Möchten die Menschen doch ihre Hilfsquellen erkennen und zu dem Bewusstsein gelangen, dass sie keine Trauerweiden sind, sondern aufrecht stehen sollen und können, dass mit der mutigen Betätigung des Selbstvertrauens von selbst neue Kräfte in ihnen erwachen, dass in dem Augenblick, wo sie selbstvertrauend aus sich selber handeln, die Dinge sich nach ihrem Willen zu wandeln beginnen, und dass, wenn sie dieser Erkenntnis gemäß ihr Dasein ordnen, sie ihrem Leben wieder seine gottgewollte Größe und Erhabenheit geben!
Emerson
Zu den heiligsten Denkmälern altindischer Gott-Schau gehört die jahrtausendealte BHAGAVAD GITA, das Hohelied der Selbstbefreiung des ringenden Menschen durch rechte Tat und rechte Hingabe an den Ewigen. Das unvergängliche religiöse Weistum des Ostens hat, neben dem “Tao-Teh-King” Lao-Tses, in diesem “Lied des Erhabenen” seine edelste Kristallisation gefunden.
Nebst der Bibel gibt es kein Buch, das in der ganzen Welt so angesehen und geschätzt ist wie die Bhagavad Gita. Obwohl die führenden Geister der Romantik in Deutschland sich seit dem Bekanntwerden dieses Buches im Abendland mit Nachdruck für seine Verbreitung einsetzten, ist es jedoch gerade bei uns noch viel zu wenig bekannt. Dabei verdient es die Bhagavad Gita, von jedem von uns mit der gleichen Begeisterung aufgenommen zu werden, die Wilhelm von Humboldt beseelte: “Ich danke Gott, dass er mich so lange hat leben lassen, um dieses Buch kennenzulernen, das schönste, ja vielleicht das einzig wahrhafte philosophische Gedicht, das alle uns bekannten Literaturen aufzuweisen haben.” Unzweifelhaft wird diese Begeisterung allgemein werden, wenn die Gita einmal wirkliches Volksgut geworden ist.
Unzähligen Generationen, Millionen Menschen ist die Bhagavad Gita zum Inbegriff höchster religiöser Offenbarung geworden. Sie hat ihnen Trost und Gewissheit gegeben und Kraft zum Kampf, wie zum Opfer. Sie hat ihnen das höchste Weistum vermittelt, zu dem sich der Geist Indiens im Laufe der Jahrtausende durchgerungen hat.
Und das gilt durch die Jahrhunderte bis heute. Kein Geringerer als der Führer der indischen Freiheitsbewegung, Mahatma Gandhi, betonte in seinem Werk „Jung-Indien”:
„In der Bhagavad Gita finde ich einen Trost, den ich selbst in der Bergpredigt vermisse. Wenn mir manchmal die Enttäuschung ins Gesicht starrt, wenn ich, verlassen, keinen Lichtstrahl mehr sehe, greife ich zur Bhagavad Gita. Dann finde ich hier oder dort einen Vers und beginne langsam zu lächeln inmitten all der niederschmetternden Tragödien - und mein Leben ist voll von äußeren Tragödien gewesen. Wenn sie alle keine sichtbaren, keine untilgbaren Wunden an und in mir hinterlassen haben, verdanke ich das den Lehren der Bhagavad Gita.“
Mit Recht hob der ehemalige Vizepräsident Indiens und Professor für östliche Religionen und Ethik in Oxford, Dr. Sarvapalli Radhakrishnan, in seinem Werk „The Bhagavadgîtâ“ (London, Sanskrittext mit Kommentar, deutsche Ausgabe Baden-Baden 1958) den zeitlosen Charakter dieses Hohenliedes hervor, das die ewigen Grundgedanken der Religion sichtbar mache und geeignet sei, die verschiedenen antithetischen Formen des religiösen Bewusstseins zu versöhnen:
„Durch Jahrhunderte hindurch haben Millionen von Hindus in diesem Buch Trost gefunden, das in klaren und eindringlichen Worten die wesentlichen Grundsätze einer spirituellen Religion darlegt, frei von schlecht begründeten Behauptungen, unwissenschaftlichen Lehrsätzen oder gar willkürlichen Phantasien. Es dient auch heute all jenen als Licht, die aus der Tiefe seiner Weisheit Erleuchtung empfangen wollen - einer Weisheit, die eine Welt verteidigt, zu weit und zu tief, um von Kriegen und Revolutionen je berührt zu werden… Es ist ein mächtiger aktiver Faktor in der Erneuerung des geistigen Lebens und hat sich einen festen Platz unter den bedeutendsten Schriften der Welt gesichert.“
Es gibt in der Tat kein Epos, kein Lehrwerk, keine Überlieferung, keine durch ihr Alter geheiligte Schrift, die an Reinheit und Geschlossenheit, Tiefe und Gottesgewissheit die Gita erreicht, die dem mitten im Daseinskampf stehenden Menschen einen Weg aus dem Endlichen und Vergänglichen zum Unendlichen und Ewigen weist, auf dem er mit Sicherheit zur Selbstbefreiung, Selbstverwirklichung und Gott-Vereinung gelangen kann.
