N. Bernhardt
Buch XXII: Zum Lohn ein Thron
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XXII: Zum Lohn ein Thron
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954188-97-0
null-papier.de/424
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Besser spät als zu spät
Zweites Kapitel: Neue Wahrheiten
Drittes Kapitel: Der einzige Kandidat
Viertes Kapitel: Doch keine Lösung
Fünftes Kapitel: Ein wenig Rückendeckung
Sechstes Kapitel: Einig in allen Punkten
Siebtes Kapitel: Fürstmagier gegen Ritter
Ausblick
Beim Ständetag in Sinál läuft es für Nikko zunächst gar nicht so schlecht. Trotz großem Widerstand wird er als einziger Kandidat für die Nachfolge nominiert.
Dann aber kommt es zu neuen Problemen, die sich wohl nicht mehr ohne Gewalt lösen lassen. Bevor Nikko einen solchen Schritt wagen kann, muss er sich aber die Rückendeckung des Herzogs von Khondharr sichern.
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Erst kurz nach dem Gespräch mit seinem Seneschall wurde Nikko bewusst, was dessen Erinnerung an den anstehenden Ständetag eigentlich bedeutete. Der Zauberer hatte ja schon seit langer Zeit nicht mehr an diesen so wichtigen Termin gedacht, der nicht nur für seinen eigenen Werdegang einen bedeutenden Meilenstein darstellte, sondern auch für Danuwil und im Grunde sogar für das ganze Herzogtum. Umso weniger behagte ihm nun die Tatsache, dass die Versammlung schon in zwei Tagen stattfinden würde.
Der Seneschall hatte natürlich recht damit, dass Nikko mit seiner Fähigkeit zur Teleportation binnen weniger Augenblicke in Sinál sein konnte. Trotzdem wäre es dem Magier lieber gewesen, wenn der Beamte ihn früher darauf hingewiesen hätte. Denn wer wusste schon, was vorher noch alles zu erledigen wäre?
Oh je, hoffentlich war es dafür nicht schon viel zu spät! Überhaupt, was war mit Danuwil? Hatte der Graf sich bereits auf den Weg nach Sinál gemacht oder wartete er in Telgâr etwa darauf, von Nikko abgeholt zu werden?
Der Magier würde die Schuld für diesen Schlamassel ja liebend gern auf seinen Seneschall schieben, doch war er sich wohl bewusst, dass er das alles selbst verbockt hatte. Immerhin war es nun länger als einen Monat her, dass er das letzte Mal in Telgâr war. Zwar hätte er auch da schon mit Danuwil über die Planungen sprechen können, aber zu diesem Zeitpunkt war der Ständetag noch weit entfernt.
Nein, Nikko hatte sich in den vergangenen Wochen einfach zu sehr in seine Forschungen über das Zwergensilber vertieft und darüber alles andere vergessen. Die Arbeiten hatten sich bislang durchaus gelohnt, trotzdem sollte ihm in Zukunft ein derartiges Versäumnis besser nicht noch einmal passieren.
Was aber sollte er jetzt tun? Nun, zunächst rief er sich ins Gedächtnis, dass er den geopferten und konservierten Major schon vor längerer Zeit nach Sinál geschafft hatte. Sollte dieser vor oder während des Ständetags noch eine Rolle spielen, könnte der Magier auch kurzfristig etwas improvisieren. Was aber war mit Danuwil?
Es wäre wohl am besten, erst einmal kurz nach Telgâr zu reisen. Nikko hielt es zwar für unwahrscheinlich, dass der Graf noch immer in seiner Burg weilte, wollte aber sichergehen, dass dem nicht doch so war. Allerdings vermutete er, dass Danuwil längst nach Sinál gereist war und dort schon ganz ungeduldig auf ihn wartete.
Nikkos Vermutung bestätigte sich etwas später an diesem Tage, nachdem er sich mit dem Drachen nach Telgâr teleportiert hatte. Schon die erste Wache, die dem Zauberer in der Burg über den Weg lief, bestätigte ihm, dass der Graf bereits vor mehr als vier Wochen in Richtung Sinál aufgebrochen war.
