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Table of Contents

Title Page

Kurzbeschreibung

Prolog

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Über die Autorin

Copyright

Vertrauter Hexer

Hüter der Nacht – Buch 3

 

Tina Folsom

Kurzbeschreibung

 

Hexer Wesley Montgomerys Versuch, ein Bündnis zwischen Scanguards und den geheimnisvollen Hütern der Nacht zu knüpfen, stößt bei Virginia Robson, dem neuesten Ratsmitglied der Hüter, auf Widerstand und Misstrauen. Die feurige Rothaarige, die das Herz des Hexers höherschlagen lässt, glaubt, dass Wesley von den Dämonen geschickt wurde, um die Hüter zu infiltrieren, ein Glaube, der sich in ihr verstärkt, als die Hüter in ihrem Komplex angegriffen werden.

Trotz ihrer Zweifel fühlt sich Virginia zu dem gut aussehenden Hexer, der seine Hilfe anbietet, hingezogen. Doch kann sie dem Fremden, dessen Küsse und Berührungen ein Verlangen in ihr entfachen, das sie sich nie erträumt hätte, vertrauen?

Was wird sich für das Paar als schwieriger herausstellen: Einen Weg zu einer gemeinsamen Zukunft zu finden oder die Dämonen zu bekämpfen, die hinter jeder Ecke auf sie lauern?

 

*** Scanguards Fans ***

Dieses Buch ist ein Übergang zwischen den Scanguards Vampiren und den Hütern der Nacht. Viele vertraute und geliebte Scanguards-Charaktere erscheinen darin, und Sie können sicher sein, dass es ebenso aktionsreich und heiß ist wie die anderen Scanguards-Bücher. Viel Spaß!

 

*** SPOILER-ALARM ***

Dieses Buch offenbart Teile des Plots und/oder die Gegenspieler von Geliebter Unsichtbarer (Hüter der Nacht #1) und Entfesselter Bodyguard (Hüter der Nacht #2). Sollten Sie vorhaben, mehr in dieser Reihe zu lesen, ist es am besten, dies in der vorgesehenen Reihenfolge zu tun.

 

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* * * * *

Vertrauter Hexer

Copyright © 2017 Tina Folsom

* * * * *

Prolog

 

Zoltan starrte in die Feuerstelle, eine brennende Grube in seinem Arbeitszimmer, die durch aufsteigende Lava genährt wurde. Sie sprudelte nach oben und erfüllte den Raum, der von Gaslampen an den Wänden erhellt wurde, mit heißer Luft. Die Wände um ihn herum bestanden aus schwarzem Lavagestein wie viele der Höhlen in der Unterwelt.

Aber anders als die anderen Höhlen, die vor Jahrhunderten zu Räumen und Quartieren für ihn und seine Dämonen geschaffen worden waren, war dieser Raum schalldicht. Es gab keinen einzigen Riss in den Wänden, keinen einzigen Spalt, der Geräusche meilenweit hätte tragen können. Von hier aus führte er seine Geschäfte, und er hatte dafür gesorgt, nicht belauscht zu werden.

Denn es gab einen Verräter in ihrer Mitte. Einen Dämon, der um Zoltans Thron wetteiferte.

Erst vor kurzem hatte er von seiner Leibwache und rechten Hand Vintoq erfahren, dass einer seiner Untertanen bei Zoltans Versuch, die Stadt Baltimore zu einem Bollwerk der Dämonen zu machen, gegen ihn agiert hatte. Jemand wollte ihm seine Stellung als Großmächtiger streitig machen.

Nun war es wichtiger als je zuvor, einen verheerenden Schlag gegen ihre Feinde, die Hüter der Nacht, auszuführen. Denn nur, wenn Zoltan seinen Dämonen beweisen konnte, dass sie unter seiner Führung den Sieg über die Hüter der Nacht und folglich auch über die Menschheit erringen konnten, würden sie ihn unterstützen und den Verräter entblößen.

Doch wenn er jetzt Schwäche zeigte, würde das sein Ende sein. Und genauso wie Zoltan den vorherigen Großmächtigen getötet und dessen Thron für sich beansprucht hatte, als dieser Schwäche gezeigt hatte, könnte irgendein verräterischer Dämon Zoltan ebenso leicht aus dem Weg räumen.

Was er jetzt benötigte, war ein schneller Schlag gegen die unsterblichen Hüter. Ein Schlag, der beweisen würde, dass er intelligenter als alle seine Untertanen war. Dass er alleine im Stande war, eine Strategie für den Sieg zu entwickeln.

Doch es sah nicht gut aus. Und das machte ihn wütend. So sehr, dass er ein Ventil brauchte, damit es ihn nicht von innen zerfraß.

Sein Blick fiel auf einen kleinen Beistelltisch, der mit seinen Trophäen bedeckt war: Gegenstände, die er seinen toten Opfern abgenommen hatte. Schmuck, Waffen, Uhren. Er betrachtete die Sachen häufig. Sie erinnerten ihn daran, was er erzielt hatte, seit er den Thron bestiegen hatte. Doch im Augenblick schenkte ihm der Anblick keine Genugtuung. Er erinnerte ihn nur daran, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte.

Mit einem wütenden Fluch fegte er mit dem Arm über den Tisch und schleuderte die Trophäen zu Boden. Die Uhren zerbrachen, ein Dolch schlug gegen die Wand und der Griff löste sich von der Klinge, eine Perlenkette zerriss und die einzelnen Perlen rollten über den unebenen Steinboden.

Zoltan stampfte auf die losen Perlen und zerschmetterte sie mit der gleichen Kraft, mit der er auch die Hüter der Nacht vernichten wollte. Er fand Zufriedenheit in dieser unnötigen Zerstörung, also wendete er sich den anderen Trophäen zu. Als er den zerbrochenen Dolch erreichte, stoppte er. Etwas fiel ihm ins Auge.

Zoltan bückte sich und hob die zwei Teile auf. Etwas ragte aus dem Griff heraus. Er zog daran und befreite es von der defekten Waffe.

Einen langen Augenblick starrte er ungläubig darauf, erstaunt darüber, was er in seiner Hand hielt: den Schlüssel zur Zerstörung der Hüter der Nacht.

1

 

Einige Tage später

Heute Abend würden Köpfe rollen.

Virginia trat in das Portal und konzentrierte sich auf ihren Bestimmungsort.

Die Mitglieder des Komplexes in Baltimore hatten die Regeln einmal zu oft gebrochen. Sie wusste – besser als jeder andere – was geschehen konnte, wenn gegen die Regeln verstoßen wurde. Auch nur eine einzige Stunde der Verzögerung konnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Den Unterschied zwischen Gefahr und Sicherheit. Zwischen Liebe und Hass.

Die Hüter in Baltimore mussten das lernen. Und zwar schnell.

Eine einzige gebrochene Regel hatte sie alles gekostet, was ihr je etwas bedeutet hatte. Eine gebrochene Regel hatte ihr Leben verändert. Und sie würde nicht zulassen, dass die Vergangenheit sich wiederholte.

Nicht während sie Wache hielt.

