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N. Bernhardt

Buch XXII: Zum Lohn ein Thron

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XXII: Zum Lohn ein Thron

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954188-97-0

null-papier.de/424

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Bes­ser spät als zu spät

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neue Wahr­hei­ten

Drit­tes Ka­pi­tel: Der ein­zi­ge Kan­di­dat

Vier­tes Ka­pi­tel: Doch kei­ne Lö­sung

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein we­nig Rücken­de­ckung

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ei­nig in al­len Punk­ten

Sieb­tes Ka­pi­tel: Fürst­ma­gier ge­gen Rit­ter

Aus­blick

Inhalt

Ornament

Beim Stän­de­tag in Sinál läuft es für Nik­ko zu­nächst gar nicht so schlecht. Trotz großem Wi­der­stand wird er als ein­zi­ger Kan­di­dat für die Nach­fol­ge no­mi­niert.

Dann aber kommt es zu neu­en Pro­ble­men, die sich wohl nicht mehr ohne Ge­walt lö­sen las­sen. Be­vor Nik­ko einen sol­chen Schritt wa­gen kann, muss er sich aber die Rücken­de­ckung des Her­zogs von Khond­harr si­chern.

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Besser spät als zu spät

Erst kurz nach dem Ge­spräch mit sei­nem Se­ne­schall wur­de Nik­ko be­wusst, was des­sen Erin­ne­rung an den an­ste­hen­den Stän­de­tag ei­gent­lich be­deu­te­te. Der Zau­be­rer hat­te ja schon seit lan­ger Zeit nicht mehr an die­sen so wich­ti­gen Ter­min ge­dacht, der nicht nur für sei­nen ei­ge­nen Wer­de­gang einen be­deu­ten­den Mei­len­stein dar­stell­te, son­dern auch für Da­nu­wil und im Grun­de so­gar für das gan­ze Her­zog­tum. Umso we­ni­ger be­hag­te ihm nun die Tat­sa­che, dass die Ver­samm­lung schon in zwei Ta­gen statt­fin­den wür­de.

Der Se­ne­schall hat­te na­tür­lich recht da­mit, dass Nik­ko mit sei­ner Fä­hig­keit zur Tele­por­ta­ti­on bin­nen we­ni­ger Au­gen­bli­cke in Sinál sein konn­te. Trotz­dem wäre es dem Ma­gier lie­ber ge­we­sen, wenn der Be­am­te ihn frü­her dar­auf hin­ge­wie­sen hät­te. Denn wer wuss­te schon, was vor­her noch al­les zu er­le­di­gen wäre?

Oh je, hof­fent­lich war es da­für nicht schon viel zu spät! Über­haupt, was war mit Da­nu­wil? Hat­te der Graf sich be­reits auf den Weg nach Sinál ge­macht oder war­te­te er in Tel­gâr etwa dar­auf, von Nik­ko ab­ge­holt zu wer­den?

Der Ma­gier wür­de die Schuld für die­sen Schla­mas­sel ja lie­bend gern auf sei­nen Se­ne­schall schie­ben, doch war er sich wohl be­wusst, dass er das al­les selbst ver­bockt hat­te. Im­mer­hin war es nun län­ger als einen Mo­nat her, dass er das letz­te Mal in Tel­gâr war. Zwar hät­te er auch da schon mit Da­nu­wil über die Pla­nun­gen spre­chen kön­nen, aber zu die­sem Zeit­punkt war der Stän­de­tag noch weit ent­fernt.

Nein, Nik­ko hat­te sich in den ver­gan­ge­nen Wo­chen ein­fach zu sehr in sei­ne For­schun­gen über das Zwer­gen­sil­ber ver­tieft und dar­über al­les an­de­re ver­ges­sen. Die Ar­bei­ten hat­ten sich bis­lang durch­aus ge­lohnt, trotz­dem soll­te ihm in Zu­kunft ein der­ar­ti­ges Ver­säum­nis bes­ser nicht noch ein­mal pas­sie­ren.

Was aber soll­te er jetzt tun? Nun, zu­nächst rief er sich ins Ge­dächt­nis, dass er den ge­op­fer­ten und kon­ser­vier­ten Ma­jor schon vor län­ge­rer Zeit nach Sinál ge­schafft hat­te. Soll­te die­ser vor oder wäh­rend des Stän­de­tags noch eine Rol­le spie­len, könn­te der Ma­gier auch kurz­fris­tig et­was im­pro­vi­sie­ren. Was aber war mit Da­nu­wil?

