VOM STANDESAMT
INS OUTDOOR-ABENTEUER
DELIUS KLASING VERLAG
1. Auflage 2017
© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:
ISBN 978-3-667-10915-6 (Print)
ISBN 978-3-667-11178-4 (Epub)
Lektorat: Birgit Radebold
Illustration Bucheinbandrückseite: Globetrotter-Magazin
Fotos: Stefan Richter
Titelgestaltung und Layout: Felix Kempf, fx@fx68.de
Lithografie: Mohn Media, Gütersloh
Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice, München
Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis
des Verlages darf das Werk, auch Teile daraus, nicht
vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.
www.delius-klasing.de
FÜR FINN.
DANKE AN UNSERE ELTERN, DIE UNS DIE FREIHEIT GEBEN,
UNSEREN WEG ZU GEHEN.
WIE DIE REISE BEGANN
MONGOLEI
CHINA
MALAYSIA
INDONESIEN
NEPAL
THAILAND
LAOS
KAMBODSCHA
PHILIPPINEN
INDONESIEN
AUSTRALIEN
NEUSEELAND
COOK ISLANDS
KANADA UND USA
INDONESIEN
SRI LANKA
BACK TO REALITY
FAQ
Keine Ahnung, wie wir auf die Idee gekommen waren, mit dem Seekajak durch die Stockholmer Schären zu paddeln. Aber wir waren beide schwer angetan von diesem Plan. Zum einen, weil uns Schweden generell gut gefällt, zum anderen, weil wir zu zweit allein unterwegs sein konnten, unabhängig von wem auch immer und von irgendwelchen Zeit- oder Streckenvorgaben. Einfach selbstbestimmt paddeln. Genau das war es, was wir beide wollten: selbst planen, alles selbst organisieren und selbst umsetzen. Nur nicht einer allein, sondern immer zusammen. Jeder von uns hat seine Stärken. Ich, Julia, plane und organisiere gern generalstabsmäßig. Fast schon etwas zu genau für Stefans Geschmack. Aber in den letzten Jahren habe ich gelernt, dass man auch bei bester Planung und Vorbereitung manchmal improvisieren muss. Sogar das Improvisieren klappt jedoch schon generalstabsmäßig. So bin ich eben. Stefan setzt um, packt an und ist Herr über die Finanzen. Er baut das Zelt auf und ab, holt Wasser, nimmt die Dinge in die Hand. Er verlässt sich dabei auf meine Planungen. Fast schon etwas zu sehr für meinen Geschmack. Aber so ist er eben.
Zusammen hatten wir uns in Schweden sehr gut ergänzt. Nur in einem Punkt waren wir uns nicht immer einig: den perfekten Zeltplatz für die nächste Nacht zu finden. Stefan war stets auf der Suche nach dem einzig richtigen Platz zum Zelten. Mir war das nach einem langen Paddeltag eher egal. Aber Stefan wollte immer wieder noch weiter suchen. Nach fast zehn Tagen fand er seinen perfekten Zeltplatz auf einer kleinen unbewohnten Insel. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er mir dort einen Heiratsantrag machen wollte. Doch plötzlich ergab das ganze Gesuche dann einen Sinn. Statt eines Verlobungsrings schenkte Stefan mir eine Weltkarte. Ein Geschenk mit weitreichenden Folgen. Ich sagte nicht nur: JA! Die Weltkarte war auch der Grundstein zu unserer großen Reise.
Ich hatte schon lange noch mal weg gewollt und daraus auch kein Geheimnis gemacht. Nach der Schule war ich ein halbes Jahr in Neuseeland gewesen, wollte aber natürlich noch mehr von der Welt sehen. Dann kamen aber erst einmal das Studium und die ersten Jobs. Stefan entwickelte erst zusammen mit mir die große Lust am Reisen. Obwohl er schon einige Erfahrungen als Reiseleiter während seiner Studienzeit gesammelt hatte. Von der Idee der Weltreise ließ er sich mit der Zeit immer mehr anstecken. Am Ende war er sogar enthusiastischer als ich. Und irgendwann war ihm die Idee mit dem Heiratsantrag und der Weltkarte eingefallen. Diese Karte war auch ohne Erklärung ein ganz klares Statement. An die Worte dazu kann ich mich vor Aufregung sowieso nicht erinnern.