Sie war nicht umsonst eine Ex-Vollstreckerin. Nur weil sie aufgestiegen war, um ein Mitglied des Rats der Neun, dem Herrschaftsgremium der Hüter der Nacht, zu werden, bedeutete das nicht, dass sie ihr Training vergessen hatte. In erster Linie war sie eine Kriegerin, eine Kriegerin, die verstand, dass die Regeln aus einem bestimmten Grund existierten: um ihre Rasse zu schützen. Und niemand brach diese Regeln, ohne bestraft zu werden. Nicht, wenn sie ein Wörtchen mitzureden hatte. Und das hatte sie.

Um die Hüter im Lager einzuschüchtern und ihren sofortigen Respekt einzufordern, war sie in der Uniform der Vollstrecker gekleidet: schwarze Lederhose, schwarzes T-Shirt und schwarze Lederjacke mit silbernen Knöpfen, die mit dem Symbol eines antiken Dolchs verziert waren. Ihre hohen schwarzen Stiefel reichten bis zu ihren Knien und glänzten wie neu. An ihrer Hüfte saß ein Dolch, der in der Dunklen Epoche geschmiedet worden war – die einzige Art Waffe, die fähig war, einen Dämon zu töten.

Im Komplex angekommen trat Virginia aus dem Portal heraus, das sie in nur wenigen Sekunden Tausende von Meilen transportiert hatte, und sah sich um. Sie befand sich auf einer der Untergrundebenen des Baltimore-Komplexes, und obwohl sie noch nie zuvor hier gewesen war, fiel es ihr nicht schwer, sich zurechtzufinden. Alle Komplexe hatten einen ähnlichen Grundriss.

Sie machte sich auf den Weg zur Kommandozentrale, doch dort war es ruhig. Die Computer waren im Standby-Modus, ein weiterer Verstoß, den sie ihrer ständig wachsenden Liste hinzufügen konnte. Sie knurrte missbilligend und drehte sich dann um, als sie Stimmen hörte, die aus dem Wohnbereich des Gebäudes kamen – genauer gesagt aus der Küche. Sie marschierte darauf zu. Vor der Tür stoppte sie einen kurzen Augenblick lang. Mit einem tiefen Atemzug und stählerner Entschlossenheit öffnete sie die Tür.

„Tessa hat es geschafft“, sagte einer der Hüter.

Sie erkannte ihn sofort, obwohl sie ihm noch nie begegnet war. Sie hatte die Akten aller Hüter studiert, die diesem Komplex zugewiesen worden waren, und die Informationen in ihr Gedächtnis gebrannt.

Der Hüter, der gesprochen hatte, Aiden, legte seinen Arm um seine Frau, Leila, eine Sterbliche, die dank ihres untrennbaren Bundes mit Aiden berechtigt war, hier im Komplex zu leben. Er fügte hinzu: „Wir sollten feiern.“

Bei diesen Worten wollte Virginia schnauben. Stattdessen trat sie die Tür hinter sich zu.

„Was feiern?“

Alle Augen schossen zu ihr. Gut! Sie liebte einen dramatischen Auftritt. Nun hatte sie jedermanns ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Die Tatsache, dass dieser Komplex ständig unsere Regeln ignoriert?“, fuhr sie fort. „Oder möglicherweise, dass eure Sicherheitsprotokolle so locker sind, dass ein Hexer in der Lage war, eure Verteidigung zu durchbrechen? Oder möglicherweise die Tatsache, dass es euch scheißegal ist, dass hier keine menschlichen Schützlinge erlaubt sind? Erleuchtet mich!“

Virginia kniff die Augen zusammen und funkelte die versammelten Personen an: Aiden, Leila, Enya, Hamish, Manus, Pearce und Logan sowie zwei Personen, die nicht berechtigt waren, sich hier aufzuhalten. Die menschliche Schutzbefohlene und der Hexer.

„Und du bist?“, fragte Hamish, sein Kinn widerspenstig nach oben geneigt.

Natürlich war er der Anführer der Bande. Innerhalb einer Millisekunde erinnerte sie sich an die Details seiner Akte und die Notizen, die sie an den Rändern gemacht hatte: rebellisch, stur, ungehorsam. Aber auch innovativ, schnell-denkend und außergewöhnlich im Nahkampf.

„Virginia Robson, neuestes Mitglied des Rats der Neun“, verkündete sie.

Einige gemurmelte Flüche erreichten ihre Ohren. Wie sie erwartet hatte.

„Oh Scheiße“, würgte Manus heraus.

Ja, alle kannten den Namen und den Ruf, der damit einherging. Und sie war stolz auf diesen Ruf.

„Was verschafft uns die Ehre?“, fragte Hamish.

„Du musst Hamish sein. Ich hätte mehr von dir erwartet, als einen menschlichen Schützling in den Komplex zu bringen.“ Ihr Kiefer verkrampfte sich. „Ganz zu schweigen davon, einen Hexer hier frei herumlaufen zu lassen.“

Ihr Blick schoss zur Couch, wo der besagte Hexer wie versteinert dastand. Zum ersten Mal blickte sie über die Aura hinweg, die ihn als übernatürliches Geschöpf identifizierte. Sie betrachtete seine Züge. Groß, mit dunklem Haar und schlankem, dennoch starkem Körper. Nicht unattraktiv. Rein gar nicht unattraktiv. Im Gegenteil. Er hatte etwas an sich, das ihr Herz ein klein wenig schneller schlagen ließ. Verärgert über ihre Reaktion, riss sie ihre Augen von ihm.

„Aber all das wird sich jetzt ändern. Ich bin hier, um aufzuräumen.“

Sie bemerkte, wie Hamish seinen menschlichen Schützling enger an sich zog.

„Fangen wir mit der Sterblichen an.“ Virginia zeigte auf Tessa. Sie hatte auch deren Akte gelesen. Eine begabte Politikerin, die nicht vergessen hatte, was es bedeutete, der Öffentlichkeit zu dienen. Eine Seltenheit. Dennoch, Regeln waren Regeln.

„Sie hat kein Recht, hier zu sein. Ihr habt die Sicherheit dieses Komplexes kompromittiert, indem ihr sie hierher gebracht habt. Wir müssen diesen Ort verlassen und alle verlagern. Ihr werdet euch dafür vor dem Rat der Neun verantworten müssen.“

„Er hat nichts Falsches getan!“, platzte Tessa heraus.

Wie konnte es diese Sterbliche wagen, ihre Stimme zu erheben? „Was hast du gesagt?“

„Ich habe das gleiche Recht, hier zu sein, wie Aidens Frau Leila.“ Sie hob stur ihr Kinn.

Virginia neigte den Kopf zur Seite. Misstrauen zog wie der dichte Nebel der Äußeren Hebriden in ihr auf. „Willst du damit sagen, dass du Hamishs Gefährtin bist?“

„Ja.“

Das änderte alles. Als seine Gefährtin hatte sie das Recht, hier zu sein – falls es die Wahrheit war. „Und warum wurde der Rat nicht darüber informiert?“

Jeder andere hätte den schnellen, jedoch wortlosen Austausch zwischen Tessa und Hamish und Hamishs kurzes Zögern, bevor er antwortete, übersehen. Nicht Virginia. Sie war geschult, genau das zu bemerken.

„Es ist gerade erst geschehen. Ich war im Begriff, den Rat zu informieren, doch wir mussten uns stattdessen um einen Angriff der Dämonen kümmern“, behauptete Hamish. „Ich entschuldige mich für dieses Versäumnis.“

Fürs Erste konnte Virginia die Aussage nicht widerlegen. Sie lag jedoch nur selten falsch. Und etwas stimmte hier definitiv nicht. Sie konnte es riechen. Es stank wie der verrottende Leichnam eines Dämons.

