Mein Name ist Shlomo Graber. Geboren bin ich am 13. Juli 1926 in einem Städtchen, das Majdan (heute: Maidan) heißt. Es liegt ca. 75 km östlich von Uschhorod in der heutigen Ukraine, im damaligen Bezirk Mármaros.
Meine Erinnerung an jenen Ort ist relativ vage, denn meine Familie verließ diesen bereits, als ich fünf Jahre alt war. Soviel mir gesagt wurde, wohnten im Jahr 1830 in Majdan eine Handvoll Juden, welche die erste jüdische Gemeinde am Ort gründeten und in den darauf folgenden Jahren auch die erste Synagoge bauten. Zuvor hatten sie, so wurde mir erzählt, in einer einfachen Holzhütte gebetet. Die Ortssprache war Ukrainisch, aber die Juden sprachen untereinander hauptsächlich Tschechisch und Jiddisch, was jedoch kaum ein Problem darstellte, da viele der nicht-jüdischen Einwohner auch Jiddisch verstehen konnten.
Die ganze Gegend hatte immer schon eine sehr bewegte Geschichte. So gehörte sie bis nach dem Ersten Weltkrieg zu Österreich-Ungarn, danach wurde sie, durch den Frieden von Trianon, der Tschechoslowakei zugeschlagen, bis sie 1939 von den Ungarn erobert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Region der Sowjetunion angegliedert, um dann, nach deren Zerfall, der heutigen Ukraine zugeschlagen zu werden.
Meinen Namen erhielt ich im Gedenken an meinen Urgroßvater.
Dieser Name, Shlomo oder Salomo, sollte noch aus weit anderen Gründen zu mir und meinem Leben passen, aber erst sehr viel später wurde mir die historische Bedeutung meines Vornamens bewusst. Erstens lehrt uns die Onomastik, die Namensforschung also, dass Shlomo oder eben Salomo nichts anderes als friedliebend oder friedfertig bedeutet (was sehr gut zu meiner Person passt, wie ich schon an dieser Stelle verraten darf ), und zweitens trug einer der herausragendsten Könige des Altertums diesen Namen: König Salomo, der laut dem Buch der Könige im 10. Jahrhundert vor Christus herrschte und als erster Herrscher des vereinigten Königreichs Israel gilt.
Nicht dass ich mich – trotz meiner jüdisch-orthodoxen Erziehung – als tief religiös bezeichnen würde, das Gegenteil trifft eher zu. Dennoch habe ich in meinem späteren Leben die historischen Hintergründe meines berühmten »Namensvetters« mit großer Faszination studiert und bin, wie viele vor mir, zu dem Schluss gekommen, dass König Salomo in der Tat einer der weisesten und gerechtesten Herrscher gewesen sein muss. Die Überlieferung besagt, er sei nicht primär darauf bedacht gewesen, sein Königreich zu vergrößern, sondern dass ihm ein friedliches Zusammensein mit anderen Völkern und Religionen sehr viel wichtiger gewesen sei. Diese Toleranz gegenüber anderen Kulturen soll ihm sehr großes Ansehen verliehen haben, und spätere Generationen sprachen gar teilweise von einer Epoche der »salomonischen Aufklärung«. Der weise Charakter des Herrschers wird durch eine Legende charakterisiert, die sich zu Beginn seiner Herrschaft ereignet haben soll: Gott, der Salomo einen Wunsch erfüllen wollte, sei über Salomos Wunsch erstaunt gewesen, lediglich Weisheit erhalten zu wollen, auf dass er sein Volk gerecht regieren könne. Von Salomos Bescheidenheit angetan, gewährte Gott ihm nicht nur Weisheit, sondern auch ein langes Leben, Macht und Reichtum.
Bis zum heutigen Tag kennen wir das geflügelte Wort vom »salomonischen Urteil«, das besagt, wenn in einem Streitfall eine Lösung gefunden worden ist, die alle Beteiligten zufriedenstellt und die ausgewogen, klug und weise ist – dann sei ein »salomonisches« Urteil gefällt worden.
Wie es dazu kam, erzählt die folgende Geschichte oder vielleicht auch Legende, die sich während König Salomos Regentschaft ereignet haben soll:
Eines Tages kamen zwei Dirnen in den Palast und traten vor König Salomo. Sie hatten, nacheinander im gleichen Haus, je einen Sohn geboren, wovon einer während des Schlafs unbeabsichtigt erdrückt wurde und starb.
Beide Mütter wandten nun alle Tricks an, um König Salomo zu überzeugen, dass sie selbst die Mutter des überlebenden Kindes seien. Sie beschuldigten sich gegenseitig, zankten und keiften einander an. Der König hörte den beiden Dirnen geduldig zu, ohne selbst etwas zu sagen. Doch nach einer Weile gebot er den beiden Einhalt und beschloss, den Streit auf seine Weise zu beenden, indem er ein Schwert bestellte und folgendes Urteil fällte: »Teilt das lebendige Kind in zwei Teile und gebt jeder der beiden Mütter die Hälfte.«
Der Sinn dieses Halbierungsbefehls, der glücklicherweise nicht zur Ausführung kam, war die Beobachtung der Reaktionen der beiden Mütter, denn damit würden sie ihre wirklichen Beziehungen zum Kind entlarven, wie der König vermutete.
Die wirkliche Mutter, deren Herz für ihren Sohn in Liebe entbrannte, sagte: »Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind lebendig und tötet es nicht.« Für die echte Mutter des Kindes stand somit nur das Überleben des Kleinkindes im Vordergrund.
Die falsche Mutter ihrerseits hatte da weniger Skrupel: Das Kind »sei weder mein noch dein; lasst es teilen«.
Der König wusste nun genau, welches die leibliche Mutter war, und sprach es dieser zu.
Ganz Israel hörte von dem Urteil, das der König gefällt hatte, und alle schauten mit Ehrfurcht zu ihm auf, denn sie erkannten, dass die Weisheit Gottes in ihm war, wenn er Recht sprach.
Oft denke ich, dass es wünschenswert wäre, auf dieser Erde wieder mehr »salomonische Urteile« zu sehen.
*
Meine ersten drei Lebensjahre sind, wie die fast jedes Menschen, erinnerungslos. Dennoch prägt diese Zeit, gemäß psychologischen Erkenntnissen, einen Menschen sehr stark.
Da ich der Erstgeborene war, wurde ich von meiner Mutter mit Liebe nur so überschüttet, was wohl auch einen Teil meiner späteren Persönlichkeit prägte.
Während ich also in meinen Babyjahren gehegt und gepflegt, genährt und geliebt wurde, zeichnete sich der Aufstieg eines Mannes ab, der die Geschichte der Welt bis zum heutigen Tag verändern sollte.
Jener Mann war in meinem Geburtsjahr gerade mal 37 Jahre alt. Er war Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und er beanspruchte die alleinige, kompromisslose Führung innerhalb der Partei, die er letztlich auch vollständig erhielt. Des Weiteren machte er im Jahr meiner Geburt, also 1926, den ausgestreckten Arm als Gruß zum zentralen Merkmal seiner Partei. Und im gleichen Jahr, am 11. Dezember, als ich erst sechs Monate alt war, gab dieser Mann den zweiten Teil seines berüchtigten Buches heraus.
