Victor Hugo
Die Arbeiter des Meeres
eISBN/EAN: 9783959091589
Victor Hugo: »Die Arbeiter des Meeres«. Erstdruck 1866. Die Orthografie dieser Ausgabe wurde der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst und die Interpunktion behutsam modernisiert.
Erscheinungsjahr: 2017
Erscheinungsort: Berlin, Deutschland
Europäischer Literaturverlag GmbH, Beymestr. 13 a, 12167 Berlin (http://elv-verlag.de).
Printed in Germany
Cover: Philips Wouwerman: »Schiffe in Seenot«, Ausschnitt, um 1650.
Erster Teil: Herr Clubin
Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Viertes Buch
Fünftes Buch
Sechstes Buch
Siebentes Buch
Zweiter Teil: Der hinterlistige Gilliatt
Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Viertes Buch
Dritter Teil. Deruchette
Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Ich widme dieses Buch dem Felsen der Gastfreundschaft und Freiheit, jenem Winkel altnormannischer Erde, wo das kleine edle Volk des Meeres lebt, der rauen und lieben Insel Guernesey, gegenwärtig meine Zufluchtsstätte und wahrscheinlich mein Grab.
V. H.
Die Religion, die Gesellschaft, die Natur, sie bilden die drei Kämpfe des Menschen. Diese drei Kämpfe sind zugleich seine drei Bedürfnisse. Er muss glauben, daher der Tempel; er muss schaffen, daher die Gemeinde; er muss leben, daher der Pflug und das Schiff. Aber diese drei Lösungen schließen drei Kriege ein. Aus allen Dreien ergibt sich die geheimnisvolle Schwierigkeit des Daseins. Der Mensch besteht den Kampf mit dem Hindernis in der Gestalt des Aberglaubens, in der Gestalt des Vorurteils, in der Gestalt des Elements. Ein dreifacher verhängnisvoller Zwang lastet auf uns, der Zwang der Dogmen, der Zwang der Gesetze, der Zwang der Verhältnisse. In Notre Dame de Paris wies der Verfasser auf den Ersteren hin, in den Miserables deutete er den zweiten an, im vorliegenden Buch bezeichnet er den dritten. Zu diesem dreifachen den Menschen einhüllenden Verhängnis gesellt sich das innere Verhängnis, die höchste aller Notwendigkeiten, das menschliche Herz.
Worauf ein schlechter Ruf sich gründet.
Ein Wort, geschrieben auf ein weißes Blatt.
Der Weihnachtstag des Jahres 182* zeichnete sich zu Guernesey durch ein ganz unerhörtes Faktum aus: Es schneite an diesem Tage. Auf den Inseln des Kanals ist Eis eine Merkwürdigkeit und Schnee ein Ereignis.
An diesem Christmorgen war der Weg am Ufer des St. Patrickhafens ganz weiß. Es hatte von Mitternacht bis gegen Morgen geschneit. Bald nach Sonnenaufgang, etwa um die neunte Stunde, um welche Zeit die Anglikaner noch nicht in die Kirche von St. Sampson und die Wesleyaner noch nicht nach der Kapelle Eldad zu wandern pflegen, war der Weg am Ufer noch fast menschenleer. Auf der ganzen Strecke, welche die Türme beider Kirchen von einander scheidet, befanden sich nur drei Wanderer, ein Kind, ein Mann und ein Weib. Jeder einzelne dieser Fußgänger schritt, getrennt von den Übrigen, einsam seines Weges dahin; kein sichtbares Band vereinigte sie. Das Kind, welches ungefähr acht Jahre zählen mochte, war stehen geblieben und beobachtete mit Neugier den Schnee. Der Mann ging in einer Entfernung von ungefähr hundert Schritten hinter der Frau her und verfolgte gleich ihr, den Weg nach Saint-Sampson. Er war noch jung; sein Äußeres verriet einen Arbeiter oder Matrosen. Er trug seinen Werktagsanzug, einen Kittel von grobem Tuch und ein nach unten beteertes Beinkleid, was anzudeuten schien, dass er ungeachtet des Festtages in keine Kirche zu gehen beabsichtigte. Seine schweren Schuhe waren von rohem Leder, mit dicken eisernen Nägeln beschlagen; sie hinterließen im Schnee Spuren, welche eher einem Gefängnisschlosse, als den Fußtapfen eines Menschen glichen. Die weibliche Fußgängerin hatte eine sorgfältigere Toilette gemacht; sie trug ersichtlich ihren Sonntagsstaat, welcher aus einem weiten wattierten schwarz seidenen Mantel bestand, der ein sehr kokettes Kleid von irischem Popelin mit rosa und weißen Falbelas in seine reichen Falten hüllte. Hätte sie nicht rote Strümpfe getragen, so hätte man sie für eine Pariserin halten können. Sie schritt mit jenem leichten und elastischen Gang eines jungen Mädchens dahin, dem das Leben noch keine Bürde ist. Ihre Haltung besaß jene flüchtige Grazie, die der zartesten Übergangsperiode eigen ist, welche zwei Dämmerungen, die der endenden Kindheit und der beginnenden Jungfräulichkeit mit einander verbindet. Der männliche Wanderer hatte für alles dieses keine Augen.
Als sie jedoch, in der Nähe eines Eichengebüsches, den ein Hanffeld begrenzte, an einem Orte angekommen war, welchen man »die niedrigen Häuser« nannte, wandte sie sich um, und nun sah ihr der Mann ins Angesicht. Sie blieb stehen, schien ihn einen Augenblick zu beobachten, und er glaubte zu bemerken, dass sie mit dem Finger etwas in den Schnee schrieb. Dann erhob sie sich schnell, verdoppelte ihre Schritte, sah sich nochmals um, lächelte, und verschwand dann links hinter den Hecken, welche den Weg begrenzen, der nach dem Schlosse von Lierre führt. Als sie sich zum zweiten Male umgewendet hatte, erkannte sie der Mann: Es war Deruchette, ein reizendes Landmädchen.
Er fühlte nicht das geringste Bedürfnis, seinen Schritt zu beschleunigen; einige Augenblicke später erreichte er den Eichenbusch am Winkel des Hanffeldes. Er dachte schon nicht mehr an diejenige, welche soeben diese Stelle verlassen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass, wenn in diesem Moment ein Delfin aus dem Meer hervorgetaucht, oder ein Rotkehlchen im Busch gesungen hätte, er das Auge auf den kleinen Vogel oder den Fisch gerichtet haben würde. Zufällig hatte er in diesem Augenblick die Wimper gesenkt, und so kam es, dass unwillkürlich sein Blick an jener Stelle haftete, auf welcher das junge Mädchen stehen geblieben war. Zwei kleine Fußspuren bezeichneten dieselbe, und daneben las der Wanderer das in den Schnee geschriebene Wort »Gilliatt.«
Es war sein Name.
Er hieß Gilliatt.
Lange blieb er regungslos auf dieser Stelle stehen, betrachtete die Schrift, sowie die in den Schnee eingedrückten kleinen Fußspuren, und ging dann gedankenvoll weiter.
Das Gespensterhaus.
Gilliatt wohnte in der Pfarrei von Saint-Sampson. Er war dort nicht beliebt. Das hatte seine Gründe.