„Nun gut. Ich nehme an, dass Glückwünsche angebracht sind“, knurrte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

Wenn es sich herausstellen würde, dass die beiden sich nicht verbunden hatten – etwas, das sie zu einem späteren Zeitpunkt bestätigen könnte –, würde sie Hamish vor den Rat schleppen und es ihm heimzahlen. Niemand führte sie hinters Licht.

„Danke“, sagte Hamish mit eisiger Stimme. „Wenn du nichts dagegen hast, würden meine Gefährtin und ich uns gerne zurückziehen. Es war eine lange Nacht.“

„Nicht so schnell!“, biss Virginia heraus. „Da ist noch die Angelegenheit mit dem Hexer.“

„Mein Name ist Wesley.“ Der Hexer grinste und ging auf sie zu.

Dachte er, sein charmantes Lächeln würde sie davon abhalten, ihre Arbeit zu erledigen? Anscheinend glaubte der großspurige Bastard, sie hätte die Absicht, wie alte Freunde mit ihm zu plaudern. Es war egal, dass die Art und Weise, wie er sie mit seinen babyblauen Augen ansah, einige Schichten ihrer schützenden Rüstung abtrug. Es war egal, dass sich Schweiß auf ihren Handflächen sammelte. Und es war verdammt nochmal egal, dass weiter unten, in ihrem Schritt, ein zweites Schlagen den Rhythmus ihres Herzens widerspiegelte und ein Verlangen trommelte, das nur sie hören konnte.

Fuck! Sie war schon lange über Rasen hinweg, hatte die Zeit im Leben eines Hüters der Nacht hinter sich gelassen, in der der Paarungsruf die Urteilsfähigkeit eines Kriegers vernebelte. Sie hatte sich nie gebunden und stattdessen beschlossen, ihrer Rasse auf andere Weise zu dienen. Sie könnte nicht zulassen, dass Rasen sie jetzt einholte.

„Bleib, wo du bist!“

Um ihren Befehl zu unterstreichen, legte Virginia ihre Hand an ihren Dolch und ließ sich von dem kühlen Obsidiangriff beruhigen.

Der Hexer blieb stehen. „Was auch immer du willst. Egal was.“

Sie versuchte zu ignorieren, dass er seine Augen über ihren Körper schweifen ließ, als wäre er ein Bildhauer, der Maß nahm. Gleichzeitig bemerkte sie, wie sich seine Lippen anerkennend teilten. Sie wagte es nicht, die anderen Hüter der Nacht anzusehen. Würden sie bemerken, was zwischen ihr und dem Hexer vor sich ging? Sie musste das sofort stoppen, oder alles, was sie sich aufgebaut hatte, ihr Ruf, ihr eiserner Wille, würde wie das grüne Blut des letzten Dämons, den sie getötet hatte, den Gully hinuntergespült werden.

„Du wirst verhört. In der Zwischenzeit wirst du eingesperrt.“

„Wesley hat uns bei unserer Mission geholfen“, sagte Hamish hinter ihr. „Ohne ihn wären wir möglicherweise nie in der Lage gewesen, die Pläne der Dämonen, Tessas politische Zukunft zu zerstören, zu vereiteln. Er ist keine Gefahr für uns.“

Virginia schoss einen missbilligenden Blick über ihre Schulter, froh, einen guten Grund zu haben, ihre Augen von dem Hexer zu reißen. „Das werden wir noch sehen. Jeder, der unsere Verteidigung durchbricht, stellt eine Gefahr dar.“ Sie drehte sich ganz um und schenkte den Hütern einen finsteren Blick. „Und du und deine Kollegen hättet den Rat der Neun sofort benachrichtigen sollen, als dieser Einbruch stattfand. Wir mussten es von einem Hüter in einem anderen Komplex erfahren. Das ist nicht unbemerkt geblieben. Zusammen mit den vorhergehenden Verstößen eures zusammengewürfelten Haufens habt ihr die Geduld des Rates erschöpft.“

Hinter ihr hörte sie ein Seufzen, das von dem Hexer kam. „Oh, hör zu, Virginia, ich –“

Sie wirbelte herum und blickte ihn finster an. „Für dich bin ich Miss Robson!“ Denn wenn sie ihm erlaubte, auf andere Art und Weise mit ihr zu sprechen, könnte sich eine Vertrautheit zwischen ihnen entwickeln – eine, die sie nicht zulassen konnte. Sollte das geschehen, könnte sie sich genauso gut mit ihrem eigenen Dolch erstechen und die Klinge in der Wunde drehen.

„Dann eben Miss Robson.“ Er zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm egal, wie er sie ansprach. „Hören Sie zu, es ist wirklich nicht deren Fehler. Bestrafen Sie sie nicht für etwas, was ich getan habe.“

Bevor sie sich darüber bewusst wurde, was sie tat, stand sie ihm direkt gegenüber. „Hör mir zu, Hexer. Ich bin diejenige, die hier die Befehle erteilt. Wenn du glaubst, du könntest mich um den Finger wickeln, wie du es offenbar mit diesen Pfeifen gemacht hast, liegst du falsch. Ich bin dein schlimmster Alptraum.“

Die Warnung hatte nicht den gewünschten Effekt.

Der Hexer grinste.

2

 

Alptraum? Wohl eher ein feuchter Traum.

Wesley schaffte es nicht, seine Fantasie zu zügeln, die ihn auf eine emotionsgeladene Achterbahnfahrt mitnahm. Virginia hatte alles, was er sich je von einer Frau erträumt hatte.

Lange Beine, stark und wohlgeformt. Eine schlanke Taille, ausladende Hüften, feste Brüste. Überall genau die richtigen Kurven. Haselnussbraune Augen mit grünen Flecken, köstliche volle Lippen. Und dann dieses Haar. Feuerrot. Wie schwelende Glut.

Und jedes Mal, wenn sie ihm eine Beleidigung an den Kopf warf, sandte ihm ihre Stimme einen nicht unangenehmen Schauer die Wirbelsäule hinab. Ganz und gar nicht unangenehm.

Wusste sie, dass ihre dominierende Natur ihn enorm erregte? Oder war ihr nicht bewusst, dass er nur noch fünf Sekunden davon entfernt war, sie zu bespringen?

Virginia würde nicht einfach zu erobern sein, das war sicher. Sie würde eine Herausforderung sein, doch das war ihm egal. Sie war es wert. Sie war den zusätzlichen Aufwand wert, um sie ins Bett zu bekommen. Oder auf irgendeine andere ebene Oberfläche. Horizontal oder vertikal. Das war ihm egal.

Solange er in ihr war und sie vor Ekstase nach Luft rang.

Denn eine Sache war glasklar: Er begehrte sie!

„Was gibt’s da zu grinsen?“

Ein weiterer Ansturm von Hitze raste schneller von seinem Hals in sein Steißbein, als ein Vampir seine Fangzähne ausfahren konnte.

Verdammt! Wusste diese Sirene denn nicht, was ihre Stimme mit ihm anstellte? Sie könnte ihn genauso gut fesseln, ihn ausziehen und mit ihm machen, was sie wollte.