Der Name dieses Buches ist „Bhagavadgîtopanischad“, die von Gott, dem Erhabenen, verkündete Weisheitslehre. Der Bhagavan, der Erhabene, dessen Weisheit die Gita, das Lied, in poetischer Sprache erschließt, ist der welt-erhabene und leid-enthobene Gott in uns, der mit der Weltengottheit wesenseins ist und uns zum Erlöser wird, wenn wir uns ihm in tätiger Liebe weihen. Die Bhagavad Gita ist das Lied der Gottheit, in welcher der Geist des Lebens sich in seiner Verkörperung als Krishna offenbart, um dem königlichen Kämpfer Arjuna die unvergängliche Wahrheit über Dasein und Ewigkeit, Gebundensein und Erlösung, Kampf und Sieg der Menschenseele zu vermitteln.
Der Verfasser der Gita ist unbekannt. Sein Name soll Vyasa sein. Ob er mit dem in der Gita selbst erwähnten, und im Mahabharata handelnd auftretenden Vyasa identisch ist, lässt sich kaum mehr ermitteln. Er zog es, wie alle wahrhaft großen Geister, vor, im Hintergrund zu bleiben, damit seine Kündung um so sichtbarer hervortrete.
Außer der Bhagavad Gita wird ihm das gewaltige Helden-Epos „Mahabharata“, ferner die Sammlung der Veden und anderer unvergänglicher Überlieferungen Altindiens zugeschrieben. Er war auch ein Kenner des Yoga und von einer Gott- und Naturverbundenheit, deren Innigkeit uns heute noch aus seinen feierlichen Versen anweht und unsere Seele höher stimmt.
Wilhelm von Humboldt, den die Gita lebenslänglich begleitete, nannte Vyasa einen „Weisen, der aus der Fülle und Begeisterung seiner Erkenntnis und seines Gefühls spricht“. Wir verehren in ihm einen der größten Erleuchteten, dem die seherische Intuition, die Gabe göttlicher All-Schau, in höchster Vollkommenheit eigen war. Wenn wir seine Verse auf uns wirken lassen, begreifen wir die Begeisterung August Wilhelm von Schlegels, des ersten Deutschen, der sich an eine Herausgabe der Bhagavad Gita im Original, in Sanskrit, und in lateinischer Übertragung wagte:
„Bei den Brahmanen wird die Verehrung der Meister als die heiligste der Pflichten betrachtet. Dir deshalb, erster, heiligster Prophet, Künder der Gottheit - welches auch Dein Name unter den Menschen gewesen sein mag, der Du dieses Buch geschrieben, durch dessen Orakel das Gemüt mit unvergänglicher Freude über diese erhabenen, ewigen und göttlichen Lehren erfüllt wird - Dir Erstem rufe ich Heil zu und immer werde ich Dir zu Füßen liegen.“
Die Bhagavad Gita entstand in der Blütezeit Altindiens, in der der Gottmensch sich in dem noch natursichtigen Erdenmenschen zum ersten Male lebendig zu regen begann. In späteren Zeitaltern wurde die gewaltige Welt- und Gott-Schau der Gita immer nur von wenigen Lebensgereiften wie Meister Eckehart und anderen Mystikern erreicht. Erst in unseren Tagen, im Aufgang eines neuen Zeitalters, beginnt jene seelische Tiefenschicht, die weit inneroder unterhalb des gemeinsamen Unbewussten liegt und die wir das „Kosmische Bewusstsein“ nennen, wieder bei immer mehr um Verinnerlichung und Vergeistigung Ringenden bis zum Wachbewusstsein lichtbringend durchzustoßen. Heute stehen wir vor einem gewaltigen Neuaufbruch lebendiger Gott-Schau und Gott-Gegenwarts-Gewissheit, deren Vorbereiter und Wegbahner die Gita mit ihrer klaren Kündung zu sein berufen ist.