Erstens bewohnte er ein Haus, in dem es nicht geheuer war. Dem, welcher die Gegend von Jersey und Guernesey besucht, begegnet es wohl leicht, dass ihm auf dem Lande, in der Stadt, in irgendeinem einsamen Winkel, oder auch in einer belebten Straße, ein Haus auffällt, dessen Eingang verbarrikadiert ist. Stechpalmen und Dorngestrüpp versperren die Tür; mit Nägeln beschlagene Bretter bedecken wie hässliche Pflaster die Fenster des Erdgeschosses. Die des oberen Stockwerks sind zugleich geschlossen und geöffnet; die Rahmen der Fenster nämlich sind alle sorgfältig verriegelt, die Scheiben jedoch sämtlich zerbrochen. Wenn solch ein Haus einen Hof hat, wächst fußhohes Gras darin; hat es zufällig auch einen Garten, so kann man sich darauf verlassen, dass in demselben eine Fülle von Unkraut, Brennnesseln, Dornen und Schierling wuchert, und man kann darin die Bekanntschaft vieler seltener Insekten machen. Im Innern aber ist das Haus zerfallen; die Schornsteine sind geborsten, die Dächer schadhaft, die Balken verfaulen, die Steine verschimmeln, die Tapeten der Zimmer hängen in Fetzen von den entblößten Mauern herab. Man kann auf diesen Fetzen die wechselnden Moden der verschiedenen Epochen studieren. Man findet auf ihnen die Greife des Kaiserreichs, die bogenartigen Draperien des Direktoriums, wie die Geländer und Halbsäulen, welche den Geschmack des Zeitalters Ludwig XVI. kennzeichneten. Die dichten Spinnengewebe mit ihrer Menge von Fliegenleichen lassen auf den tiefsten Frieden, die ungestörteste Ruhe dieser fleißigen Arbeiterinnen schließen. Hie und da bemerkt man einen zerbrochenen Topf auf einem Brett. Von solchen Häusern sagt man, es spuke darin, und der Teufel treibe dort allnächtlich sein Wesen.
Ein Haus kann, wie der Mensch, eine Leiche werden. Der Aberglaube vermag es zu töten. Dann ist es ein Gegenstand des Grauens. Diese toten Häuser sind nicht selten auf den Inseln des Kanals.
Die Land- und Seeleute verstehen, was den Teufel betrifft, keinen Spaß. Die vom Kanal, dem englischen Archipelagus und der französischen Küste haben ihre ganz bestimmten Vorstellungen von ihm. Der Teufel hat nach ihrer Meinung seine Abgesandten in allen Weltgegenden. Belphegor ist sein Gesandter in Frankreich, Hutgin in Italien, Belial in der Türkei, Thamutz in Spanien, Martinet in der Schweiz und Mammon in England. Satan ist so gut Kaiser wie ein anderer. Satan-Cäsar! Er macht ein großes Haus. Dagon ist Groß-Bannerträger, Succor Benoth das Haupt der Eunuchen, Asmodeus der Chef der Spielbanken, Kobal Theater-Direktor und Verdelet Groß-Zeremonienmeister; Nybbas ist der Hofnarr; Wiérus, den ausgezeichneten Gelehrten, guten Vampirkenner und wohlunterrichteten Dämonograf, nennt Nybbas »den großen Parodisten.«
Die Fischer der Normandie sind auf offner See sehr auf ihrer Hut vor den Blendwerken des Teufels. Man war lange Zeit der Meinung, dass der heilige Maclou den großen viereckigen Felsen Ortach bewohne, welcher sich zwischen Aurigny und den Klippen von Gers befindet, und viele alte Matrosen versichern, ihn oft auf diesem Felsen sitzend und in einem Buche lesend gesehen zu haben. Vorüberfahrende Schiffer versäumten es daher auch niemals, vor dieser Steinmasse andächtig ihr Knie zu beugen, bis die alles besiegende Wahrheit auch diese Sage verdrängte. Man hat seitdem die Entdeckung gemacht, dass der Bewohner des Felsens Ortach kein Heiliger, sondern ein Teufel sei. Dieser Teufel, mit Namen Jochmus, hatte sich arglistigerweise mehrere Jahrhunderte hindurch für den heiligen Maclou ausgegeben. Solche Irrtümer kommen vor; ist doch die Kirche selber zuweilen darin befangen. Die Teufel Raguhel, Oribel, Tobiel waren Heilige bis zu dem Jahre 745, wo der Papst Zacharias ihre Teufelei gewittert und sie ausgetrieben. Um solche Austreibungen vornehmen zu können, welche sicherlich sehr nützlich sind, muss man in der Teufelei sehr bewandert sein.
Die alten Landleute erzählen – jedoch gehören diese Tatsachen der Vergangenheit an – dass die katholische Bevölkerung des normännischen Archipelagus, obgleich gegen ihren Willen, mit dem Bösen in engerer Verbindung stand als die Hugenotten. Warum? Wissen wir nicht. Sicher ist, dass diese Minorität ehemals vom Bösen sehr geplagt wurde. Der Teufel hatte die Katholiken in ganz besondere Affektion genommen, und zog ihren Umgang dem der Hugenotten vor, was für die Wahrscheinlichkeit spricht, dass der Teufel eher Katholik als Protestant ist. Zu den unerträglichsten Vertraulichkeiten, welche er sich herausnahm, gehörten die nächtlichen Besuche, die er katholischen Eheleuten in dem Augenblick, wo der Mann schon ganz, die Frau jedoch erst halb eingeschlafen war, abstattete. Daher die vielfachen Missgeburten. Patrouillet erklärte Voltaires Entstehung auf diese Weise. Diese Meinung ist nicht ganz unwahrscheinlich. Ein solcher Fall ist übrigens ganz bekannt und in den Beschwörungsformeln unter der Rubrik: de erroribus nocturnis et de semine diabolorum beschrieben. Er wurde zu St. Helier mit ganz besonderer Strenge behandelt; wahrscheinlich zur Strafe für die Sünden der Revolution. Die Folgen der revolutionären Frevel sind unberechenbar. Wie dem aber auch sein mag, die Möglichkeit eines nächtlichen Besuchs vom Teufel machte vielen rechtgläubigen Frauen großen Kummer. Es ist freilich nicht angenehm, einen Voltaire zur Welt zu bringen. Eine dieser Frauen erkundigte sich in ihrer Herzensangst bei ihrem Beichtiger nach einem Mittel, noch bei Zeiten dem Unfug dieser Verwechselung zu steuern. Der Beichtvater antwortete: Wenn Ihr wissen wollt, ob Ihr es mit Eurem Manne oder mit dem Teufel zu tun habt, so dürft Ihr ihn nur an die Stirn fassen; fühlt Ihr dort Hörner, so könnt Ihr sicher sein, dass … Was denn?, fragte die Frau.
Das Haus, welches Gilliatt bewohnte, gehörte ehemals zu denen, in welchen es spukte. Jetzt zwar stand es nicht mehr in dem Ruf, allein gerade deshalb war es umso verdächtiger. Es herrschte kein Zweifel, dass, wenn in einem Haus, in welchem es spukte, ein Hexenmeister wohne, der Teufel dasselbe gut verwahrt glaube und dann so höflich sei, wie der Arzt zum Kranken, der nur, wenn er gerufen wird, kommt.