Es wäre wohl am bes­ten, erst ein­mal kurz nach Tel­gâr zu rei­sen. Nik­ko hielt es zwar für un­wahr­schein­lich, dass der Graf noch im­mer in sei­ner Burg weil­te, woll­te aber si­cher­ge­hen, dass dem nicht doch so war. Al­ler­dings ver­mu­te­te er, dass Da­nu­wil längst nach Sinál ge­reist war und dort schon ganz un­ge­dul­dig auf ihn war­te­te.

Nik­kos Ver­mu­tung be­stä­tig­te sich et­was spä­ter an die­sem Tage, nach­dem er sich mit dem Dra­chen nach Tel­gâr tele­por­tiert hat­te. Schon die ers­te Wa­che, die dem Zau­be­rer in der Burg über den Weg lief, be­stä­tig­te ihm, dass der Graf be­reits vor mehr als vier Wo­chen in Rich­tung Sinál auf­ge­bro­chen war.

Der Zau­be­rer ge­riet dar­über zu­nächst ins Stut­zen. Das klang ja fast so, als hät­te Da­nu­wil gar nicht er­war­tet, dass Nik­ko vor­bei­käme, um ihn nach Sinál mit­zu­neh­men. Dann aber sah er ein, dass der Graf wohl ein­fach nur kein Ri­si­ko hat­te ein­ge­hen wol­len. Von Tel­gâr nach Sinál muss­te er im­mer­hin quer durch ganz Hy­mal rei­sen. Wenn er also pünkt­lich zum Stän­de­tag dort sein woll­te, hat­te er eben vor gut vier Wo­chen los­zie­hen müs­sen.

Ja, Da­nu­wil hat­te schließ­lich auch kei­ne Mög­lich­keit, den Zau­be­rer kurz­fris­tig zu kon­tak­tie­ren, um sich über ihr wei­te­res Vor­ge­hen ab­zu­stim­men. Selbst ein be­rit­te­ner Bote wäre von Tel­gâr nach Hal­fuár eine Wo­che oder län­ger un­ter­wegs ge­we­sen. Den­noch hät­te der Graf Nik­ko über sei­ne Abrei­se in­for­mie­ren sol­len.

Nun ja, der Zau­be­rer sah ein, dass er es selbst war, der hier ver­sagt hat­te. Er hät­te sich schließ­lich je­der­zeit nach Tel­gâr tele­por­tie­ren kön­nen, um mit dem Gra­fen al­les zu be­spre­chen. Vi­el­leicht wäre es so­gar ir­gend­wie mög­lich ge­we­sen, Da­nu­wil eine te­le­pa­thi­sche Nach­richt zu­kom­men zu las­sen. Al­ler­dings hat­te er so et­was bis­her nur mit an­de­ren Zau­be­rern aus­pro­biert.

Der jun­ge Ma­gier über­leg­te kurz, ob er die Jä­ge­rin su­chen soll­te, die Da­nu­wil be­stimmt nicht mit nach Sinál ge­nom­men hat­te. Er be­fand dann aber, dass sie mit ih­rem Pelz­ge­schäft wohl ge­nug zu tun ha­ben müss­te. Au­ßer­dem woll­te er durch die Su­che nach Ihr auch kei­ne wei­te­re Zeit ver­geu­den. Also tele­por­tier­te Nik­ko sich und sei­nen Dra­chen, den er zu­vor wie­der un­sicht­bar ge­macht hat­te, dann auch gleich nach Sinál.

Als er we­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter über der Haupt­stadt flie­gend dort an­kam, bot sich in der her­zog­li­chen Burg be­reits ein sehr ge­schäf­ti­ges Bild. Es schi­en so­gar mehr los zu sein als beim letz­ten Stän­de­tag im vor­he­ri­gen Win­ter. Al­ler­dings hat­te Nik­ko das Ge­sche­hen sei­ner­zeit auch nicht von oben her be­gut­ach­ten kön­nen.

Der Zau­be­rer lan­de­te die un­sicht­ba­re Ech­se wie­der auf dem Ma­gier­turm und un­ter­ließ es nach ei­ni­gem Über­le­gen, den Dra­chen sicht­bar zu ma­chen. Es wäre wohl bes­ser, vor­her mit Da­nu­wil zu spre­chen, denn viel­leicht wür­de der An­blick der un­to­ten Bes­tie in der jet­zi­gen Si­tua­ti­on ja mehr scha­den als nut­zen.