Der Zauberer geriet darüber zunächst ins Stutzen. Das klang ja fast so, als hätte Danuwil gar nicht erwartet, dass Nikko vorbeikäme, um ihn nach Sinál mitzunehmen. Dann aber sah er ein, dass der Graf wohl einfach nur kein Risiko hatte eingehen wollen. Von Telgâr nach Sinál musste er immerhin quer durch ganz Hymal reisen. Wenn er also pünktlich zum Ständetag dort sein wollte, hatte er eben vor gut vier Wochen losziehen müssen.
Ja, Danuwil hatte schließlich auch keine Möglichkeit, den Zauberer kurzfristig zu kontaktieren, um sich über ihr weiteres Vorgehen abzustimmen. Selbst ein berittener Bote wäre von Telgâr nach Halfuár eine Woche oder länger unterwegs gewesen. Dennoch hätte der Graf Nikko über seine Abreise informieren sollen.
Nun ja, der Zauberer sah ein, dass er es selbst war, der hier versagt hatte. Er hätte sich schließlich jederzeit nach Telgâr teleportieren können, um mit dem Grafen alles zu besprechen. Vielleicht wäre es sogar irgendwie möglich gewesen, Danuwil eine telepathische Nachricht zukommen zu lassen. Allerdings hatte er so etwas bisher nur mit anderen Zauberern ausprobiert.
Der junge Magier überlegte kurz, ob er die Jägerin suchen sollte, die Danuwil bestimmt nicht mit nach Sinál genommen hatte. Er befand dann aber, dass sie mit ihrem Pelzgeschäft wohl genug zu tun haben müsste. Außerdem wollte er durch die Suche nach Ihr auch keine weitere Zeit vergeuden. Also teleportierte Nikko sich und seinen Drachen, den er zuvor wieder unsichtbar gemacht hatte, dann auch gleich nach Sinál.
Als er wenige Augenblicke später über der Hauptstadt fliegend dort ankam, bot sich in der herzoglichen Burg bereits ein sehr geschäftiges Bild. Es schien sogar mehr los zu sein als beim letzten Ständetag im vorherigen Winter. Allerdings hatte Nikko das Geschehen seinerzeit auch nicht von oben her begutachten können.
Der Zauberer landete die unsichtbare Echse wieder auf dem Magierturm und unterließ es nach einigem Überlegen, den Drachen sichtbar zu machen. Es wäre wohl besser, vorher mit Danuwil zu sprechen, denn vielleicht würde der Anblick der untoten Bestie in der jetzigen Situation ja mehr schaden als nutzen.
Kaum war Nikko unten im Turm des ehemaligen Ordenskapitels angekommen, verspürte er auch schon kein großes Verlangen mehr, sich in das Gewühl auf dem Burghof zu stürzen. Sollte er nach all der Teleportiererei nicht ohnehin erst einmal ein kurzes Päuschen machen?
Das war wohl keine gute Idee. Es war nun bereits Nachmittag, sodass an diesem Tage ohnehin nicht mehr viel zu schaffen war. Vermutlich würde allein das drohende Gespräch mit Danuwil - wenn Nikko ihn denn erst einmal gefunden hatte - schon Stunden dauern. Dann müsste der Zauberer eigentlich auch noch mit Kahûl reden, der hier ja seit vielen Wochen die Geschäfte führte. Für eventuelle Vorbereitungen zum Ständetag bliebe also ohnehin nur noch der morgige Tag. So oder so, es war höchste Zeit, den Grafen und amtierenden Kastellan aufzusuchen.
Immerhin erkannten die Untertanen ihren Truchsess auch nach längerer Abwesenheit noch, als dieser über den Burghof in Richtung des Palas schritt. Respektvoll machten ihm alle Platz, einige verbeugten sich sogar. War das etwa ein gutes Vorzeichen für die kommende Versammlung?
Im Haupthaus wurde der Zauberer dann gleich von einem Beamten empfangen, der ihn begrüßte, als ob man schon seit Tagen oder Wochen auf ihn wartete. Nun, das dürfte sogar der Wahrheit entsprechen. Schließlich war es kein feiner Zug von Nikko, sich hier erst so kurz vor dem von ihm selbst einberufenen Ständetag zu zeigen.
»Wenn Ihr mir folgen wollt«, bat der Beamte dann sogleich, »die Hoheit Kahûl wünscht, Euch dringend zu sprechen.«
Die Hoheit!? Was sollte das denn heißen? Wollte sein Stellvertreter sich jetzt etwa doch selbst auf den Thron setzen? Aber Moment mal, der Beamte sprach ja nicht von Seiner Hoheit. Als Sprössling aus herzoglichem Hause stand Kahûl wohl die Anrede als Hoheit auch so zu.