Das Alter der Bhagavad Gita lässt sich nicht genau bestimmen. Richard Garbe hat zwar den Nachweis versucht, dass die Gita bereits vor Abfassung des Yoga-Katechismus des Patanjali entstanden sei, also mindestens in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr., doch ist seine Beweisführung umstritten. Rudolf Otto wiederum meint, dass selbst „das dritte Jahrhundert v. Chr. eine zu niedrige Zeitgrenze“ für die ursprüngliche Gita sei. Kashinat Trimbak Telang kommt in der Einleitung zu seiner englischen Übertragung der Gita aufgrund ihres allgemeinen Charakters, ihres Stiles, ihrer Sprache und ihrer Haltung gegenüber den Veden und den damaligen Bräuchen zu dem Schluss, dass die Gita zur Zeit des Abschlusses der älteren Upanischaden entstanden sein müsse, etwa in der Mitte des siebten Jahrhunderts v. Chr., während Radhakrishnan ihre Entstehung auf Grund der archaischen Form ihres Satzbaus in das fünfte Jahrhundert v. Chr. verlegt, wobei der Urtext später mancherlei Veränderungen erfahren haben dürfte. Wahrscheinlich wurde die Gita jahrhundertelang von Generation zu Generation mündlich überliefert und um 200 v. Chr. dann erstmals niedergeschrieben.
Nach Europa kam die Bhagavad Gita erst spät. Die erste Übertragung gab 1785 Wilkins heraus. Und nun wurde das ganze Abendland auf dieses bis dahin unbekannte Weistum aufmerksam. 1823 fertigte der Romantiker von Schlegel eine lateinische Übertragung der Gita. Die erste deutsche Ausgabe von Peiper erschien 1834, weitere Bearbeitungen von Lorinser 1869 und von Boxberger 1870. Heute gibt es keine Kultursprache, in die die Gita nicht mehrfach übersetzt worden wäre.
Die Bhagavad Gita mit ihren 700 Doppelversen bildet die edelste und berühmteste und zugleich eine der ältesten Episoden des großen altindischen Helden-Epos Mahabharata, und zwar ist sie ein Teil des Bhishma-Parvan, des Sechsten Buches dieses hunderttausend Doppelverse umfassenden Heldengedichts.
Das Mahabharata - der Große Krieg der Bharata - gibt in achtzehn Büchern eine Schilderung der blutigen Auseinandersetzungen zwischen den verwandten Herrscher-Geschlechtern der Kuravas und Pandavas, vergleichbar etwa dem Nibelungenlied - nur dass es im Gegensatz zu diesem keinen zusammenhängenden Bericht vermittelt. Vielmehr sind in das Mahabharata zahllose Mythen und Sagen, philosophische und religiöse Betrachtungen und Belehrungen eingefügt, die ihm seinen unvergänglichen Wert verleihen.
Die edelste der in das Heldengedicht eingeschlossenen Perlen göttlichen Weistums ist die Bhagavad Gita.