Im Jahr darauf begann das Unheil seinen Lauf zu nehmen, denn das Redeverbot, das er in ganz Deutschland bis zu jenem Zeitpunkt hatte, wurde Schritt für Schritt aufgehoben. Und dieser Mann nutzte jene Fehlentscheidung und begann, seine Saat des Bösen unter den Menschen auszubreiten.
Er hielt unzählige öffentliche Reden im ganzen Land. Seine Parolen waren eindeutig und unmissverständlich. So sagte er in einer Rede im Monat März 1927 in Ansbach: »Macht brauchen wir, um unser Sklavendasein abzuschütteln. Macht, um mehr Grund und Boden zu erobern. Macht, um Brot und Arbeit zu sichern und um nicht verhungern zu müssen. Wer aber Macht erringen will, der muss kämpfen. Wir stehen auf der Erkenntnis der Rasse. Die Menschen sind nicht alle gleich.«
Im Jahre 1928 sprach er im Dezember in Schweinfurt über das Thema »Andersrassige, Juden und Neger«.
Im Januar 1929 ernannte er Heinrich Himmler zum Reichsführer-SS, und jener Himmler machte sich umgehend an die Arbeit und baute die neue Organisation zu einer Elitegruppe aus. 1930 ernannte der Mann Joseph Goebbels zum Reichspropagandaleiter der NSDAP.
Im Oktober desselben Jahres begegnete dieser Mann erstmals der damals erst 17-jährigen Eva Braun in München – sie sollte seine große Liebe werden.
Falls er je fähig gewesen ist, wirklich zu lieben.
Denn Liebe ist stärker als Hass
Autobiografie
© Riverfield Verlag, Basel 2015 4010 Basel, www.riverfield-verlag.ch
2. Auflage, Sommer 2015
Fotos: Das Porträt des Autors auf dem Umschlag sowie Fotos im Innenteil hat Christoph Läser, Basel, aufgenommen. Die übrigen Fotos und die Bilder im Buch stammen aus dem Privatarchiv Shlomo Grabers.
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie, Zürich
Druck & Bindung: CPI Ebner & Spiegel, Ulm
ISBN 978-3-9524463-5-5 (E-Book)
ISBN 978-3-9524463-0-0 (Print)
»Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.«
Heinrich Heine
Shlomo Graber ist einer der wenigen noch lebenden Zeugen des Holocaust. Er ist wahrscheinlich einer der Letzten, die gleich zweimal deportiert wurden und drei Konzentrationslager – darunter auch Auschwitz, wo fast seine ganze Familie getötet wurde – überlebt haben. Zudem hat Shlomo Graber den berüchtigten Todesmarsch von Görlitz überlebt und ist nach heutigem Wissensstand der letzte Überlebende des KZ Görlitz, aus dem er und sein Vater Mozes am 8. Mai 1945, also genau am Tag des Kriegsendes in Europa, befreit wurden.
Shlomo und sein Vater Mozes waren die einzigen Überlebenden der einst 34 Familienmitglieder väterlicherseits, mütterlicherseits überlebten nur zehn von 55 Angehörigen.
Wie begegnet man einem Menschen, der diesen Weg durch die Hölle gegangen ist? Ist er heute, siebzig Jahre später, ein gebrochener Mann? Hat er auch, wie man aus vielen Schilderungen überlebender KZ-Opfer weiß, diesen Horror nie ganz überwunden? ›Was für eine Frage!‹, ist man versucht, sich selbst zur inneren Ordnung zu rufen. Wie könnte ein Mensch je das überwinden, was in der Hölle dieser Vernichtungsmaschinerie der Nazis mit und an Menschen angestellt wurde?
Es existieren unzählige Dokumentationen und Filme über die Verbrechen der Nazis an den Menschen, die wir alle schon im Fernsehen gesehen haben. Bilder, die kaum fassbar sind, und nicht nachvollziehbar bleibt, zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind. Aber diese Bilder und Berichte erzählen von Geschehnissen, die in der Regel uns Unbekannte betreffen. Wenn wir über den Genozid an Millionen Menschen lesen oder Aufzeichnungen darüber sehen, sind wir empört, schockiert und fassungslos. Aber wir sind meistens nicht besonders berührt, weil keine Beziehung zu den Opfern besteht. Es waren einfach zu viele, um all ihren Schmerz in unseren Herzen zu fühlen. Wir erfassen das Unsägliche abstrakt und pauschal, denn kein Verstand ist in der Lage, den gesamten Umfang solcher Barbarei auch nur annähernd zu begreifen.
Wie also begegnet man einem Menschen, dem unvorstellbares Leid zugefügt wurde und dessen Familie auf grausamste Art und Weise vernichtet wurde? Zudem fragt man sich an dieser Stelle, wie man es anstellen soll, eine Autobiografie seines ganzen Lebens – und nicht nur der ersten achtzehn Jahre bis zu Shlomo Grabers Befreiung am 8. Mai 1945 – in die Form eines Buchs zu bringen, ohne damit abzuschrecken oder dieses Jahrhundertleben gar als unglaubwürdig erscheinen zu lassen.
Wenn man Shlomo Graber das erste Mal begegnet, ist man erst einmal verblüfft. Der bald 89-Jährige ist ein stattlicher, groß gewachsener Mann mit vollem weißen Haar, strahlend blauen Augen, aus denen Wärme und zugleich Schalk sprechen. Die Frage nach dem Du stellt sich bei ihm nie, denn er begrüßt alle seine Gäste immer mit einem verschmitzten »Ich bin Shlomo«. Sein einnehmendes Lachen versprüht Lebensfreude und Energie, um die ihn manch Jüngerer wohl beneiden würde. Man kann an ihm nichts Verhärmtes, Gebrochenes ausmachen – ganz im Gegenteil. Unweigerlich drängt sich einem die Wendung auf: »Wer an seinem Leid nicht zerbricht, der wird gestärkt daraus hervorgehen.« Denn nur so scheint einem das stets positive Befinden und die unbändige Lebensfreude dieses außergewöhnlichen Menschen erklärbar.
Das geräumige Apartment in Basel, das er mit seiner Frau Myrtha seit mehr als 25 Jahren bewohnt, erinnert an ein kleines Kunstmuseum. An den Wänden ist kaum ein freies Fleckchen auszumachen. Die vielen Gemälde, die dicht an dicht hängen, lassen einem den Mund offen stehen – eine solche Anzahl an Bildern würde man in einer normalen Wohnung niemals erwarten. 1995 habe er erst richtig mit dem Malen begonnen, erklärt Shlomo seinen Besuchern und fügt mit einem schelmischen Augenzwinkern hinzu: »Die Liebe zu meiner Frau hat mich wohl inspiriert.«
Die meisten Bilder an den Wänden sind abstrakt, aber alle strahlen das aus, was Shlomo Graber zu einer solch beeindruckenden Persönlichkeit macht: Lebensfreude pur!
