Crowdsourcing-Report 2012 - Neue Digitale Arbeitswelten
Claudia Pelzer, Karsten Wenzlaff, Jörg Eisfeld-Reschke
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2012 Claudia Pelzer, Karsten Wenzlaff, Jörg Eisfeld-Reschke
ISBN 978-3-8442-2358-3
Herausgeben von:
Claudia Pelzer (CrowdsourcingBlog)
Karsten Wenzlaff (ikosom)
Jörg Eisfeld-Reschke (ikosom)
Layout:
Philipp Steuer, Christina Pautsch
There is a new kid in town... Ein neuer Mechanismus vielmehr. Aber was genau hat es auf sich mit Crowdsourcing? Wo kommt es her, wo geht es hin, wie wird es bislang und zukünftig eingesetzt und wieso ist Crowdsourcing mehr als nur ein weiteres Web 2.0 Buzzword? Wie geht der internationale Markt und wie geht Deutschland mit diesen Prozessumwälzungen um?
Diese Fragen und weitere sollen auf den folgenden Seiten beantwortet werden - und zwar vom winzigsten Microtask bis zum großen Gesamtbild und der Aufgabenstellung, unsere Arbeitswelten von morgen mitzugestalten, denn
"was dem Schwarm nicht nützt, das nützt auch der einzelnen Biene nicht“
(Mark Aurel)
Die Herausgeber möchten sich herzlich bei allen Unterstützern dieses Reports bedanken, insbesondere den zahlreichen Start-Ups und Crowdsourcing-Experten, die sich mit Hinweisen und Informationen an uns gewandt haben. Ein besonders herzlicher Dank geht an die Autoren, die einzelne Texte zu ihren Spezialthemen beisteuerten. Dieser Report wäre nicht möglich gewesen durch die Partner des Crowdsourcing-Blogs und die Anzeigenpartner. Auch dafür möchten wir uns herzlich bedanken.
Claudia Pelzer, Karsten Wenzlaff, Jörg Eisfeld-Reschke
Claudia Pelzer
Claudia Pelzer ist Medien-Ökonomin, hat ein internationales MBA-Studium absolviert und promoviert derzeit zum Thema Crowdsourcing. Sie arbeitet in Köln als Medien-Beraterin, Autorin und Bloggerin, verfasst Studien und organisiert Branchenevents. Ende 2011 hat sie den Deutschen Crowdsourcing Verband (DCV) e.V. gegründet.
Das CrowdsourcingBlog ist eine zentrale Informationsplattform für Themen wie Crowdsourcing, Open Innovation und Future of Work. News, Interviews und Fallbeispiele aus der Branche dokumentieren die aktuelle Entwicklung und deren wirtschaftliche wie gesellschaftliche Auswirkungen. www.crowdsourcingblog.de
Karsten Wenzlaff
Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) und beschäftigt sich vor allem mit den Themen Crowdfunding, Crowdinvesting, Urheberrecht und Journalismus 2.0
Jörg Eisfeld-Reschke
Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom). Der Experte für Digital Fundraising, ePartizipation und Social Media Governance vermittelt sein Wissen als Autor, Berater und Seminarleiter.
Im Institut für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) arbeiten Experten aus unterschiedlichen Bereichen der digitalen Kommunikation. ikosom beschäftigt sich mit Themen wie Community Management, Digitales Fundraising, Government 2.0, ePartizipation und Urheberrecht. www.ikosom.de
Anu Beck
Co-Founderin des betahaus Köln und Co-Working Pionierin. Sie arbeitete im Modemarketing bis sie 2010 ein Freund erstmalig auf das betahaus brachte. Anu war sich sofort sicher, dass sie diesen Ort nach Köln bringen will und begann unmittelbar mit der Aufbauarbeit. Mit dem betahaus bietet sie viel mehr als nur einen Heimathafen für gestrandete Freelancer - nämlich eine innovative Arbeitsumgebung und gleichermaßen eine Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen.
Simone Janson
Studium von Geschichte und Linguistik in Deutschland und Italien, Journalistin und Expertin für neue Formen der digitalen Arbeit am Institut für Kommunikation in sozialen Medien, Vortragende und Lehrbeauftragte an diversen Universitäten. Auf ihrem Blog Berufebilder.de beleuchtet sie mit über 50 Autoren neue Arbeitsformen und interviewt Menschen weltweit zu Berufsbildern und innovativen Ideen. Sie hat über 20 Bücher geschrieben, darunter "Die 110%-Lüge“, die in mehrere Sprachen übersetzt wurde. In Ihrem aktuellen Buch "Nackt im Netz“ geht es um Social Media und den digitalen Wandel.