Der Inhalt des Mahabharata berührt uns hier lediglich insoweit, als er zum Verständnis der Gita nötig ist. Diesbezüglich sei er hier kurz wiedergegeben:
Das große Helden-Gedicht berichtet von den Kämpfen der “Sonnengeborenen” – Suryavansa – mit den “Mondgeborenen” – Chandravansa – die etwa um 1000 v. Chr. stattfanden. Mit den Ersteren waren möglicherweise die Stämme der von Norden eingewanderten Arier, mit den Letzteren die Ureinwohner Indiens gemeint.
Der König der Sonnengeborenen, Manu Vaivasvata, hatte fünfzig Söhne, die alle am Bruderzwist zugrunde gingen mit Ausnahme eines einzigen, des späteren Sonnenkönigs Ikswaku. Außerdem hatte der König der Sonnengeborenen noch eine Tochter, Ila, die sich dem Sohne des Königs der Mondgeborenen, Budha, verband und mit ihm einen Sohn hatte, den späteren König der Mondgeborenen.
Es folgen nun die Schilderungen der Kämpfe der Nachfahren und Heerscharen des Königs der Sonnengeborenen mit denen des Königs der Mondgeborenen. Ein Nachkomme des Letzteren, der jedoch auch mit dem Sonnenkönig verwandt war, war Bharata, der offenbar ganz Indien beherrschte und das Königsgeschlecht gründete, von dem sich der Name dieses großen Epos herleitet. Die Geschichte dieses Geschlechts können wir hier größtenteils übergehen.
Der letzte König aus dem Geschlecht der Bharata war Samvarana, der die Tochter eines Sonnenkönigs heiratete. Sein Nachfolger war Kuru, der Stammvater der Kaurava oder Kurus. –Kuru ist ein alter Name, der in der Mythologie der Alten das nördliche Viertel der Welt symbolisiert, das sich von den Schneebergen des Nordens bis zum Pol erstreckt. Der Name soll auf einen sagenhaften König der Urzeit, den eigentlichen Ahn des Kurustamms, zurückgehen, der nicht ursprünglich in Indien lebte, sondern vom fernen Norden nach Indien einwanderte.
Der älteste Sohn des Kuru, Prinz Devapi, wurde, weil aussätzig, von der Nachfolge ausgeschlossen und ging als Büßer in die Berge. An seiner Statt wurde sein jüngerer Bruder, Santanu, König. Santanu ist der Stammvater der Pandava oder Pandus. Damit sind wir bei der Episode angelangt, die in der Bhagavad Gita erwähnt wird: Bei den Kämpfen zwischen den Kurus und Pandus, die im Mahabharata in etwa zwanzigtausend Versen geschildert werden.
Ein Stiefsohn des Santanu, den dessen Gattin, Satjavati, mit in die Ehe gebracht hatte, war Vyasa, der wiederum zwei Söhne hatte: Dhritarashtra und Pandu.
Der erste, Dhritarashtra, wurde blind geboren, weshalb sein Bruder Pandu die Regierung übernahm. Nach dem frühen Tode des Pandu lag die Regierung praktisch in den Händen des ältesten Sohnes des Königs Dhritarashtra, des Prinzen Duryodhana.
Pandu hatte fünf Söhne – die Pandava oder Pandus – die als gütig, besonnen und gerecht geschildert werden: Yudishthira, den Königlichen, Arjuna, den Heldischen, Bhima, den Starken, Nakula und Sahadeva. Pandu starb bald nach der Geburt seiner Söhne.
Dhritarashtra hatte hundert Söhne – die Kurus – die als anmaßend, neidisch und bösartig geschildert werden. Der älteste der Kurus oder Dhartarashtrer, wie die Gita sie auch nennt, war Duryodhana, den die Gita im 1. Gesang, 23. Vers, als Dhritarashtras bösen Sohn charakterisiert, weil er der eigentliche Urheber des Bruderkampfes zwischen den Kurus und Pandus war.
Pandus Kinder - die Pandus - wurden von Einsiedlern im Walde aufgezogen und - groß geworden - in die Hauptstadt des Kuru-Landes, Hastinapura, gebracht, um nun gemeinsam mit den Kurus vom Waffenmeister Drona im Kriegshandwerk ausgebildet zu werden.