Obwohl Shlomo nur sechs Jahre lang die Schule besucht hatte, weil er danach arbeiten und zum Einkommen der Familie beitragen musste, eignete er sich später viele Fähigkeiten an, zum Beispiel in der Elektrobranche oder im Handelswesen. Sieben Sprachen beherrsche er und habe sich diese, wie fast alles in seinem Leben, autodidaktisch gelernt.
Die vorliegende Autobiografie basiert auf unzähligen Gesprächen, die wir mit Shlomo Graber vom Oktober 2014 bis zum Januar 2015 führten und in denen er uns teils aus seiner Erinnerung, teils mittels unzähliger Notizen aus den Jahren 1948 bis 1998 sein Leben erzählte. Zudem wurden seine Erinnerungen ergänzt durch einen ausführlichen Text, den Shlomo Graber in hebräischer Sprache in den Jahren 2000–2003 verfasste und der 2004 auf Deutsch unter dem Titel »Schlajme« (ISBN 978-3-896497-57-4) und im Jahre 2005 auf Ungarisch unter dem Titel »Slajme« (ISBN 963-7-088-07-5) veröffentlicht wurde.
Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen die belegbaren und dokumentierten historischen Fakten geprüft. Einige Episoden und Begebenheiten aus Shlomo Grabers Leben, die er uns erzählte und die in die vorliegende Autobiografie eingeflossen sind, konnten von uns, aus verständlichen Gründen, jedoch weder untersucht noch gewichtet werden. Denn die Erlebnisse und Begebenheiten, die sich in Shlomo Grabers Leben ereignet haben (im Besonderen die in den Konzentrationslagern), kann nur er selbst inhaltlich bestätigen.
Ganz bewusst haben wir zudem einen belletristischen Erzählstil dieses wahrhaft unglaublichen Lebens Shlomo Grabers gewählt: um dem ebenso unglaublichen Menschen gerecht zu werden, der dieses Leben gelebt hat.
Adrian Suter (Co-Autor)
Alfonso Pecorelli (Verleger)
im März 2015
Die Wand war makellos weiß. So hell wie die Sonne, wenn man direkt in sie hineinschaut. Es blendete mich so sehr, dass ich meine Augen im ersten Moment zu winzigen Schlitzen zusammenzog.
Nach einer Weile hatten sie sich an den gleißend hellen Schein gewöhnt, und als ich einen kleinen Schritt näher trat, den kleinen Ast in meiner rechten Hand sanft im Takt einer Melodie, die nur ich hören konnte, gegen mein Bein schlagend, sah ich ihn – den Riss!
Ja, es war ein winzig kleiner Riss in der sonst so makellos und perfekt weißen Wand, der mir zunächst überhaupt nicht aufgefallen war.
Mein Oberkörper beugte sich noch etwas weiter vor, sodass meine Stupsnase fast den Putz der Wand berührte, und jetzt schien mir dieser Riss in der Wand gar nicht mehr so klein zu sein. Und je länger ich diesen Riss betrachtete, je näher ich meine Augen an die Wand heftete, desto mehr erinnerte mich der Riss an einen mikroskopisch kleinen Fluss, der sich durch die Berge und Täler des Wandputzes schlängelte, um vielleicht der Wand – wie ein Fluss in der Wüste – neues Leben einzuhauchen.
Ich hob den dünnen Ast – vielleicht war es auch bloß ein Holzsplitter, so genau kann ich mich nicht daran erinnern – und begann, dem Fluss (oder besser: dem Riss) seinen Weg zu bahnen. Denn wenn der Riss in der Wand ein Fluss wäre, der Leben in die Wand bringen sollte, so wie Wasser Leben in eine Wüste bringt, wollte ich mithelfen, dies zu tun. Und siehe da: Als sei ich Gott selbst, der mit einem mächtigen Stab Leben auf die Erde und in die Menschen zaubert, vergrößerte sich, mittels meiner Hilfe und des Schabens und Scharrens meines Holzstückes, der Riss in der Tat sehr schnell. Bald schwebten Teile des Putzes unter meinem traktierenden Stock, der sich immer weiter an dem Riss zu schaffen machte, wie Schneeflocken an einem kalten Wintertag zu Boden.
Plötzlich verspürte ich einen Klaps auf meinem Po.
Ich erschrak so sehr, dass mir der kleine Stock aus den Händen glitt, und bevor ich mich umdrehen konnte, hörte ich die sonore Stimme meines Großvaters Itzhak, die sagte: »So was macht man nicht, mein Junge.«
Ich drehte mich um, die eine Hand wie zum Schutz gegen einen weiteren Klaps auf meinen Po an denselben haltend und die andere schuldbewusst über den Riss an der weißen Wand, während Großvater seinen Finger hob und weitersprach: »Risse sind wie beginnender Hass, mein Junge: Man vergrößert sie nicht – man repariert sie.«
Wir schrieben das Jahr 1929. Ich war drei Jahre alt und dies ist meine erste und vielleicht auch wichtigste Erinnerung, an die ich mich bewusst und bis heute zu entsinnen vermag.
Ich verstand damals die Bedeutung dessen, was mein Großvater soeben gesagt hatte, noch nicht wirklich. Doch diese Worte, die Weisheit, die aus denselben sprach, sollten mich das ganze Leben hindurch begleiten und mir als Leitfaden dienen. Denn wenn ich mein ganzes Leben in einem einzigen Satz zusammenfassen müsste, wenn ich einen einzigen Satz, einen letzten und finalen Satz sagen müsste, was das Fazit all meiner Erkenntnisse ist – dann wäre dies folgender Satz: Wie groß der Hass auch immer sein möge, den du erfährst, die Antwort kann nie Rache und Vergeltung sein – denn Liebe ist stärker als Hass!
Jetzt, da ich diese Zeilen zu Papier bringe, schreiben wir das Jahr 2015. Erlauben Sie mir, Ihnen ein wenig aus meinem Leben zu erzählen.
Ich wuchs bis zum fünften Lebensjahr bei meinem Großvater Itzhak Silber auf. Bis dahin hatte ich meinen leiblichen Vater nie zu Gesicht bekommen, ja, vielmehr noch – ich wusste von dessen Existenz überhaupt nichts. Demzufolge war mir mein Großvater gleichsam auch mein Vater.
Großvater Silber war mehr unter seinem Kosenamen »Reb Itze« bekannt, was im Jiddischen eine Ehrerbietung ist, jedoch nichts anderes als »Herr Itze« heißt.
Er wurde 1859 in Berzan (Galizien / Habsburgermonarchie) geboren. Schon mit acht Jahren verwaist, wuchs er beim Rabbi seines Geburtsorts auf. Im Lauf der Zeit gelang es ihm, das Wohlwollen der Anhänger des Rabbis zu gewinnen; er widmete sich intensiv dem Talmudstudium, was damals sehr angesehen war. Außerdem studierte er die Feinheiten der heiligen Sprache. Obwohl seine Muttersprache Jiddisch war, korrespondierte er hauptsächlich auf Hebräisch. Als Jüngling schlief er nachts auf einer Sitzbank und stand in aller Frühe auf, um am Unterricht des Rabbis teilzunehmen.