Kaum war Nik­ko un­ten im Turm des ehe­ma­li­gen Or­dens­ka­pi­tels an­ge­kom­men, ver­spür­te er auch schon kein großes Ver­lan­gen mehr, sich in das Ge­wühl auf dem Bur­g­hof zu stür­zen. Soll­te er nach all der Tele­por­tie­re­rei nicht oh­ne­hin erst ein­mal ein kur­z­es Päu­schen ma­chen?

Das war wohl kei­ne gute Idee. Es war nun be­reits Nach­mit­tag, so­dass an die­sem Tage oh­ne­hin nicht mehr viel zu schaf­fen war. Ver­mut­lich wür­de al­lein das dro­hen­de Ge­spräch mit Da­nu­wil - wenn Nik­ko ihn denn erst ein­mal ge­fun­den hat­te - schon Stun­den dau­ern. Dann müss­te der Zau­be­rer ei­gent­lich auch noch mit Kahûl re­den, der hier ja seit vie­len Wo­chen die Ge­schäf­te führ­te. Für even­tu­el­le Vor­be­rei­tun­gen zum Stän­de­tag blie­be also oh­ne­hin nur noch der mor­gi­ge Tag. So oder so, es war höchs­te Zeit, den Gra­fen und am­tie­ren­den Kas­tel­lan auf­zu­su­chen.

Im­mer­hin er­kann­ten die Un­ter­ta­nen ih­ren Truch­sess auch nach län­ge­rer Ab­we­sen­heit noch, als die­ser über den Bur­g­hof in Rich­tung des Palas schritt. Re­spekt­voll mach­ten ihm alle Platz, ei­ni­ge ver­beug­ten sich so­gar. War das etwa ein gu­tes Vor­zei­chen für die kom­men­de Ver­samm­lung?

Im Haupt­haus wur­de der Zau­be­rer dann gleich von ei­nem Be­am­ten emp­fan­gen, der ihn be­grüß­te, als ob man schon seit Ta­gen oder Wo­chen auf ihn war­te­te. Nun, das dürf­te so­gar der Wahr­heit ent­spre­chen. Schließ­lich war es kein fei­ner Zug von Nik­ko, sich hier erst so kurz vor dem von ihm selbst ein­be­ru­fe­nen Stän­de­tag zu zei­gen.

»Wenn Ihr mir fol­gen wollt«, bat der Be­am­te dann so­gleich, »die Ho­heit Kahûl wünscht, Euch drin­gend zu spre­chen.«

Die Ho­heit!? Was soll­te das denn hei­ßen? Woll­te sein Stell­ver­tre­ter sich jetzt etwa doch selbst auf den Thron set­zen? Aber Mo­ment mal, der Be­am­te sprach ja nicht von Sei­ner Ho­heit. Als Spröss­ling aus her­zog­li­chem Hau­se stand Kahûl wohl die An­re­de als Ho­heit auch so zu.

Den­noch, Nik­ko fühl­te sich in die­sem Au­gen­blick ei­nem Ge­spräch mit Kahûl nicht ge­wach­sen. Der Herr war im­mer­hin ge­wieft ge­nug, um hier so­gar Da­nu­wil ge­hö­ri­ge Pro­ble­me be­rei­tet zu ha­ben. Wie sehr müss­te der Zau­be­rer sich dann erst vor­se­hen?

»Nicht so schnell«, brems­te er den Be­am­ten da­her. »Ich möch­te zu­nächst kurz mit mei­nem Kas­tel­lan spre­chen.«

»Eu­rem Kas­tel­lan?«, schi­en der Be­am­te ganz ver­wun­dert, als wüss­te er tat­säch­lich nicht, wer das sein soll­te.

Nik­ko er­kann­te in dem Mann nun einen der von Her­zog Rho­ba­ny be­reit­ge­stell­ten Ver­wal­ter. Er war also noch nicht sehr lan­ge hier und hat­te von der Zeit, in der Da­nu­wil das Sa­gen hat­te, ver­mut­lich nicht mehr viel mit­be­kom­men.

»Der Graf von Tel­gâr«, er­klär­te Nik­ko.

