In Hinsicht auf unser Problem, das aus guten
Gründen ein stilles Problem genannt werden kann
und sich wählerisch nur an wenige Ohren wendet, ist es von keinem
kleinen Interesse, festzustellen, dass vielfach noch in jenen
Worten und Wurzeln, die »gut« bezeichnen, die Hauptnuance
durchschimmert, auf welche hin die Vornehmen sich eben als Menschen
höheren Ranges fühlten. Zwar benennen sie sich vielleicht in den
häufigsten Fällen einfach nach ihrer Überlegenheit an Macht (als
»die Mächtigen«, »die Herren«, »die Gebietenden«) oder nach dem
sichtbarsten Abzeichen dieser Überlegenheit, zum Beispiel als »die
Reichen«, »die Besitzenden« (das ist der Sinn von arya; und
entsprechend im Eranischen und Slavischen). Aber auch nach
einem typischen Charakterzuge: und dies ist der Fall,
der uns hier angeht. Sie heissen sich zum Beispiel »die
Wahrhaftigen«: voran der griechische Adel, dessen Mundstück der
Megarische Dichter Theognis ist. Das dafür ausgeprägte Wort εσθλος
bedeutet der Wurzel nach Einen, der ist, der Realität
hat, der wirklich ist, der wahr ist; dann, mit einer subjektiven
Wendung, den Wahren als den Wahrhaftigen: in dieser Phase der
Begriffs-Verwandlung wird es zum Schlag- und Stichwort des Adels
und geht ganz und gar in den Sinn »adelig« über, zur Abgrenzung
vom lügenhaftengemeinen Mann, so wie Theognis ihn
nimmt und schildert, – bis endlich das Wort, nach dem Niedergange
des Adels, zur Bezeichnung der seelischen noblesse übrig bleibt und
gleichsam reif und süss wird. Im Worte κακος wie in δειλος (der
Plebejer im Gegensatz zum υγαθος) ist die Feigheit unterstrichen:
dies giebt vielleicht einen Wink, in welcher Richtung man die
etymologische Herkunft des mehrfach deutbaren υγαθος> zu suchen
hat. Im lateinischen malus (dem ich μηλας zur Seite stelle) könnte
der gemeine Mann als der Dunkelfarbige, vor allem als der
Schwarzhaarige (»hic niger est –«) gekennzeichnet sein, als der
vorarische Insasse des italischen Bodens, der sich von der
herrschend gewordenen blonden, nämlich arischen Eroberer-Rasse
durch die Farbe am deutlichsten abhob; wenigstens bot mir das
Gälische den genau entsprechenden Fall, – fin (zum Beispiel im
Namen Fin-Gal), das abzeichnende Wort des Adels, zuletzt der Gute,
Edle, Reine, ursprünglich der Blondkopf, im Gegensatz zu den
dunklen, schwarzhaarigen Ureinwohnern. Die Kelten, beiläufig
gesagt, waren durchaus eine blonde Rasse; man thut Unrecht, wenn
man jene Streifen einer wesentlich dunkelhaarigen Bevölkerung, die
sich auf sorgfältigeren ethnographischen Karten Deutschlands
bemerkbar machen, mit irgend welcher keltischen Herkunft und
Blutmischung in Zusammenhang bringt, wie dies noch Virchow thut:
vielmehr schlägt an diesen Stellen
die vorarischeBevölkerung Deutschlands vor. (Das
Gleiche gilt beinahe für ganz Europa: im Wesentlichen hat die
unterworfene Rasse schliesslich daselbst wieder die Oberhand
bekommen, in Farbe, Kürze des Schädels, vielleicht sogar in den
intellektuellen und socialen Instinkten: wer steht uns dafür, ob
nicht die moderne Demokratie, der noch modernere Anarchismus und
namentlich jener Hang zur »Commune«, zur primitivsten
Gesellschafts-Form, der allen Socialisten Europa's jetzt gemeinsam
ist, in der Hauptsache einen
ungeheuren Nachschlag zu bedeuten hat – und dass
die Eroberer- und Herren-Rasse, die der Arier, auch
physiologisch im Unterliegen ist?… ) Das lateinische bonus glaube
ich als »den Krieger« auslegen zu dürfen: vorausgesetzt, dass ich
mit Recht bonus auf ein älteres duonus zurückführe (vergleiche
bellum = duellum = duen-lum, worin mir jenes duonus erhalten
scheint). Bonus somit als Mann des Zwistes, der Entzweiung (duo),
als Kriegsmann: man sieht, was im alten Rom an einem Manne seine
»Güte« ausmachte. Unser deutsches »Gut« selbst: sollte es nicht
»den Göttlichen«, den Mann »göttlichen Geschlechts« bedeuten? Und
mit dem Volks- (ursprünglich Adels-)Namen der Gothen identisch
sein? Die Gründe zu dieser Vermuthung gehören nicht hierher. –