligan die vier Hauptstadien der weiblichen moralischen Entwicklung skizziert, welche sie selbstbezogen, fürsorglich, universal fürsorglich und integriert nennt. Andere Bezeichnungen für solche Stufen könnten sein: egozentrisch – ich kümmere mich nur um mich selbst; ethnozentrisch – ich kümmere mich um meinen Stamm, mein Land, meine Nation; weltzentrisch ich kümmere mich um alle Menschen, egal welcher Rasse, Farbe, welchen Geschlechts oder Glaubens; und kosmozentrisch – wo ich das maskuline und feminine in mir selbst integriere und – ich würde hinzufügen – ausdehne auf alle fühlenden Lebewesen, ohne Ausnahme. Wie alle Stufen ist die Bewegung von egozentrisch zu ethnozentrisch, zu weltzentrisch, zu kosmozentrisch eine aufeinanderfolgende Bewegung von sich erweiterndem Bewusstsein, Fürsorge und Umhüllung. So wie mit jeder anderen Stufenfolge, die wir uns angeschaut haben, bildet die Natur wirklich Holon auf Holon auf Holon … eine Serie sich immer erweiternder Ganzheit, Bewusstheit, Fürsorge, und Umschließung.
Wir wussten einfach nur nicht, dass das Umfassen bis hin zur Unendlichkeit gehen könnte. Aber genau das hat die Bewegung für menschliches Potenzial entdeckt: Im weiteren Rahmen der menschlichen Natur, in den Bereichen der Bedürfnisse nach Selbsttranszendenz, in den tiefsten Bereichen deines wirklichen Selbst und deiner immer gegenwärtigen ICH-BIN-heit berichten die Leute, dass sie eins sind mit dem Grund des Seins, eins mit dem Geist, eins mit der Unendlichkeit, eine strahlende Orgie des All-Umfassenden, nenne es, wie du willst …
Und nicht nur als vorübergehender Zustand, sondern als permanentes Merkmal – eine bleibende Stufe, auf der man Kompetenz erwirbt. Nicht, dass du immer demgemäß lebst, sondern dass du immer Zugang dazu hast (was dies zu einer erwachten Stufe und nicht nur zu einem erwachten Zustand macht). Dies ist so wie die Aneignung einer Sprache oder irgendeiner anderen Kompetenz: Wenn du eine Sprache einmal gelernt hast, bedeutet das, dass du einen permanenten Zugriff auf sie hast, nicht, dass du sie die ganze Zeit sprichst.
So, wie es viele Arten gibt, Zustände zu klassifizieren, so gibt es auch viele Arten, Stufen zu klassifizieren. Manche Forscher benutzten drei Stufen, andere fünf, wieder andere sieben oder mehr. Es wurden auch viele verschiedene Namen und Ausdrücke gebraucht, je nachdem, welche verschiedenen Aspekte und verschiedenen Stufen die Forscher untersuchten. Theoretiker in diesem Buch haben Stufen-Konzepte beschrieben oder benutzt, inklusive David Deida, Duane Elgin, H. A. Almaas, Jean Houston, Fred Kofman, Jennifer Garcia, Andrew Cohen, Sofia Diaz, Frances Vaughan und viele andere.
Hier einige sehr wichtige Punkte: In der modernen Auffassung sind Stufen sehr veränderliche und fließende Angelegenheiten, nicht aufeinander gestapelt, sondern sie umschließen und umfassen einander und fließen ineinander über. Um ihre Wichtigkeit herauszustellen, werden sie oft als Wellen des Bewusstseins anstatt als Stufen des Bewusstseins bezeichnet. Eine andere wichtige Entdeckung ist die, dass es keine höchste Stufe oder Welle zu geben scheint, es geht einfach immer weiter. Es folgt Holon auf Holon auf Holon, ohne Endpunkt, kein Omega-Punkt, nur ein sich ewig ausdehnender Horizont des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der zwar Unendlichkeit erreicht, aber nie darin ruht.
Drittens: Der dritte große bedeutende Punkt, den die Forscher erkannten, ist der, wie sich Zustände und Stufen zueinander verhalten. Weder die Zustände noch die Stufen können als Beweis herangezogen werden. Wenn du dir zum Beispiel nur die Zustandskonzepte anschaust, scheint es, dass du eine spirituelle Erfahrung nur haben kannst, wenn du durch alle Maslow-Stufen hindurchgehst, den ganzen Weg bis zu der höchsten, transpersonellen, selbst transzendierenden Stufe, und dann gewinnst du den Preis. Wir alle kennen aber Leute – uns selbst oft eingeschlossen – die spirituelle Erfahrungen oder Grenzerfahrungen hatten und trotzdem vielleicht nicht an der Spitze der Wachstumspyramide stehen!
Aber viele frühe Theoretiker sind fälschlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass es deswegen keine Stufen des Wachstums gibt. Sie verfochten die Meinung, dass es nichts anderes als Zustände gäbe. Trotzdem wurde sehr bald klar, dass Zustände alleine nicht ausreichen, denn diese beinhalten, dass alles, was du tun musst, darin besteht, eine welterschütternde Erfahrung des Erwachens zu haben, um spirituell zu werden. Forscher aber fanden bald heraus, dass praktisch jeder so eine Grenzerfahrung des Erwachens haben kann, sogar Leute auf der ethnozentrischen Stufe. Aber alles, was das bewirkte, war, dass sie noch ethnozentrischer wurden. Nicht gut!