Konrad Lauten
Studium der Sozialwissenschaften, speziell Stadtsoziologie. Als Nutzer und Gestalter städtischer Freiräume im Berlin der 90er und 00er Jahre und Produkteentwickler für außergewöhnliche Getränke sowie als Händler ethnobotanischer Pflanzen, Plattenlabel- und Barbetreiber oftmals Beschäftigung mit alternativen Finanzierungsmöglichkeiten in sozialen Netzen der offline-Welt. Nach einer intensiven Zeit als Catering und bar-Mitarbeiter der bar25 in Berlin und begonnenem Studium der Agrarwissenschaften Übertragung dieser Erfahrungen auf die Möglichkeiten, die das web für Fundraising, Marketing und Beratung bietet. Gründung der Inkubato UG Anfang 2010.
Torsten Meyer
Jahrgang 79, hat an der Martin Luther Universität in Halle/S. Betriebswirtschaft studiert. Während der Absolvierung eines internationalen Management Traineeprogramms zeichnete sich schnell seine Leidenschaft für das Marketing und die strategische Unternehmensführung ab. Seit 2009 ist Torsten im Berliner Startup Umfeld unterwegs. Mit der Gründung von UI-Check.com erfüllte er sich seinen langgehegten Traum des eigenen Geschäftes. Bei UI-Check betreut er das Business Development und den Partnerbereich.
Eva Missling
Geschäftsführerin und Gründerin von 12designer. com, der führenden europäischen Plattform für Design-Wettbewerbe. 12designer ist seit März 2009 auf dem deutschen Markt, mittlerweile ist 12designer in fünf europäischen Sprachen verfügbar. Zuvor war sie mehrere Jahre in der Agenturbranche als strategische Beraterin für DAX-Unternehmen tätig.
Sandro Morghen
Verfügt über 13 Jahre Erfahrung in der systematischen Entwicklung von Ideen. Im Laufe seiner Karriere, welche bei der Schweizer Ideenfabrik BrainStore begann, hat er über 600 Ideenfindungsprojekte für rund 300 namhafte Kunden in über 20 verschiedenen Branchen inhaltlich und methodisch geführt. Seit Anfang 2011 baut er als Co-Founder den Web-Startup yutongo.com auf. yutongo bietet Ideen-Crowdsourcing mit einem neuartigen Ansatz.
Bernd Oswald
War nach einer Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule u.a. als Ressortleiter Nachrichten/Aktuelles für süddeutsche.de tätig. Seit 2009 arbeitet er als Autor und Trainer für digitalen Journalismus. Er zählt zu den Autoren des Fachblogs onlinejournalismus.de und bloggt auf seinem PIN-Blog über Politik im Netz.
David Röthler
Studium der Rechtswissenschaften; Berater, Erwachsenenbildner, Uni-Lektor, Medienjournalist; im Fokus stehen partizipative Medien und deren Nutzung für Politik, Bildung, Kultur und internationale Projektarbeit.
Anna Theil
Anna Theil ist bei der Crowdfunding-Plattform start-next.de verantwortlich für Kooperationen (Institutionen, Festivals, Hochschulen, Städte ...) und betreut die Öffentlichkeitsarbeit. Zusätzlich kuratiert sie die co:funding Konferenzen und Workshops, die sich um Crowdfunding und Crowdinvesting drehen. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie Crowdfunding und öffentliche Kulturförderung zusammen passen.
Dorothea Utz
Dorothea Utzt ist Mitgründerin und CMO der Streetspotr GmbH & Co. KG. Nach einem Lehramtsstudium und Ausflügen in den Journalismus berät sie seit 2008 Web 2.0-orientierte Internetfirmen in den Bereichen Marketing, PR und Strategie und promoviert derzeit nebenberuflich.
Christine Weißenborn
Christine Weißenborn ist freiberufliche Journalistin für Print/Online/Radio - und interessiert sich für alles rund um die Themen "Entrepreneurship" und "Crowdsourcing“. Nach einem Studium der Kulturwirtschaft in Passau und Chile, Stationen unter anderem beim ZDF, dem Tagesspiegel, der Zeit und einem Volontariat bei der Verlagsgruppe Handelsblatt, schrieb sie mehrere Jahre über Handels- und Konsumgüterthemen für das Handelsblatt.