Nach der Schwedenreise wurde die Weltkarte gut sichtbar in unserer Wohnung platziert. Wir konnten uns ihrem Einfluss gar nicht mehr entziehen. Und von diesem Zeitpunkt an begannen wir, zu planen und Reiseziele und -wünsche aufzuschreiben.
Am Anfang des Jahres fingen wir an, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir eigentlich reisen wollten. Da gibt es ja heutzutage die verrücktesten Möglichkeiten: per Fahrrad, Auto, Segelboot oder gar zu Fuß. Uns war relativ schnell klar, dass wir das nicht sind. Noch nicht. Mit dem Flugzeug ginge es doch auch gut. Es ist nicht nur komfortabel, sondern vor allem auch eine günstige Variante, um schnell von A nach B zu gelangen. Für uns war das genau das Richtige. Nach der Flugfrage mussten wir eine weitere grundlegende Entscheidung treffen: Sollten wir ein »Around-The-World-Ticket« buchen oder nicht? So ein Ticket hatte schließlich Vor- und Nachteile. Die Vorteile waren: Wir würden in jedem Fall wieder zurück nach Hause kommen, auch falls uns das Geld ausging. Wir hätten die Ticketkosten besser im Blick. Falls unsere Pläne sich änderten, könnten wir die Flüge kostenlos oder für einen geringen Betrag einfach umbuchen. Es gab außerdem ziemlich günstige Preise für Standard-Routen. Ein Nachteil war jedoch, dass wir immer im Hinterkopf hätten, wann der nächste Flug wohin geht und wann wir wieder zurück sein werden. Das Ticket war außerdem maximal zwölf Monate gültig. Auch wenn das Around-The-World-Ticket Flexibilität versprach, müssten wir uns an eine vorgewählte Reiserichtung halten, zum Beispiel immer nach Osten. Wichen wir dann noch von den Standard-Routen ab, würde es schnell sehr teuer werden. Wir haben uns dann hingesetzt und uns mal grundsätzlich überlegt, wohin wir eigentlich wollten. Und schon nach der ersten Flugstrecke waren wir weg von der Standard-Route. Wir wollten zunächst bis Moskau fliegen und dann mit der Transmongolischen Eisenbahn über die Mongolei nach Peking fahren. Für die Etappe mit dem Zug wären uns Flugmeilen berechnet worden, und schon würde der geplante Trip teurer als gedacht. Dann wollten wir auch noch die Reiserichtung ändern, also von Indonesien zurück nach Nepal. Das ginge aber nur mit Zusatzflügen. Und spätestens nach den ersten beiden Angeboten für das Around-The-World-Ticket mit unserer Wunschroute war klar: Wir buchen one way und flexibel unterwegs alle Flüge einzeln. Die so gewonnene Freiheit war unbezahlbar. Außerdem fragten wir uns, nachdem wir unsere Route ganz ordentlich in einer Excel-Tabelle aufgelistet hatten: Warum sollten wir Wohnung, Job und alles aufgeben, um uns dann mit einem Flugticket wieder festzulegen? Das passte doch überhaupt nicht zusammen! Um Einzeltickets würden wir uns zwar selbst kümmern müssen, aber Richtung und Flugdaten wären dann egal.