Aber das war die dritte bedeutende Entdeckung. Die Beziehung von Zustand und Stufe: Du kannst auf praktisch jeder Stufe, auf der du dich befindest, eine tiefe transformierende Zustandserfahrung haben. Lasst uns aus Einfachheitsgründen die vier Stufen von Carol Gilligan (egozentrisch, ethnozentrisch, weltzentrisch, kosmozentrisch) und die vier Hauptzustände (grobstofflich, feinstofflich, kausal und nicht dualistisch) anwenden. Du kannst auf jeder dieser Stufen eine Zustandserfahrung haben. Das ergibt 16 Typen von Möglichkeiten der Erfahrung, und die Forschung fand Beispiele für jeden Typ.
Wenn du beispielsweise auf einer ethnozentrischen Stufe der Entwicklung bist und eine Grenzerfahrung des Einheitszustandes hast – eins zu sein mit allem oder eins zu sein mit dem Grund des Seins –, dann interpretierst du das vielleicht als eine Erfahrung des Einsseins mit Jesus und schließt daraus, dass niemand gerettet werden kann, außer er akzeptiert Jesus als seinen persönlichen Retter (daraus folgt die „ethnozentrische“ Art der Interpretation – dass du dieser einen Gruppe angehören musst, um gerettet zu werden). Aber wenn du auf der egozentrischen Stufe bist und die gleiche Erfahrung hast, glaubst du vielleicht, dass du selbst Jesus bist. Und wenn du auf der kosmozentrischen oder der integralen Stufe bist und du jene nicht dualistische Grenzerfahrung hast, wirst du wahrscheinlich daraus folgern, dass du und alle fühlenden Lebewesen ohne Ausnahme eins sind, im Geist und in der Zeitlosigkeit hier und jetzt.
Siehst du, wie das Gitter der Möglichkeiten funktioniert? Du kannst dich praktisch auf jeder Stufe des Bewusstseins befinden und eine Grenzerfahrung von praktisch jedem Zustand des Bewusstseins haben. Und was genauso wichtig ist: Du wirst den Zustand entsprechend der Stufe, auf der du bist, interpretieren. Das Gitter wird jetzt Wilber-Combs-Matrix genannt, nach den beiden erstaunlich hellen Köpfen, die beide unhabhängig voneinander darüber gestolpert sind. (Um mehr über die Entwicklungsstufen zu erfahren, lese das Buch Integrale Psychologie, das graphische Darstellungen von über 100 westlichen und östlichen Modellen beinhaltet; mehr über die Wilber-Combs-Matrix findest du in The Eye of Spirit.)
Lasst mich nun versuchen, das alles zusammenzubringen. Ich habe vorher ausgeführt, dass Leute, die starke Erwachens- oder Grenzerfahrungen haben, in vielen Fällen dahin tendieren, die Stufe, auf der sie waren zu verstärken. Zum Beispiel habe ich erwähnt, dass jemand auf der ethnozentrischen Stufe eine Erwachenserfahrung haben kann, diese sie dann aber nur noch ethnozentrischer macht. Wir kennen alle Beispiele von wiedergeborenen Christen, die sehr mächtige Zustandserfahrungen hatten; sie glühen, sie sind strahlend, sie sind transluzent, und doch sind sie Faschisten. Dies kommt daher, dass sie immer noch auf der ethnozentrischen Stufe sind und – Gott segne sie – denken, dass Jesus der einzige Weg ist.
Aber die Forschung fand auch fesselnde Tatsachen: Je mehr du in veränderte, ungewöhnliche oder meditative Stufen eingetaucht bist, desto schneller bewegst du dich tatsächlich durch jede Stufensequenz, die getestet wurde. Anders ausgedrückt: Wenn du dich zum Beispiel mit Meditation befasst, die dich wiederholt erwachten Zuständen aussetzt, und du dann den Loevinger-Test machst – ein sehr berühmter und gut dokumentierter Test der Entwicklungsstufen –, so wirst du jene Stufen nicht überspringen (es wurde kein Beispiel dafür gefunden, dass Stufen übersprungen wurden, aus dem gleichen Grund, wie du nicht von Buchstaben zu Sätzen gehen und die Wörter auslassen kannst). Aber du wirst dich durch jene Stufen in einem viel schnelleren Tempo bewegen. Es ist nicht ungewöhnlich, festzustellen, dass der prozentuale Anteil der Bevölkerung auf den beiden höchsten Stufen von Loevinger (Versionen von integral), der normalerweise bei fünf Prozent liegt, nach vier Jahren der Meditation bei bis zu 40 Prozent liegt. Keine andere Technik – weder Psychotherapie noch Atemarbeit, Körperarbeit, Jung’sche Analyse, Psychoanalyse, Gestalttherapie oder noch irgendetwas anderes – hat je so eine erhöhte Geschwindigkeit der Entwicklung gezeigt. Und tatsächlich, diese Art Erkenntnisse wurden zur Basis der integralen Praxis und des Trainings (www.integralinstitute.org).
Was also bedeutet das? Ganz einfach: Je mehr du eingetaucht oder einfach nur sanft in den erwachten Zustand hineinbewegt wirst, desto transluzenter wirst du. Und das Buch, das du jetzt in den Händen hältst, ist ein Buch über diese einfache doch tief gehende Gleichung.
Dies ist ein Buch über die transluzente Revolution, eine Revolution, die in den 1960er Jahren begann und jetzt zu einem Verständnis gereift ist, dargestellt in den drei Faktoren, die ich erwähnte, und in einem Buch, das dich und die Welt wirklich verändern kann, wenn du es im Licht jener Faktoren siehst.