Dieses verrufene Haus also hieß das Gespensterhaus. Es befand sich an der Spitze einer Land- oder vielmehr Felsenzunge, welche einen eigenen kleinen Ankerplatz in der Bucht von Houmet-Paradis bildete. Das Wasser ist dort tief. Fast abgeschnitten von der übrigen Insel, stand das Haus ganz allein auf der Landzunge; das geringe Erdreich seiner Umgebung lieferte nur notdürftig den Raum zu einem kleinen Gemüsegarten. Zur Zeit der Flut stand derselbe völlig unter Wasser. Zwischen dem Hafen von St. Sampson und der Bucht von Houmet-Paradis befindet sich der große Hügel, welchen die mit Efeu umrankten Türme des Schlosses du Valle krönen. Man konnte daher von St. Sampson aus das Gespensterhaus nicht sehen.
In Guernesey sind Hexenmeister noch etwas ganz Gewöhnliches. Diese Art Leute üben in gewissen Kirchspielen ihr Geschäft aus, ohne dass das neunzehnte Jahrhundert etwas dagegen einzuwenden hätte. Die Ausübung dieser Künste ist wahrhaft sträflich. Sie machen Gold, pflücken um Mitternacht Kräuter, und behexen das Vieh durch den bösen Blick. Man holt sich Rat bei ihnen, bringt ihnen das Wasser der Kranken und schüttelt kummervoll den Kopf, wenn sie sagen: »Das Wasser scheint höchst bedenklich.« Einer von ihnen hatte im März des Jahres 1857 in dem Wasser eines Kranken nicht weniger als sieben Teufel entdeckt. Solche Leute sind eben so gefürchtet als furchtbar. Ein anderer von Ihnen hatte einmal einen Bäcker samt seinem Backofen verhext. Wieder ein anderer hatte die Bosheit, mit der größten Sorgfalt Briefkuverts zu versiegeln, welche nichts enthielten. Noch ein anderer hatte in seinem Hause drei Flaschen auf einem Brette stehen, welche mit einem Etikett versehen waren, auf welchem der Buchstabe B zu lesen war. Diese Tatsachen sind erwiesen. Einige dieser Zauberer sind sehr mitleidiger Natur; sie übernehmen für drei Goldgulden die Krankheiten ihrer Nebenmenschen, wälzen sich auf ihren Betten umher und schreien. Währenddessen sind die Kranken gesund und von ihren Qualen erlöst. Anderen helfen sie durch ein Taschentuch, welches sie ihnen um den Leib binden. Es ist dabei nur zu verwundern, dass man nicht schon früher an dieses höchst einfache Heilmittel gedacht. Im vorigen Jahrhundert wurden diese Leute durch den Gerichtshof zu Guernesey zum Scheiterhaufen verurteilt und verbrannt; in unserer Zeit sperrt man sie acht Wochen ein: vier Wochen bei Wasser und Brot, und vier Wochen in Einzelhaft. Beide Strafarten wechseln mit einander ab. Amant alterna catenae.
Der letzte Scheiterhaufen, auf welchem man einen Hexenmeister verbrannte, wurde zu Guernesey im Jahre 1747 errichtet. Die Stadt hatte zu dieser außerordentlichen Gelegenheit einen ihrer Plätze, den Kreuzweg der Doggs, hergegeben. Von 1565 bis 1700 wurden auf diesem Platze elf Zauberer verbrannt. In den meisten Fällen legten die Schuldigen ein Geständnis ab. Man erleichterte es ihnen durch die Folter. Dieser Kreuzweg leistete der Gesellschaft und der Religion auch noch andere Dienste. Man verbrannte dort die Ketzer unter Maria Tudor, unter anderen Hugenotten auch eine Mutter, Perrotine Massy mit ihren zwei Töchtern. Eine dieser Töchter war in gesegneten Umständen und genas auf dem Scheiterhaufen eines Knäbleins. Die Chronik bewahrt dieses merkwürdige Ereignis der Nachwelt durch folgende Notiz auf: Ihr Leib spaltete sich, und es entglitt ihm ein Kindlein, welches vom Scheiterhaufen herab auf die Erde rollte. Ein Mann namens House hob das Kindlein auf, aber der Herr Landvogt Hélier Gosselin, ein guter Katholik, ließ dasselbe wieder in die Flammen werfen.
Für Deine Frau, wenn Du Dich vermählst.
Kehren wir zu Gilliatt zurück.
Man erzählte sich dortzulande, dass gegen das Ende der Revolution eine Frau mit einem kleinen Kinde nach Guernesey gekommen wäre, vermutlich eine Engländerin; war sie dies nicht, so war sie wahrscheinlich eine Französin. Sie hatte einen Namen, aus welchem die Sprache und die Orthografie der Einwohner von Guernesey den Namen Gilliatt machte. Diese Frau lebte allein mit ihrem Kinde, das einige für ihren Neffen, andere für ihren Sohn, und wieder andere für keins von beiden hielten. Sie hatte nur gerade so viel Geld, um knapp davon leben zu können. Sie kaufte eine Wiese nahe bei dem Polizeigericht und ein Grundstück in Crespel bei Roquaine. In dem Gespensterhause spukte es zu dieser Zeit. Es war seit dreißig Jahren nicht bewohnt worden, und fiel in Trümmer. Der Garten, durch gar zu häufige Überschwemmungen verwüstet, brachte nichts hervor.
Außer dem allnächtlichen Lärmen und den Lichtern, welche man in diesem Hause flackern sah, erzählten sich die Leute auch noch eine höchst merkwürdige und in der Tat sehr grauenhafte Geschichte, welche dort passierte. Man sagte, dass wenn man am Abend vor dem Schlafengehen einen Knäuel Strickwolle nebst Stricknadeln auf den Kamin lege und einen Teller voll Suppe daneben stelle, so fände man am nächsten Morgen den Teller leer und daneben ein Paar gestrickte Fausthandschuhe. Man bot das Haus samt dem darin sein Unwesen treibenden Kobold für einige Pfund Sterling zum Kaufe an. Diese Frau, entweder vom Teufel oder von der Billigkeit verführt, wagte den Kauf. Ja, sie tat mehr als das: Sie bewohnte auch das Gespensterhaus mit ihrem Knaben, und von diesem Augenblick an wurde es dort ganz ruhig. Die Leute meinten, das Haus hätte nun, was es wollte. Die Gespenster hörten auf, ihr Wesen zu treiben. Man hörte des Morgens nicht mehr schreien und toben, und sah kein anderes Licht darin, als das Talglicht, welches die gute Frau jeden Abend anzündete. Das Licht eines Zauberers, sagten die Leute, ist so gut wie die Fackel des Teufels. Diese Erklärung genügte dem Publikum.
Die Frau lebte von dem Ertrag ihrer wenigen Morgen Landes und von einer guten Kuh, die vortreffliche Milch und gelbe Butter lieferte. Sie verkaufte, wie jede andere Frau vom Lande, ihre Pastinakwurzeln in kleinen Tonnen, ihre Zwiebeln in Bündeln, sowie Bohnen und Kartoffeln metzenweise. Doch brachte sie ihre Waren nicht selber zu Markte, sondern ließ sie durch einen Bekannten, einen Landmann aus der Umgegend namens Guilbert Falliot, feilbieten.