UND DAS WURDE UNSERE GEPLANTE REISEROUTE:
Land |
Reisezeit |
Aktivitäten |
MONGOLEI |
Juli/August |
Transsibirische bzw. Transmongolische Eisenbahn/Trekking |
CHINA |
August |
Transsibirische Eisenbahn |
MALAYSIA |
August/September |
Schnorcheln/Tauchen |
SINGAPUR |
September |
Shoppen |
INDONESIEN |
September/Oktober |
Surfen |
NEPAL |
Oktober/November |
Trekking |
THAILAND |
November |
Rundreise |
LAOS |
November |
Rundreise |
KAMBODSCHA |
November |
Rundreise |
VIETNAM |
Dezember |
Rundreise |
PHILIPPINEN |
Dezember/Januar |
Kajak, Schnorcheln/Tauchen |
NEUSEELAND |
Februar/März |
Rundreise |
SAMOA/COOK ISLANDS |
April/Mai |
Schnorcheln/Tauchen |
CHILE |
Mai/Juni |
Wandern, Surfen |
ARGENTINIEN |
Juni |
Skifahren |
PERU |
Juli |
Rundreise Trekking |
KANADA |
August |
Rundreise |
ALASKA |
August/September |
Trekking |
Nach der Flugticket-Entscheidung ließen wir die Reiseroute einfach mal so stehen wie geplant. Wir kümmerten uns eigentlich nur darum, die Idee mit der Transmongolischen Eisenbahn umzusetzen. Es sollte unbedingt Richtung Mongolei gehen, denn von diesem Land hatte ein Bekannter so sehr geschwärmt, dass wir schnell überzeugt waren, auch dorthin zu wollen. Dafür brauchten wir nur zwei Stichpunkte: unendliche Weite und Freiheit!
Als Nächstes stellte sich uns das Visaproblem entgegen. Wir würden mit der Transmongolischen Eisenbahn durch Russland, die Mongolei und China reisen. Und für alle drei Länder bräuchten wir Visa. Eigentlich kein Problem, wenn man das früh genug weiß. Nur wird es sehr wohl zum Problem, wenn man zehn Tage vor der Abreise heiraten will und seinen Namen ändert. Es hätte uns mindestens sechs bis acht Wochen gekostet, auf die verschiedenen Visa zu warten. Das dauerte uns eindeutig zu lange. Und somit warfen wir den Plan teilweise über Bord. Wir wollten heiraten und sofort los! Da das Visum nach Russland die längste Bearbeitungszeit brauchte und auch etwas kompliziert zu beantragen war, strichen wir Russland kurzerhand aus der Planung.
Der erste Flug sollte nun kurz nach der Hochzeit in die Mongolei gehen, und in der Mongolei wollten wir dann das Visum für China beantragen. Das erste Flugticket buchten wir somit knapp zwei Monate vor unserem Abflug: one way und nonstop von Berlin (Deutschland) nach Ulan Bator (Mongolei). Gekostet hat das Ganze 396 Euro inklusive Steuern und pro Person. Hinzu kamen noch die Gebühren für das Visum (60 Euro für die einmalige Ein- und Ausreise plus 40 Euro Expresszuschlag, damit das Visum auch wirklich pünktlich ankam).
Welche Größe und Funktion der Rucksack haben sollte, mit dem wir um die Welt reisen wollten, war gar nicht so einfach zu beantworten. Diese Frage stellt sich aber wahrscheinlich jeder Weltreisende. Und die Antwort ist im ersten Moment wahrscheinlich immer so ungenau wie frustrierend: Es kommt darauf an. Darauf, in welche Länder und Klimazonen man reisen wird; welche Aktivitäten man plant; was man glaubt, unbedingt dabeihaben zu müssen; und letztendlich kommt es darauf an, wie schwer man tragen kann oder will. Da wir mit Zelt reisen wollten, war schnell klar, dass wir einen eher größeren Rucksack brauchten. Zelt, Isomatte und Schlafsack nehmen ganz schön viel Volumen in Anspruch. Bei mir hat dann letztendlich die maximale Traglast von 15 Kilogramm das Volumen bestimmt. Tragekomfort und Funktionalität kürten am Ende den Deuter Aircontact zum Sieger: 50 + 10 Liter für mich und 65 + 10 Liter für Stefan.
