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ISBN E-Book 978-3-360-51043-3
ISBN Print 978-3-360-01882-3
© 2017 edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin
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erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
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Über das Buch
Bis vor wenigen Jahren sprach man von der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, die das feudale Zarenjoch und die bourgeoisen Fesseln abwarf und das Tor zu einer neuen Epoche aufstieß. Inzwischen ist Sachlichkeit in der Beurteilung dieses Vorgangs eingetreten, nicht zuletzt dadurch, dass dieses Tor sich augenscheinlich wieder geschlossen hat und die Frage nach dem Warum? nur scheinbar beantwortet ist.
Mit heutigem Wissen, aber auch mit der notwendigen Kompetenz hat Stefan Bollinger die gesellschaftspolitischen Vorgänge von 1917 neuerlich untersucht und Schlüsse gezogen. In seine Analyse bezieht er die Rezeption der russischen Revolution durch die heutige Linke mit ein und findet, dass nicht nur sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Denn aus der Geschichte, auch aus dieser von 1917, lässt sich allemal etwas lernen.
Über den Autor
Stefan Bollinger, Jahrgang 1954, Studium der Philosophie, Politikwissenschaften und Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, Hochschuldozent, seit 1990 in der Erwachsenenbildung tätig, Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, Mitglied der Leibniz-Sozietät und der Historischen Kommission beim Parteivorstand der Partei Die Linke, ehrenamtlicher Stellvertretender Vorsitzender Helle Panke e.V. und Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin.
Dr. sc. Stefan Bollinger arbeitet zur Geschichte der DDR und der BRD, zur osteuropäischen Geschichte und zu den Zusammenhängen von Ideologie- und Politikgeschichte.
In der edition ost erschienen von ihm zuletzt »Weltbrand, ›Urkatastrophe‹ und linke Scheidewege. Fragen an den ›Großen Krieg‹« (2014) und »Meinst du, die Russen wollen Krieg? Über deutsche Hysterie und deren Ursachen« (2016).
Inhalt
I. Eine kleine Revolutionsgeschichte
Krieg und Revolution
Eine Revolution auf dem Seziertisch
Kriegsverlängerer
Frieden, Brot, Freiheit und Land – die bolschewistische Geheimformel
Warum und wie es begann – eine Vorgeschichte
Mit einer Friedensbotschaft in die Weltgeschichte
Ein Weltsystem zerbricht
II. Revolution – Epoche – Erbe – Tradition
Revolutionsgeschichte staatsmännisch – die Große Russländische Revolution 1917–1922
Die letzte Wache
1917 – 1945 – 1968 – 1989 – 2007ff.
Die Selbstthermidorisierung der Revolution
Halbasiatische Barbarei und die Reife für den Sozialismus
Oktoberrevolution, Geschichtspolitik und Utopien
Sozialismus einst und morgen
III. »Revolution« – die Karriere eines Begriffs nach dem Ende des Ostblocks
Eine Annäherung
Eine seltsame Renaissance
Blaupause Oktoberrevolution
Revolutionen in feindlicher Umwelt
Die Tücke der 3. Revolution
Alte Menschenrechte und neue Technologien
Nebenprodukt oder Masterplan?
Neue Kampfformen
»Revolutionen« zur Perfektionierung des globalen Kapitalismus
Nachdenkliches
Eckdaten zur Orientierung
Sieg der bolschewistischen Revolution in Russland – Lenin fordert Frieden. – London, 8. November. Reuter erhielt ein Telegramm der amtlichen Petersburger Telegraphenagentur, die in den Händen der Maximalisten1 ist, in dem es heißt, dass die Maximalisten die Stadt in ihrer Gewalt haben und die Minister verhafteten. Der Leiter der Bewegung, Lenin, verlangte sofortigen Waffenstillstand und Frieden.
Wolff’sches Telegraphen-Bureau, 8. November 19172
Die russische Revolution ist das gewaltigste Faktum des Weltkrieges […]. Der gewaltige Umfang, den die Revolution in Russland angenommen hat, die tiefgehende Wirkung, womit sie alle Klassenverhältnisse erschüttert, sämtliche sozialen und wirtschaftlichen Probleme aufgerollt, sich folgerichtig vom ersten Stadium der bürgerlichen Republik voranbewegt hat – wobei der Sturz des Zarismus nur eine knappe Episode, beinahe eine Lappalie geblieben ist –, all dies zeigt auf flacher Hand, dass die Befreiung Russlands nicht das Werk des Krieges und der militärischen Niederlage des Zarismus war, nicht das Verdienst ›deutscher Bajonette in deutschen Fäusten‹ […], sondern dass sie im eigenen Lande tiefe Wurzeln hatte und innerlich vollkommen reif war. Das Kriegsabenteuer des deutschen Imperialismus unter dem ideologischen Schilde der deutschen Sozialdemokratie hat die Revolution in Russland nicht herbeigeführt, sondern nur für eine Zeitlang, anfänglich – nach ihrer ersten steigenden Sturmflut in den Jahren 1911–1913 – unterbrochen und dann – nach ihrem Ausbruch – ihr die schwierigsten, abnormalsten Bedingungen geschaffen.
Rosa Luxemburg, September–Oktober 19183
1 D.h. der Bolschewiki.
2 Amtliche Kriegs-Depeschen. Nach Berichten des Wolff’sches Telegraphen-Bureaus, Berlin 1918, S. 2500.
3 Rosa Luxemburg: Zur russischen Revolution. In: dies.: Gesammelte Werke. Bd. 4. Berlin 1974 (im Weiteren LuxW), S. 332. Hier und für alle weiteren Texte und Zitate gilt: Die Schreibweise wurde stillschweigend der neuen deutschen Rechtschreibung angeglichen, offensichtliche Druckfehler korrigiert, Namen in der Regel in der der Umgangssprache angeglichenen Duden-Transkription wiedergegeben. Die Datumsangaben erfolgen in der heute gebräuchlichen gregorianischen Berechnung. Der julianische Kalender wurde in Sowjetrussland letztmalig am 31. Januar 1918 angewandt, auf ihn folgte der 14. Februar 1918.