Die Schäden des baufälligen Hauses wurden mühsam ausgebessert, und es wurde wieder in einen etwas wohnlichen Zustand gesetzt. Es musste schon arges Unwetter sein, wenn das Wasser durch die Dachritzen und Öffnungen in die Stuben lief. Die Wohnung bestand aus einem Erdgeschoss und einem Speicher. Das Erdgeschoss hatte drei Säle, welche durch eine Leiter mit dem Speicher in Verbindung standen. Die Frau besorgte nicht nur Haus und Küche, sondern lehrte auch ihr Kind lesen. In die Kirche ging sie nicht. Aus diesem Umstande schloss man, dass sie eine Französin sei. Das »Nirgend-Hingehen« erregte große Bedenklichkeiten.
Im Ganzen genommen wusste man nicht recht, was man aus diesen Leuten machen sollte.
Eine Französin konnte diese Frau wohl sein. Vulkane werfen Steine, Revolutionen Menschen aus. Ganze Familien werden aus ihrem natürlichen Boden gerissen und in fremdes Erdreich verpflanzt; die verschiedenen Glieder zerstreuen und verlieren sich. Menschen fallen aus den Wolken: Diese weht der Wind nach Deutschland, jene nach England, andere nach Amerika. Die Eingeborenen dieser Länder wundern sich: »Wo kommen diese Fremden her?« Der Vesuv hat sie ausgespien. Man gibt diesen ausgestoßenen, verlorenen, aus der Luft gefallenen, diesen vom Schicksal bei Seite geschafften Wesen Namen. Man nennt sie Emigrierte, Flüchtlinge, man nennt sie Abenteurer. Wenn sie bleiben, werden sie geduldet; wenn sie gehen, hat man nichts dagegen. Es sind dies oft – und besonders die Frauen unter ihnen – harmlose Geschöpfe, den Ereignissen, die sie aus ihrer Heimat vertrieben, völlig fremd, und verwundert, ohne ihr Verschulden, ohne Hass noch Zorn zu hegen; sich als von vulkanischen Auswürfen in die Luft geschleuderte Körper betrachten zu müssen. Arme, aus ihrem heimatlichen Boden gerissene Pflanzen, suchen sie im fremden Land, so gut sie können, Wurzel zu fassen. Sie, die niemandem etwas zuleid getan, verstehen das ihnen auferlegte Schicksal nicht. Ich sah, wie einst ein armseliges Büschel Gras von einer Pulvermine in die Luft gesprengt wurde, wie sich die Halme von einander trennten, wie sie sich in der Luft zerstreuten und verloren gingen. Die Französische Revolution hatte mehr solcher Ausgeworfener als irgendein anderer Ausbruch. – Die Frau, welche man in Guernesey Gilliatt nannte, war vielleicht der Halm eines solchen Grasbüschels.
Sie wurde alt, ihr Knabe wuchs heran. Sie lebten allein; von jedermann gemieden, genügten Mutter und Sohn einander. »Wölfin und Wölflein liebkosen sich«, sagten die wohlwollenden Nachbarn. Der Knabe wurde ein Jüngling, der Jüngling ein Mann. Der Baum des Lebens schält sich, die alten Rinden fallen ab und machen den jungen Platz. Die Mutter starb. Sie hinterließ ihrem Sohne ihre Wiese, ihr Grundstück und das alte, baufällige Haus. Im Inventarium waren ferner hundert Goldgulden aufgeführt, welche sich in einem Strumpfe befinden sollten. Das Haus war anständig ausgestattet; es befanden sich in demselben zwei eichene Koffer, zwei Betten, sechs Stühle und andere Utensilien. Auf einem Brett waren einige Bücher aufgestellt, und in der Ecke eines Zimmers stand ein Koffer von durchaus gewöhnlichem Aussehen, welcher wegen des aufzunehmenden Inventariums geöffnet werden musste. Dieser Koffer war von falbem Leder; es waren Arabesken darin eingepresst, und der Deckel war mit kupfernen Nägelköpfen und zinnernen Sternchen geziert. Derselbe enthielt eine vollständige weibliche Aussteuer, Hemden und Unterröcke von holländischer Leinwand, und seidene Kleider im Stück. Es lag ein Zettel dabei, worauf die Worte zu lesen waren: »Für deine Frau, wenn du dich vermählst.«
Dieser Tod verursachte dem Überlebenden großen Kummer. War er bisher ungesellig, so wurde er nun förmlich menschenscheu. Die Welt ward ihm zur Einöde. Es war nicht mehr Einsamkeit; es war völlig Leere um ihn. Zweien ist stets das Leben leicht; dem Einsamen, Verlassenen wird es zur Last, zur Bürde, die er kaum zu tragen vermag. Er versucht es auch gar nicht. Das ist der Anfang der Verzweiflung. Später lernt man es begreifen, dass uns das Leben die Pflicht auferlegt, es zu ertragen. Man betrachtet den Tod, man betrachtet das Leben und willigt darein, diese Pflicht auf sich zu nehmen; doch wird der Entschluss mit blutendem Herzen gefasst.
Gilliatt war noch jung, seine Wunde vernarbte. In seinem Alter heilen noch die Herzenswunden. Seine persönliche Schwermut milderte sich in dem Anblick der Natur. Dieses Gefühl, das eine Art von Reiz hat, zog ihn von den Menschen ab zu den Dingen, und söhnte seine Seele mehr und mehr mit der Einsamkeit aus.
Unbeliebtheit.
Gilliatt war, wie schon gesagt, in seinem Kirchspiel nicht beliebt. Dieser Unbeliebtheit fehlte es nicht an Ursachen. In erster Reihe stand das Haus, welches er bewohnte. Sodann wusste man so gut wie gar nichts über seinen Ursprung. Wer war jene Frau? Und was hatte es mit dem Kinde für eine Bewandtnis? Die Leute in dortiger Gegend zerbrechen sich nicht gern den Kopf über die Fremden, welche sich in ihrer Gegend ansiedeln. Ferner gab ihnen der Arbeiter-Anzug des Sohnes zu denken. Warum kleidet er sich wie ein Arbeiter, wenn er zu leben hat und nicht zu arbeiten braucht? Alsdann war es höchst auffallend, dass der Garten dieser Leute trotz der Äquinoktialstürme und der häufigen Überschwemmungen so gedieh, dass er prächtige Kartoffeln und ausgezeichnetes Gemüse lieferte. Und was mochte es wohl mit den großen dicken Büchern sein, die auf dem Brette standen, und in welchen Gilliatt so häufig las?
Aber das war noch nicht alles!
Woher kam es, dass Gilliatt so allein das düstere Gespensterhaus bewohnte? Es war eine Art Lazarett; man hielt ihn in Quarantäne; so war es ganz natürlich, dass man sich über seine Einsamkeit wunderte und ihn dafür verantwortlich machte.