Dennoch, Nikko fühlte sich in diesem Augenblick einem Gespräch mit Kahûl nicht gewachsen. Der Herr war immerhin gewieft genug, um hier sogar Danuwil gehörige Probleme bereitet zu haben. Wie sehr müsste der Zauberer sich dann erst vorsehen?
»Nicht so schnell«, bremste er den Beamten daher. »Ich möchte zunächst kurz mit meinem Kastellan sprechen.«
»Eurem Kastellan?«, schien der Beamte ganz verwundert, als wüsste er tatsächlich nicht, wer das sein sollte.
Nikko erkannte in dem Mann nun einen der von Herzog Rhobany bereitgestellten Verwalter. Er war also noch nicht sehr lange hier und hatte von der Zeit, in der Danuwil das Sagen hatte, vermutlich nicht mehr viel mitbekommen.
»Der Graf von Telgâr«, erklärte Nikko.
»Der Graf von Telgâr?«, wunderte sich der Beamte. »Eure Erlaucht, der Graf von Telgâr hat sich bei uns bisher noch nicht angemeldet.«
»Was soll denn das heißen?«, erschrak der junge Zauberer.
»Eure Erlaucht, noch sind nicht alle Stände hier versammelt«, antwortete der Beamte. »Wir gehen aber davon aus, dass sich morgen noch einige hier einfinden werden. Mit ein paar Verspätungen dürfte in Anbetracht der teils recht langen Anreise ebenfalls zu rechnen sein.«
»Es kann aber auch sein, dass einige Stände bereits in der Stadt weilen und sich erst zum Beginn des Ständetags bei uns anmelden«, fügte er dem hinzu. »Eure Erlaucht, sollen wir Erkundigungen einholen lassen, ob sich der Graf von Telgâr mit Gefolge schon in der Stadt befindet?«
»Ja«, keuchte Nikko, dem dieser Umstand so gar nicht gefiel.
»Wir werden es sofort veranlassen«, lächelte der Beamte. »Eure Erlaucht, wäret Ihr nun bereit für das Gespräch mit der Hoheit Kahûl? Oder soll ich die Hoheit darüber informieren, dass …«
»Nein, nein«, wollte Nikko sich diese Blöße nicht geben. »Bringt mich zu … der Hoheit.«
So wenig es dem Zauberer auch behagte, ganz unvorbereitet mit Kahûl zu sprechen, so sehr war ihm doch klar, dass er sich nicht allzu offen an Danuwil klammern konnte. Schließlich sollte der Zauberer hier zum Herzog gekürt werden, nicht der Graf von Telgâr.
Außerdem hatte Danuwil das Feld in Sinál vorerst ja Kahûl überlassen. Es war also höchstwahrscheinlich, dass dieser auch Nikkos neuer Seneschall werden würde. Daher sollte der Zauberer wohl oder übel lernen, mit dieser … Hoheit gut auszukommen.
Es hatte dann doch noch etwa eine halbe Stunde gedauert, bis alles für die Besprechung bereit war. Wegen des anstehenden Ständetags herrschte im Palas nämlich ein ziemlich reges Treiben. Erst im Laufe der Vorbereitungen, zu denen auch die Suche nach einem freien Besprechungssaal gehörte, verstand Nikko zudem, dass Kahûl zunächst kein vertrauliches Gespräch im Sinne hatte, sondern doch eher eine Sitzung des ganzen Stabes. Umso weniger Lust verspürte der Zauberer auf dieses Gespräch.
Als es dann endlich so weit war, versprach der Beamte Nikko noch, sich nun sofort darum zu kümmern, den Aufenthaltsort des Grafen von Telgâr herauszufinden und ihn schnellstmöglich darüber zu informieren. Nachdem der Mann sich mit einer Verbeugung entfernt hatte, wurden die Türen zum Sitzungssaal geschlossen.
Das Bild hier glich doch sehr den unzähligen Sitzungen, die Nikko früher mit seinem Stab in Halfuár über sich hatte ergehen lassen müssen. Nur saßen jetzt deutlich mehr Herrn an der Tafel, an deren einem Ende der Zauberer herzoglich thronte. Am anderen saß Kahûl auf einem etwas bescheideneren Stuhl. Zwischen ihnen befanden sich auf jeder Seite vier wichtigtuende Herren.