Schon in seiner Jugend achtete und ehrte man Großvater wegen seiner Gelehrtheit. In weltlichen Fächern war er Autodidakt, wobei er je länger desto mehr einen Hang zu den Künsten und den Fremdsprachen entwickelte.
Mein Großvater war zudem ein äußerst stattlicher Mann. Ich erinnere mich an ihn als Siebzigjährigen. Mit seiner eindrucksvollen Erscheinung faszinierte er seine Umgebung, einschließlich der nicht-jüdischen Einwohner. Sein gepflegter weißer Bart verlieh seinem Gesicht besondere Würde. Die blauen Augen zeugten von Wohlwollen und Güte. Er war hoch angesehen und beliebt in den jüdischen Gemeinden der umliegenden Städtchen. Großvater kleidete sich nach Art der »Chassiden«, einer ausgesprochen frommen Auslegung des Judentums also. So trug er einen breitkrempigen schwarzen Samthut, unter dem der Rand seines schwarzen Käppchens hervorlugte, einen schwarzen Kaftan mit dem Schaufäden-Leibchen darunter und Hosen, deren Enden er in die weißen Strümpfe steckte. Er achtete stets penibel auf saubere und ordentliche Kleidung.
Als ich viele Jahrzehnte später »Herr der Ringe« von J. R. R. Tolkien las, schien es mir, als habe Tolkien meinen Großvater vor Augen gehabt, als er die Gestalt des Zauberers Gandalf erfand – denn genau so habe ich Großvater in Erinnerung.
*
Als der Rabbi von Majdan in den Zwanzigerjahren verstarb, holte die Gemeinde keinen Ersatzmann von außerhalb, da man einfach keinen brauchte, denn mein Großvater war für diese Aufgabe bestens geeignet und fungierte zudem auch als Schächter, Fleischbeschauer und Beschneider für Majdan und Umgebung.
Immer wenn er zum Koscherschlachten in ein Dorf der Umgebung gerufen wurde, legte er den Weg zu Pferd zurück. Das Messeretui steckte er immer in den Stiefelschaft, was ihn in meiner Erinnerung erst recht als einen noblen Ritter hoch zu Pferde erscheinen ließ. An kalten Wintertagen trug er zudem einen Pelzmantel und einen ebensolchen Hut.
Großvater stand im Ruf, ein vielseitiger und begabter Mann zu sein. So mischte er zum Beispiel Arzneien auf pflanzlicher Basis und fertigte ein Pulver zum Stillen von Blutungen an, das er bei Beschneidungen benutzte. Im Ersten Weltkrieg kam dieses Pulver dann auch bei der Behandlung verwundeter Soldaten zum Einsatz. Man hat mir erzählt, dass, wenn er durch die Straßen der Stadt ging, Juden wie Nichtjuden ihn respektvoll grüßten.
Unter osteuropäischen Juden war es Sitte, zu einem kranken Kind nicht gleich einen Arzt zu rufen, sondern zunächst einen hochgeehrten Mann – einen Thoragelehrten, Rabbinatsrichter oder Schächter der Gemeinde – beizuziehen, damit er durch Beschwörungen den bösen Blick abwende. Meist wurde mein Großvater auch zu diesem Zweck geholt. Er setzte sich dann ans Krankenbett und gab glühende Kohlen in ein Wasserglas. Schwammen die Kohlen oben, bedeutete es, dass das Kind nicht unter dem bösen Blick litt. Sanken sie jedoch auf den Boden, war es mit dem bösen Blick behaftet.
Die Menschen versuchten mit allen Mitteln, ihre Kinder vor dem bösen Blick zu schützen. Bei jedem Ausdruck der Bewunderung und jedem Kompliment fügten sie hastig die Formel »ohne bösen Blick« hinzu.
Großvater hatte eine Tasche ähnlich den Instrumententaschen, die Ärzte zu Hausbesuchen mitnehmen. Sie enthielt eine Reihe Schröpfgläser und andere Utensilien. Die Schröpfgläser setzte er Patienten auf den Rücken, die an Erkältung oder Rückenschmerzen litten. Merkwürdigerweise glaubten die Juden offensichtlich jedoch nicht an die heilende Wirkung dieser Methode, denn es gab ein Sprichwort unter den Juden, das besagte: »Es wird helfen wie Schröpfgläser bei einem Toten.«
Noch merkwürdiger allerdings schien mir die Tatsache, dass Großvater bei den Nichtjuden in dieser Hinsicht als Wunderheiler galt, der ihren Kranken als Einziger helfen konnte.
Zudem, so hatte man es mir zumindest anhand nachfolgender Episode erzählt, war Großvater ein großzügiger und gleichsam bescheidener Mann: Eines Tages erschien im Hause meines Großvaters ein Bauer in Begleitung seiner Tochter. Das junge Mädchen schluchzte und stöhnte vor Schmerzen, konnte kaum auf den Beinen stehen. Der Bauer bat meinen Großvater um Hilfe. Der Großvater verwies ihn an den Arzt des Städtchens. Doch der Bauer meinte stur, nur mein Großvater solle sie behandeln. Als Großvater merkte, dass er die beiden nicht ohne Weiteres loswerden konnte, bat er das Mädchen, sich auf eine Holzbank zu legen, und diagnostizierte sofort einen verrenkten Fuß. Um sie abzulenken, nahm er erst den gesunden Fuß, drehte ihn hin und her, fragte ständig: »Tut es weh? Tut es weh?«, packte dann im Nu den schmerzenden Fuß, drehte ihn und hörte es knacken. Das Mädchen hörte auf zu weinen. Mein Großvater riet ihr, eine Woche zu ruhen, und versprach ihr, dass alles wieder gut werden würde. Der Bauer wollte sich für die Behandlung erkenntlich zeigen, aber mein Großvater weigerte sich, jedwede Gegenleistung anzunehmen. Am nächsten Tag kam die Frau des Bauern mit einem Korb voller Lebensmittel und stellte ihn meinem Großvater vor die Haustür, wohl wissend, dass er die Gabe nicht annehmen würde, wenn sie anklopfte und diese hineinbrächte.
Großvater war auch ein begnadeter Künstler mit ausgeprägter Zeichenbegabung. Zu seinen zahlreichen Werken zählte eine Landkarte auf Pergament, welche die Eroberung des Landes Israel durch Josua darstellte. Er hatte sie 1883 im Alter von 24 Jahren gezeichnet. Auf der einen Seite der Karte waren die 108 Ortsbezeichnungen, von der Wüste Zin bis Jafo, aufgeführt. Die andere Seite verzeichnete das Gebiet eines jeden biblischen Stammes mit einer anderen Farbe. Die Farben hatte er selbst aus natürlichen Stoffen hergestellt.