Er ging niemals in die Kirche. Oft ging er in der Nacht aus seinem Hause; er musste mit Zauberern verkehren. Einmal überraschte man ihn in einem höchst auffälligen Zustande von Geistesabwesenheit im Grase sitzend, wo er mit Kräutern, Blumen und Steinen Zwiegespräche hielt. Man schwor darauf, es gesehen zu haben, wie er vor dem singenden Felsen eine Verbeugung machte. Es war ferner ebenso auffallend als unbegreiflich, dass er alle Vögel, welche ihm zum Kaufe angeboten wurden, fliegen ließ. Er war zwar artig und zuvorkommend gegen die Bürger von St. Sampson; man bemerkte indessen, dass er Umwege machte, um ihnen auszuweichen. Er fischte häufig und kam nie ohne Beute nach Hause. Man sah ihn sonntags in seinem Garten arbeiten. Er hatte bei Gelegenheit eines Durchmarsches von einem schottischen Soldaten eine Flöte gekauft, auf welcher er bei einbrechender Nacht am Meeresstrand und in den Felsenriffen blies. Seine Bewegungen waren wie die eines Sämannes. War es ein Wunder, wenn er unter solchen Umständen nicht beliebt war? Was sollte wohl ein Land mit einem solchen Menschen anfangen?
Die Bücher, welche ihm die Verstorbene hinterlassen, und in denen er zuweilen las, waren nicht minder beunruhigend. Der hochwürdige Herr Pastor Jaquemin Hérode bemerkte bei Gelegenheit des Begräbnisses der verstorbenen Frau auf dem Rücken der Bücher folgende äußerst verdächtige Titel: Dictionnaire von Rosier, Candide, von Voltaire, Gesundheitslehre für das Volk, von Tissot. Ein französischer Emigrant, welcher sich nach St. Sampson zurückgezogen hatte, hielt es für sehr möglich, dass dieser Tissot derselbe sei, welcher den Kopf der Prinzessin von Lamballe auf einem Spieß getragen habe.
Der hochwürdige Herr Pastor hatte übrigens auch noch auf einem anderen Buche den ebenso sonderbaren als bedrohlichen Titel: »De Rhabarbero« gelesen.
Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass das Buch, wie schon der Titel besagt, in lateinischer Sprache abgefasst war; es war daher anzunehmen, dass Gilliatt, welcher diese Sprache nicht verstand, besagtes Buch auch nicht gelesen hatte.
Aber gerade die Bücher, welche ein Mensch nicht lies't, zeugen gegen ihn. Die spanische Inquisition hat dieses außer allen Zweifel gestellt.
Das Buch war übrigens nur eine Abhandlung des Doktor Tilingius über den Rhabarber, welche im Jahre 1679 in Deutschland erschienen war.
Man wusste es nicht ganz genau, aber man hatte Gilliatt sehr stark im Verdacht, dass er allerhand Zaubertränke bereitete, denn er war im Besitz von Phiolen.
Und warum ging er des Abends aus dem Hause und trieb sich bis Mitternacht auf den steilen Küstenabhängen umher? Ohne allen Zweifel, um mit den bösen Geistern Umgang zu pflegen, welche des Nachts an den Ufern des Meeres, auf den Felsenriffen und im Nebel hausen.
Man wusste, dass er einmal einer alten Hexe, mit Namen Montonne Gahy, einen Karren aus dem Schlamme ziehen half.
Bei Gelegenheit einer Einwohner-Zählung, welche auf den Inseln vorgenommen wurde, gab er auf die Frage nach seinem Stand und seiner Beschäftigung den Beamten folgende, ebenso merkwürdige als verdachterregende Antwort: »Ich fische, wenn es etwas zu fischen gibt.«
Stellen wir uns auf den Standpunkt der Leute, so werden wir leicht begreifen, welchen Anstoß derartige Antworten geben mussten.
Armut und Reichtum sind relative Begriffe. Gilliatt hatte eine Wiese, Felder und Haus. Im Vergleich zu denen, welche gar nichts hatten, war er nicht arm zu nennen. Eines Tages fragte ihn ein Mädchen, entweder um seine Meinung zu prüfen oder einer Werbung entgegenzukommen – denn Weiber heiraten ja den Teufel, wenn er reich ist – ob, und wann er sich zu verheiraten gedächte. Gilliatt antwortete ihr: »An dem Tag, an welchem sich der singende Berg verheiratet.«
Dieser singende Berg ist ein großer Felsblock, welcher das Hanffeld des Herrn Lemezurier de Fry durchschneidet. Dieser Steinmasse ist nicht zu trauen, sie muss sorgfältig überwacht werden. Es ist eine unerklärliche, aber deshalb nicht minder auffällige Tatsache, dass auf besagtem Felsen ein Hahn kräht, den man wohl hören, allein nicht sehen kann. Dieses eben so unwiderlegte als unwiderlegliche Faktum ist höchst unheimlicher Art. Man ist ferner darüber einig, dass der singende Berg von Kobolden in das Hanffeld des Herrn Lemezurier de Fry geschoben wurde.
Wenn in der Nacht unter Blitz und Donner schwarze Gestalten in den roten Wolken des Himmels und in der zitternden Luft erscheinen, so kann man sich darauf verlassen, dass es Kobolde sind. Eine Frau in Grand Mellier kennt sie ganz genau. Als eines Abends ein Fuhrmann unschlüssig an einem Kreuzweg stand und nicht recht wusste, welche Richtung er einschlagen sollte, rief sie ihm zu: Fragt nur die Kobolde; es sind gute, sehr umgängliche Geister, höflich und leutselig gegen jedermann, die gern den Leuten Rat erteilen. Es ist hundert gegen eins zu wetten, dass diese Frau eine Hexe war.
Der eben so scharfsinnige als gelehrte König Jakob I. ließ alle Weiber dieser Art lebendig brühen, kostete die Brühe und entschied nach dem Geschmack der Brühe, ob es eine Hexe war oder nicht. Schade, dass die Könige der Jetztzeit nicht auch solche Talente besitzen, welche die Nützlichkeit von dergleichen Einrichtungen begreiflich machen.
Gilliatt stand nicht ohne triftige Gründe in dem Geruch der Hexerei. Man sah ihn einmal in der Nacht während eines Sturmes ganz allein in einem Kahn der Gegend der Sommeilleuse zuschiffen. Man hörte ihn fragen: Ist hier wohl durchzukommen?
Eine Stimme antwortete vom Felsen herab: Sieh zu, Verwegner! Mit wem sprach er, wenn nicht mit einem, der ihm Antwort gab? Die Sache scheint uns ein neuer Beweis für unsere Behauptung.
In einer anderen Sturmnacht, so schwarz, dass man nichts sah, hörte man ganz in der Nähe des Catiau-Roque, der eine Doppelreihe von Felsen bildet, auf welchen Hexen, Ziegenböcke und Gestalten aller Art in der Freitag-Nacht tanzen, die Stimme Gilliatts ganz deutlich. Man belauschte folgendes Gespräch, das er mit den Gespenstern führte.
– Wie befindet sich Meister Brovat? (Das war ein Maurer, welcher vom Dach herabgefallen.)
– 's geht besser.
–Was Ihr sagt! Er ist höher als von diesem Pfosten heruntergefallen. Es ist wunderbar, dass er sich nichts gebrochen hat! –
– Die Leute hatten vorige Woche gutes Wetter am Strand.
– Besseres als heute.
– Lasst's gut sein, sie werden ihren Fang schon machen.