»Eure Erlaucht, es ist uns ein großes Vergnügen, dass Ihr als Truchsess des Herzogtums uns die Ehre erweist«, sprach Kahûl dann in einem Tonfall, der durchaus sarkastisch gemeint sein könnte. Nikko war jetzt allerdings viel zu aufgeregt, um das zu beurteilen.
Überhaupt fühlte sich der Zauberer unwohl, ja regelrecht schlecht. Es fiel ihm auf einmal auch schwer, sich auf all das Gesagte zu konzentrieren. So registrierte er nur am Rande, wie Kahûl all die Beamten der Reihe nach vorstellte. Die Namen der Herren bekam er gar nicht mit, wohl aber einige ihrer Ämter, darunter ein Schatzmeister wie auch ein paar soldatische Posten und ein Kastellan.
Moment mal, ein Kastellan!? Danuwil war doch noch immer der Kastellan von Sinál! Hatte sich Kahûl etwa erdreistet, dieses Amt einfach neu zu besetzen? Aber warum hatte der andere Beamte vorhin so unwissend reagiert, als Nikko seinen Kastellan sprechen wollte?
Sollte der Zauberer jetzt dazu etwas sagen? Es konnte doch nicht sein, dass hier gegen seinen Willen irgendwelche Posten neu besetzt wurden! Außerdem hatte er keinen der anwesenden Herren in irgendeinem Amt bestätigt - außer Kahûl. Aber vielleicht umfassten dessen Befugnisse ja auch das Recht, solche Posten wenigstens zeitweise ohne Nikkos Einverständnis zu besetzen. Er durfte zudem nicht vergessen, dass er schon einige Wochen lang nicht mehr hier gewesen war. Kahûl hätte ihn also gar nicht um Erlaubnis fragen können.
Verflucht! Genau deswegen hatte Nikko nicht mit Kahûl reden wollen, bevor er sich mit Danuwil besprechen konnte. Wo war der Graf nur?
Oh je, jetzt sprach schon einer der anderen Herren und Nikko hatte eine Weile lang nicht mehr zugehört. Worum ging es überhaupt?
Zum Glück zählte der Mann nur diverse Lehen auf und bemerkte dabei, ob der entsprechende Ritter schon eingetroffen war. Von einigen wenigen Ständen hatte man sogar Absagen erhalten, die in der versammelten Runde mit großem Missfallen zur Kenntnis genommen wurden.
»Ich schließe meinen Bericht mit der Feststellung, dass wir für einen Ständetag derzeit noch nicht beschlussfähig sind«, kam der Beamte dann irgendwann zum Ende. »Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich am morgigen Tage noch einige Lehnsnehmer anmelden werden. Allein die Anwesenheit des ebenfalls noch nicht eingetroffenen Grafen von Telgâr könnte zumindest die Beschlussfähigkeit der Versammlung gewährleisten, auch wenn wir dann für die Kür eines neuen Herzogs immerhin noch ein fast einstimmiges Votum bräuchten.«
»Ich danke Euch«, nickte Kahûl und übergab das Wort gleich an einen der anderen Herren, der daraufhin einen ziemlich langen Bericht über die Vorräte an Nahrungsmitteln und sonstigen Dingen abgab.
So hielt letztlich jeder der acht Beamten einen mehr oder weniger ausführlichen Bericht über seinen Bereich ab, doch hörte Nikko ohnehin kaum hin. Nicht nur langweilten ihn all die Einzelheiten, er fühlte sich auch noch immer fehl am Platze. Zum Glück schien bisher niemand hier mehr von ihm zu erwarten, als einfach nur zuzuhören.
Als die Besprechung dann endlich von Kahûl beendet wurde, war es schon Abend. Viel hatte Nikko in den Stunden nicht mitbekommen, da seine Gedanken fast die ganze Zeit über woanders gewesen waren. Ob das den Teilnehmern aufgefallen war, konnte er zwar nicht sagen. Momentan war es ihm aber auch ziemlich egal.