Markus Winkler
Markus Winkler, Jenenser und Wahlberliner, widmet sich seit mehreren Jahren Kampagnen im Netz und Kampagnen fürs Netz. Dafür beschäftigt er sich mit der Transformation digitaler Gesellschaften, der Netzpolitik und der E-Partizipation. Er ist Projektleiter bei ikosom und arbeitet für den WWF Deutschland als Social Media Redakteur.
Wir leben im Zeitalter des Zugangs. Globale Netzwerke ermöglichen den Zugang zu Informationen, Wissen, Meinungen, Arbeit, Expertentum, Ideen und Kapital. Seit einigen Jahren haben sich nun immer fortschrittlichere Mechanismen herausgebildet, die durch die Beteiligung der Masse Mehrwerte erzeugen. In 2006 folgte dann der passende Name: Crowdsourcing.
Beim Crowdsourcing handelt es sich um ein Set von Prinzipien, Prozessen und Plattformen zur Steuerung von offenen Arbeitsprozessen. Dies schließt nicht nur die (mitunter globale) Ausschreibung sondern auch die Auswertung und Aggregation der Ergebnisse mit ein. Die Annahme ist einfach wie verlockend: Durch kollaborative KreativWettbewerbe, Wissens- und Ideensammlungen, Bewertungen oder Vorhersagen wird ein besseres Ergebnis erzielt, als wenn sich Individuen diesen Aufgaben annehmen würden. Durch massiv verbesserte technische Möglichkeiten auf der einen und durch erhöhten Effizienzdruck auf der anderen Seite wird die Nutzung von Crowdsourcing immer attraktiver für Unternehmen und Institutionen. Die steigende Nachfrage nach Crowdsourcing-Dienstleistungen und -Produkten basiert dabei auf sechs Grundprinzipien (s. Kasten).
1. Das grundlegende Wesen der Arbeit wandelt sich. Die Komplexität für die Arbeitnehmer und die Anforderungen an ihre technischen und sozialen Kompetenzen steigen.
2. Moderne Kommunikations-Technologien fördern den fließenden Übergang von Arbeit und Freizeit.
3. In der Wissens- und Kreativ-Ökonomie werden Produkte durch Ideen, Innovationen und Informationen ersetzt.
4. Damit werden auch Arbeitszeiten und Löhne flexibler. Humankapital wird infolge dessen noch wertvoller.
5. Alte Wertschöpfungsketten weichen auf. Der Konsument greift mitunter sogar in diese ein.
6. Konsumenten können mittels Crowdfunding und Crowdinvesting Produkte für die Produktionsreife finanzieren, noch bevor sie am Markt sind.
Insbesondere Web-2.0-Mechanismen emöglichen und fördern die Vernetzung - mit durchaus weitreichenden Folgen. Die Entstehung globaler Plattformen und Kommunikationsnetze bietet den Zugriff auf eine immer größere Crowd mit unterschiedlichsten Qualifikationen - eine gigantische "global Workforce", die das intellektuelle Kapital verschiedenster Kulturkreise in sich vereint. Neue Technologien und Kommunikationssysteme erlauben überhaupt erst das Aufteilen von Tasks oder ganzen Arbeitsabläufen. In den vergangenen Jahren hat sich durch die Entstehung neuer Benutzerschnittstellen, Micropayment-Lösungen, Flatrates, Cloud-Services sowie die zunehmende mobile Internetnutzung eine digitale Infrastruktur entwickelt, deren logische Folge ein virtueller Workspace ist.
Mit dem Crowdsourcing Report erfolgt erstmals eine systematische Bestandsaufnahme der hierzulande anzutreffenden Ausprägungen und Einsatzbereiche von Crowdsourcing. Die Autoren blicken hinter die Kulissen von beispielhaften Projekten und skizzieren förderliche Rahmenbedingungen.
Der Begriff Crowdsourcing wurde im Jahr 2006 erstmals von Jeff Howe in einem Wired-Artikel erwähnt1 . Seitdem hat er sich mehr und mehr etabliert und Begriffe wie ,Schwarmauslagerung' in den Hintergrund gedrängt. Bei Howe's Wortneuschöpfung handelt es sich um einen Neologismus, der sich aus 'Crowd' und 'Outsourcing' zusammensetzt.
Der Prozess ist eng verwandt mit Web Phänomenen wie der 'Open Source Bewegung' oder 'User Generated Content' (UGC) und beschreibt die Auslagerung von Arbeits- und Kreativprozessen sowie gleichermaßen die Einlagerung von Wissen, Kapital und Zeit (aus der Crowd) in ein Unternehmen oder eine Organisation.