Als er noch die Religionsschule für Jugendliche und Erwachsene besuchte und früh aufstehen musste, baute er sich selber einen Wecker. Er schnitzte die Bestandteile des »Uhrwerks« aus Holz, fügte den Weckmechanismus ein und befestigte zwei Bänder daran. Das eine verband er mit dem Uhrengewicht, das andere knotete er sich ums Handgelenk. Zur geplanten Weckzeit fiel das Gewicht und das andere Band zerrte ihn am Arm, sodass er aufwachte. Ich nehme an, dass es eine recht primitive Uhr gewesen sein muss, aber scheinbar erfüllte diese ihren Zweck als Wecker vollauf.
Der Schulleiter wusste die Begabungen seines Schülers zu schätzen. Eines Tages sagte er, er wolle Großvater etwas zeigen. Er führte ihn in sein Zimmer, zeigte ihm ein Weizenkorn, auf dem winzige Buchstaben standen, und erzählte ihm, ein jüdischer Reisender von weither sei zu ihm gekommen und habe ihm statt eines Zettels dieses Körnchen überreicht. Es ist Brauch, dass ein Jude, der einen Rabbi aufsucht, diesem einen Zettel mit seinen Bitten übergibt und eine bescheidene Spende beilegt.
Der Rabbi also fragte meinen Großvater: »Itzele, kannst du auch so ein wunderbares Werk anfertigen?«
Dieser schwieg. Aber eine Woche später überreichte er ihm ein Weizenkorn mit noch viel kleineren Buchstaben als auf dem Korn, das der Gast mitgebracht hatte.
Jahre vergingen nach der Geschichte mit dem Weizenkorn. Mein Großvater fungierte mittlerweile als Schächter von Majdan. Bei der Lektüre eines Buches traf er zufällig auf eine interessante religionsgesetzliche Frage. Dazu muss man wissen, dass das Pessach eine der wichtigsten jüdischen Feierlichkeiten darstellt, denn Pessach ist das Gedenkfest der Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Die Frage, die Großvater beschäftigte, war folgende: Darf man während der Pessach-Woche ein Weizenkorn als Ziergegenstand im Haus aufbewahren, ohne damit gegen das Verbot zu verstoßen, Gesäuertes in Besitz zu haben? Zwar war solch ein Weizenkorn nicht zum Verzehr geeignet, aber da fiel ihm plötzlich das Weizenkorn ein, das er in seiner Jugend beschriftet hatte. Ob er die Vorschrift, kein Gesäuertes während des Pessachfestes im Haus haben zu dürfen, damit umgehen wollte, indem er das Korn beschrieb, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall beschloss er, wie damals in seiner Jugend, ein ähnliches Korn anzufertigen und schrieb darauf die hebräischen Namen der sieben Wochentage, der zwölf Stämme, der drei Erzväter und seine Unterschrift – insgesamt 114 Buchstaben. Dieses Werk bewahrte er in einem Glaskästchen auf.
Später, im Ersten Weltkrieg, wurde Majdan von russischen Truppen besetzt. Die Soldaten durchsuchten Haus für Haus nach Lebensmittelvorräten. Fanden sie solch ein Versteck, beschlagnahmten sie den gesamten Inhalt. Sie kamen auch zum Haus meines Großvaters. Der Offizier, der den Suchtrupp leitete, entdeckte eine Klappe im Fußboden und fragte meinen Großvater, was sich darunter verberge.
»Alte Bücher«, antwortete Großvater ruhig.
Der Offizier befahl den Soldaten, das Versteck auszuräumen, obschon die Soldaten mit den Büchern, die Großvater in seinem Versteck hatte, wenig anfangen konnten. Doch dabei entdeckten sie das Glaskästchen mit dem Weizenkorn.
Der Offizier erkannte sofort, welch seltenes Kunstwerk ihm da in den Schoß gefallen war. Er nahm das Kästchen an sich und schnarrte beim Hinausgehen: »Das wird dem Museum in Kiew übergeben.«
*
Großvater war zweimal verheiratet gewesen. Folgendes hatte sich zugetragen: Im Ersten Weltkrieg diente Großvaters Sohn im österreichisch-ungarischen Heer Seiner Majestät Kaiser Franz Josephs. Er kämpfte an der Front und wurde sogar mit einem Frontkämpfer-Orden ausgezeichnet.
Als man einmal lange Zeit nichts von ihm hörte, befürchtete Großvater, er sei in Gefangenschaft geraten. Schließlich traf jedoch ein Telegramm von seinem Sohn ein, in dem er mitteilte, dass er einen kurzen Urlaub erhalten habe, aber nicht nach Majdan kommen dürfe, weil die Front dort näher rücke. Allerdings hatte man ihm gestattet, die ungarische Stadt Sátoraljaújhely aufzusuchen, in der sein Bruder Alter wohnte.
Mein Großvater beschloss, nach Sátoraljaújhely zu fahren, um seinen Sohn zu besuchen. Großmutter äußerte den Wunsch, ihn zu begleiten, denn sie hätte schließlich auch ein Recht, ihren Sohn zu sehen. Doch mein Großvater lehnte dies zunächst ab, denn in jenem Jahr war der Winter besonders streng. Die Schneemassen türmten sich höher denn je. Außerdem war ihr jüngstes Kind, ihre Tochter Rivka, noch im Säuglingsalter, sodass man sie ebenfalls hätte mitnehmen müssen. Und zudem läge die nächste Bahnstation rund 40 Kilometer von Majdan entfernt, argumentierte Großvater eindringlich.
Aber alle Argumente seitens Großvaters halfen nichts: Großmutter war eine resolute Frau und ließ sich nichts vorschreiben. Und so kam es, dass sie und ihre kleine Tochter Rivka mit auf die Reise gingen. Das einzig mögliche Verkehrsmittel war damals der Pferdeschlitten und so mietete Großvater einen Zweispänner. Auf dessen Boden legte man heiße Backsteine, in Stoff eingewickelt, um die Füße zu wärmen.
Gegen Abend erreichten sie die Bahnstation des Städtchens Volová. Dort stellte sich heraus, dass im Zug keine Plätze mehr frei waren. Mithilfe einiger Bekannter, die sie auf dem Bahnhof trafen, ergatterten sie dennoch Plätze – in der ersten Klasse sogar.
Die Juden unter den Insassen des Waggons versammelten sich zum Abendgebet. Meine Großmutter nutzte die Gelegenheit, um die kleine Rivka zu stillen. Vor dem Gebet ging Großvater auf die Toilette, aber gerade in dem Augenblick, als er die Toilettentür öffnete, hörte er ein schrilles Pfeifen. Im nächsten Moment stieß die Bahn frontal mit dem Gegenzug zusammen. Großvater wurde hinausgeschleudert und erlitt eine Beinverletzung. Die Schreie der Verletzten müssen markerschütternd gewesen sein.
Großvater kroch zwischen den Hinausgeschleuderten umher, entdeckte Großmutters Kleid, und als er dann ihren leblosen Körper sah, begriff er, dass ihm das Schicksal seine junge Frau entrissen hatte.
Plötzlich vernahm er das wimmernde Weinen eines Babys. Er kroch durch die Trümmer und die Rauchschwaden in die Richtung, aus der er das Weinen vermutete. Und siehe da – einem Wunder gleich fand er seine kleine Tochter Rivka. Und sie war unversehrt, denn Großmutter hatte das Baby in ein Steckkissen verpackt, sodass es auf der Reise nicht frieren musste – und das rettete der Kleinen das Leben.