Und was kam alles da rein? Wir schrieben Checklisten. Nicht nur für die Reise, auch für die bevorstehende Hochzeit. Die Packliste wurde fast täglich an den aktuellen Planungsstand angepasst und optimiert. Wahrscheinlich ein Prozess, der auch noch bis zum Tag der Abreise anhalten würde.
Und dann war es so weit: noch elf Tage bis zur Hochzeit und 22 Tage bis zum Abflug! Alle Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Am Vortag waren wir um- bzw. ausgezogen. In einer 24-Stunden-Aktion hatten wir unser gesamtes Hab und Gut aus unserer Wohnung in Innsbruck (Österreich) in Stefans Heimatstadt Wernigerode (Deutschland) gebracht. 740 Kilometer Wegstrecke. Nicht alles hatte in den kleinen Transporter gepasst. Deshalb haben wir nun kein Bett mehr. Aber ist ja auch egal, ein eigenes Bett brauchten wir frühestens in einem Jahr wieder. Nun schliefen wir bis zur Abreise in Stefans früherem Kinderzimmer auf der Couch. Der Rest unserer Habe wurde im Haus von Stefans Großeltern eingelagert.
ICH PACKE MEINEN RUCKSACK:
TRANSPORT
Rucksack
Tagesrucksack
Wasserdichter Sack/Packsäcke
Blaue Ikea-Tasche
SCHLAFEN
Schlafsack/Inlet
Isomatte
Zelt inkl. Zubehör
Zeltunterlage/Tarp + Schnüre
Hängematte
KLEIDUNG
6 × Unterwäsche
5 Paar (Funktions-)Socken
2 Funktions-T-Shirts
3 normale T-Shirts
2 Pullis
1 warme Funktionsjacke
1 lange/kurze Funktionshose
1 Jeans
1 Rock/kurze Hose
KOCHEN
Kocher
Topf + Deckel
Teller
Besteck
Anzünder + Feuerzeug
Trinkflasche
Scharfes Messer
Multitool
Salz & Pfeffer
HYGIENE/ERSTE HILFE
Waschtasche
Trekkingseife/Shampoo
Zahnbürste
Zahnpasta
Bürste + Haarbänder
Gesichtscreme
Reinigungstücher
Rasierer + Rasiercreme
Nagelschere
Pinzette
SONSTIGES
Kamera + Ladegerät + Akkus
Laptop + Ladegerät + Tasche
Handy + Ladegerät
Stromadapter
Externe Festplatte
Bücher (Kindl) + Ladegerät
Kopfhörer
Wasserfester Stift
Notizbuch + Stifte
Kartenspiel/Würfel
Sonnenbrille
2 Handtücher
Taucherbrille & Schnorchel
Wäscheleine
Flickzeug für Isomatte
Nähzeug
REISEDOKUMENTE
Reisepass
Ansonsten hatten wir uns in den letzten Tagen und Wochen mit viel administrativem Kram aufgehalten. Das war nicht gerade unsere Lieblingsbeschäftigung. Aber es musste sein. Vielleicht kam es uns auch so viel vor, weil alles gleichzeitig anfiel: Jobübergabe, Umzug, Hochzeit, Weltreise. Der letzte Arbeitstag in Österreich war nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Besonders für Stefan war das ein ziemlich komisches Gefühl. Schließlich hatte er seinen Job als Marketingleiter für den Kaunertaler und Pitztaler Gletscher doch mehr als gern erledigt. Schon die Kündigung Ende März hatte ihm zu schaffen gemacht. Alles für eine Reise aufzugeben, von der man nicht genau weiß, was man erwarten kann, war gar nicht so einfach. Wir hatten viel darüber gesprochen. Und das hatte geholfen, die Dinge klarer werden zu lassen. Für mich war der Job im Pitztal von Beginn an zeitlich begrenzt gewesen, und somit fiel es mir auch etwas leichter, alles aufzugeben. Unsere Wohnung in der Nähe von Innsbruck haben wir beide sehr geliebt. Wir hatten einen sensationellen Ausblick auf die Berge. Aber wie es der Zufall wollte, hatte unsere Vermieterin ein paar Tage vor unserer Wohnungskündigung Eigenbedarf angemeldet, und somit wäre die Wohnung über kurz oder lang ohnehin weg gewesen.