»Eure Erlaucht«, nickte Kahûl dem Zauberer zu, als sich die meisten der anderen Herren schon aus dem Saal entfernt hatten. »Es gäbe da vielleicht noch einige Kleinigkeiten unter uns zu besprechen. Ihr würdet mir eine große Freude machen, wenn Ihr dazu meine Einladung zum Abendessen annehmt.«
Auch das noch! Darauf hatte der Magier nun gar keine Lust mehr. Zum einen würde er weiterhin lieber mit Danuwil reden, bevor er mit Kahûl über Einzelheiten sprechen sollte. Zum anderen war er nun wirklich müde. Immerhin hatte die Sitzung vermutlich mehrere Stunden gedauert. Wie aber sollte er das der Hoheit klarmachen, ohne den Herrn damit zu verprellen?
»Könnten wir das nicht auf morgen verschieben?«, gähnte Nikko demonstrativ. »Ich bin von der langen Reise doch etwas müde.«
»Natürlich, Eure Erlaucht«, lächelte Kahûl auf eine Art, die nicht verriet, was er darüber wirklich dachte. »Vielleicht können wir morgen ja das Frühstück oder das Mittagsmahl teilen.«
»Sicherlich«, gähnte Nikko erneut und hoffte, dass er wenigstens noch bis zum Mittag Zeit hätte, Danuwil zu finden und mit ihm die Lage zu besprechen.
Als Nikko später in seinem Quartier im Haupthaus war und nicht so recht wusste, was er vor dem Schlafengehen machen sollte, klopfte es an die Tür. Wer konnte denn das jetzt noch sein?
»Eure Erlaucht«, verbeugte sich ein Bediensteter, nachdem er die Tür auf Zuruf des Zauberers geöffnet hatte. »Der Graf von Telgâr wünscht, Euch so bald wie möglich zu sprechen.«
Danuwil! Das war eine der wenigen Nachrichten, die Nikko an diesem Abend noch hören wollte. Nach einer längeren Unterredung mit dem Grafen stand es ihm heute zwar nicht mehr unbedingt, aber in Anbetracht der knappen Zeit vor dem Ständetag und natürlich auch dem drohenden Gespräch mit Kahûl hatte er wohl keine andere Wahl.
»Führt ihn gleich zu mir«, wies er den Diener an. »Und lasst auch ein paar Kleinigkeiten zu Essen und etwas zu Trinken bringen.«
»Selbstverständlich, Eure Erlaucht«, verbeugte sich der Bedienstete erneut und entfernte sich dann.
Schon einige Augenblicke später betrat der sichtlich genervte Danuwil die herzoglichen Gemächer. Allzu weit weg konnte er also nicht darauf gewartet haben, zu Nikko vorgelassen zu werden.
»Seid gegrüßt, Eure Erlaucht«, entgegnete er dem Zauberer, wirkte dabei jedoch nicht sehr freundlich. Verübelte er Nikko etwa, dass dieser ihn in Telgâr vergessen hatte?
»Setzt Euch doch«, nickte der Magier und bot dem Grafen einen der Sessel vor dem Kamin an, in dem zu dieser Jahreszeit allerdings kein Feuerchen loderte. »Ich habe bereits um eine Kleinigkeit zu Essen geschickt. Wenn Ihr jedoch größeren Hunger habt, kann ich auch mehr bringen lassen.«
»Nicht nötig«, stöhnte Danuwil und wirkte noch immer schlechter Laune.
»Sei Ihr erst jetzt angekommen?«, wollte Nikko ein Gespräch anleiern.
»Nein, ich bin schon seit etwa einer Woche vor Ort«, brummte der Graf. »In Anbetracht der in der Burg offenbar so knappen Quartiere habe ich mich und mein Gefolge jedoch in der Stadt einquartiert.«
»Das ist seltsam«, wunderte sich Nikko. »Die Beamten in der Burg wissen nämlich gar nicht, dass Ihr schon hier seid. Ja, man hofft sogar inständig, dass Ihr wenigstens bis morgen Früh noch kommt, um die … ähm Beschlussfähigkeit des Ständetags sicherzustellen.«
»Ich habe schon vor Tagen einen Boten in die Burg geschickt, der meine Ankunft dort auch gemeldet hat«, zuckte Danuwil die Schultern und macht dabei ein verächtliches Gesicht. »Mich wundert hier langsam sowieso nichts mehr.«
Nikko wusste zwar nicht, worauf der Graf da anspielte, wollte jetzt aber nicht darauf eingehen. Viel wichtiger war es, die wirklich dringenden Sachen zu besprechen. Doch zunächst sollte er sich wohl dafür entschuldigen, Danuwil nicht rechtzeitig in Telgâr aufgesucht zu haben. Er war ja heute erst Mittag dort gewesen.