Crowdsourcing hat unterschiedliche Erscheinungsformen, unter anderem:
Die Crowdsourcing Timline "Artificial Artificial Intelligence" (Quelle: Eigene Darstellung)
Crowdsourcing wurde und wird überhaupt erst durch bestimmte (in erster Linie technische) Voraussetzungen und Weiterentwicklungen möglich. Der wohl wichtigste ,Enabler' ist dabei der immer schneller stattfindende digitale Fortschritt.
Insbesondere Web 2.0 Mechanismen fördern die Vernetzung von Usern und die Entstehung von Crowdsourcing-Communities. Auch die Nutzung von Online- und Micropayment-Modellen ist essentiell für viele Ausprägungen von Crowdsourcing Diensten.
Die Digitalisierung liefert nicht nur das notwendige Handwerkszeug durch günstigeres und besseres technisches Equipment (Beispiel: Die Foto-Community iStockphoto wäre nicht möglich ohne professionelle, erschwingliche Digitalkameras).
Der digitale Fortschritt bildet auch einen unverzichtbaren Grundstein für die Entwicklung der Branche. Nehmen wir die Fragmentierung von Aufgaben: Neue Technologien und Kommunikationssysteme ermöglichen ein Unterteilen und Aufteilen von Tasks oder ganzen Arbeitsabläufen, die zuvor nur von einer Person beziehungsweise an einem Ort ausgeführt werden konnten.
Damit entstehen neue Organisationsstrukturen, die eher einem belebten Bazar entsprechen, als einer hierarchischen Struktur. Die Entstehung globaler Plattformen und Kommunikationsnetze ermöglichen in diesem Zusammenhang den Zugriff auf eine größere und diversifiziertere Crowd - eine gigantische ,global Workforce', die das intellektuelle Kapital verschiedenster Kulturkreise in sich vereinen kann.
Neben den Veränderungen, die auf technischer Ebene geschehen, ist auch auf ökonomischer und gesellschaftlicher Ebene ein entsprechender Wandel zu beobachten. Zum einen befördert dieser Wandel die Online-Auslagerung von Aufgaben und Kreativprozessen, auf der anderen Seite wird er durch Crowdsourcing weiter vorangetrieben. Man kann durchaus sagen, dass sich die Entwicklungen gegenseitig bedingen.
Demokratisierung und De-Industrialisierung
Zum Beispiel erfährt die ehemals zentral gesteuerte Produkthoheit einen Wandel: einst passive Konsumenten werden zu ,Prosumenten' und bringen nun aktiv ihre Bedürfnisse und Wünsche ein.
Ein Phänomen, das bereits 1980 von Futurist Adam Toffler in seinem Buch The Third Wave vorhergesagt wurde. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt: Durch digitale Plattformen müssen Arbeitsabläufe und Aufgaben weniger zentral verwaltet und gesteuert werden. Vielmehr kann sich die Crowd nun zum Teil eigenständig vernetzen und organisieren.
Mehr Transparenz und Wettbewerb
In einer digitalen Lebenswelt ist Transparenz gefragter denn je. Foren und Reviews im Web liefern Informationen zu Unternehmen und Institutionen, zu Produkten und Personen.
Dieser ungehinderte Informationsfluss wird mehr und mehr vorausgesetzt - wer nicht mitmacht, könnte gar etwas zu verbergen haben. Um sich mit dem Rest der Online Gemeinde zu messen, werden Badges, Reviews, Freunde, Likes, Follower, etc. gesammelt.
Mehr Work-Life Integration
Daneben werden Themen wie ,Work Life Integration' immer wichtiger im Kontext des modernen Arbeit-ens. Menschen sind bereit, mehr von zu Hause oder unterwegs zu arbeiten. Dieser Trend geht einher mit einer zunehmenden Mobilität der Arbeitsplätze. Laptops und Smartphones sowie verbesserte Datenspeicherung und Vernetzung erlauben es, klassische nine-to-five Job-Strukturen aufzuweichen. Verbesserte Bedienbarkeit und Informationsfilterung gewinnen in diesem mobilen Umfeld massiv an Relevanz.
Zeitgleich steigt die Bereitschaft zur Beteiligung. Nutzer tragen gerne zur Verbesserung einzelner Services bei, wenn sie am Ende selbst von der besseren Benutzerführung profitieren. Diese neue Denkweise ist ein Wegbereiter für jegliche Crowdsourcing Mechanismen.