Nach dem Umzug mussten wir uns auf die Planung der Hochzeit konzentrieren. Zum Glück gab es die Checkliste. Ich wollte viel selbst machen und den Weddingplaner sparen. Das nahm natürlich viel Zeit in Anspruch. Aber es machte mir eben auch viel Spaß. So oft heiraten wir ja nun auch nicht. Für die Reise hatten wir ganz nebenbei noch alle fehlenden Dokumente (Internationaler Führerschein, Reisepass) beantragt und alle für uns relevanten Impfungen (Hepatitis A & B, Typhus, Tetanus, Tollwut) erledigt. Wir waren auch noch einmal ganz brav beim Arzt (Zahnarzt, Frauenarzt, Hausarzt) gewesen und hatten unsere privaten Versicherungen aktualisiert. Unsere Eltern hatten eine Generalvollmacht bekommen; falls irgendetwas während unserer Reise schiefginge, hätten sie von Deutschland aus die Möglichkeit, uns jederzeit zu helfen. Was jetzt noch fehlte, war die Reisekrankenversicherung. Welche wir nehmen, hatten wir immer noch nicht entschieden. Aber wir hatten ja auch noch 22 Tage Zeit bis zum Abflug.
Dann wurde geheiratet! Nach fast neun Jahren Zusammensein hießen wir ab sofort beide Richter. Der Weg bis hierhin war wie wohl in vielen Beziehungen nicht immer eine schnurgerade Autobahnstrecke. Man könnte ihn eher als eine Bergstraße sehen mit einigen Kurven, zwischen den Bergen lagen Täler, durch die mussten wir durch, wenn wir auf die andere Seite und wieder hoch hinaus wollten. Aber das alles hat uns nicht aufgehalten, denn wir hatten doch sehr schnell festgestellt, dass wir ziemlich gut zusammen passen und uns in vielen Dingen super ergänzen. Und wir wussten, dass wir uns aufeinander verlassen können. Unser Lebensmittelpunkt waren die Berge um Innsbruck in Österreich geworden, seit einigen Jahren teilten wir uns dort eine Wohnung. Gemeinsam am Berg und in der Natur unterwegs zu sein, das ist es, was wir beide lieben.
In den Bergen wollten wir dennoch nicht heiraten. Auch nicht auf einer einsamen Insel, so wie Stefan es eigentlich vorgezogen hätte. Eine freie Trauung an einem See, wo es so aussieht wie in Schweden – das hatte ich mir gewünscht. Wenn schon nicht auf einer Südseeinsel, dann wenigstens in der Heimat, also im Harz, heiraten – das hatte sich Stefan gewünscht. Und wir hatten einen guten Kompromiss gefunden. Ein sehr individuelles Landhaus mit rotem Holz verkleidet und mit einem nahegelegenen Seegrundstück für die Trauung ist am Ende unsere Hochzeitslocation geworden. Im Harz!
Für uns war es ein wunderbares Fest! Und wir waren dankbar für die Hilfe und Unterstützung, die wir nicht nur an diesem Tag bekommen haben. Die Feier war auch gleichzeitig eine Abschiedsparty. Wir wollten schließlich auf unbestimmte Zeit in den Honeymoon!