So also wurde Großvater zum alleinerziehenden Witwer.
Doch das blieb nicht lange so, denn unter gesetzestreuen Juden war es nicht gern gesehen, wenn ein hoch angesehener Mann, wie Großvater es damals war, lange Zeit allein und ohne Frau lebte. Nach drei Jahren des Witwerdaseins vermittelte man ihm die Ehe mit Chaja-Etja Prisant, geborene Eisner, einer Kriegerwitwe und Mutter von sechs Kindern. Kurz vor der Hochzeit versammelte Großvater seine Familie und erklärte, er werde nun wieder heiraten, und bat seine Kinder, der neuen Frau freundlich zu begegnen und sie »Mime«, was so viel wie Tante bedeutet, zu nennen.
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Großvater starb im Alter von 74 Jahren und ich werde ihn nie vergessen. Im Rückblick kann ich beim besten Willen nicht sagen, ob alles, was man mir über meinen Großvater erzählt hat, tatsächlich der Wahrheit entspricht und wie viel davon verklärte Ausschmückungen waren. Ich war noch ein kleiner Junge, erst sieben Jahre alt, als Großvater starb. Möglicherweise mag das eine oder andere, was ich über ihn gehört habe, etwas überzeichnet, vielleicht gar idealisiert sein. Das, was ich jedoch mit Gewissheit und ohne Zweifel weiß, ist, dass mir Großvater das wahrscheinlich »unbezahlbarste« Geschenk machte, das ein Mensch erhalten kann. Denn das, was er mir damals, als ich noch ein Dreikäsehoch war, mittels eines Klapses auf meinen Po über Risse beibrachte, dass man diese nicht vergrößern, sondern reparieren solle, seine Metapher »Risse seien wie beginnender Hass«, die ein erst Dreijähriger, wie ich es war, nicht verstand, aber später als Credo und Leitlinie nutzen sollte – dieses Geschenk ist wahrlich und auch im Rückblick vielleicht das Wertvollste, das man erhalten kann.
Und wer weiß, möglicherweise ist genau dieser Glaubensgrundsatz, dem ich folgte, der Grund dafür, dass ich immer noch lebe und Ihnen meine Geschichte erzählen kann.
Im Jahr 1931 wurde die Wirtschaftskrise in Deutschland immer schlimmer. Die Arbeitslosigkeit betraf im Januar schon knapp 4,5 Millionen Menschen. Die Mitgliederzahl der NSDAP lag bereits bei über 390000. Bei den Landtagswahlen in Oldenburg im Mai wurde die NSDAP erstmalig die stärkste Fraktion in einem Landtag. Ende des Jahres lag die Arbeitslosenzahl schon über 5 Millionen Menschen.
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Ich war fünf Jahre alt und hatte von all dem, was in Deutschland geschah, nicht die leiseste Ahnung. Was ich jedoch wusste, war, dass Malka, Mutters hübsche jüngere Schwester, kurz vor der Hochzeit mit ihrem Auserkorenen stand. Dieser stammte aus dem Städtchen Volová bei Majdan.
Die Hochzeit fand in der kalten, verschneiten Jahreszeit am Wohnort des Bräutigams statt. Ich erinnere mich noch an jene Hochzeit, vor allem an die Kälte, die damals herrschte.
Man suchte einen Festsaal, der eine Trennung der beiden Geschlechter zuließ, aber doch alle Hochzeitsgäste aufnehmen konnte, und löste das Problem dadurch, dass man für die Frauen ein Zelt neben dem Gemeindehaus aufstellte.
Aus Majdan reiste fast die ganze Gemeinde zur Hochzeit an. Es war ganz natürlich, dass alle mitfeiern wollten, wenn Herrn Itzes Tochter heiratete. Auch aus Volová waren viele Leute gekommen. Die Feiern dauerten sieben Tage, entsprechend den sieben Segenssprüchen. Meine Mutter half viel bei der Bewirtung, und ich hielt ihr einen Platz im Zelt frei. Wegen des Mangels an Stühlen war jeder einzelne sehr begehrt. Ich klammerte mich an Mutters Stuhl wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring und ließ ihn selbst dann nicht los, als man ihn mir mit Gewalt entringen wollte, sondern kämpfte wie ein Löwe darum.
Aber aus einem ganz anderen Grund wurde diese Hochzeit für mich ein Wendepunkt im Leben. Bis zu jenem Fest hatte ich nichts von der Existenz meines Vaters gewusst. Und nun war er mit Mutters beiden Brüdern gekommen! Er hatte wohl Mutters Brüder davon überzeugt, ihm bei seinem Vorhaben zu helfen, sich mit meiner Mutter zu versöhnen.
Was ich jedoch erst sehr viel später erfuhr, war die Tatsache, dass es just diese zwei Brüder, also meine Onkel, gewesen waren, die meinen Vater zu dieser Hochzeit eingeladen hatten – ja, noch viel mehr: Sie waren es gewesen, die meinem Vater überhaupt erst mitgeteilt hatten, er habe einen Sohn! Denn wie ich auch erst später von einem der beiden Onkel erfuhr, hatten meine Eltern sich bald nach ihrer Hochzeit getrennt. Den Grund dafür nannte er mir damals allerdings nicht. Wohl weil ich noch ein Kind war und zu jung in seinen Augen, um die ganze Wahrheit zu erfahren. Erst sehr viel später und nach unsäglichem Drängen meinerseits erzählte mir Vater, was sich damals zwischen ihm und meiner Mutter zugetragen hatte: dass meine Mutter es gewesen sei, die ihn verlassen habe. Und dass er, mein Vater, keine Ahnung hatte, dass Mutter mit mir schwanger gewesen war. Und dass er auch später, als ich geboren war, nichts von meiner Existenz erfahren hatte, denn die Familie habe es ihm jahrelang verheimlicht.
Was er mir allerdings damals nicht beichtete und ich erst noch später aus ganz anderer Quelle erfuhr, war, dass er, mein Vater also, Mutter kurz nach der Hochzeit mit einer anderen Frau betrogen hatte! Und es sollte nicht das einzige Mal bleiben.
Dies war also der Grund dafür gewesen, dass Mutter sich von meinem Vater trennte und in ihr Vaterhaus zurückkehrte, und nur deshalb wurde ich in Majdan geboren und wuchs die ersten fünf Jahre meines Lebens bei meinem Großvater auf. Wenn ich auf diesen Umstand, der mir damals als eine Tragödie erschien, zurückblicke, dann will ich heute dem Schicksal danken, dass es sich so zugetragen hat. Denn hätte Mutter damals Vater nicht verlassen – ich hätte meine Kindheit wohl kaum mit Großvater verbringen dürfen und … wer weiß; vielleicht wäre ich ein ganz anderer Mensch geworden.