»Der Graf von Tel­gâr?«, wun­der­te sich der Be­am­te. »Eure Er­laucht, der Graf von Tel­gâr hat sich bei uns bis­her noch nicht an­ge­mel­det.«

»Was soll denn das hei­ßen?«, er­schrak der jun­ge Zau­be­rer.

»Eure Er­laucht, noch sind nicht alle Stän­de hier ver­sam­melt«, ant­wor­te­te der Be­am­te. »Wir ge­hen aber da­von aus, dass sich mor­gen noch ei­ni­ge hier ein­fin­den wer­den. Mit ein paar Ver­spä­tun­gen dürf­te in An­be­tracht der teils recht lan­gen An­rei­se eben­falls zu rech­nen sein.«

»Es kann aber auch sein, dass ei­ni­ge Stän­de be­reits in der Stadt wei­len und sich erst zum Be­ginn des Stän­de­tags bei uns an­mel­den«, füg­te er dem hin­zu. »Eure Er­laucht, sol­len wir Er­kun­di­gun­gen ein­ho­len las­sen, ob sich der Graf von Tel­gâr mit Ge­fol­ge schon in der Stadt be­fin­det?«

»Ja«, keuch­te Nik­ko, dem die­ser Um­stand so gar nicht ge­fiel.

»Wir wer­den es so­fort ver­an­las­sen«, lä­chel­te der Be­am­te. »Eure Er­laucht, wä­ret Ihr nun be­reit für das Ge­spräch mit der Ho­heit Kahûl? Oder soll ich die Ho­heit dar­über in­for­mie­ren, dass …«

»Nein, nein«, woll­te Nik­ko sich die­se Blö­ße nicht ge­ben. »Bringt mich zu … der Ho­heit.«

So we­nig es dem Zau­be­rer auch be­hag­te, ganz un­vor­be­rei­tet mit Kahûl zu spre­chen, so sehr war ihm doch klar, dass er sich nicht all­zu of­fen an Da­nu­wil klam­mern konn­te. Schließ­lich soll­te der Zau­be­rer hier zum Her­zog ge­kürt wer­den, nicht der Graf von Tel­gâr.

Au­ßer­dem hat­te Da­nu­wil das Feld in Sinál vor­erst ja Kahûl über­las­sen. Es war also höchst­wahr­schein­lich, dass die­ser auch Nik­kos neu­er Se­ne­schall wer­den wür­de. Da­her soll­te der Zau­be­rer wohl oder übel ler­nen, mit die­ser … Ho­heit gut aus­zu­kom­men.

Es hat­te dann doch noch etwa eine hal­be Stun­de ge­dau­ert, bis al­les für die Be­spre­chung be­reit war. We­gen des an­ste­hen­den Stän­de­tags herrsch­te im Palas näm­lich ein ziem­lich re­ges Trei­ben. Erst im Lau­fe der Vor­be­rei­tun­gen, zu de­nen auch die Su­che nach ei­nem frei­en Be­spre­chungs­saal ge­hör­te, ver­stand Nik­ko zu­dem, dass Kahûl zu­nächst kein ver­trau­li­ches Ge­spräch im Sin­ne hat­te, son­dern doch eher eine Sit­zung des gan­zen Sta­bes. Umso we­ni­ger Lust ver­spür­te der Zau­be­rer auf die­ses Ge­spräch.

Als es dann end­lich so weit war, ver­sprach der Be­am­te Nik­ko noch, sich nun so­fort dar­um zu küm­mern, den Auf­ent­halts­ort des Gra­fen von Tel­gâr her­aus­zu­fin­den und ihn schnellst­mög­lich dar­über zu in­for­mie­ren. Nach­dem der Mann sich mit ei­ner Ver­beu­gung ent­fernt hat­te, wur­den die Tü­ren zum Sit­zungs­saal ge­schlos­sen.

Das Bild hier glich doch sehr den un­zäh­li­gen Sit­zun­gen, die Nik­ko frü­her mit sei­nem Stab in Hal­fuár über sich hat­te er­ge­hen las­sen müs­sen. Nur sa­ßen jetzt deut­lich mehr Herrn an der Ta­fel, an de­ren ei­nem Ende der Zau­be­rer her­zog­lich thron­te. Am an­de­ren saß Kahûl auf ei­nem et­was be­schei­de­neren Stuhl. Zwi­schen ih­nen be­fan­den sich auf je­der Sei­te vier wich­tig­tu­en­de Her­ren.