In diesem Buch geht es nicht um Bewusstseinsstufen, was man als Manko sehen könnte, wenn man den Anspruch des Buches bedenkt. Aber ich glaube, obwohl Kritik berechtigt ist, wäre es an dem Thema, mit dem sich das Buch versucht zu beschäftigen, vorbei. Sich darüber Sorgen zu machen, auf welcher Stufe du dich eventuell befindest, in dieser oder jener Entwicklungsmethode, macht keinen Sinn. Wenn du dich dafür entscheidest, überhaupt zu wachsen, dann musst du anfangen, dich zu öffnen gegenüber reicheren Erfahrungen, tieferen Wahrheiten, höheren Erkenntnissen und dir selbst erlauben – oder dir selbst einen Impuls oder einfach einen sanften Anstoß geben –, in weitere Zustände des Bewusstseins zu gehen, Haltungen, Perspektiven und Erfahrungen.
Das überaus Großzügige und Hilfreiche an diesem Buch ist, dass in jedem Kapitel nicht nur ein anderer Aspekt oder ein anderes Merkmal der transluzenten Revolution beschrieben wird und in welcher direkten Beziehung dies zu deinem Leben steht, sondern dass es eine wunderbare Serie von erfahrungsspezifischen Übungen darin gibt – „Übungsanregungen“ genannt –, die dir helfen können, dich in einen erweiterten Zustand zu bringen. Und so ist der verstärkende Effekt dieser Übungen, dass, egal in welcher Welle du bist, sie zu deinem eigenen Wachstum in der Entwicklung zu höheren und tieferen Wellen tatsächlich beitragen können und du mit jeder Welle nicht nur vollkommener, sondern transluzenter wirst.
Transluzent gegenüber was? Nun, mein Freund, bitte lies dieses Buch und finde es heraus, dieses Buch voller Wunder, Genuss, Glanz und Befreiung, und vielleicht siehst du dein eigenes Selbst zunehmend transluzenter werden, sogar während du liest. Daraufhin findest du, schwach am Horizont, schimmernd im Nebel und in Erinnerungen an ein erkanntes, aber noch nicht erklärtes Selbst, deine Antwort in einer Befreiung und Erkenntnis, die vollkommen deine eigene und doch von allen geteilt wird. In dieser immer erkannten, immer entschwindenden Unendlichkeit könntest du das Geheimnis aller drei historischen Faktoren in einen einzigen zusammengefasst begreifen, nämlich dass du wirklich beginnen kannst, die Welt dadurch zu verändern, dass du dein tiefstes Bewusstsein änderst, so dass die transluzente Revolution entzündet wird an der einzigen Stelle, wo sie ihren Anfang nehmen kann: bei dem einen und einzigen Geist, der diese Seiten liest – genau hier, genau jetzt, genau du – aber ein Du, das aus dir heraus und in die Unendlichkeit geht, mit einem Blinzeln und Zwinkern und Stoßen und Schubsen, wenn du meine evolutionäre Strömung verstehst und mit Wellen und Flüssen und Wachen und Träumen dem ewig gegenwärtigen Ozean des Ich-Bin entgegeneilst.
Robert hatte alles: ein Haus am Strand in Malibu, den neuesten Geländewagen, Designerkleidung, die richtigen Beziehungen. Er hatte auch ein kleines Alkoholproblem und einige persönliche Schwierigkeiten zu Hause. Sein Geld hatte er in Kalifornien als Makler gemacht, und als Ende der 1980er Jahre der Markt zusammenbrach, tat dies auch Robert. Von einem Millionenvermögen ging er in den Bankrott. Er verlor das Haus, viele von seinen Freunden und sein Selbstvertrauen. 1992 spielte er mit dem Gedanken, sich umzubringen.
Eines Abends machte er einen Spaziergang. Er hielt an und stand bewegungslos da, seine Stimmung war dunkler als die Nacht. Er hatte einen Gedanken, einen ganz einfachen Gedanken. „Ich bin erledigt“, sagte ihm sein Verstand.
Er hat immer noch Schwierigkeiten, zu erklären, was dann passierte.
„Ein Gefühl der Erleichterung überkam mich“, berichtet er. „Ein plötzliches Gefühl unaussprechlicher Freiheit. Ich fing sogar an, laut zu lachen. Mein Körper war voller Glück, so als ob ich plötzlich einen Witz verstand, den ich vorher verpasst hatte. Zum ersten Mal fühlte ich mich richtig gut, ohne jeglichen Grund. Ich war vollkommen hier, in diesem Moment. Ich konnte die Bäume um mich herum fühlen und die Geräusche hören, ohne dass ich meinen Gedanken zuhören musste, die mir sagten, dass die Dinge irgendwie anders sein sollten. Alles wurde erfahren, aber das ‚Ich‘ war weg.“
Er ging nach Hause und schlief zum ersten Mal seit sieben Monaten mit seiner Frau.
Später beschrieb Robert seine Erfahrung einem Freund, einem Studenten östlicher Philosophie und Meditationspraktiken. Roberts Erscheinung, so schien es, hatte einen obskuren östlichen Namen. Aber sein Freund warnte ihn und sagte, dass es wieder vorbeigehen würde, dass er einen kurzen Einblick in einen Zustand gehabt hätte, den nur große Yogis erreichen könnten.