„Ich habe dir eine Frage gestellt!“

Er stellte sich ihrem harten Blick. „Nichts. Ich sehe immer so aus.“

„Hmm.“ Sie wandte den Kopf zu den anderen Hütern der Nacht. „Ich sperre ihn ein, bis der Rat zusammentritt und bereit ist, ihn zu verhören. Ich werde ihn persönlich zum Komplex des Rates bringen, wenn es soweit ist.“

„Das ist nicht notwendig“, wagte Aiden zu sagen.

Sie würgte ihn mit einem einzigen Blick ab. „Ich entscheide, was notwendig ist. Du und deine Kameraden, ihr habt ein schlechtes Urteilsvermögen an den Tag gelegt. Er ist jetzt mein Gefangener. Er wird in eine Bleizelle gesperrt.“

Aidens Gesichtsausdruck wurde zu Stein. Er zeigte in einer pseudo-freundlichen Geste zur Tür. „Soll ich dir den Weg zeigen?“

„Ich brauche keine Richtungsangaben“, zischte sie, machte kehrt und packte Wesley am Oberarm.

Trotz des festen Griffs hatte er nichts gegen die Berührung einzuwenden. „Nun, dann sind es wohl nur wir beide, schätze ich.“

Sie schob ihn in Richtung Tür und unterstrich ihre Anweisung, indem sie ihr Kinn hob.

„Ich würde ja sagen Ladies first, aber ich vermute, dass es Ihnen lieber wäre, wenn ich vor Ihnen gehe?“ Er schwenkte Richtung Tür, ohne auf ihre Antwort zu warten. Er öffnete sie und blickte dann flüchtig über seine Schulter. „Oh, und Leute, ich nehme Kaffee und Pancakes zum Frühstück. Schwarz, ohne Zucker. Danke.“

„Beweg dich, Hexer“, unterbrach Virginia und marschierte auf ihn zu.

„Ihr Wunsch ist mir Befehl, Miss Robson“, antwortete er und trat, dicht gefolgt von Virginia, in den Korridor. Die Tür schlug eine Sekunde später zu und ihre Absätze klickten auf dem Steinboden. Sie waren alleine, was ihm nur recht war. Er verlangsamte seinen Gang, sodass sie nur noch einen oder zwei Schritte hinter ihm war.

„Also, was haben Sie mit mir vor?“, fragte er locker.

Einen Augenblick lang dachte er, dass sie nicht antworten würde, doch dann sagte sie: „Bist du taub? Du wirst vor den Rat gebracht und verhört.“

Er blickte über seine Schulter und wurde noch langsamer, sodass sie weniger als einen halben Meter hinter ihm war. „Was, wenn ich lieber von Ihnen verhört werden würde?“

„Diesbezüglich hast du keine Wahl!“ Sie schubste ihn nicht allzu sanft. „Weiter. Die Zelle ist im Untergeschoss.“

„Ich kenne sie gut.“ Aber er hatte nicht die Absicht, die Nacht dort zu verbringen. Dennoch ging er schneller und fing an, die Stufen hinunterzusteigen. Als er den Treppenabsatz erreichte, stoppte er und drehte sich um.

„Hören Sie, warum verhören Sie mich nicht jetzt und wir bringen das hinter uns? Sie werden sehr schnell sehen, dass ich überhaupt keine Bedrohung darstelle. Ich lasse mich sogar von Ihnen fesseln.“ Er ließ seine Augen über sie schweifen und dachte über die endlosen Möglichkeiten nach, die eine Bondage-Session auftun würde. „Wenn Sie auf so etwas stehen.“

Das letzte Wort hatte kaum seine Lippen verlassen, als Virginia seinen Oberarm packte und ihn gegen die Mauer schleuderte. Der Aufprall raubte ihm den Atem und brachte ihn zum Keuchen.

„Denkst du, das ist ein Witz?“

Er schnappte schnell nach Luft. Seine Bewunderung für die Hüterin der Nacht war gerade um hundert Punkte gestiegen. Sie war kein leichter Gegner. Keine Frau, die er mit ein paar einfachen Komplimenten gewinnen würde. Sie war so hart wie Stahl und wenn sie ihn noch länger gegen die Wand drückte, während ihre Schenkel die seinen berührten und ihre Unterarme seinen Oberkörper gegen die Steinwand pressten, würde ein bestimmter Teil seiner Anatomie bald genauso hart sein.

„Nein, ich denke nicht, dass das ein Witz ist“, sagte Wes so ruhig, wie er konnte. „Aber Sie müssen zugeben, Sie gehen das Ganze etwas zu grob an, oder?“

Ihre Augen zogen sich missmutig zusammen und sie wandte mehr Druck an – nicht nur gegen seine Brust, sondern auch gegen seinen Unterkörper. Er musste ein Stöhnen unterdrücken und seine Kiefer zusammenpressen, um die Tatsache zu verbergen, dass ihr Handeln nicht die von ihr beabsichtigte Wirkung hatte. Anstatt ihn einzuschüchtern und ihn in seine Schranken zu verweisen, erregte sie ihn.

„Ich würde gerne alle Ihre Fragen beantworten. Ich schwöre, dass ich nur hier bin, um ein Bündnis zwischen Ihrer Rasse und der Firma, für die ich arbeite, auszuhandeln. Mein Chef bei Scanguards ist zwar ein Vampir, aber er –“

„Ein Vampir? Du arbeitest mit Vampiren?“

Echte Überraschung ließ die grünen Flecken in ihren Iris wie Glühwürmchen aufleuchten. Zum ersten Mal, seit er ihr begegnet war, zeigte ihre schützende Schale einen feinen Riss.

„Ich habe das alles bereits Aiden und den anderen erklärt. Ich nehme an, dass niemand die Informationen an Sie weitergeleitet hat.“ Er wusste ganz genau, dass weder Hamish noch Aiden eine Möglichkeit gehabt hatten, mit ihren Vorgesetzten darüber zu sprechen, doch irgendetwas an Virginia veranlasste ihn dazu, sie zu provozieren, damit sie ihre Gelassenheit verlor.

„Gib mir eine Zusammenfassung!“, verlangte sie.

Da sie keine Anstalten machte, ihn loszulassen – und er es genoss, ihren Körper an seinen gepresst zu spüren –, entschied er sich, mit der langen Version vorlieb zu nehmen.

„Na gut, da Sie fragen …“

Sie knurrte wie eine Tigerin.

Fuck! Reiß dich zusammen, Mann!

„Ich bin das zweite von drei Kindern einer Hexe –“

„Du weißt wohl nicht, was Zusammenfassung bedeutet, oder? Lass es mich für dich übersetzen: die Kurzversion!“

„Das ist die Kurzversion. Ich schwöre es bei meiner Ehre als Hexer.“

„Zum letzten Mal: die Kurzversion!“

„Gut.“ Er versuchte, mit den Schultern zu zucken, aber sie hielt ihn immer noch zu fest. „Meine Geschwister und ich sollten die Macht der Drei besitzen. Eine Hexe verriet uns. Mein Bruder Haven gab sein sterbliches Leben auf und wurde zu einem Vampir. Ergo: Die Macht der Drei verpuffte. Ergebnis: Vampire wurden zu unseren Verbündeten. Ende.“

 

~ ~ ~

 

„Deine Zusammenfassung ist Scheiße.“

Virginia ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Wenn sie ihren Körper noch eine Sekunde länger gegen seinen pressen müsste, würde sie vergessen, warum sie hier war und den unverschämten Hexer zu Boden werfen, um ihn zu reiten.