»Eure Er­laucht, es ist uns ein großes Ver­gnü­gen, dass Ihr als Truch­sess des Her­zog­tums uns die Ehre er­weist«, sprach Kahûl dann in ei­nem Ton­fall, der durch­aus sar­kas­tisch ge­meint sein könn­te. Nik­ko war jetzt al­ler­dings viel zu auf­ge­regt, um das zu be­ur­tei­len.

Über­haupt fühl­te sich der Zau­be­rer un­wohl, ja re­gel­recht schlecht. Es fiel ihm auf ein­mal auch schwer, sich auf all das Ge­sag­te zu kon­zen­trie­ren. So re­gis­trier­te er nur am Ran­de, wie Kahûl all die Be­am­ten der Rei­he nach vor­stell­te. Die Na­men der Her­ren be­kam er gar nicht mit, wohl aber ei­ni­ge ih­rer Äm­ter, dar­un­ter ein Schatz­meis­ter wie auch ein paar sol­da­ti­sche Pos­ten und ein Kas­tel­lan.

Mo­ment mal, ein Kas­tel­lan!? Da­nu­wil war doch noch im­mer der Kas­tel­lan von Sinál! Hat­te sich Kahûl etwa er­dreis­tet, die­ses Amt ein­fach neu zu be­set­zen? Aber warum hat­te der an­de­re Be­am­te vor­hin so un­wis­send rea­giert, als Nik­ko sei­nen Kas­tel­lan spre­chen woll­te?

Soll­te der Zau­be­rer jetzt dazu et­was sa­gen? Es konn­te doch nicht sein, dass hier ge­gen sei­nen Wil­len ir­gend­wel­che Pos­ten neu be­setzt wur­den! Au­ßer­dem hat­te er kei­nen der an­we­sen­den Her­ren in ir­gend­ei­nem Amt be­stä­tigt - au­ßer Kahûl. Aber viel­leicht um­fass­ten des­sen Be­fug­nis­se ja auch das Recht, sol­che Pos­ten we­nigs­tens zeit­wei­se ohne Nik­kos Ein­ver­ständ­nis zu be­set­zen. Er durf­te zu­dem nicht ver­ges­sen, dass er schon ei­ni­ge Wo­chen lang nicht mehr hier ge­we­sen war. Kahûl hät­te ihn also gar nicht um Er­laub­nis fra­gen kön­nen.

Ver­flucht! Genau des­we­gen hat­te Nik­ko nicht mit Kahûl re­den wol­len, be­vor er sich mit Da­nu­wil be­spre­chen konn­te. Wo war der Graf nur?

Oh je, jetzt sprach schon ei­ner der an­de­ren Her­ren und Nik­ko hat­te eine Wei­le lang nicht mehr zu­ge­hört. Worum ging es über­haupt?

Zum Glück zähl­te der Mann nur di­ver­se Le­hen auf und be­merk­te da­bei, ob der ent­spre­chen­de Rit­ter schon ein­ge­trof­fen war. Von ei­ni­gen we­ni­gen Stän­den hat­te man so­gar Ab­sa­gen er­hal­ten, die in der ver­sam­mel­ten Run­de mit großem Miss­fal­len zur Kennt­nis ge­nom­men wur­den.

»Ich schlie­ße mei­nen Be­richt mit der Fest­stel­lung, dass wir für einen Stän­de­tag der­zeit noch nicht be­schluss­fä­hig sind«, kam der Be­am­te dann ir­gend­wann zum Ende. »Ich bin je­doch zu­ver­sicht­lich, dass sich am mor­gi­gen Tage noch ei­ni­ge Lehns­neh­mer an­mel­den wer­den. Al­lein die An­we­sen­heit des eben­falls noch nicht ein­ge­trof­fe­nen Gra­fen von Tel­gâr könn­te zu­min­dest die Be­schluss­fä­hig­keit der Ver­samm­lung ge­währ­leis­ten, auch wenn wir dann für die Kür ei­nes neu­en Her­zogs im­mer­hin noch ein fast ein­stim­mi­ges Vo­tum bräuch­ten.«

»Ich dan­ke Euch«, nick­te Kahûl und übergab das Wort gleich an einen der an­de­ren Her­ren, der dar­auf­hin einen ziem­lich lan­gen Be­richt über die Vor­rä­te an Nah­rungs­mit­teln und sons­ti­gen Din­gen ab­gab.