"Increasingly, work is something people do rather than a place people go." (Gist, CRM Anbieter)
Das neue Hyperexpertentum
Es zeichnet sich zudem ab, dass sich die Profile der Leistungserbringer weiter festigen und vertiefen, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Es ist in vielen Fällen wirtschaftlicher, sich eine bestimmte Nische zu suchen und (z.B. über spezielle Crowdsourcing Plattformen) nur noch nach Aufgabenfeldern zu suchen, die zum eigenen Profil passen - bzw. sich idealerweise einfach dort von Auftraggebern finden zu lassen.
,The Age of Hyperspecialization' titelt vor einigen Monaten die Harvard Business Review2 und spricht in einem Zuge von einer ,Division of Labor', also einer Aufspaltung von Aufgabengebieten, die zuvor noch als Ganzes behandelt wurden.
Als Grund wird auch hier die fortschreitende Entwicklung der Kommunikations-Technologie genannt sowie die Tatsache, dass Arbeit zunehmend wissensbasiert vollzogen wird. Diese hochgradig effizienzgetriebene Entwicklung hat laut der Harvard Experten Vorteile im Hinblick auf Kosten, Qualität und Zeit - die Arbeitnehmer profitieren zudem von der Möglichkeit, frei über die Annahme von Aufträgen und entsprechende Zeiteinteilung entscheiden zu können.
Um die Aufgabenteilung zu definieren und die gelieferten Teil-Tasks wieder zu einem Gesamtergebnis zusammenzusetzen, braucht es zusätzlich zu den Hyperexperten verschiedenster Fachrichtungen aber auch eine neue Art von Intermediären mit entsprechenden Fähigkeiten.
Die Crowdsourcing Treiber (Quelle: Eigene Darstellung)
1http://www.wired.com/wired/archive/14.06/crowds.html
2http://hbr.org/2011/07/the-big-idea-the-age-of-hyperspecialization/ar/1
In Deutschland ist Crowdsourcing vom Massenmarkt etwa ein bis zwei Jahre später aufgegriffen worden als beispielsweise in den USA. Nichtsdestotrotz haben sich inzwischen einige deutschsprachige Plattformen herausgebildet - nicht wenige von ihnen im Bereich Crowdfunding. Themen wie Microworking erhalten derzeit im direkten Vergleich noch weniger Aufmerksamkeit von der deutschen Presse. Crowdsourcing entspricht der Allokation von Wissen, Fähigkeiten und Kapital entspricht, daher lassen sich die Plattformen wie in der Tabelle entsprechend anordnen.
Übersicht deutsche Crowdsourcing-Plattformen (Quelle: Eigene Darstellung)
Interessant zu beobachten ist, dass die Sparte der umfassenden Service Markplätze (vergleichbar mit Anbietern wie oDesk oder Elance) im deutschen Sprachraum derzeit nicht bedient wird. Die meisten Plattformen sind entweder auf Ideen, Text, Design, Software oder Microtasks verschiedener Art spezialisiert. Auch das Funding von Produkt-Prototypen (wie beispielsweise auf der US-Plattform Kickstarter) wird in Deutschland, sicherlich auch aus Angst vor Ideenklau, noch so gut wie gar nicht umgesetzt. Aufgrund der aktuellen Rechtslage hat Deutschland jedoch (noch) die Nase vorn, was das Thema Equity Crowdfunding betrifft. Auch in der Sparte 'Engagement' haben sich bereits einige Plattformen herausgebildet, die zum Teil Geld für Charity Zwecke sammeln, zum Teil aber auch Open Map Technologie nutzen, um Einzelprojekte zum Wohl der Allgemeinheit zu verwirklichen (z.B. Wheelmap.org oder ubah-naufzug.at).
Wie aber wird das Thema Crowdsourcing in Deutschland grundsätzlich angenommen? Wie offen sind Unternehmen und Arbeitnehmer gegenüber den neuen, globalen Arbeitsstrukturen? Intel und Dell haben im Rahmen der gemeinsamen Studie Evolving Workforce (2011) die Veränderungen der Arbeitswelt in der Web 2.0 Ära untersucht und unter anderem über 8.000 deutsche Beschäftigte nach ihrer persönlichen Einschätzung gefragt.