Verdammt!

Sie hatte bereits viele Gefangene so behandelt, wie sie Wesley behandelte, doch nie zuvor hatte sie dabei irgendeine sexuelle Regung verspürt. Nicht so heute. Ihre Nippel waren hart und sehnten sich danach, berührt zu werden. Sie war froh, dass sie eine Lederjacke trug, die ihre unpassende Reaktion auf Wesleys anziehenden Körper verbarg. Sie war auch froh, dass er kein Vampir war, der ihre Erregung gerochen hätte.

„Ich kann Ihnen die vollständige Version geben. Vielleicht bei einem Glas Wein oder Whisky?“, fügte Wesley hinzu und lächelte.

Sie musste widerwillig zugeben, dass er einen gewissen Charme besaß – und er nutzte ihn zu seinem Vorteil. Aber sie war nicht dumm. Er hatte kein persönliches Interesse an ihr. Offenbar hatte er genau den gleichen Charme schon verwendet, um den ganzen Baltimore-Komplex um seinen Finger zu wickeln und die Intrige, an der er arbeitete, ins Laufen zu bringen.

„Mach dir keine Mühe. Ich weiß, was du vorhast. Es funktioniert nicht.“

„Was habe ich denn vor?“

„Du willst mich auf deine Seite bringen, so wie du es bereits mit den anderen gemacht hast.“ Sie deutete in Richtung des oberen Stockwerks. „Sie sind noch jung. Zu unerfahren, um alle Konsequenzen ihres Handelns zu verstehen. Ich andererseits bin das nicht.“

„Sie sind also eine erfahrene ältere Frau. Wollten Sie das damit sagen?“

„Ich bin alt genug, um zu erkennen, wenn jemand Scheiße erzählt.“

Seine Antwort war unerwartet. Er lachte leise. Und verdammt nochmal, wenn dieser Ton ihr nicht einen Schauer des Vergnügens von ihrem Hals hinab bis zu ihren Nippeln sandte, wo er ein Feuerwerk entfachte.

Sie musste sich zusammenreißen. Sich ablenken, egal wie.

„Sie mögen Hexen nicht besonders, wie?“, fragte er plötzlich.

„Ich mag Hexen nicht, die in der Lage sind, unsere Verteidigung zu durchbrechen“, konterte sie unverzüglich.

„Das war die einzige Möglichkeit, Kontakt mit Ihrer Spezies aufzunehmen.“

„Nur die Hüter der Nacht sind in der Lage, unsere Portale zu benutzen, kein anderes Geschöpf hat es je geschafft, eines zu öffnen, geschweige denn es zu benutzen.“

„Dann bin ich wohl ein Genie.“

Sie neigte ihren Kopf zur Seite und studierte ihn. „Entweder das oder du hattest Hilfe von den Dämonen.“

„Was?“

„Du hast mich gehört. Die Dämonen sind die einzige andere übernatürliche Spezies, die Portale verwendet. Wenn irgendjemand eine Chance hätte, auf eines von unseren zuzugreifen, dann sie.“ Was die größte Furcht der Hüter der Nacht war. Denn sollten die Dämonen je zu einem Portal Zutritt erlangen, hätten sie zu allen Zugang und würden ihre Rasse von innen heraus zerstören können.

„Ich habe noch nie einen Dämon getroffen. Und niemand hat mir geholfen. Ich habe einen Zauberspruch benutzt.“

„Welche Art Zauberspruch?“

„Einen Verwandlungszauber.“

„Der was genau tut?“

„Er ließ das Portal glauben, dass ich einer von euch war.“

Er sah eingebildet aus und sie wollte ihm diese Arroganz aus dem Gesicht wischen. Oder sie vielleicht wegküssen.

Hör auf! Kein weiterer Gedanke in dieser Richtung!

Je schneller sie ihn in die Bleizelle bringen konnte, desto besser. Also warum stand sie immer noch hier und ließ sich von ihm in ein Gespräch verwickeln?

„Weiter, Hexer. Zeit, dich einzusperren.“

Er schnaubte. „Mein Name ist Wesley. Es ist wirklich nicht so schwer, sich den zu merken.“

Nur um ihn dazu zu bringen, zu gehorchen, gab sie nach: „Na gut, Wesley.“

„Sehen Sie, das war doch nicht so schwierig, oder?“

Ein weiteres bezauberndes Lächeln. Gab dieser Kerl denn nie auf?

Sie zeigte auf die nächste Treppe, die nach unten führte. „Da lang.“

Wesley gehorchte ihrem Befehl, doch anstatt vor ihr zu gehen, marschierte er neben ihr. Sie ließ es geschehen, denn sie würde wissen, wenn er versuchte, nach ihrem Dolch zu greifen und sie würde kein Problem haben, ihn zu überwältigen. Schließlich hatten ihn die Runen, die die Wände, den Boden und die Decke des Komplexes zierten, seiner Magie beraubt. Erst wenn er wieder draußen war, würde er seine Kräfte zurückerlangen. Warum beunruhigte sie also seine Nähe? War es, weil sie eine weitere Kraft in ihm spürte? Nicht Hexerei, nein.

Die Kraft eines Mannes.

Als sie schließlich bei der Zelle ankamen, war Virginia erleichtert. Sie entriegelte die Tür und schwang sie auf. Sie blickte in den dunklen bleiverkleideten Innenraum. Die Zelle war für Mitglieder ihrer Rasse bestimmt, die Verbrechen begangen hatten, oder schlimmer, die von den Dämonen kompromittiert worden waren. Sie war ausbruchsicher. Die Hüter der Nacht konnten Blei nicht durchdringen; es nahm ihnen auch die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen und raubte ihnen ihre Stärke. Sollte ein Hüter der Nacht über einen längeren Zeitraum in einer Bleizelle eingesperrt sein, würden seine Kräfte letztendlich vollständig ausgelöscht werden und er würde menschlich werden.

Sie wusste von Fällen, in denen Hüter der Nacht ein Jahr lang eingesperrt worden waren – als Strafe für Verrat – und dann als Ausgestoßene ihrer Rasse in die Menschenwelt entlassen wurden. Eine harte Bestrafung.

„Sie werden Ihre Meinung also wirklich nicht ändern, hm?“

Bei Wesleys Worten sah sie ihn an. Seine babyblauen Augen trafen ihre. Einen Augenblick lang fühlte sie sich wie hypnotisiert. Und für den Bruchteil einer Sekunde fragte sie sich, was zwischen ihnen hätte sein können, hätten sie sich unter anderen Umständen kennengelernt.

Ein sanftes Lächeln zog plötzlich seine Mundwinkel nach oben. „Irgendwann werden Sie das.“

Zuversichtlichen Schrittes und erhobenen Hauptes betrat er die Zelle. Drinnen drehte er sich um. „Sie sind eine interessante Frau, Virginia. Ich freue mich darauf, Sie …“ Er pausierte und sein Blick fiel auf ihre Lippen. „… auf intimere Weise kennenzulernen.“

Hochnäsiger Bastard!

Als wüsste er, was für eine Wirkung er auf sie hatte! Als könnte er sie einfach durchschauen.

Zitternd – ob aus Wut oder Erregung, konnte sie nicht sicher sagen – schlug sie die schwere Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss.