So hielt letzt­lich je­der der acht Be­am­ten einen mehr oder we­ni­ger aus­führ­li­chen Be­richt über sei­nen Be­reich ab, doch hör­te Nik­ko oh­ne­hin kaum hin. Nicht nur lang­weil­ten ihn all die Ein­zel­hei­ten, er fühl­te sich auch noch im­mer fehl am Plat­ze. Zum Glück schi­en bis­her nie­mand hier mehr von ihm zu er­war­ten, als ein­fach nur zu­zu­hö­ren.

Als die Be­spre­chung dann end­lich von Kahûl be­en­det wur­de, war es schon Abend. Viel hat­te Nik­ko in den Stun­den nicht mit­be­kom­men, da sei­ne Ge­dan­ken fast die gan­ze Zeit über wo­an­ders ge­we­sen wa­ren. Ob das den Teil­neh­mern auf­ge­fal­len war, konn­te er zwar nicht sa­gen. Mo­men­tan war es ihm aber auch ziem­lich egal.

»Eure Er­laucht«, nick­te Kahûl dem Zau­be­rer zu, als sich die meis­ten der an­de­ren Her­ren schon aus dem Saal ent­fernt hat­ten. »Es gäbe da viel­leicht noch ei­ni­ge Klei­nig­kei­ten un­ter uns zu be­spre­chen. Ihr wür­det mir eine große Freu­de ma­chen, wenn Ihr dazu mei­ne Ein­la­dung zum Abendes­sen an­nehmt.«

Auch das noch! Da­rauf hat­te der Ma­gier nun gar kei­ne Lust mehr. Zum einen wür­de er wei­ter­hin lie­ber mit Da­nu­wil re­den, be­vor er mit Kahûl über Ein­zel­hei­ten spre­chen soll­te. Zum an­de­ren war er nun wirk­lich müde. Im­mer­hin hat­te die Sit­zung ver­mut­lich meh­re­re Stun­den ge­dau­ert. Wie aber soll­te er das der Ho­heit klar­ma­chen, ohne den Herrn da­mit zu ver­prel­len?

»Könn­ten wir das nicht auf mor­gen ver­schie­ben?«, gähn­te Nik­ko de­mons­tra­tiv. »Ich bin von der lan­gen Rei­se doch et­was müde.«

»Na­tür­lich, Eure Er­laucht«, lä­chel­te Kahûl auf eine Art, die nicht ver­riet, was er dar­über wirk­lich dach­te. »Vi­el­leicht kön­nen wir mor­gen ja das Früh­stück oder das Mit­tags­mahl tei­len.«

»Si­cher­lich«, gähn­te Nik­ko er­neut und hoff­te, dass er we­nigs­tens noch bis zum Mit­tag Zeit hät­te, Da­nu­wil zu fin­den und mit ihm die Lage zu be­spre­chen.

Als Nik­ko spä­ter in sei­nem Quar­tier im Haupt­haus war und nicht so recht wuss­te, was er vor dem Schla­fen­ge­hen ma­chen soll­te, klopf­te es an die Tür. Wer konn­te denn das jetzt noch sein?

»Eure Er­laucht«, ver­beug­te sich ein Be­diens­te­ter, nach­dem er die Tür auf Zu­ruf des Zau­be­rers ge­öff­net hat­te. »Der Graf von Tel­gâr wünscht, Euch so bald wie mög­lich zu spre­chen.«

Da­nu­wil! Das war eine der we­ni­gen Nach­rich­ten, die Nik­ko an die­sem Abend noch hö­ren woll­te. Nach ei­ner län­ge­ren Un­ter­re­dung mit dem Gra­fen stand es ihm heu­te zwar nicht mehr un­be­dingt, aber in An­be­tracht der knap­pen Zeit vor dem Stän­de­tag und na­tür­lich auch dem dro­hen­den Ge­spräch mit Kahûl hat­te er wohl kei­ne an­de­re Wahl.

»Führt ihn gleich zu mir«, wies er den Die­ner an. »Und lasst auch ein paar Klei­nig­kei­ten zu Es­sen und et­was zu Trin­ken brin­gen.«

»Selbst­ver­ständ­lich, Eure Er­laucht«, ver­beug­te sich der Be­diens­te­te er­neut und ent­fern­te sich dann.