Dann kam der Tag, auf den wir seit Monaten hingefiebert hatten. Noch fühlte es sich an, als würden wir nur für drei Wochen in den Urlaub fahren. Einzig der Inhalt unseres Rucksacks war etwas anders als sonst. Da wir sowohl in warme als auch in etwas kältere Regionen reisen wollten, mussten wir vom Schnorchel bis zu den Handschuhen alles dabei haben. Beim Packen wurde unsere Packliste wie erwartet noch einmal angepasst und um Funktionsunterwäsche erweitert. Die Trinkflaschen hingegen mussten aus Platzgründen zu Hause bleiben!
In den letzten Tagen gab es noch einiges zu tun. Ich brauchte noch das Visum für die Einreise in die Mongolei, da ich ja jetzt unter neuem Namen reiste. Einige Kisten und ein Haufen Klamotten wurden von A nach B geschoben, Computerdaten mussten doppelt und dreifach gesichert werden, ich musste noch meine Kredit- und EC-Karte neu beantragen, die Dankeskarten für die Hochzeit wollten verschickt werden, und da war ja auch noch die Reisekrankenversicherung, die wir tatsächlich erst am letzten Tag vor der Abreise abgeschlossen haben. Am Ende hatte fast alles geklappt, nur meine neue Kreditkarte ließ auf sich warten.
Und dann kam der Zeitpunkt, uns von unseren Familien zu verabschieden. Meine Eltern haben wir noch einmal an der Ostsee auf dem Campingplatz besucht, an dem sie fast jedes Wochenende im Sommer verbringen. Natürlich flossen ein paar Tränen. Es war ein komisches Gefühl, abzureisen und einfach weg zu sein. Obwohl wir ja schon seit Jahren nicht mehr in der Nähe unserer Eltern wohnten. Gleich würden uns Stefans Eltern zum Flughafen fahren. Um 15 Uhr 50 ging der Flieger in die Mongolei ab Berlin/Tegel.
Am ersten Tag unserer Weltreise änderten wir gleich unsere Reisepläne. Der Flug von Berlin nach Ulan Bator mit Mongolian Airlines war super. Hatte sich die Airline doch erst in diesem Jahr ein neues und überhaupt ihr erstes Flugzeug direkt ab Werk geleistet. Mit allem Komfort, den man erwarten kann. Unsere Unterkunft hat uns dann aber schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir reisten mit kleinem Budget, das bedeutete: Wenn man weniger ausgibt, kann man länger reisen! Und so fanden wir uns in einem kleinen Hostel wieder, das in einem relativ armen und heruntergekommenem Viertel von Ulan Bator lag. Unser Gastgeber Gan war aber superfreundlich und hilfsbereit. Wir hatten die Unterkunft vorab bei ihm gebucht und auch mit ihm unsere weitere Reiseplanung für die Mongolei besprochen. Doch an die kargen Wände, staubigen Böden und einfachen Pritschen mussten wir uns erst einmal gewöhnen. Dagegen war die Couch in Stefans altem Kinderzimmer der pure Luxus gewesen. Völlig übermüdet machten wir uns noch am ersten Tag auf den Weg zur Chinesischen Botschaft. Wir wollten unser Visum beantragen und die Bearbeitungszeit für eine Rundreise durch die Mongolei nutzen oder umgekehrt. Unser Versuch, den Antrag auszufüllen, endete jedoch in reinster Frustration. Mehr als zwölf Seiten sollten wir ausfüllen und dabei den Herrschaften von der Botschaft unser ganzes Leben inklusive der Vermögens- und Familienverhältnisse unterbreiten. Dazu kamen noch unendlich viele Auflagen. Die persönliche Einladung in das Land, die man brauchte, war noch das geringste Problem. Denn zunächst gab es nicht einmal die Gewissheit, ob wir überhaupt ein Visum bekommen konnten. Wir hatten momentan weder einen festen Job noch einen festen Wohnsitz. Vielleicht war es der Stress der letzten Wochen oder aber unsere neu gewonnene Flexibilität, dass wir kurzerhand beschlossen, die Fahrt mit der Transmongolischen Eisenbahn nicht anzutreten und auch nicht durch China zu reisen. Stattdessen wollten wir nur noch einen Abstecher nach Peking machen, um die große Mauer zu sehen – denn für maximal 72 Stunden Aufenthalt gab es ein Visum on arrival – ganz ohne Bürokratie. Und so änderten sich unsere Reisepläne nicht einmal 24 Stunden, nachdem die Reise begonnen hatte.