Ihr Herz pochte und sie lehnte sich gegen die Tür, als sie seine Stimme dahinter hörte.

„Süße Träume, Virginia.“

Ein leises Lachen folgte.

Dieser Hexer würde zu ihrem Verderben werden, wenn sie nicht aufpasste.

3

 

Ungeduldig wanderte Zoltan vor der Lavagrube in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Ungeduldig, denn ein paar Stunden zuvor war ihm mitgeteilt worden, dass die zwei Dämonen, die er auf eine Geheimmission gesandt hatte, eine Entdeckung gemacht hatten, die sie ihm persönlich überbringen mussten.

Ein Klopfen an der Tür. Endlich!

Zoltan drückte gegen einen kleinen Kieselstein, der aus dem Sims um die Lavagrube herausragte, und ein flacher Stein glitt über das Feuer und bedeckte es vollständig.

Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Herein!“

Die Tür schwang auf. Der erste Dämon, der hereinkam, war Vintoq, seine rechte Hand, ein großer Mann mit dichtem, dunklem Haar. Er hatte Vintoq, kurz nachdem er die Macht ergriffen hatte, als seinen Berater eingesetzt, da dieser intelligenter als seine Brüder zu sein schien. Er war nicht nur ein Mitläufer – er brachte eigene Ideen und Vorschläge ein und zeigte Initiative.

„Oh Großmächtiger, Ihr habt gebeten, dass Ulric und Fletcher sofort zu euch gebracht werden sollten, sobald sie zurückkehrten“, sagte Vintoq, dessen grüne Augen wie Leuchtfeuer in der Dunkelheit strahlten. Jene Augen, das einzige äußerliche Anzeichen des Wesens eines Dämons, waren auch ihre Achillesferse. Denn so erkannten die Hüter der Nacht einen Dämon sofort.

„Lass sie hereinkommen.“

Vintoq blickte über seine Schulter und winkte in Richtung des dunklen Korridors. Sekunden später traten zwei weitere Dämonen ein. Ulric war von korpulenterer Statur, mit kleinen, perlenartigen Augen und einem vollen Schopf aus blonden Haaren, der seine Wikinger-Abstammung verriet. Fletcher, der andere Dämon, der nun wie Ulric seinen Kopf zum Gruß beugte, war größer und dunkler.

Zoltan nickte Vintoq zu. „Schließ die Tür.“

Als Vintoq die Tür erreichte, fügte Zoltan hinzu: „Von außen.“

Vintoq gehorchte schnell und verbeugte sich auf dem Weg nach draußen. Zoltan würde ihm später alles mitteilen, nachdem er seinen Plan ganz ausgearbeitet hatte. Doch zuerst musste er herausfinden, ob Ulric und Fletcher mit umsetzbaren Informationen zurückgekommen waren.

„Erhebt euch!“, befahl er.

Die zwei Dämonen hoben unverzüglich ihre Köpfe. „Oh Großmächtiger“, sagten sie im Einklang.

„Hmm.“ Zoltan stand von seinem Schreibtisch auf. „Was habt ihr für mich?“

Ulric trat vor. „Eure Ahnung hat sich als ertragreich herausgestellt. Wir haben den Standort gefunden.“

Zoltans Herz pochte vor Aufregung. Seine Bemühungen hatten sich ausgezahlt. „Ihr habt ihre Festung gefunden?“

Ulric nickte. „Eine ihrer Festungen. Wir wissen nicht, wie wichtig sie ist, aber sie ist eines ihrer Lager. Wenn wir dort eindringen könnten –“

Zoltan hob seine Hand. „Ich weiß, dass wir das können. Aber eins nach dem anderen. Zeigt mir, wo die Festung ist.“

Ulric holte ein Blatt Papier hervor, faltete es auf, ging zum Schreibtisch und legte es vor Zoltan. Es war ein Teil einer Karte. Zoltan studierte sie einen Augenblick lang und konzentrierte sich auf das Kreuz, das Ulric gemacht hatte.

Zoltan schaute hoch. „Wie viele Hüter waren anwesend?“

Ulric tauschte einen hilflosen Blick mit Fletcher aus.

Fletcher zuckte mit den Schultern. „Wir waren nicht imstande, weiter nachzuforschen, ohne zu riskieren, entdeckt zu werden.“

Zoltan dachte einen Augenblick lang über die Worte nach. „Ich will, dass ihr drei eurer Männer nehmt und zu diesen Koordinaten zurückkehrt. Macht allen klar, dass dies nur eine Aufklärungsmission ist. Greift nicht an. Ich will nur, dass ihr die Lage auskundschaftet. Zahl der Hüter, Portale, Waffen. Ich will einen Überblick über das Lager, Eingänge, Ausgänge, Orte, um sich zu verstecken. Alles. Lasst euch nicht erwischen.“

„Aber, wie kommen wir hinein?“, fragte Ulric.

„Ihr habt den Standort. Ihr braucht nur Sichtkontakt, um einen Vortex zu projizieren.“ Mit einem Vortex konnte ein Dämon überall hinreisen, wo er wollte, solange er eine klare Vorstellung seines Ziels hatte. Glücklicherweise war dies mit Internet und Google Street View viel einfacher geworden.

„Aber das Lager ist verborgen, unsichtbar“, sagte Ulric.

„Aber es ist da. Findet die Außenwände. Berührt sie“, wies Zoltan an. „Dann projiziert einen Vortex und konzentriert euch auf eine Stelle einige Meter hinter der Wand als Bestimmungsort.“

Es war riskant und es gab keine Garantie, dass seine Untertanen sich nicht direkt in eine Steinwand transportieren würden, was sie zerquetschen und somit töten würde. Aber er war bereit, dieses Risiko einzugehen. Es war wert, einige Dämonen zu opfern, solange zumindest einer zurückkam, um von den Verteidigungsanlagen der Hüter der Nacht zu berichten.

„Ja, oh Großmächtiger“, sagte Ulric.

Fletcher fügte hinzu: „Wie Ihr befehlt.“

„Geht nun und schickt Vintoq herein.“

Die zwei Dämonen verbeugten sich und verließen den Raum. Einen Augenblick später erschien Vintoq.

„Ihr wolltet mich sehen?“

„Wir haben einiges zu erledigen, Vintoq. Bald werden wir in der Lage sein, die Hüter der Nacht endgültig zu vernichten.“ Er lachte. „Und dann wird es niemand mehr schaffen, meine Herrschaft über die Welt zu verhindern.“

Er würde nicht nur Herrscher über die Dämonen, sondern Herrscher über die ganze Menschheit sein.

Bald würde jedes lebende Geschöpf in dieser Welt sich vor ihm, Zoltan, dem Großmächtigen, verbeugen.

4

 

Obwohl eine Nacht in der Zelle nicht gerade das war, was Wesley geplant hatte, beschwerte er sich nicht. Im hinteren Teil seines Gefängnisses gab es eine einfache Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette. Auch das Feldbett war nicht ganz so hart, wie er erwartet hatte. Er war früh aufgewacht und hatte sich geduscht, froh, dass er sich am Tag zuvor frische Kleidung von Aiden geborgt hatte. Zumindest war er sauber und ansehnlich.

Komisch, dass das seine größte Sorge war: für Virginia gut auszusehen, obwohl sie ihm am Abend zuvor die kalte Schulter gezeigt hatte. Aber er war nicht leicht zu entmutigen.