„Aber es ging nicht vorbei“, sagt Robert heute. „Ich habe natürlich immer noch Höhen und Tiefen. Mit meiner Frau habe ich manchmal immer noch Probleme. Mein Rücken schmerzt immer noch, wenn es regnet. Aber dieses mysteriöse Gefühl von Wohlsein, das ich in jener Nacht fand, dieses Gefühl von Leichtigkeit ohne jeglichen Grund, das ist bei mir geblieben, schon seit mehr als zehn Jahren. Ich könnte es nicht loswerden, selbst wenn ich es versuchte. Es schien sogar tiefer und tiefer zu gehen. Es ist nicht etwas, was mir geschieht, es ist, ‚wer ich bin‘.“
Etwas Ähnliches passierte Mary während ihrer Frühschicht in einer Konservenfabrik für Gemüse. Stephan fuhr gerade auf der Autobahn, während sich Jaquelines Erwachen nach der Geburt ihres dritten Kindes im Krankenhaus ereignete. Michael erlebte einen ähnlichen Wandel, als er eine Freiheitsstrafe von 87 Monaten in einer Zelle mit 32 Insassen verbüßte, und Douglas wanderte im Himalaja. Einige kamen zu diesem Erwachen durch Kontakt mit einem Lehrer; einige, indem sie in die Tiefen der Verzweiflung hinabstiegen und dann am anderen Ende wieder herauskamen. Einige sind nach jahrelanger Meditation erwacht. Für wieder andere kam dieses Erwachen völlig unerwartet, aus keinem ersichtlichen Grund heraus.
Bei mir ereignete sich dieser Wandel 1991, um sechs Uhr morgens, in einem Hotelzimmer in Indien.
Mehr als zwei Jahrzehnte hatte ich „gesucht“. Sogar als Kind fühlte ich intuitiv, dass das Leben mehr war als das, was ich um mich herum sah. Als ich in den frühen 1960er Jahren in London aufwuchs, hatte ich das Gefühl eines Lebens voller Restriktionen und Kompromisse bei meiner Mutter, meinem Vater, meinen Lehrern und den anderen Familienmitgliedern und Verwandten. Sie schienen einfach nur zu überleben, anstatt das Leben zu genießen. Ich wusste, es gab mehr als nur das.
Aus dieser Sehnsucht heraus, nach etwas, das ich nicht benennen konnte, lernte ich im Alter von 14 Jahren zu meditieren. Während der folgenden 20 Jahre wurde ich zu einem extremen spirituell Suchenden. Ich erforschte viele Meditationstechniken, radikale Therapien und das Leben in Wohngemeinschaften. Ich machte EST-Training, Yoga, Urschreitherapie, Tantra-Workshops, Tai Chi und besuchte lange Meditations-Retreats und vieles mehr. Ich tauchte richtig in diese Welt ein. Ich aß sogar Tofu. Ein einziges Mal.
Ich hörte von einem wenig bekannten Lehrer in Nord-Indien namens H. W. L. Poonja. 1991 gab ich schließlich einem enormen inneren Druck nach und besuchte ihn. Er lebte in einem bescheidenen Haus am Stadtrand von Lucknow. Ich trat ins Zimmer, unsere Augen trafen sich und innerhalb einer Sekunde wusste ich, das Spiel war aus. Er meinte es ernst. Anstatt mir diese oder jene Technik beizubringen, fragte er mich ganz einfach: „Wer ist derjenige, der versucht, frei zu werden? Wer bist du wirklich?“
Ich brauchte einige Tage, bis ich anfing zu verstehen. Ich war ein schwieriger Fall. Aber schlussendlich, früh am Morgen, wachte ich in meinem Hotelzimmer auf und versuchte mich zu finden. Ganz ernsthaft. Zum ersten Mal.
Es war nichts da.
Wo da ein „Ich“ sein sollte, ein festes Ding, war nur ein offener Raum, völlig in Frieden, immer und ewig frei. Es gab keine Veränderung in meinem Zustand, sondern eher eine Erkenntnis von dem, was immer wahr gewesen ist. Nicht, dass ich eine plötzliche Einsicht bekommen hätte; ich schaute eher einem lebenslangen, peinlichen Fehler ins Gesicht. Ich brach in Lachen aus, genau da im Hotelzimmer, und erst nach 20 Minuten hörte es auf. Was in diesem Augenblick gesehen wurde, wurde seither nie wieder aus den Augen verloren.
Ich blieb ungefähr ein Jahr bei Poonja. Eines Tages bat er mich, in den Westen zurückzukehren, um als Lehrer zu arbeiten.
„Du machst einen Scherz“, antwortete ich.
„Ja“, lachte er, „die Wahrheit ist ein großer Witz, du musst gehen und das deinen Freunden mitteilen.“
Zurück in Amerika begann es zuerst damit, dass ich mich mit einigen Freunden im Wohnzimmer traf. Binnen kurzem kamen dann an fünf Abenden in der Woche Dutzende von Leuten. Die meisten von denen, die an diesen Treffen teilnahmen, hatten bei ihrem ersten oder zweiten Treffen zumindest einen kleinen Einblick in das Erwachen, ähnlich dem, was mir in Lucknow geschehen war. Sie kamen immer wieder zurück, weil die Erkenntnis nicht stabil war und in ihrem täglichen Leben wieder verschwand.
Sie nahmen an, dass ich helfen konnte.
Wenn sie im Wohnzimmer saßen und mit Leuten, die ihnen unbekannt waren, meditierten oder in ein Retreat gingen, hatten sie ein tiefes Gefühl von Einssein. Wenn sie dann nach Hause gingen zu ihren schwierigen Teenagern, fanden sie nur Getrenntsein. In der Stille der Meditation war offensichtlich alles perfekt, es entwickelte sich so, wie es sich entwickeln sollte. Die Klarheit war zerstört in dem Augenblick, in dem sie einen Brief vom Finanzamt bekamen. Arbeit, Familie, volle Terminkalender, Beziehungen, alles schien die Einfachheit zu sabotieren. Diese Menschen sehnten sich danach, ihr Erwachen tiefer zu verinnerlichen. Obwohl sie die Erkenntnis des Einsseins hatten, richteten sich ihre Gewohnheiten immer noch nach dem Getrenntsein. Die Erkenntnis war grenzenlos, aber ihre Gedanken waren immer noch voller Angst und Begrenzungen.