In den nächsten 15 Tagen sind wir mit einem Allrad-Minivan durch den zentralen Teil und den Norden der Mongolei gefahren (worden), haben Kultur und Menschen kennengelernt, weite Landschaften und hohe Berge gesehen. Unendliche Weite und Freiheit. Das wurde und von unserem Bekannten damals auf der Party versprochen – und genau das haben wir bekommen!
Unser Fahrer hieß Age und sprach leider (wie die meisten Mongolen) kein Englisch. Und wir verstanden natürlich kein Mongolisch. Irgendwie hat es aber doch funktioniert. Insbesondere nach ein bis fünf Wodkas wurde es mit der Verständigung leichter. Ansonsten bestanden unsere Konversationen hauptsächlich aus drei Wörtern: car, lunch, stop. Mithilfe dieser Wörter, wild durcheinander gewürfelt und in Kombination mit unseren Namen, konnten wir fast alle Verständigungsprobleme lösen. Lunch stand übrigens für Frühstück, Mittag- und Abendessen. Was ohne Worte funktioniert hat, war das Tanken. Wir haben gefühlt an jeder Möglichkeit vollgetankt, die sich uns bot. Der Mitsubishi Minivan war ein Schluckspecht, und das ging auch ganz schön aufs Budget. Neben den 65 US-Dollar für das Auto inklusive des ortskundigen Fahrers haben wir täglich noch einmal für 30 US-Dollar Benzin gebraucht (obwohl der Liter Super hier nur rund 80 Cent kostete).
Wir fuhren in den zwei Wochen mehr als 2.600 Kilometer, und in der Mongolei sind die meisten Straßen noch nicht asphaltiert. Kurz hinter der Hauptstadt war Schluss mit Asphalt. Dann begann das Nichts, und es ging ohne Straßenschilder und sonstige Verkehrsregeln kreuz und quer durchs Land über irgendwelche Pisten – natürlich deutlich langsamer als auf Asphalt. Wenn es geregnet hat, kann so eine Piste auch mal ziemlich rutschig werden und die Durchschnittsgeschwindigkeit auf unter 20 Stundenkilometer sinken. Und, ja, es hat zwischendurch viel geregnet, weshalb wir oft nur sehr, sehr langsam vorankamen. Es gab Tage, an denen wir zwölf Stunden im Auto saßen – Aber so zogen wir natürlich auch ein Stück aufmerksamer durch das Land. Was sich durchaus gelohnt hat, denn die Mongolei ist wirklich schön! Unendlich weite Steppen mit kleinen Hügeln am Horizont in den Aimags (das sind quasi die Bundesländer in der Mongolei) Dungow und Töv, faszinierende Berglandschaften mit Flussläufen am Orkhon und Selenge und Seen eingebettet von Bergen und Wäldern im Aimag Khuvsgul. Überall standen kleine weiße Jurten (die traditionellen Behausungen der Mongolen), die ganz im Norden durch zunehmende Baumvorkommen auch mal von Blockhütten ergänzt wurden.
Die Städte in der Mongolei sind klein und einfach gehalten. Viele Mongolen haben hier ihr Winterhaus. Im Sommer ziehen sie mit ihren Tieren und den Jurten durchs Land. Die Hauptstadt Ulan Bator ist somit die einzig wirklich große Stadt. Hier lebte im Jahr 2013 ca. die Hälfte der drei Millionen Einwohner der Mongolei. Das macht die Stadt dennoch nicht besonders spektakulär. Für uns jedenfalls.