Als die Kurus von Neid erfüllt erkannten, wie beliebt und geachtet die Pandus bald waren, überredete Prinz Durjodhana seinen blinden Vater, die Pandus aus der Stadt zu verbannen. Das geschah, wobei ein Anschlag der Kurus auf das Leben der Pandus jedoch misslang.
Die Pandus, die man tot glaubte, zogen sich in die Wälder zurück, wo sie zahlreiche Abenteuer erlebten, die im Mahabharata im Einzelnen geschildert werden.
Auf einer dieser Abenteuer-Fahrten hörten die Pandus durch einen Brahmanen von der bevorstehenden Gattenwahl der Königstochter Draupadi. Ihren Vater Drupada, den König der Panchala, dem die Kurus kurz vorher einen Teil seines Reiches geraubt hatten, verlangte es nach einem Nachkommen, der imstande sein würde, seinem Lande die verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Bei der Gattenwahl gewann Arjuna, als der Waffenkundigste, die Königstochter. Da aber alle fünf Pandus sich gleichermaßen in Draupadi verliebten, beschlossen sie, sie gemeinsam zu heiraten. Draupadi bekam von jedem einen Sohn.
Inzwischen hatten die Kurus von dieser Entwicklung der Dinge Kenntnis erhalten. Duryodhana trieb darum zum Kriege gegen Drupada und die Pandus an. Aber König Dhritarashtra, der den Bruderkrieg vermeiden wollte, lud die Pandus ein, nach Hastinapura zurückzukehren.
Die Pandus, die sich inzwischen durch weitere Waffentaten viele Freunde unter den Nachbarkönigen erworben hatten, folgten der Einladung. Mit großem Prunk zogen sie in Hastinapura ein. Aber Duryodhana, der Hasserfüllte und Listenreiche, brachte es fertig, dem Ältesten der Pandus, dem spielfreudigen Yudishthira, alles, was die Pandus inzwischen an Reichtümern erworben hatten, durch Falschspiel abzugewinnen.
Die Pandus mussten von neuem mittellos in die Einsamkeit der Wälder ziehen, wo sie abermals zahlreiche Abenteuer siegreich bestanden. Dort, in der Ferne, gelangten die Pandus allmählich wieder zu Macht und Ansehen. Und als die Kurus darauf dem König der Matsya, Virata, schwere Verluste beigebracht hatten, gelang es dem Pandu-Prinzen Arjuna, mit einem kleinen Heere die Kurus zurückzujagen und ihnen das dem König Virata Geraubte wieder abzunehmen. Die Folge dieser kühnen Tat des Arjuna war ein Bündnis der Pandus auch mit dem König Virata, dem sich weiterhin der König der Kashis, ferner Yuyudhana und andere Fürsten anschlossen, um an dem Kriege gegen die Kurus teilzunehmen, der wegen der Hinterhältigkeit des Prinzen Duryodhana unvermeidlich schien.
Während sich die verbündeten Könige für den Krieg rüsteten, bereiteten sich auch die Kurus und die mit ihnen befreundeten Fürsten auf die endgültige Auseinandersetzung vor. Der Krieg brach aus, nachdem die Kurus das Verlangen der Pandus, ihre Forderungen als berechtigt anzuerkennen, abgelehnt und ihre Heere in Richtung auf die Kuru-Ebene in Bewegung gesetzt hatten. Dorthin wandten sich nun auch die Heere der Pandus und ihrer Verbündeten - und hier, auf dem Kuru-Felde – Kurukshetra, in der Gegend des heutigen Delhi, in der heiligsten Gegend Indiens – entbrannte nun die gewaltige Völkerschlacht, deren Einzelheiten im Mahabharata mit großer Ausführlichkeit geschildert werden.
Der Verlauf dieser Schlacht wird dem blinden König Dhritarasrhtra von dem Wagenlenker und Sänger Samjaya, dem die Götter die Gabe des Hellgesichts verliehen hatten, berichtet. Einen Teil dieses Kriegsberichts des Samjaya bildet die Bhagavad Gita, der sich dann die Schilderungen der eigentlichen Schlacht anschließen. Das in der Gita wiedergegebene Zwiegespräch zwischen dem Pandu-Prinzen Arjuna und seinem Wagenlenker Krishna beginnt in einem Augenblick höchster Spannung, in dem es um Sein oder Nichtsein geht und in dem die Pfeile zwischen den Fronten bereits hin- und her schwirren.