Die Monate des Lehrens wurden zu Jahren. Ich reiste in andere Teile der Vereinigten Staaten und dann nach Europa. Die Situation war überall gleich. Die Erkenntnis selbst war unglaublich einfach. Aber ihr gemäß zu leben, war eine Herausforderung.
Als ich meine eigene Beziehung zu meiner Familie, meinen Freunden und zur Erde genauer betrachtete, musste ich mir eingestehen, dass auch ich eine Kluft zwischen der Tiefe der Erkenntnis und der Qualität meines Lebens sah. Aus einer zufällig erhaltenen Gabe der Redekunst heraus war ich in die „Guru-Rolle“ geschlüpft, ein göttlicher Scherz. Beides, die Gewissheit der Realität, tiefer als der Geist, und das Verlangen, in jeder Hinsicht wirklich zu leben, war, wenn ich lehrte, im ganzen Raum, war auf beiden Seiten des Lehrer-Schüler-Tanzes.
Ich hatte das Glück, viele enge und ehrliche Freunde zu haben, die ebenfalls die Rolle eines „spirituellen Lehrers“ spielten. Einer durchlebte eine schmerzliche Scheidung, er musste sich mit der Trennung von seinen Kindern abfinden. Eine andere Freundin, die sehr von ihren Schülern geliebt wurde, vertraute mir an, dass sie einsam sei und sich oft wunderte, warum es so schwierig war, in ihrem persönlichen Leben dieselbe Tiefe der Liebe zu finden. Viele kämpften mit finanziellen Problemen. Die Liste ging noch weiter. Diese Lehrer waren respektiert, erfolgreich und erwiesen vielen Leuten einen riesigen Dienst. Trotzdem waren sie, genauso wie ihre Schüler, von der Kluft zwischen der Lehre und ihrer Umsetzung im täglichen Leben herausgefordert.
Hier waren wir also, egal ob wir einen Hut aufhatten mit der Aufschrift „Lehrer“ oder „Schüler“. Die Herausforderung bestand nicht so sehr darin, die Erleuchtung zu kosten, sondern sie zu leben. Vor dieses schwierige Problem gestellt, suchten die meisten von uns Hilfe in Konzepten, Vorbildern und Lehren, sehr oft in denen anderer Menschen, anderer Kulturen und anderer Zeiten. Die meisten dieser Konzepte wurden von Menschen geschaffen und waren für Menschen bestimmt, die sich entschieden hatten, auf weltliche Dinge zu verzichten. Einige dieser Lehren wurden heimlich in der Wüste weitergegeben, andere wurden bei Lampenlicht in Höhlenwände eingeschrieben. Einige von ihnen wurden in Indien rezitiert, andere wurden in Jerusalem mündlich überliefert. Trotz ihrer zeitlosen Schönheit haben sie nur selten den dramatischen Wechsel des Lebensstils beachtet, die gesteigerte Geschwindigkeit, mit der wir heute leben.
Wenn die Realität unseres alltäglichen Lebens nicht in unsere Vorstellung passt, haben wir oft das Gefühl, dass irgendetwas falsch an uns ist, dass etwas fehlt. Aber diese Pläne, Theorien oder Konzepte hatten wir nicht, als wir geboren wurden. Wir hatten sie nicht, als wir das erste Mal unser inneres Sehnen fühlten. Diese Pläne sind alle ausgeliehen, alle gelernt. Wenn wir einmal angefangen haben, ihnen zu folgen, werden sie zum Absoluten, an dem wir unsere momentane Erfahrung messen. Die Theorie sagt, dass eine „erleuchtete“ Person frei von der Welt ist. Du erinnerst dich nur widerwillig daran, dass du dir den neuen, schicken Porsche deines Nachbarn mit großem Interesse angeschaut hast – schon hast du den Test nicht bestanden. Die Theorie sagt dir, dass eine erleuchtete Person nie in Gefühle verwickelt wird, vor allem in keine „negativen“; du erinnerst dich an den Ärger, den du fühltest, als jemand dir deinen Parkplatz wegnahm – schon wieder durchgefallen. Die Theorie sagt dir, dass eine befreite Person jenseits der Wünsche des Fleisches ist und wenn du ehrlich zu dir bist, versagst du den ganzen Tag.
So hilfreich diese Pläne und Konzepte auch sein mögen, viele von uns haben bemerkt, dass sie einfach nicht in die Gegebenheiten unserer Realität, so wie sie eben ist, passen. Jane, eine alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Jungen, suchte nach einer Führung durch Lehren, die in Indien vor 2.500 Jahren gegeben wurden. Mark, der sich mit seinem sexuellen Appetit und dem unberechenbaren, verwahrlosten Lebensstil eines Musikers auf der Straße konfrontiert sah, wandte sich Regeln zu, die ursprünglich unverheirateten Mönchen gegeben wurden. Und Jack, der versuchte, sowohl Aktionäre als auch Angestellte zufriedenzustellen in seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender einer großen Gesellschaft, suchte Inspiration von einem Yogi, der alle weltlichen Güter aufgegeben hatte.
Nach einiger Zeit wurde meine gelegentliche Befragung einiger Freunde zu einer Recherche im großen Maßstab. Ich fing an, die führenden Autoritäten spirituellen Lebens unserer Zeit aufzusuchen – Leute wie Eckhart Tolle, Ram Dass, Byron Katie und Jean Houston –, um unsere Situation nochmals gemeinsam neu zu betrachten, frei von allen Plänen und Standpunkten. Ich habe alle diese Dialoge auf Band aufgenommen.