Als er schließlich Schritte hörte, die auf seine Zelle zukamen, fing sein Herz an, aufgeregt zu schlagen. Er kämmte mit den Fingern durch sein Haar und glättete es. Dann nahm er einen tiefen Atemzug und bereitete sich auf die heiße Hüterin der Nacht in dem Catwoman-Outfit vor. Mann, war sie sexy! Die ganze Nacht hatte er dieses Bild in seinem Kopf gehabt, was ihm eine Dauererektion verschafft hatte.

Der Schlüssel drehte sich im Schloss.

Wesleys Puls raste; mit dieser Geschwindigkeit würde er das Kentucky Derby gewinnen können.

Endlich war das Warten vorbei und die Tür schwang auf. Doch die Silhouette gehörte nicht zu Virginia. Zu groß, zu breit.

„Du wolltest Pancakes, nicht wahr?“ Aiden stand im Eingang und hielt ein Frühstückstablett in den Händen. „Hoffentlich hast du nichts dagegen, wenn ich nicht hereinkomme, aber Blei und ich verstehen uns nicht besonders. Das raubt mir meine ganze Kraft.“

Wes verstaute diese Information für eine spätere Verwendung und näherte sich dem freundlichen Hüter.

„Danke, sehr nett von dir. Wenn es nach Virginia ginge, würde ich vermutlich verhungern.“ Wesley schnappte sich die Tasse Kaffee vom Tablett und nahm einen großen Schluck der heißen Flüssigkeit, die ihn spürbar wiederbelebte.

„Sei vorsichtig mit ihr“, warnte Aiden, als er sich mit gesenkter Stimme näherbeugte. „Sie war eine Vollstreckerin, bevor sie dem Rat beitrat. Sie könnte dich kinderleicht plattmachen. Du hättest keine Chance. Gib also acht, was du zu ihr sagst.“

Wes grinste und nahm einen Pancake, faltete ihn und schob ihn in den Mund. Auf Virginias Einstellung hatte er bereits einen Vorgeschmack bekommen. Er schluckte sein Essen hinunter. „Eine Vollstreckerin also, wie? Sie kann bei mir so viel vollstrecken, wie sie will.“

Aidens Augen weiteten sich und die Narbe über seiner Augenbraue schien zu zucken. „Bist du verrückt? Spiel nicht mit dieser Frau! Mit der ist nicht zu spaßen.“

Wes grinste verschmitzt. „Mit mir auch nicht. Mach dir keine Sorgen, ich kann mit Frauen wie ihr umgehen. Sie wird im Handumdrehen wie ein Kätzchen schnurren.“

„Völlig geisteskrank. Ich hätte es wissen sollen. Ich hätte es in der Minute sehen sollen, als du hier aufgetaucht bist.“ Er schüttelte den Kopf. „Warum zum Teufel willst du ihr an die Wäsche? Sie verspeist Männer zum Frühstück.“

Wes lachte leise. „Ganz mein Geschmack, wie ich schon vermutet habe.“

„Geisteskrank. Und ich habe sogar meinen Vater angerufen, um ein gutes Wort für dich einzulegen. Aber du bist ein aussichtsloser Fall.“

Wes spülte seinen zweiten Pfannkuchen mit einem Schluck Kaffee hinunter. „Dein Vater? Was hat er damit zu tun?“

„Er ist Primus des Rates.“

„Primus?“

Aiden schnaubte ungeduldig. „So etwas wie ein Vorsitzender, weißt du. Er hat viel Einfluss.“

„Cool. Nun, danke, dass du mit ihm geredet hast. Das weiß ich sehr zu schätzen. Du bist ein Freund.“

„Ja, ein Freund, der bedauern wird, dass er dir so schnell vertraut hat“, zischte Aiden. „Du tust dir keinen Gefallen, wenn du Virginia anmachst. Sie ist ein Ratsmitglied, und auch wenn sie neu ist, hat sie eine Stimme. Sie muss nur vier andere Ratsmitglieder gegen dich aufbringen und dein Schicksal ist besiegelt.“

„Was soll das bedeuten? Was können sie mir schon antun?“

„Dich für das Durchdringen unserer Verteidigung exekutieren.“

Nicht wirklich eine Perspektive, die ihm gefiel. „Na gut, in dem Fall sollte ich lieber dafür sorgen, dass Virginia mich mag.“

Aiden verdrehte die Augen und drückte Wesley das Tablett in die Hände. „Warum vergeude ich meinen Atem überhaupt?“ Er griff nach der Tür, um sie zu schließen, als eine andere Gestalt im Korridor erschien: Virginia.

Wes schob Aiden das Tablett wieder zu, wischte die Hände an seiner Hose ab und machte einen Schritt in den Korridor.

„Hoffnungsloser Fall“, murmelte Aiden noch leiser und drehte sich weg.

„Morgen, Virginia“, grüßte Wes seine Gefängniswärterin mit einem Lächeln und ließ seine Augen über sie schweifen.

„Was macht er außerhalb seiner Zelle?“

Aiden hob das Tablett in seinen Händen als eine Art Erklärung.Ein Mann muss essen. Und ich gehe ganz sicher nicht in diese Zelle.“

Virginia schien die Entschuldigung anzunehmen und sah Wesley schließlich direkt an. „Der Rat ist bereit, deinen Fall zu hören.“

Soviel dazu, Zeit zu haben, Virginias Meinung über ihn zu beeinflussen. Er hatte auf ein wenig Verzögerung gehofft. „Das ging aber schnell.“

„Sie sind begierig darauf, zu erfahren, wie du in der Lage warst, das Portal zu benutzen“, sagte sie zu seiner Überraschung.

Es schien, als wäre Virginia heute ein wenig gesprächiger als in der Nacht zuvor. Konnte er diese Tatsache irgendwie ausnutzen?

„Und ich bin ebenso begierig darauf, ihre Bekanntschaft zu machen“, log Wes.

Er hätte es vorgezogen, mehr Zeit hier im Komplex zu verbringen, oder noch besser, alleine mit Virginia, um seinen Charme auf sie wirken zu lassen. Er wusste, dass sie letztendlich nachgeben würde; er brauchte nur Zeit. Aber anscheinend war die Zeit gerade abgelaufen.

„Gehen wir“, befahl Virginia.

„Angenehme Reise“, sagte Aiden.

Wes blickte in seine Augen und sah die Warnung darin. Mach nichts Dummes.

Würde ich das je tun?, formte Wes stumm mit seinem Mund.

Mit einem übertriebenen Augenrollen machte Aiden kehrt und marschierte davon.

Virginia zeigte auf einen zweiten Korridor.

„Wir nehmen das Portal, nehme ich an?“, fragte Wes, da er erkannte, wohin Virginia ihn führte.

„Es ist der schnellste und sicherste Weg. Ich möchte keine endlosen Stunden auf einem Flug verbringen.“

„So weit also?“ Es interessierte ihn nicht wirklich, aber er wollte Konversation betreiben.