Vergegenwärtigen wir uns, bevor wir in unserem Bericht fortfahren, die Verteilung der Kräfte auf beiden Fronten: Auf der Seite der Pandus sehen wir hinter dem Heerführer Bhima und den anderen vier Pandu-Prinzen Yudishithira, Arjuna, Nakula und Sahadeva sowie deren fünf Söhnen folgende Könige mit ihren Mannen in Schlachtordnung bereitstehen: Dhrishtaketu, den Fürsten der Chedi, Drupada, den Panchala-König mit seinen Truppen, Yuyudhana, den Fürsten der Jadava, auch Satyaki genannt, Gajatsena, den König der Magadha, weiter den König von Kashi, dem heutigen Benares, Kuntibhoja, den König der Kunti, Purujit, einen Bruder des Kunti-Königs, Saibya, den Fürsten der Saivi, Saumadatti, den Sohn des Königs Somadatta, des Herrschers von Bahika, Sikhandin, einen Sohn des Drupada, sowie einen weiteren Sohn, Dhrishtajumna, auf den die Gita im 1. Gesang - 17. Vers hinweist, ferner Subhadras Sohn Abhimanju, Chekitana, den Matsya-Fürsten Virata und viele andere Edle.
Auf Seiten der Kurus stehen hinter ihrem Oberbefehlshaber, dem greisen Bhishma - der der älteste Sohn des Santanu und der Oheim der Pandus ist - folgende Fürsten und Ritter: Asvatthaman, ein Sohn des Waffenmeisters Drona, König Bhurisravas, Drona selbst, der Waffenmeister und Lehrer der Kurus und Pandus, weiter Karna, der König von Anga, Kripa, der Schwager des Drona, wie dieser ein kriegskundiger Brahmane, Sudakjina, der König der Kambodja, Vikarna, ein Sohn des Karna, ferner die Fürsten von Kalinga, Kosala und viele andere mehr.
Damit haben wir die Haupthelden des Mahabharata, die großenteils zu Beginn der Bhagavad Gita erwähnt werden, kennen gelernt. - Der in der Gita - 3, 20 - noch erwähnte Prinz Janaka hat mit den hier geschilderten Vorgängen nichts zu tun. Er war im späteren Verlauf ein berühmter König aus der Zeit der Entstehung der Upanischaden, der aber von der Gita deshalb rühmend hervorgehoben wird, weil er mit großem Mute bewiesen hatte, dass man auch mitten in den Geschäften des Alltags die Vollkommenheit des Gott-Erwachten erlangen kann.
Doch zurück zur Schlacht:
Sie entbrannte mit furchtbarer Heftigkeit, dauerte achtzehn Tage und endete damit, dass Prinz Duryodhana von Bhima erschlagen wurde und auch die übrigen Kurus fielen, ebenso die meisten ihrer Verbündeten mit Ausnahme von Kripa, Asvatthaman und einigen anderen. Diese Überlebenden unter den Kuru-Verbündeten rächten sich für die Niederlage, indem sie in der Nacht nach dem Tode der Kurus das Heer der Pandus überfielen und die meisten ihrer Verbündeten niedermachten, wobei sie aber selbst zugrunde gingen. Von allen Heerführern auf beiden Seiten überlebten nur die fünf Pandus die blutige Völkerschlacht, wie Krishna es dem Arjuna vorhergesagt hatte.
Das Mahabharata schildert im weiteren Verlauf den Schmerz des Königs Dhritaraschtra und der Witwen der Kurus und beschreibt dann, wie nach der Schlacht zwischen dem König und den siegreichen Pandus durch Vermittlung Vyasas eine Versöhnung stattfand, wie die Pandus darauf in die Stadt Hastinapura einzogen, Dhritaraschtra jedoch die Königskrone beließen und sich selbst der Neuordnung des Kuru-Reiches widmeten.