– Es ist zu windig.
– Man wird die Netze nicht tief genug legen können.
– Und was macht die Cathrin?
– Ach, die ist wie behext.
Die »Cathrin« war offenbar eine Hexe, und Gilliatt ohne Frage ein Hexenmeister; wenigstens zweifelte niemand daran.
Er goss auch zuweilen Wasser aus einem Krug auf die Erde. Aber Wasser, welches man auf die Erde gießt, zeichnet die Gestalt von Teufeln.
Es gibt auch auf dem Wege von St. Sampson, nicht weit von dem ersten Felsen drei Steine, welche treppenförmig übereinanderliegen. Ehemals stand ein Kreuz, wenn nicht gar ein Galgen darauf; jetzt sind sie leer. Diese Steine sind sehr verrufen.
Ganz erstaunlich kluge und glaubwürdige Leute versichern gesehen zu haben, wie Gilliatt ganz in der Nähe dieser Steine mit einer Kröte sprach. Nun weiß jeder, der die Gegend von Guernesey kennt, dass es dort keine Kröten gibt; es sind nur Nattern in Guernesey, in Jersey aber gibt es Kröten. Die Kröte, mit welcher Gilliatt sprach, musste daher von Jersey aus zu ihm geschwommen sein, das lag auf der Hand. Sie plauderten übrigens sehr freundschaftlich mit einander.
Dass dies alles erwiesene Tatsachen sind, bezeugen die drei Steine, welche noch immer auf derselben Stelle liegen. Wer daran zweifelt, kann sich selber davon überzeugen. Die Steine liegen nahe bei einem Hause, welches an folgendem Schild zu erkennen ist: Hier kauft man totes und lebendes Vieh, alte Stricke, Eisen, Knochen und Lumpen. Für höfliche Behandlung und prompte Bezahlung wird garantiert.
Es gehört schon böser Wille dazu, die Existenz dieser Steine und dieses Hauses zu leugnen. Alles das schadete Gilliatt.
Nur Unwissende wissen nicht, dass der König von Auxcriniérs das Gefährlichste in den Gewässern des Kanals ist. Es gibt kein furchtbareres Seegespenst als ihn. Wer ihn gesehen hat, leidet binnen Jahresfrist Schiffbruch. Er ist klein, denn er ist ein Zwerg, und taub, denn er ist ein König. Er weiß die Opfer, welche das Meer verschlungen, alle mit Namen zu nennen; er kennt die Stellen, wo sie begraben sind; er kennt den Kirchhof Ozean gründlich. Ein oben schmaler, unten breiter Kopf, eine untersetzte Gestalt, ein unförmiger Leib, knotige Auswüchse auf dem Schädel, kurze Beine und lange Arme, Flossen statt der Füße, Krallen statt Hände, ein breites, grünes Gesicht – das ist das Bild des Königs von Auxcriniérs. Seine Krallen sind mit Schwimmhäuten versehen, seine Flossen mit Nägeln. Man denke sich ein Fisch-Gespenst mit einem Menschenantlitz. Um es unschädlich zu machen, müsste man es beschwören oder – angeln. Jedenfalls ist es unheimlich. Nichts ist beunruhigender, als es zu sehen. Eine niedrige Stirne, Stumpfnase, platte Ohren, ein ungeheurer Mund, in welchem die Zähne fehlen, eine gräuliche Mundöffnung, ziegenartig gezeichnete Augenbrauen, große lustige Augen. Wenn falbe Blitze es beleuchten, ist sein Gesicht flammenrot, bei flammenroten fahl. Er trägt einen starren triefenden Bart, der sich, viereckig gestutzt, auf einer pelzartigen Haut ausbreitet, welche vorn und hinten mit je sieben, also mit vierzehn Muscheln geziert ist. Diese Muscheln sind äußerst merkwürdig für den Kenner. Der König von Auxcriniérs ist nur bei hochgehender See sichtbar; er ist der finstere Possenreißer des Sturmes. Im Regen, Nebel, Wind erkennt man nur undeutlich, wie eine blasse Skizze, seine Formen. Sein Nabel ist hässlich. Ein Schuppenharnisch bedeckt seine Seiten und die Brust. Er erhebt sich über die zischenden Wogen des Meeres, welche sich unter den mächtigen Atemzügen des Sturmes bäumen und sich kräuseln wie Holzspäne unter dem Hobel des Tischlers. Seine Gestalt bleibt unberührt von dem Schaumspritzen, und wenn am Horizont Fahrzeuge erscheinen, welche ihren letzten Kampf mit den Wogen kämpfen, dann strahlt sein im Schatten fahles Antlitz im Glanz eines wüsten Lächelns und, das Antlitz in wahnwitzigem Schrecken verzerrt, beginnt er zu tanzen. Das ist ein böses Begegnen. Zu der Zeit aber, als Gilliatt den Leuten in St. Sampson zu reden gab, hatte der König von Auxcriniérs nur noch dreizehn Muscheln an seinem Barte. Wo war die vierzehnte geblieben? Hatte er sie verschenkt? Und wem hatte er sie geschenkt? Das wusste niemand zu sagen. Man weiß nur, dass Herr Lupin-Mabier, ein höchst ansehnlicher Mann, dessen Besitzungen sehr hoch abgeschätzt waren, bereit war, eidlich zu erhärten, dass er in den Händen Gilliatts eine höchst merkwürdige Muschel gesehen habe.
Es war nichts Seltenes, zwei Bauern aus der dortigen Gegend Gespräche wie folgendes führen zu hören:
– Findet Ihr nicht, Nachbar, dass mein Ochse ein ganz prächtiges Tier ist?
– Zu aufgeschwemmt, Nachbar.
– Hm – könnt recht haben.
– Nichts Solides – mehr Talg als Fleisch.
– Dass Dich das Wetter!
– Seid Ihr ganz sicher darüber, dass Gilliatt ihn nicht behext hat?
Gilliatt blieb zuweilen auf einem Feldweg bei den Ackersleuten und an den Gärten bei den Gärtnern stehen und sprach dann wohl mitunter geheimnisvolle Worte zu ihnen, z. B.:
– Wenn der Teufelsbiss blüht, schneidet den Winterroggen. (Der Teufelsbiss ist die sogenannte Skabiose.)
– Sobald die Esche Knospen treibt, gibt es keinen Frost mehr. Um die Sommersonnenwende blüht die Distel.
– Wenn es im Juni nicht regnet, bekommt das Getreide den weißen Rost.
– Wenn die Vogelkirsche grün wird, traut dem Vollmond nicht.
– Habt Acht auf das Tun und Treiben der Nachbarn, mit denen Ihr im Rechtsstreit lebt. Wenn ein Schwein heiße Milch trinkt, gehts kaputt; und reibt man der Kuh die Zähne mit Lauch ein, so frisst sie nicht mehr und fällt.
– Frischer Schierling bewahrt vor den Fiebern.
– Wenn sich der Frosch zeigt, sät die Melonen.
– Säet die Gerste, wenns Leberkraut blüht.
– Wenn die Linde blüht, mäht die Wiesen.
– Wenn die Ulme blüht, werft die Laichnetze aus.
– Blüht der Tabak, so schließt Eure Gewächshäuser.