Die Mehrheit unserer ererbten Lehren weist auf einen höchsten Zustand des Erreichens oder Ankommens hin, man mag es Erleuchtung, Nirvana, Befreiung, oder Neu-geboren-Sein nennen. Und die Mehrheit von uns, als Leser dieser Lehren, hat Vorstellungen darüber, wie das alles in der Praxis aussehen soll. Ich fing an, mich sehr viel mehr dafür zu interessieren, was die Leute tatsächlich im Leben erfuhren. Welchen Konzepten folgten sie? Auf welcher Reise glaubten sie zu sein? Hatten sie ein bedeutendes Ziel erreicht, das in irgendeinem dieser Pläne beschrieben war? Sind sich die verschiedenen Konzepte, auf die wir uns beziehen, überhaupt über die Ziele einig? Sind wir, wie viele angedeutet haben, „auf halbem Wege zum Gipfel“? Oder ist es möglich, dass die Lehren, die wir benutzt haben, in Wirklichkeit einem Terrain und einer Zeit angehören, die von derjenigen, die wir jetzt erforschen, völlig verschieden ist? Vielleicht besteigen wir ja überhaupt keinen Berg; vielleicht erkunden wir ja eine Wiese oder einen Wald. Welche Teile der alten Konzepte erweisen sich als zeitlose Wahrheit? Und was ist nur das Badewasser, das wir ausschütten können, wenn wir das neugeborene Erwachen in diesem Augenblick in die Wiege legen?
Dies sind die Fragen, die ich zu den Interviews mitgebracht habe. Die 170 Dialoge füllen fast 250 Kassetten; die Abschriften umfassen mehr als eine Million Wörter. Indem ich die Interviewten fragte, was sie mit ihren eigenen Schülern, Lesern und im weiteren Freundeskreis erfahren haben, bekam ich indirekt auch Zugang zu den Erfahrungen von Millionen von Menschen in den Vereinigten Staaten und in Europa. Zusätzlich war es mir über die Jahre hinweg möglich, mehr als 13.000 Leute in Workshops, Konferenzen und Festivals in vielen Teilen der Welt sorgfältig zu beobachten. Schlussendlich, mit der Hilfe von Soziologen wie Paul Ray und Duane Elgin, habe ich zahlreiche Umfragen und wissenschaftliche Untersuchungen studiert, die auf einen radikalen Wandel im kollektiven Bewusstsein hinweisen. Ich habe keine Beurteilung abgegeben während dieser langen Periode des Recherchierens, sondern zog es vor, unseren jetzigen, aktuellen Zustand für sich selbst sprechen zu lassen.
Dieses Buch ist das Resultat. Ich habe einige interessante Entdeckungen gemacht. Einige davon hätte ich vorhersagen können, viele davon haben mich überrascht. Zum Beispiel hatte ich angenommen, dass die gegenwärtige Welle des Erwachens sich in erster Linie unter denen ereignen würde, die von bestimmten östlichen Lehren beeinflusst waren. Wie falsch ich da lag! Je mehr Interviews ich machte, desto mehr fand ich Beschreibungen desselben Wandels und derselben Sicht, ausgedrückt in „Zwölf-Stufen Drogengruppen“, in „Unity-Kirchen“, bei asiatischen Kampfsportgemeinden und bei „mindful parenting“-Erziehungsgruppen. Als ich das Buch meiner Verlegerin präsentierte, fragte ich mich, ob sie einen Draht dazu finden würde. Es stellte sich heraus, dass nicht nur viele ihrer Lehrer von „Spirit Rock“, dem buddhistischen Zentrum, das sie besuchte, von dieser Art des Erwachens betroffen waren, sondern auch ihr Therapeut, ja sogar ihr Friseur. Als Anders Ferguson, ein Betriebsberater, mir erzählte, dass er solche Veränderungen in steigendem Maße bei den Top-Führungskräften bei Unilever festgestellt hatte, musste ich die Idee völlig aufgeben, dass hier irgendeine Gruppe eine Sonderstellung einnahm.
Ich habe unzählige kleine Inseln von Einzelpersonen und Gemeinschaften entdeckt, die eine vollkommen neue Art der Beziehung zu ihrem spirituellen Leben haben. Viele denken, so wie ich früher auch, dass sie die Einzigen sind, die das tun, und sie sehen noch nicht das pulsierende, große Inselmeer, das durch all diese kleinen Inseln entsteht. Bei den vielen Besuchen, die ich ihnen abstattete, entdeckte ich, dass sich dieses Phänomen in einer immer größeren Proportion der Weltbevölkerung widerspiegelt.
Die Leute, die in diesem Buch beschrieben sind, wurden auf eine Art und Weise transformiert, die nicht unbedingt den Konzepten und Modellen entspricht, die wir geerbt haben. Auch sind sie nicht auf dem Weg zu etwas, das in den alten Konzepten beschrieben worden ist. Anstatt der Welt zu entsagen, sind sie engagiert, aktiv und nehmen an ihr teil. Anstatt das Zölibat anzustreben, erfreuen sie sich mehr denn je am Sex. Anstatt sich nach den Wegen zu richten, die ihnen durch das Patriarchat überliefert worden sind, verkörpern sie eine radikale Feminisierung des spirituellen Lebens. Und anstatt heilig, fromm und „spirituell“ zu sein auf eine äußerliche Art und Weise, ist ihre am leichtesten erkennbare Eigenschaft ein unbändiger Sinn für Humor. Sie sind ehrlich, tief und bemerkenswert weise und gleichzeitig bemerkenswert menschlich und bescheiden, was ihre Schwächen angeht. Sie haben größten Teils keine stereotypen Verhaltensweisen.