Schon ei­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter be­trat der sicht­lich ge­nerv­te Da­nu­wil die her­zog­li­chen Ge­mä­cher. All­zu weit weg konn­te er also nicht dar­auf ge­war­tet ha­ben, zu Nik­ko vor­ge­las­sen zu wer­den.

»Seid ge­grüßt, Eure Er­laucht«, ent­geg­ne­te er dem Zau­be­rer, wirk­te da­bei je­doch nicht sehr freund­lich. Ver­übel­te er Nik­ko etwa, dass die­ser ihn in Tel­gâr ver­ges­sen hat­te?

»Setzt Euch doch«, nick­te der Ma­gier und bot dem Gra­fen einen der Ses­sel vor dem Ka­min an, in dem zu die­ser Jah­res­zeit al­ler­dings kein Feu­er­chen lo­der­te. »Ich habe be­reits um eine Klei­nig­keit zu Es­sen ge­schickt. Wenn Ihr je­doch grö­ße­ren Hun­ger habt, kann ich auch mehr brin­gen las­sen.«

»Nicht nö­tig«, stöhn­te Da­nu­wil und wirk­te noch im­mer schlech­ter Lau­ne.

»Sei Ihr erst jetzt an­ge­kom­men?«, woll­te Nik­ko ein Ge­spräch an­lei­ern.

»Nein, ich bin schon seit etwa ei­ner Wo­che vor Ort«, brumm­te der Graf. »In An­be­tracht der in der Burg of­fen­bar so knap­pen Quar­tie­re habe ich mich und mein Ge­fol­ge je­doch in der Stadt ein­quar­tiert.«

»Das ist selt­sam«, wun­der­te sich Nik­ko. »Die Be­am­ten in der Burg wis­sen näm­lich gar nicht, dass Ihr schon hier seid. Ja, man hofft so­gar in­stän­dig, dass Ihr we­nigs­tens bis mor­gen Früh noch kommt, um die … ähm Be­schluss­fä­hig­keit des Stän­de­tags si­cher­zu­stel­len.«

»Ich habe schon vor Ta­gen einen Bo­ten in die Burg ge­schickt, der mei­ne An­kunft dort auch ge­mel­det hat«, zuck­te Da­nu­wil die Schul­tern und macht da­bei ein ver­ächt­li­ches Ge­sicht. »Mich wun­dert hier lang­sam so­wie­so nichts mehr.«

Nik­ko wuss­te zwar nicht, wor­auf der Graf da an­spiel­te, woll­te jetzt aber nicht dar­auf ein­ge­hen. Viel wich­ti­ger war es, die wirk­lich drin­gen­den Sa­chen zu be­spre­chen. Doch zu­nächst soll­te er sich wohl da­für ent­schul­di­gen, Da­nu­wil nicht recht­zei­tig in Tel­gâr auf­ge­sucht zu ha­ben. Er war ja heu­te erst Mit­tag dort ge­we­sen.

»Ei­gent­lich woll­te ich Euch ja in Tel­gâr ab­ho­len«, mein­te er da­her. »Lei­der hat man mir mit­ge­teilt, dass Ihr schon vor ei­ner gan­zen Wei­le auf­ge­bro­chen seid. Umso mehr freut es mich, dass Ihr nun hier und wohl­be­hal­ten seid.«

»Nun, wir hät­ten bei un­se­rem letz­ten Zu­sam­men­tref­fen wohl Ge­nau­e­res ab­ma­chen sol­len«, seufz­te Da­nu­wil. »Da ich aber nicht wuss­te, ob Ihr über­haupt noch ein­mal nach Tel­gâr kom­men wür­det und, falls dem so wäre, wann, blieb mir letzt­lich nichts an­de­res üb­rig, als mich selbst recht­zei­tig auf dem Land­weg nach Sinál auf­zu­ma­chen.«

»Ich war so sehr in mei­ne For­schun­gen über das Zwer­gen­sil­ber ver­tieft, dass ich den Stän­de­tag ganz ver­ges­sen hat­te«, gab Nik­ko zu. »Zum Glück hat mich mein Se­ne­schall heu­te Mor­gen noch ge­ra­de so recht­zei­tig dar­an er­in­nert.«

»Heu­te Mor­gen erst?«, war Da­nu­wil ent­setzt. »Ja, warum hat er denn nicht viel frü­her et­was ge­sagt?«

»Er wuss­te wohl nicht, ob er mich bei mei­nen For­schun­gen stö­ren soll­te«, zuck­te der Zau­be­rer mit den Schul­tern.