Und schrecklich! Wer seinen Rat befolgte, befand sich wohl dabei.
Als er eines Abends in der Gegend von Demie de Fontenelle auf der Düne die Flöte blies, ging der Makrelen-Fang fehl.
Zur Zeit der Ebbe fiel in der Nähe seiner Wohnung ein Frachtwagen um. Wahrscheinlich aus Furcht vor polizeilicher Untersuchung, half er mit der ungeheuersten Anstrengung den Wagen wiederaufzurichten, und belud ihn auch selber wieder mit dem herausgefallenen Seegras. Ein kleines Mädchen aus der Nachbarschaft hatte Läuse; da ging Gilliatt nach Saint-Pierre-Port, holte dort eine gewisse Salbe und rieb das Kind damit ein. Er befreite es von seinen Läusen; es ist also klar, dass Gilliatt sie ihr angehext hatte.
Alle Welt ist darüber einig, dass man einem Menschen Läuse anhexen kann.
Er hatte auch die Gewohnheit, die Brunnen in der Umgegend zu besichtigen; ein sehr gefährliches Unternehmen, wenn man »den bösen Blick« hat. Eines Tages wurde das Wasser eines Brunnens so trübe, dass die gute Frau, welcher derselbe gehörte, Gilliatt zurate zog. Dieser besah das Wasser, welches die Frau ihm in einem Glase zeigte, und sagte: Es ist wahr, das Wasser ist trübe. Die gute Frau aber, welche ihm nicht traute, sagte zu Gilliatt: Macht, dass das Wasser wieder gut wird. Er richtete darauffolgende, höchst bedenkliche Fragen an die Frau: – Ob sie einen Stall habe? – Ob dieser Stall einen Abflusskanal habe? – Ob vielleicht dieser Abflusskanal sehr nahe bei dem Brunnen vorbeiflösse? – Die gute Frau sagte zu allem: Ja.
Da ging Gilliatt in den Stall, machte sich an dem Kanal zu schaffen, leitete die Gosse ab, und das Wasser des Brunnens wurde wieder klar. Man dachte sich am Ort so mancherlei. Ein Brunnen wird nicht, so mir nichts dir nichts, schlecht und dann wieder gut. Man fand die Verwandlung des Wassers sehr unnatürlich, und der Verdacht lag nahe, Gilliatt habe diesen Brunnen verhext.
Einmal, als er nach Jersey gegangen war, hatte man bemerkt, dass er in einem Hause Quartier genommen, welches in der Schatten-Straße stand. Schatten aber sind bekanntlich Gespenster.
In den Dörfern merken die Leute auf dergleichen Dinge. Sie erkundigen sich nach allem. Die Erkundigungen werden zu einem Resultat zusammengeschmolzen, dieses bildet den Ruf eines Menschen.
Es kam vor, dass man Gilliatt überraschte, als ihm die Nase blutete. Das war eine wichtige Entdeckung. Ein Bootsmann, welcher fast die ganze Welt gesehen hatte, behauptete, dass bei den Tungusen alle Hexenmeister Nasenbluten hätten. Blutet also einem Menschen die Nase, so weiß man, was man von ihm zu halten hat.
Freilich machten einige vernünftige Leute die Bemerkung, dass, wenn bei den Tungusen die Zauberer auf diese Weise kenntlich wären, dieses in Guernesey nicht in demselben Grade der Fall zu sein brauchte.
Es war zu Michaelis, als man Gilliatt einmal auf einem mit der Heerstraße von Videclins in Verbindung stehenden Feldweg gewahrte. Man sah ihn auf einer Wiese Halt machen und hörte ihn pfeifen. Bald darauf ließ sich in seiner Nähe ein Rabe nieder und es dauerte gar nicht lange, so kam auch eine Elster. Diese Tatsache ist durch einen der glaubwürdigsten Zeugen verbürgt.
Auch waren in der Gegend von Guernesey alte Frauen, welche ganz deutlich gehört haben wollten, wie eines Morgens ganz früh einige Schwalben den Namen Gilliatt gezwitschert hätten. Dazu kam noch, dass Gilliatt ein schlechtes Herz haben musste.
Ein armer Mann schlug einst einen störrischen Esel, der nicht vorwärts wollte. Als alle Püffe nichts fruchten wollten, gab er ihm mit seinen schweren Holzschuhen einige derbe Fußtritte in die Seiten, sodass der Esel fiel. Gilliatt eilte hinzu, um ihm wieder aufzuhelfen. Der Esel war tot. Gilliatt ohrfeigte den armen Mann.
Ein anderes Mal sah er einen kleinen Knaben von einem Baum herabsteigen, mit einem Nest voll neugeborener fast noch nackter Vögelchen. Gilliatt nahm dem Knaben das Nest aus der Hand und trieb die die Ruchlosigkeit so weit, es wieder dahin zu bringen, wo es der Bube gefunden hatte.
Als einige Vorübergehende ihm Vorwürfe machten, zeigte er statt aller Antwort auf den Baum, wo die Alten ängstlich schreiend das Nest ihrer Jungen umflatterten. Er hatte eine Liebhaberei für Vögel. Das ist ein Zeichen, woran man in der Regel die Zauberer erkennt.
Den Kindern macht es Spaß, die Nester der Seemöwen an den steilen Küsten-Abhängen auszunehmen. Sie bringen ganze Massen blauer, gelber und grüner Eier mit nach Hause, welche sie als Zierde des Kamingesimses reihenweise aufpflanzen. Da die Abhänge steil und glatt sind, geschieht es leicht, dass jemand ausgleitet, fällt und ums Leben kommt. Nichts ist verlockender für ein Kind, als diese hübschen bunten Vogeleier auf dem Kamin. Was tat Gilliatt, um den Kindern das unschuldige Vergnügen zu stören?
Er erkletterte mit eigener Lebensgefahr die höchsten Felsen und brachte Vogelscheuchen an den gefährlichsten Stellen an. So verhinderte er die Vögel, hier zu bauen, und die Kinder hinzugehen.
Darum war Gilliatt beinahe in der ganzen Gegend verhasst. Wer wäre es nicht, wenn solche Gründe vorliegen?
Andere zweideutige Seiten Gilliatts.
Man hatte zwar seine Meinung über Gilliatt, allein man war doch noch nicht ganz einig.
Die Meisten hielten ihn für einen »Marcou«, einige aber gingen so weit, ihn für einen »Cambion« auszugeben. Ein Cambion ist der Sohn des Teufels und eines menschlichen Weibes.
Wenn eine Frau von einem Manne sieben männliche Kinder hinter einander zur Welt bringt, so ist das siebente ein Marcou. Die Reihe darf aber nicht durch die Geburt eines Mädchens unterbrochen sein.
Der Marcou hat an irgendeiner Stelle seines Körpers das Zeichen der Lilie, welches ihm die Fähigkeit verleiht, die Skrofeln eben so gut zu kurieren wie die Könige von Frankreich. Es gibt in Frankreich fast aller Orten Marcous, besonders um Orleans. Jedes Dorf in der Gegend von Gätin hat seinen Marcou. Er darf die Verwundeten nur anhauchen, oder von ihnen seine Lilie berühren lassen, so sind sie geheilt. In der Nacht des Karfreitag gelingen solche Operationen am besten. Ungefähr vor zehn Jahren lebte in Ormes ein Küfer – ein angesehener Mann, der Wagen und Pferde hielt – man nannte ihn nur den schönen Marcou, der einen ganz außerordentlichen Zuspruch hatte. Von Nah und Fern strömten aus der Umgegend die Leute in sein Haus. Man musste, um seinen Wundern Einhalt zu tun, mit militärischer Gewalt einschreiten. Er hatte die Lilie unter der linken Brust. Andere haben sie anderswo.