Entweder brauchen wir neue Konzepte und Lehren oder überhaupt keine. Und wir brauchen ein neues Vokabular. Diese Leute sind keine „Suchenden“; sie sind mehr am gegenwärtigen Augenblick interessiert als an ihrem Zustand in der Zukunft. Sie sind keine „Anhänger“; ihre Spiritualität gründet sich mehr auf Erfahrung als auf Imitation oder Glaube. Und sie lachen laut, wenn du sie als „erleuchtet“ bezeichnest. Anstatt von sich zu behaupten, etwas erreicht zu haben, scheinen sie aus dem Hamsterrädchen, dass sie ständig irgendetwas erreichen müssen, ausgestiegen zu sein.
Ich nenne sie „Transluzente“. Sie wurden so tief von einem Moment radikalen Erwachens ergriffen, dass ihre Beziehung zu dem, wer sie sind und um was es in diesem Leben geht, dauerhaft transformiert wurde. Es ist ein Prozess, der sich weiterentwickelt und endlos ist und nicht auf einen festgelegten Punkt oder auf ein Resultat hinzielt. Dieses Buch erforscht Transluzenz und die Möglichkeiten, die sie eröffnet. Vielleicht weißt du schon, wovon ich rede. Transluzente erkennen sich gegenseitig, manchmal ohne ein Wort sagen zu müssen. Wenn dir das neu oder seltsam vorkommt, dann glaube ich, dass du, nachdem du das gelesen hast, was hier berichtet wird, sehr viel transluzenter sein wirst.
In diesem Buch werden wir entdecken, was in dem Augenblick radikalen Erwachens passiert. Wir werden erforschen, wie leicht es sein kann, so ein Öffnen hervorzurufen, entweder wenn du alleine bist oder wenn du mit deinen Freunden zusammensitzt, in vollkommener Ergebenheit dem gegenüber, was in diesem Augenblick real ist. Wir werden sehen, dass ein Einblick ins radikale Erwachen ein Tor zu einer anderen Lebensweise des täglichen Lebens sein kann: zu einem transluzenten Leben. Wir werden untersuchen, was für ein Einfluss Transluzenz auf unsere Gefühle, unsere Gedanken und unsere Handlungen hat, unsere Beziehungen, unsere Sexualität, die Erziehung unserer Kinder, unsere Arbeit und die Art undWeise, wie wir die Welt sehen. Zusammen werden wir einige der häufigsten spirituellen Mythen über dieses Gebiet unseres Lebens ausfindig machen, viele davon geerbt von den alten Konzepten und Modellen. Wir werden entdecken, wie Leute wie du und ich diese Arena des ganz normalen Lebens transformieren, indem sie jeden Augenblick zu einer ununterbrochenen spirituellen Praxis werden lassen, ohne vorgeschriebenes Ziel.
In diesem Buch stelle ich dar, was als die vorherrschende transluzente Sichtweise herausgekommen ist, basierend auf 3.000 Seiten mit Abschriften von Interviews und Umfragen von Leuten, mit denen ich gearbeitet habe. Die meisten stimmten bemerkenswert überein. Natürlich repräsentiert nicht alles in diesem Buch den Gesichts punkt eines jeden, den ich interviewt habe. Die überwältigende Mehrheit der Interviewten aber war außergewöhnlich undogmatisch, humorvoll, und ihre Standpunkte waren sich ähnlich.
Diese Interviews haben das Buch auf viele Weisen sehr stark beeinflusst. Erstens haben sie es in seiner Gesamtheit geformt. Das Ergebnis ist eher eine Symphonie für ein Orchester als eine Solovorstellung. Diese Stimmen brachten es fertig, in einer fast perfekten Harmonie zu spielen, ohne dass ein Dirigent in Sicht war. Ich habe als Aufnahmeingenieur agiert und mein Bestes getan, die Punkte aufzuzeigen, bei denen die überwältigende Mehrheit meiner Interviewten übereinstimmte. Zweitens beziehe ich oft Auszüge der Interviews in den Text mit ein. Keine dieser Interviews wurden zuvor veröffentlicht. Natürlich, die Auszüge, die in diesem Buch dargestellt werden, repräsentieren nur einen winzigen Bruchteil der Enormität der Weisheit, die ich von außergewöhnlichen Menschen erhalten habe. Ich bin über alle Worte hinaus jedem dankbar, der mir so großzügig seine Zeit zur Verfügung gestellt hat. Wo immer ich Material benutze, das ich aus einer anderen Quelle bezogen habe als aus den Interviews, habe ich eine Quellenangabe hinzugefügt. Weitere Zitate wirst du in den Kästen neben dem Text finden. Diese stammen auch wörtlich aus den Interviews.
Schließlich offeriert dieses Buch praktische Werkzeuge, um dir zu helfen, dich ehrlich damit auseinanderzusetzen, wie sehr du die Transluzenz in deine weltlichen Vorgänge der täglichen Pflichten integrierst. Einige davon sind so gestaltet, dass du sie beim Lesen des Buches ausprobieren kannst. Sie kommen hauptsächlich in den ersten zwei Teilen des Buches vor und haben die Überschrift „Versuche es selbst“. Wenn möglich, leg das Buch dann beiseite und koste die Erdbeere, anstatt nur darüber zu lesen.