„Das geht dich nichts an.“

Hmm. Anscheinend war das eine schlechte Frage gewesen. „Sie mögen also Flugzeuge nicht?“

„Ich habe nichts gegen Flugzeuge.“

„Warum wollen Sie dann nicht fliegen? Um ehrlich zu sein, fand ich es etwas beunruhigend, wie eine Stoffpuppe in dem Portal herumgeschleudert zu werden.“

Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Weil es bedeuten würde, dass ich endlose Stunden mit dir verbringen müsste.“

Er lachte. „Das habe ich heraufbeschworen, oder?“

Er hatte es kommen sehen. Er wusste, dass den glücklosen Dummkopf zu spielen, seinen Charme hatte und bei vielen Frauen funktionierte – sowohl bei menschlichen als auch vampirischen. Er hatte dadurch viele Frauen ins Bett bekommen, weil sie ihn süß und überhaupt nicht bedrohlich gefunden hatten. Doch sie wussten nicht, dass unter dieser sorgenfreien Fassade der eiserne Wille eines Alpha-Mannes lag.

Frauen zu verführen war für ihn schon immer ein angenehmer Zeitvertreib, ein Hobby gewesen. Virginia zu verführen würde etwas ganz anderes sein. Es würde eine kritische Mission sein, doch nicht weil er ein Bündnis mit ihrer Rasse schmieden musste, sondern weil der Alpha-Mann in ihm sie wollte, wie er seinen nächsten Atemzug wollte.

„Dort hinein!“

Virginias Befehl unterbrach sein Nachsinnen. Sie hatten das Portal erreicht. Die Tür oder wie auch immer sie den Eingang nannten, war bereits offen. Er nickte und schritt in den dunklen höhlenartigen Raum. Er war nicht größer als ein Hotelaufzug, der acht Leute transportieren konnte.

Virginia trat ebenfalls ein und eine Sekunde später wurde es dunkel. Die Öffnung hatte sich geschlossen.

Er bereitete sich darauf vor, wieder herumgeschleudert zu werden, als Virginia seinen Arm ergriff. Sein Herz stoppte für einen kurzen Moment. Was zum Teufel passierte gerade? Reagierte sie doch auf seinen Charme? Gab sie ihm ein Zeichen, dass sie an ihm interessiert war?

Verdammt, er würde ein wenig Fummeln in der Dunkelheit nicht ausschlagen!

„Du magst es also gern im Dunkeln, wie?“, murmelte er und legte seinen anderen Arm um ihre Taille, um sie an sich zu ziehen. „Dagegen habe ich überhaupt nichts.“

„Was zum Teufel soll das?“, knurrte sie und riss seinen Arm von ihr, während sie weiterhin seinen Oberarm mit der anderen Hand festhielt.

Völlig verwirrt stotterte er: „Aber, aber du, äh, Sie haben mich berührt. Ich dachte …“

„Verdammt! Du dachtest, ich –?“ Sie stoppte sich. „Nie im Leben! Ich muss dich berühren, um dich mitzunehmen. Wenn ich das nicht tue, würdest du hier bleiben.“

„Oh.“

Nun, das war ein bisschen peinlich. Aber er tat es mit einem Schulterzucken ab, wie er alle kleinen Rückschläge abtat. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Aber bald würde sich eine andere Gelegenheit auftun. Er gab die Hoffnung noch nicht auf. Schließlich hatte er Jahre gebraucht, um sein Handwerk als Hexer zu erlernen, und dabei hatte er viele Rückschläge erfahren. Er war gewohnt, es immer wieder zu versuchen. Besonders wenn die Belohnung es wert war.

Alle folgenden Gedanken verschwanden, da er in jenem Moment wie Kleidung in einem Trockner in die Luft geschleudert wurde. „Ah Fuck! Ich bin doch keine nasse Socke!“

„Ruhig, wir sind fast da.“ Virginias Stimme war überraschend beruhigend, genauso wie die Tatsache, dass sie ihn plötzlich mit beiden Händen festhielt.

Er konzentrierte sich auf ihre Berührung und auf nichts anderes und blendete damit das taumelnde Gefühl aus. Vielleicht war es doch nicht so schlimm, durch das Portal zu reisen.

5

 

Virginia ließ Wesleys Arme los.

Sie waren an ihrem Bestimmungsort angekommen. Doch sie brauchte einen kurzen Augenblick, um sich wieder zu fangen – und das nicht wegen der Reise durch das Portal. Als Hüterin der Nacht war sie nicht anfällig für die Verwirrung, die Menschen und andere Geschöpfe erlebten, wenn sie so reisten. Doch Wesley zu berühren, etwas, wozu sie gezwungen war, um ihn mit sich zu transportieren, hatte ihr ein prickelndes Gefühl, das von ihren Handflächen aus durch ihren ganzen Körper ging, beschert. Ein überhaupt nicht unangenehmes prickelndes Gefühl. Und das verunsicherte sie.

Seine Muskeln hatten sich unter ihrer Berührung angespannt und sie hatte deren Stärke gespürt. Obwohl er nicht so stark wie sie war, war es offensichtlich, dass dieser Mann seinen Körper pflegte und trainierte, um körperliche Stärke zu erlangen, welche Hexen nicht automatisch von Natur aus besaßen. Hüter der Nacht, Dämonen und Vampire, ja, deren körperliche Stärke war Teil ihres Wesens. Doch der Körper einer Hexe war nicht viel anders als der eines Menschen. Nur ihr Wissen über Magie machte sie gefährlich. Selbstverständlich konnte Magie innerhalb der Wände der Komplexe der Hüter der Nacht nicht existieren.

Warum fühlte sie sich dann, als läge ein Zauber auf ihr, wann immer er sie mit seinen babyblauen Augen ansah? Hatte er andere Kräfte, Kräfte, gegen die sie keine Verteidigung hatte?

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Wesley plötzlich.

„Wir sind da.“ Sie zeigte mit dem Daumen hinter ihn, wo das Portal sich bereits geöffnet hatte.

„Danke für den wilden Ritt.“ Er grinste verschmitzt und drehte sich um, um das Portal zu verlassen.

Sie war froh darum, denn seine Worte hatten ihr eine völlig andere Art von Ritt in den Sinn gebracht, einen Ritt, bei dem sie mit gespreizten Beinen auf einem nackten Hexer saß. Und diese Vorstellung setzte ihre Wangen in Flammen. Sie verdrängte das Bild aus ihrem Kopf und trat aus dem Portal.

Wesley stand im Korridor und wartete auf sie.

„Komisch“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Kein Alarm. Als ich das Portal das erste Mal benutzte, ging er sofort los.“

Virginia nickte. „Weil du es alleine verwendet hast. Die Anwesenheit eines Hüters der Nacht hebt den Alarm auf.“

„Interessant.“

Hmm. Möglicherweise hätte sie ihm das nicht sagen sollen. Zu spät. Nicht dass er in der Lage sein würde, etwas damit anzufangen. Er könnte weder sie noch ein anderes Mitglied ihrer Spezies überwältigen und diese Person zwingen, das Portal für ihn zu betätigen.

„Also, wo sind wir?“

„Im Ratskomplex.“

„Und wo ist das?“

Virginia schnaubte. „Denkst du wirklich, ich würde dir das sagen? Nur die Hüter der Nacht kennen den Standort. Nicht einmal ihre menschlichen Gefährtinnen sind in diese Information eingeweiht. Also werde ich sie dir ganz sicher nicht geben.“

Wesley zuckte mit den Schultern, als wäre das für ihn nicht von Bedeutung. „Ich betreibe nur Konversation.“

Das glaubte sie nicht eine Sekunde lang. „Sicher.“