»Das müs­sen ja wich­ti­ge For­schun­gen ge­we­sen sein«, schüt­tel­te der Graf den Kopf. »Habt Ihr denn we­nigs­tens et­was her­aus­fin­den kön­nen?«

»Oh, ja!«, war Nik­ko ganz stolz. »Es ist mir ge­lun­gen, das Zwer­gen­sil­ber zu­min­dest kurz­zei­tig zu ver­flüs­si­gen, doch er­starrt es wie­der recht schnell und ist dann ge­nau­so fest wie vor­her.«

»Das ist doch gut«, freu­te sich Da­nu­wil. »Auch wenn Ihr das Me­tall nur ganz kurz flüs­sig ma­chen könnt, wür­de das viel­leicht schon aus­rei­chen, um es in For­men zu gie­ßen.«

»Die­se Idee ist mir auch schon ge­kom­men«, lä­chel­te Nik­ko. »Da­mit müss­te man doch ganz gut Rüs­tungs­tei­le her­stel­len kön­nen.«

»Hm«, über­leg­te Da­nu­wil. »Ei­nen Har­nisch her­zu­stel­len, ver­langt sehr viel Kön­nen und Ge­schick. Ich glau­be nicht, dass man so et­was ein­fach gie­ßen kann. Für Ket­ten­rüs­tun­gen dürf­te Ähn­li­ches gel­ten. Ich den­ke da eher an Klin­gen.«

»Und wie wol­len wir die­se dann scharf be­kom­men?«, hielt Nik­ko ihm ent­ge­gen.

»Das ist ein gu­ter Punkt«, gab Da­nu­wil zu. »Nun, wir wer­den das mit ein paar fä­hi­gen Schmie­den noch aus­führ­lich be­spre­chen müs­sen. Ich bin mir aber si­cher, dass wir auch nütz­li­che Aus­rüs­tung gie­ßen kön­nen.«

»Fragt sich nur, ob wir über­haupt an ge­nug Zwer­gen­sil­ber kom­men«, zuck­te Nik­ko mit den Schul­tern. »Al­lein der Her­zog von Khond­harr wür­de uns schon ein­hun­dert Bar­ren ab­neh­men - ob­wohl er selbst noch gar nicht weiß, wie er das Ma­te­ri­al be­ar­bei­ten soll.«

»Rho­ba­ny?«, war der Graf er­staunt. »Hat er denn auch einen Preis ge­nannt?«

»Er wür­de es eins zu eins ge­gen Gold auf­wie­gen«, ant­wor­te­te Nik­ko. »Doch habe ich schon durch­bli­cken las­sen, dass er so bil­lig wohl nicht da­von­kom­men wird.«

»Nun, in An­be­tracht der Leich­te des Zwer­gen­sil­bers im Ver­gleich zu Gold …«, über­leg­te Da­nu­wil. »Das wäre dann wohl tat­säch­lich kein be­son­ders gu­ter Preis. Aber Ihr habt na­tür­lich recht, wir kön­nen spä­ter noch ver­su­chen, mehr her­aus­zu­schla­gen.«

»Zu­nächst müss­ten wir je­doch lie­fern kön­nen«, ver­dreh­te der Zau­be­rer die Au­gen. »Kön­nen wir?«

»Mit­nich­ten«, seufz­te Da­nu­wil. »Der­zeit könn­ten wir bei den Zwer­gen höchs­ten zwei wei­te­re die­ser ja nicht be­son­ders großen Bar­ren ein­tau­schen. Trotz al­ler Hil­fe, die ich der un­ver­schäm­ten Jä­ge­rin be­reits habe zu­kom­men las­sen, hat sich ihr Ge­schäft nur äu­ßerst mä­ßig wei­ter ent­wi­ckelt.«

»Auf mich hat sie nicht ge­ra­de den Ein­druck ge­macht, als hiel­te sie sich ab­sicht­lich zu­rück«, nahm Nik­ko Ygrind in Schutz. »Ich den­ke schon, dass sie tat­säch­lich ihr Mög­lichs­tes tut.«

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