Die ersten zwei Tage unserer Reise verbrachten wir bei einem Naadam-Fest in dem Heimatort unseres Fahrers Age, sodass wir gleich Familienanschluss hatten. Hauptsächlich wurden wir an diesem Tag von Ages Tochter Suga begleitet. Naadam ist das höchste Fest der Mongolen, das im Juli gefeiert wird (in Ulan Bator immer vom 11. bis 13. Juli, also um den Nationalfeiertag herum und in den anderen Regionen auch noch bis Ende Juli). Das Ganze ist eine sportliche Angelegenheit, bestehend aus Pferderennen, Ringen und Bogenschießen, den Nationalsportarten. Das Coole an diesem Fest war, dass es wirklich ein Fest der Mongolen war. Kein kommerzielles Getue oder künstlich geschaffene Tradition. Insgesamt waren vielleicht zehn Europäer anwesend. Die restlichen rund 2.000 Besucher waren Mongolen. Das ist schon eine beachtliche Menge, wenn man bedenkt, dass in dem Aimag, wo das Fest stattfand, gerade einmal 0,68 Einwohner pro Quadratkilometer leben.
Nach der Eröffnungszeremonie mit viel mongolischer Musik, ein paar Reden und Gebeten (von denen wir absolut nichts verstanden haben) ging es zum Pferderennen. Das darf man sich nun nicht wie in Europa vorstellen mit Rennbahn oder so. Die Pferde mit Reitern, die zwischen sechs und elf Jahren alt waren, sammelten sich irgendwo, und irgendwann ging es dann los. Einen Startschuss haben wir nie mitbekommen, aber nach 22 Kilometern Rennstrecke kamen die Zuschauer vor dem Zieleinlauf zusammen. Und es war so wie bei allen anderen Rennen: Nachdem der Erste durchs Ziel war, wurde es uninteressant. Immer mal wieder kam auch nur ein Pferd – ohne Reiter – ins Ziel. Wir besuchten auch die Ringkämpfe. Das Ringen war für einen Nichtkenner erst einmal etwas unübersichtlich, aber es fand zumindest in einem Stadion statt mit Sprecher und netten Musikeinlagen zwischendurch. Dass einige Zuschauer zu Pferd im Stadion waren, war offenbar normal (spart ja auch Sitzplätze), und Sicherheitspersonal gab es im Stadion sowieso nicht. Beim Pferderennen hingegen schon. Da hatte die örtliche Polizei ihren großen Auftritt. Parkplätze wurden im Übrigen zugewiesen, da der Mongole es gewohnt war, dort zu parken, wo er wollte. War ja auch völlig in Ordnung bei der Landesgröße und den wenigen Einwohnern. Zum Bogenschießen sind wir nicht mehr gekommen, denn das fand etwas hinter dem Festgelände statt. Es war aber auch die unpopulärste der drei Sportarten. Für uns war es faszinierend zu sehen, wie sich die Familien zurechtgemacht hatten, ihre Pferde präsentierten und sich zum Small Talk getroffen haben – eine gute Gelegenheit, wenn Nachbars Jurte sonst zehn Kilometer entfernt liegt.
Bereits in der ersten Nacht auf unserer Reise wurden wir von Age eingeladen, in seiner Jurte zu schlafen, da diese auf unserem Weg lag. Insgesamt besaß die Familie von Age drei Jurten und war damit, so vermuteten wir, wohlhabend. Eine Jurte diente zum Kochen und zur Aufbewahrung der Gerätschaften, in einer kleineren Jurte wohnte der Opa, und in der zentralen großen Jurte spielte sich das restliche Leben ab. Hier standen auch die Betten der Eltern. Wir durften in der zentralen