Zurück zu besagter Hochzeit von Mutters jüngerer Schwester: Es gelang Vater, meine Mutter umzustimmen. Wie er das geschafft hat, weiß ich bis zum heutigen Tag nicht so genau, aber sie versöhnten sich. Und so kam es, dass wir nach dieser Hochzeit alle zusammen nach Ungarn in das Städtchen Nyírbátor, wo Vaters Familie wohnte, zogen.
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Die nächsten zehn Jahre meines Lebens sollten fast normal verlaufen. So, wie man sich eine Kindheit eben vorstellt – beinahe zumindest.
Das Städtchen Nyírbátor liegt im Nordosten Ungarns, rund 30 Kilometer von der rumänischen Grenze entfernt. Die erste jüdische Gemeinde wurde 1816 von Schimon Mandel gegründet, der einer Adelsfamilie entstammte. Die Mandels setzten Maßstäbe für den wirtschaftlichen Fortschritt von Stadt und Umgebung, als sie dort das erste Industrieunternehmen gründeten. Das Werk sollte den Ertrag der örtlichen Bauern aufnehmen und zu Brot, Spirituosen, Tabakwaren und weiteren Produkten verarbeiten. Die jüdische Gemeinde wuchs zusehends und gewann erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft Nyírbátors.
In der ersten Zeit nach unserer Übersiedlung nach Nyírbátor litt ich stark an Heimweh, konnte mich nur schwer eingewöhnen. Ich konnte kein Ungarisch, und selbst das dortige Jiddisch verstand ich nur mit Mühe, weil es von dem in Majdan gesprochenen abwich.
Zuerst bezogen wir eine Mietwohnung bei einem assimilierten Juden namens Fon, der eine Druckerei betrieb. Die Fons wohnten am Eingang des Hofs. Daran reihten sich die Wohnungen der vier weiteren jüdischen Familien wie Eisenbahnwagen. Wir waren die Letzten in der Reihe. Die Nachbarfamilien hießen Kraus, Ellenbogen und Reich.
Unmittelbar neben uns wohnten die Reichs. Sie hatten eine hübsche, junge Tochter namens Leah. Später erfuhr ich, dass mein Vater und Leah intime Beziehungen unterhielten. Sie fuhr mit ihm nach Budapest, um den Augen und Ohren der Umgebung fern zu sein. In Nyírbátor kamen Gerüchte auf, Leah habe meinem Vater einen Sohn geboren, und in der Schule ärgerten mich die Kinder und spotteten: »Du hast einen Bastard zum Bruder!« Die Geschichte machte im gesamten Städtchen die Runde. Meine Mutter litt sehr darunter. Sie schloss sich im Haus ein und weinte dauernd. Aus dem Schlafzimmer drangen lautes Schreien und Schluchzen, wenn meine Mutter von meinem Vater Erklärung forderte.
Schließlich zogen wir in eine andere Straße, um nicht mehr neben den Reichs zu leben.
Wir zogen bei einem Bauern namens Hathäzi ein. Zunächst in eine kleine Wohnung im Hof, neben dem Schafspferch und dem Kuhstall und mit einem Abort draußen. Die Wohnung hatte zwei Zimmer, und wir waren mittlerweile fünf Personen. Mein jüngerer Bruder und ich schliefen in einem Bett in der Küche, ins Elternschlafzimmer wurde das Bett fürs Baby gestellt. Die Küche war nicht gefliest. Vor dem Schabbat glätteten wir den Boden mit Lehm. Wir hatten keinen elektrischen Strom. Als Beleuchtung diente eine Petroleumlampe, die von der Decke hing. Der Küchenherd wurde mit Holz beheizt und diente zum Kochen und als Wärmofen. Das Feuerholz lagerte in einem Schuppen im Hof, der uns auch als »Laubhütte« für das Laubhüttenfest, eine Art jüdisches Erntedankfest, diente.
Meine Mutter wurde jetzt, da wir in Nyírbátor lebten und ich Großvater fast nie mehr sah, der wichtigste Mensch in meinem noch jungen Leben.
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Mit vollem Namen hieß meine Mutter Anna Silber und wurde am 15. Dezember 1898 in Majdan in Ruthenien, auch Karpatenukraine genannt, geboren. Sie war eine große, schlanke Frau mit blauen Augen. Während des Ersten Weltkriegs lebte sie in Majdan. Mit 17 Jahren verlor sie, wie schon berichtet, ihre Mutter durch das erwähnte Zugunglück. Daher fiel die Last der Haushaltsführung auf ihre Schultern.
Als sie nach Nyírbátor übersiedelte, hatte sie wegen der unterschiedlichen Mentalität zunächst Eingewöhnungsschwierigkeiten. Ihr Jiddisch unterschied sich – wie auch bei mir – von dem, das in Ungarn gesprochen wurde. Nur wenige verstanden ihren galizischen Tonfall.
Aber sie akklimatisierte sich schnell. Mutter war eine gebildete Frau und sprach Russisch, Ukrainisch, Jiddisch, Deutsch, Tschechisch, Bulgarisch und Ungarisch. Gelegentlich bat man sie, beim Übersetzen zu helfen. In Nyírbátor wohnten ein paar bulgarische Gärtner, die Grüngärten angelegt hatten und darin andere als die ortsüblichen Gemüsesorten zogen. Donnerstags verkauften diese ihre Produkte auf dem Markt. Da sie kein Ungarisch verstanden, freuten sie sich sehr, wenn Mutter auftauchte und ihnen beim Dolmetschen half. Als Gegenleistung füllten sie ihr ihren Gemüsekorb gratis.
Genau wie ihr Vater, mein geliebter Großvater, war Mutter künstlerisch sehr begabt. Einige ihrer Handarbeiten schmückten unser Haus. Im Schlafzimmer z. B. hing ein gerahmtes Bild: Auf schwarz gelacktes Glas hatte sie zwei Tauben auf einem Zweig gemalt und die Umrisse mit glänzenden Schokoladenpapierchen in passenden Farben ausgefüllt. In Blumentöpfen prangten Kunstblumen von ihrer Hand. Stickbilder an den Wänden trugen jeweils einen Spruch in tschechischer Sprache. Ich habe noch einige dieser Sprichwörter in Erinnerung: »Roka ruku myje« (»Eine Hand wäscht die andere«), »Komu se neleni, tomu se zelení« (»Faulheit macht dein Feld nicht grün«). Für das Laubhüttenfest bastelte sie bunte Papiersterne als Wandschmuck für die Laubhütte, und an deren Decke hängte sie Vögel aus Eierschalen mit Flügeln und Schwänzen aus farbenfrohen Buntpapierstreifen.