Andere Werkzeuge werden angeboten, um dein Leben kreativ in eine Form von Kunst „sanft hineinzubewegen“. Diese „Übungsanregungen“, wie wir sie nennen werden, können allein oder mit einem Freund geübt werden. Sie sind am Ende von jedem Kapitel in Teil 2 und 3 des Buches zu finden. Die meisten beanspruchen weniger als zehn Minuten. Einige sind sehr leicht und liefern ein sofortiges Resultat; andere brauchen etwas mehr Zeit, um sie aufzu nehmen. Sie beinhalten das Auflösen der Trennung in Beziehungen, das vollständige Öffnen deines Körpers zur Unendlichkeit in der Sexualität, die Transformation des Arbeitsplatzes zu einer spirituellen Praxis und dass man zu einem Vermittler des radikalen Erwachens in der Gesellschaft wird, zu einem „spirituellen Aktivisten“.
Wenn wir bereit sind, nicht nur unsere Erfahrungen, sondern auch die Lehren, an denen wir sie messen, in neuem Licht zu sehen, können wir uns etwas desorientiert vorkommen. Wir wissen nicht mehr genau, wo Norden ist. Lasst uns also mit einigen grundlegenden Fragen beginnen. Warum befassen wir uns als Menschen überhaupt mit spiritueller Aktivität? Und was ist uns allen gemein, trotz der unterschiedlichen spirituellen Hintergründe und Glaubenssysteme?
Lasst uns da anfangen.
Seit Hunderten von Jahren funktionierte die Wissenschaft nach bestimmten Grundannahmen über das physikalische Universum. A verursacht B. Ein Objekt kann nicht gleichzeitig an zwei Stellen sein. Die Zeit bewegt sich vorwärts, nie rückwärts. Das ist unbestritten, richtig? Aber seit einigen Jahrzehnten hat die Quantenphysik alles, was wir zu wissen glaubten, von Grund auf geändert und uns aufgefordert, alles in einem neuen Licht zu sehen. Auf dieselbe Art und Weise müssen wir, um die transluzente Revolution zu verstehen, einige unserer grundlegendsten Annahmen, die wir über das Menschsein haben, nochmals überprüfen. In diesem Kapitel werden wir zu den Grundlagen zurückgehen: das menschliche Leben, Grundkurs 1. Was ist uns allen gemein? Warum haben wir im Gegensatz zu Hunden oder Pinguinen eine Dimension im Leben, die wir „spirituell“ nennen? Was veranlasst uns, nach mehr zu suchen?
Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die eine neue Firma gegründet haben. Die meisten hatten angenommen, dass sie sich fair und moralisch korrekt verhalten und ihre Angestellten gut behandeln würden, dass das Geschäft nicht nur dazu dienen sollte, Geld zu machen, sondern auch dazu, einen einzigartigen Beitrag für die Welt zu leisten; und dass es Erfolg haben sollte. Jeder hat eine Vision. Wir alle haben eine intuitive Ahnung unseres wirklichen Potenzials. Wir fühlen es oft, wenn wir irgendetwas Neues beginnen, bevor der Zynismus einsetzt. Eine Beziehung, ein Geschäft, ein Kind bekommen, in ein neues Haus umziehen – jedes dieser Ereignisse eröffnet eine Aussicht auf die Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. Wir alle haben ein intuitives Gefühl davon, wer wir sind, wie unser Leben aussehen sollte und wie dieser Planet sein könnte.
Die Vision ist entscheidend. Sie ist die treibende Kraft, die Handlungen begründet. Sie gibt unserem Leben einen Sinn, das Verlangen, über unsere Grenzen hinauszugehen. Eine Vision sagt uns, wo wir unsere Energie hinleiten sollen; sie ermöglicht es uns, unvorhergesehene Hindernisse zu überwinden. Wenn eine Gruppe von Leuten zusammenarbeitet, so ist sie die bindende Kraft, die sie motiviert und zusammenhält.
Auch scheint die Vision angeboren zu sein. Mein neunjähriger Sohn hatte eine Zeit lang zwei Hasen. Sie waren nie mit anderen Hasen zusammen, und bei der Trennung von ihrer Mutter waren sie noch Babys. Wir bauten ihnen ein Gehege in unserem Hof, so dass sie den ganzen Tag alleine herumhoppeln konnten. Am ersten Tag in dem Gehege fingen sie an, Höhlen zu graben. Niemand hat ihnen je gezeigt, wie das geht; das Höhlengraben war in ihrer DNS gespeichert. Unsere Katze weiß, wie man Vögel jagt, ohne Lehrvideo. Schweine wälzen sich im Dreck; Hunde schnüffeln an allem. Und die Menschen … sie haben eine angeborene Kapazität, ihr eigenes Potenzial und das des Lebens zu fühlen, ohne jede äußere Hilfe. Wir sind mit einem Sinn des Staunens und der Ehrfurcht geboren, der von den Limitierungen der konstruierten Welt unberührt bleibt. Die Fähigkeit, in dieser Unschuld zu bleiben, ist es, die die Kindheit zu einer Zeit des Staunens macht, für viele die einzige Zeit des Staunens, die sie je kannten. Obwohl sie nichts von dem Stress und den Enttäuschungen der Erwachsenenwelt weiß, ist diese Vision unseres wahren Herzens doch voller Weisheit. Sie weiß etwas darüber, was letzten Endes real ist.
Die Weisheit des Herzens zu erforschen, lohnt sich. Wenn wir unsere Vorannahmen, die wir haben, untersuchen, sobald wir etwas Neues anfangen – eine romantische Beziehung, ein Geschäftsrisiko, sogar eine spirituelle Übung –, kann das sehr aufschlussreich sein. Diese Annahmen enthüllen etwas ganz Einfaches, etwas, das das Herz nie vergisst, sogar wenn der Verstand nicht länger wagt, daran zu glauben. Diese Vision fühlt