»Eigentlich wollte ich Euch ja in Telgâr abholen«, meinte er daher. »Leider hat man mir mitgeteilt, dass Ihr schon vor einer ganzen Weile aufgebrochen seid. Umso mehr freut es mich, dass Ihr nun hier und wohlbehalten seid.«
»Nun, wir hätten bei unserem letzten Zusammentreffen wohl Genaueres abmachen sollen«, seufzte Danuwil. »Da ich aber nicht wusste, ob Ihr überhaupt noch einmal nach Telgâr kommen würdet und, falls dem so wäre, wann, blieb mir letztlich nichts anderes übrig, als mich selbst rechtzeitig auf dem Landweg nach Sinál aufzumachen.«
»Ich war so sehr in meine Forschungen über das Zwergensilber vertieft, dass ich den Ständetag ganz vergessen hatte«, gab Nikko zu. »Zum Glück hat mich mein Seneschall heute Morgen noch gerade so rechtzeitig daran erinnert.«
»Heute Morgen erst?«, war Danuwil entsetzt. »Ja, warum hat er denn nicht viel früher etwas gesagt?«
»Er wusste wohl nicht, ob er mich bei meinen Forschungen stören sollte«, zuckte der Zauberer mit den Schultern.
»Das müssen ja wichtige Forschungen gewesen sein«, schüttelte der Graf den Kopf. »Habt Ihr denn wenigstens etwas herausfinden können?«
»Oh, ja!«, war Nikko ganz stolz. »Es ist mir gelungen, das Zwergensilber zumindest kurzzeitig zu verflüssigen, doch erstarrt es wieder recht schnell und ist dann genauso fest wie vorher.«
»Das ist doch gut«, freute sich Danuwil. »Auch wenn Ihr das Metall nur ganz kurz flüssig machen könnt, würde das vielleicht schon ausreichen, um es in Formen zu gießen.«
»Diese Idee ist mir auch schon gekommen«, lächelte Nikko. »Damit müsste man doch ganz gut Rüstungsteile herstellen können.«
»Hm«, überlegte Danuwil. »Einen Harnisch herzustellen, verlangt sehr viel Können und Geschick. Ich glaube nicht, dass man so etwas einfach gießen kann. Für Kettenrüstungen dürfte Ähnliches gelten. Ich denke da eher an Klingen.«
»Und wie wollen wir diese dann scharf bekommen?«, hielt Nikko ihm entgegen.
»Das ist ein guter Punkt«, gab Danuwil zu. »Nun, wir werden das mit ein paar fähigen Schmieden noch ausführlich besprechen müssen. Ich bin mir aber sicher, dass wir auch nützliche Ausrüstung gießen können.«
»Fragt sich nur, ob wir überhaupt an genug Zwergensilber kommen«, zuckte Nikko mit den Schultern. »Allein der Herzog von Khondharr würde uns schon einhundert Barren abnehmen - obwohl er selbst noch gar nicht weiß, wie er das Material bearbeiten soll.«
»Rhobany?«, war der Graf erstaunt. »Hat er denn auch einen Preis genannt?«
»Er würde es eins zu eins gegen Gold aufwiegen«, antwortete Nikko. »Doch habe ich schon durchblicken lassen, dass er so billig wohl nicht davonkommen wird.«
»Nun, in Anbetracht der Leichte des Zwergensilbers im Vergleich zu Gold …«, überlegte Danuwil. »Das wäre dann wohl tatsächlich kein besonders guter Preis. Aber Ihr habt natürlich recht, wir können später noch versuchen, mehr herauszuschlagen.«
»Zunächst müssten wir jedoch liefern können«, verdrehte der Zauberer die Augen. »Können wir?«
»Mitnichten«, seufzte Danuwil. »Derzeit könnten wir bei den Zwergen höchsten zwei weitere dieser ja nicht besonders großen Barren eintauschen. Trotz aller Hilfe, die ich der unverschämten Jägerin bereits habe zukommen lassen, hat sich ihr Geschäft nur äußerst mäßig weiter entwickelt.«
»Auf mich hat sie nicht gerade den Eindruck gemacht, als hielte sie sich absichtlich zurück«, nahm Nikko Ygrind in Schutz. »Ich denke schon, dass sie tatsächlich ihr Möglichstes tut.«