Obwohl Mutter eine religiöse Frau war, setzte sie der religiösen Bevormundung gewisse Grenzen und ließ sich von niemandem etwas vorschreiben. Andere »Frömmige« versuchten, sich manchmal in unsere Erziehung einzumischen und mehr »Jiddischkeit« einzufordern. Aber in diesen Dingen wahrte Mutter ihre Unabhängigkeit – und auch die ihrer Kinder. Ihre Regeln bestimmten zum Beispiel: Schläfenlocken nicht länger als bis zu den Ohrläppchen. Normale Kleidung statt orthodox-jüdischer Aufmachung. Und auch in Bezug auf die Lektüre von Büchern ließ Mutter sich keine Vorschriften machen. Sie las sogar Bücher, die in orthodoxen Kreisen verboten, verpönt und geächtet waren. Meist lieh ich die Bücher für sie in der Bibliothek aus. Mutter war stets bestrebt, uns Allgemeinwissen und eine Berufsausbildung zu verschaffen, damit wir für die Einwanderung in Israel gerüstet wären. Auch dies ein weiterer Beweis ihrer Unabhängigkeit, welche zu der Zeit ziemlich ungewöhnlich gewesen sein muss. Aber Mutter schien ihren eigenen Kopf zu haben und scherte sich nicht darum, dass es Vater (wie auch sonst irgendeinem Juden in unserem Umfeld) nie in den Sinn gekommen wäre, nach Israel auszuwandern. Dies sollte sich später grundlegend ändern. Wer weiß, vielleicht hatte Mutter auch eine Vorahnung von dem, was kommen würde, und wollte deshalb so bald wie möglich ins »Heilige Land« auswandern.
Ich erinnere mich, dass ich einmal mehrere Tage der Schule fernbleiben musste, weil ich krank war. Mutter schrieb dem Lehrer eine Entschuldigung auf Jiddisch, während Frauen in Ungarn sonst fast nie Jiddisch schrieben. Der Lehrer fragte mich: »Wer hat diesen Brief geschrieben?« Ich antwortete, dass Mutter es getan habe. Darauf riss er die Entschuldigung wütend in Fetzen und schrie mich an: »Wie kann eine Frau es wagen, einem Lehrer zu schreiben!«
Als ich später nach Hause kam und den Vorfall in der Schule schilderte, zuckte meine Mutter nur verächtlich mit den Schultern und sagte mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen: »Gott hat nie gesagt, dass Frauen dümmer zu sein haben als Männer.«
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Die meisten Straßen von Nyírbátor waren ungepflastert. Ausnahmen bildeten nur der zentral gelegene Marktplatz und ein paar Straßen, die von ihm abgingen. Das war auch das Handelszentrum der Stadt. Die meisten Geschäfte lagen am Marktplatz und fast alle befanden sich in jüdischem Besitz. Deshalb ruhte der Handel am Schabbat und an den jüdischen Feiertagen. Bauernmärkte, Handwerksbetriebe und Kleinindustrie waren überwiegend am Stadtrand angesiedelt.
Das Rathaus war das größte und stattlichste Gebäude der Innenstadt. Es hatte einen hohen Turm mit einer Uhr an jeder Seite, die man von allen Enden der Stadt sehen konnte. Der Turm hatte einen breiten, umlaufenden Balkon, von dem aus die Feuerwehr über den gesamten Stadtbereich wachte. Brach irgendwo Feuer aus, läutete der Wächter die Glocke über seinem Kopf und signalisierte mit einer roten Fahne die Richtung des Brandherds.
Auf dem Marktplatz, vor dem Rathaus, befand sich in einer kleinen Gartenanlage ein Heldendenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Eine Marmortafel verzeichnete die Namen der Söhne Nyírbátors, die im Krieg gefallen waren, darunter 14 Juden. Auf der anderen Seite des Platzes stand das zweitgrößte Gebäude der Stadt, die einzige Handelsbank der ganzen Umgebung. Sie gehörte einem Juden namens Elek.
Jeden Donnerstag war normalerweise Wochenmarkt auf dem Marktplatz. Und jeden Herbst gab es einen Jahrmarkt, auf dem die Bauern ihre Erzeugnisse selbst verkaufen konnten. Dann wurden auf dem Marktplatz reihenweise Zelte mit breiten Wegen dazwischen aufgestellt, damit die Besucher die Auslagen zu beiden Seiten begutachten konnten. Die meisten Handwerker, die ihre Erzeugnisse auf dem Markt feilboten, waren Juden, vor allem in den Branchen Bekleidung, Schuhwerk, Möbel und Kurzwaren. Am Rand des Marktplatzes verkauften Bauern Hühner, Gänse und Feuerholz.
Die Handwerker arbeiteten monatelang, um ein ausreichend großes Angebot für den Jahrmarkt anzufertigen. Uns Kinder beschäftigten sie bei den Zelten, damit wir Wache hielten. Auch ich wachte, und zwar beim Zelt eines Schneiders. Ich sollte besonders ein Auge auf die »Zigeuner« haben, die auf den Markt kämen, um zu stehlen, wie man mir erklärte.
Viel Geld habe ich bei dieser Arbeit nicht verdient, aber ich bin um viele Erlebnisse und Erfahrungen reicher geworden.
Den Verkauf der Waren übernahmen geübte Verkäufer. Natürlich Juden, die das Wesen der Bauern kannten, ihren Dialekt sprachen und jeden zweiten Satz mit jiddischen Worten, saftigen Flüchen und versteckten Witzen würzten. Diese Verkäufer waren echte Schlitzohren und nutzten, nebst ihrer Überzeugungskunst, so machen »Trick«, um die Waren loszuwerden.
Zum Beispiel kauften sie alte Uhren, die meist gar nicht mehr funktionierten, öffneten diese und platzierten ein paar Stücke Blei oder ähnlich schweres Metall in die Gehäuse. Zu jener Zeit war eine Uhr erst dann wirklich wertvoll, wenn sie auch schwer genug in der Hand lag. Dann steckten die Verkäufer bei Mänteln und Jacken jeweils eine Uhr in die rechte Tasche. Wenn ein Bauer ein Kleidungsstück anprobierte, steckte er gern die Hände in die Taschen, und sobald er die Uhr in der Tasche fühlte, fragte er prompt nach dem Preis, ohne den Mantel oder die Jacke nochmals auszuziehen, denn die meisten nahmen wohl an, dass jemand eine teure Uhr in diesem Kleidungsstück vergessen habe.
Ich war noch ein kleiner Junge, aber etwas hatte ich daraus gelernt: Schlitzohrigkeit und unredliche Menschen sind überall zu finden.
Den Gipfel an Dreistigkeit jedoch erlebte ich bei folgender Episode auf dem Jahrmarkt: Ein Schneider war lange auf einem fehlerhaften dreiviertellangen Mantel mit schrägen Taschen sitzen geblieben. Sein Lehrling hatte eine Tasche versehentlich in der umgekehrten Schräge genäht, sodass man mit der Hand nicht hineinkam. Der Schneider bat einen Verkäufer namens Patyi, ihm zu helfen, diesen Mantel loszuwerden, den er schon eine ganze Weile von Jahrmarkt zu Jahrmarkt schleppte. »Verkauf ihn unter Preis, Hauptsache, du wirst ihn los!«, bat der Schneider den geübten Verkäufer.
Dieser zögerte nicht lange, und als er einen Bauern mit einer Peitsche in der Hand auf das Zelt zukommen sah, begrüßte er diesen, als würde er ihn seit eh und je kennen: »János Bácsi (Onkel Janosch), hast du schon den neuen Mantel gesehen? Das ist ein amerikanisches Patent und noch streng geheim.«