Es gibt Marcous in Jersey, in Aurigny, in Guernesey. Dies kommt wohl daher, weil Frankreich Rechte auf die Normandie hat. Wozu wären sonst die Lilien?
Es gibt auch Skrofelnbehaftete auf den Inseln des Kanals, was wiederum die Marcous notwendig macht.
Als Gilliatt eines Tages in offener See badete, glaubten einige Anwesende, die Lilie an seinem Körper zu bemerken. Als man ihn darüber befragte, lachte er, anstatt zu antworten. Ja, ja, Gilliatt lachte zuweilen, ganz wie ein anderer Mensch. Seit dieser Zeit jedoch badete er nicht mehr in offener See, sondern an versteckten einsamen Orten. Man vermutete, dass er es des Nachts bei Mondenschein tat. Wie dem aber auch sei, die Sache war sonderbar.
Diejenigen, welche darauf versessen waren, Gilliatt für einen Cambion, das heißt, für einen Sohn des Teufels auszugeben, befanden sich offenbar im Irrtum. Sie hätten wissen müssen, dass es fast nur in Deutschland Cambions gibt. Allein in le Valls und St. Sampson waren vor fünfzig Jahren die Leute in der Wissenschaft noch sehr zurück.
Dass man aber in Guernesey einen Sohn des Teufels suchen wollte, war offenbar eine Phantasie.
Obgleich man Gilliatt fürchtete, suchte man doch seinen Rat. Mit einer gewissen inneren Unruhe, welche die Furcht erzeugte, befragten ihn die Bauern über ihre verschiedenen Krankheitsfälle. Diese Furcht schließt das Vertrauen nicht aus, im Gegenteil: Je verrufener auf dem Lande ein Arzt ist, desto wirksamer sind seine Mittel. Gilliatt hatte seine eigenen Arzneien; sie waren ihm von der verstorbenen alten Frau übermacht worden; er half damit allen, welche seine Hilfe begehrten, ohne sich dafür bezahlen zu lassen. Er heilte Nagelgeschwüre durch kühlende Kräuter; eine seiner Phiolen enthielt einen Saft, welcher das Fieber heilte; der Chemiker in St. Sampson, den man sonst Apotheker zu nennen pflegt, hielt diesen Saft für ein Decoct von Chinarinden. Selbst die böswilligsten Lästerer konnten nicht leugnen, dass Gilliatt, wenigstens was die Heilung der gewöhnlichen Krankheiten anbelangte, ein ziemlich guter Teufel war; wer aber seine Heilkünste als Marcou in Anspruch nehmen wollte, hatte einen weit schwierigeren Stand. Wenn sich ein Aussätziger meldete, welcher durch Berührung seiner Lilie Heilung suchte, so schlug er ihm ohne Umstände die Tür vor der Nase zu; Wunder durfte keiner von ihm verlangen, zu solchen Sachen mochte er sich durchaus nicht verstehen – für einen Zauberer eine lächerliche Weigerung! Wenn Ihr kein Hexenmeister sein wollt, gut! Seid Ihr es aber einmal, so tut, was Eures Amtes ist!
Der allgemeine Widerwille hatte jedoch eine oder zwei Ausnahmen. Die eine dieser Ausnahmen bildete der Sieur Landoys, welcher die Stelle eines Schreibers in der Pfarrei des Hafens von Saint-Pierre bekleidete; ihm war das Register der Geburten, Heiraten und Todesfälle anvertraut. Besagter Herr Landoys war nicht wenig stolz darauf, sich für einen Abkömmling des Schatzmeisters Pierre Landoys halten zu dürfen, welcher im Jahre 1485 in der Bretagne gehängt worden war. Dieser Sieur Landoys hatte sich einmal beim Baden zu weit in die offene See gewagt, und schwebte in großer Gefahr zu ertrinken. Gilliatt rettete ihn mit Gefahr seines eigenen Lebens. Von diesem Tage an redete Landoys nichts Böses mehr über Gilliatt. Wenn man sich darüber verwunderte, antwortete er: Wie kann ich einen Mann verachten, der mir nichts zuleide getan und der mir einen so wichtigen Dienst geleistet? Der frühere Widerwille des Herrn Amtschreibers war nicht allein völlig gewichen, sondern hatte sogar einem gewissen Gefühl von Freundschaft Platz gemacht. Er war ein Mann ohne Vorurteile. Er glaubte nicht an Zauberei. Er lachte über die Gespensterfurcht. Obgleich er, der den Fischfang als Liebhaberei trieb, oft Stunden lang in seinem Kahn auf dem Meere segelte, so war ihm doch noch niemals etwas begegnet, den einzigen Fall ausgenommen, dass er einmal eine weiße Frau im Mondenschein in das Meer springen sah; und auch das konnte er nicht als Wahrheit verbürgen, es mochte wohl eine Täuschung gewesen sein. Montonne Gahy, die Hexe von Torteval, hatte ihm ein kleines Säckchen gegeben, welches, auf der Brust getragen, vor den bösen Geistern schützen sollte; er lachte über diesen Aberglauben, er hatte das Säckchen nicht einmal untersucht, wusste also gar nicht, was es enthielt; nichts desto weniger trug er es, weil er sich mit diesem Säckchen sicherer fühlte, auf der Brust.
Noch einige andere Leute von Mut hatten die Kühnheit, dem Verteidigungs-Eifer des Sieur Landoys beizustimmen, indem sie durch Anführung gewisser mildernder Umstände den Stachel von Gilliatts bösem Leumund zu entkräften suchten. Wenn man auch alles über ihn ergehen ließ, so mussten doch selbst seine erbittertsten Widersacher gelten lassen, dass es keinen mäßigeren und nüchterneren Menschen gab als Gilliatt. Man vermaß sich sogar zu der ungeheuer schmeichelhaften Frage: Wer ist so mäßig als Gilliatt? Er raucht nicht, er schnupft nicht, er trinkt nicht, er spielt nicht.
Nach der Meinung der Leute aber ist die Nüchternheit nur dann eine lobenswerte Eigenschaft, wenn andere dazu kommen.
Die öffentliche Meinung war nun einmal gegen Gilliatt.
Wie dem aber auch sei, als Marcou konnte Gilliatt wesentliche Dienste leisten. Es erschien daher an einem gewissen Karfreitag um Mitternacht, an welchem Tag und zu welcher Stunde gewisse Wunderkuren unfehlbar waren, ein ganzes Heer Aussätziger im Gespensterhaus. Sie streckten flehend die Hände aus, entblößten ihre Wunden, und baten Gilliatt inständig, er möchte ihnen helfen. Er schlug es ab. Jetzt war man über seine Schändlichkeit im Klaren.
Ein altmodisches Schiff.
So war Gilliatt.