Insbesondere bei älteren Arbeitnehmern scheint demnach eine große Angst zu herrschen, von technologischen Neuerungen überrollt und vielleicht sogar ersetzbar gemacht zu werden. Und dennoch wird von deutschen Angestellten auch der Mehrwert gesehen, den technischen Innovationen und Kommunikationsdienste mit sich bringen. Immerhin glauben 83 Prozent der Befragten, dass sie dadurch mehr Hilfestellung bei Problemlösungen erfahren und 81 Prozent sind überzeugt, dass sie so ihre Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz steigern können. 73 Prozent sehen den Vorteil, dass das Web Ihnen hilft, selbst mehr zum Wohle des Unternehmens beizutragen. Der Privatsektor zeigt sich dabei allerdings offener gegenüber neuen, digitalen Geschäftsmodellen (im Schnitt um zehn Prozentpunkte) als dies beim öffentlichen Sektor der Fall ist. Hier scheint es also noch Aufklärungsbedarf zu geben. Innovationen im Staatssektor können und sollten sich die Innovationen im Privatsektor als Vorbild nehmen.
Immerhin 65 Prozent der deutschen Angestellten glauben, dass sie bei flexibleren Arbeitszeiten produktiver arbeiten könnten. Zufriedenheit, Selbständigkeit und verbesserte Wahlmöglichkeiten stehen weit oben auf der beruflichen Bedürfnispyramide. Nur 21 Prozent der Interviewten ist dabei der Meinung, dass Lohn nach Arbeitszeit berechnet werden sollte, 60 Prozent würden eine leistungsbasierte Variante vorziehen. Während jedoch ein Teil der arbeitenden Bevölkerung ohnehin als Berufsnormaden unterwegs ist und dieses Modell befürwortet, stehen viele (in erster Linie Angestellte der unteren Lohngruppen) Telearbeits-Modellen noch recht kritisch gegenüber: über die Hälfte der Befragten sehen den Teamgeist gefährdet, etwa jeder vierte seinen Arbeitsplatz durch Outsourcing bedroht.
Deutsche Unternehmen wie staatliche Stellen sollten sich insofern weiter dafür einsetzen, diese Ängste und Bedenken gegenüber neuen, digitalen Arbeitsformen abzubauen und den Teamgeist auch jenseits des physischen Zusammenarbeitens zu stärken. Das Potential von Crowdsourcing haben sie in jedem Fall erkannt: Einen völlig neuen Zugang zu Innovationen, Ideen und Wissen und eine - im wahrsten Sinne des Wortes - grenzenlose Vernetzung von Kapazitäten und Ressourcen.
Die neuen Kreativökonomien
Wir erfahren derzeit einen grundlegenden Strukturwandel. Als Teil unserer heutigen Wissensgesellschaft entsteht eine neuartige Kreativökonomie, geprägt von Eigenverantwortung und ständigem Wandel. Individuen, die in der Lage sind, aus dem Bestehenden kontinuierlich neue Zusammenhänge herzustellen, schaffen nicht nur Neues, sondern finden auch in Perfektion ihren Weg durch diese neue Umwelt. Unflexible Unternehmen bleiben gewissermaßen stecken in diesem sich stetig wandelnden Labyrinth aus neuen Wegen und Möglichkeiten. Die kleinen, wendigen sind plötzlich die Gewinner. Die Konsequenz ist eine permanente Abfolge kleiner Innovationen.
In dieser neuen Kreativökonomie dominieren Selbstbestimmung und -erfindung, aber auch Selbstdarstellung. Der Kreative muss sich nicht nur seiner Umwelt ,verkaufen', sondern auch dauerhaft Beziehungen pflegen. Soziale Fähigkeiten und Belastbarkeit nehmen einen extrem hohen Stellenwert ein. Die Zukunftsforscher Matthias Horx und Axel Liebetrau sprechen in diesem Zusammenhang von einer neuen, ,hyperflexiblen Alltagsökonomie' innerhalb derer Individuen prinzipiell autonom und abrufbereit, aber unter der Zuhilfenahme von eigenen Netzwerken agieren.
Dabei beschränken sich die Mechanismen der Kreativökonomie längst nicht mehr nur auf bestimmte Personengruppen. Auch von ,konventionellen Berufsgruppen' werden zunehmend kreative Fähigkeiten gefordert, etwa um sich von der Konkurrenz anzuheben. Kreativität geht einher mit Mobilität, Flexibilität und Diversizität. Insbesondere der Umgang mit Technologie (sie zu kennen, zu verstehen und zu nutzen) ist für Kreative immer wichtiger geworden.