Die letzte Zuflucht jener, die nicht an die Front gehen wollten, war der Garnisonsarrest. Ich kannte einen Supplenten, der, da er als Mathematiker nicht bei der Artillerie schießen wollte, einem Oberleutnant eine Uhr stahl, um in den Garnisonsarrest zu kommen. Er tat dies mit voller Überlegung. Der Krieg imponierte ihm nicht und bezauberte ihn nicht. Auf den Feind zu schießen und auf der Gegenseite ebenso unglückliche Supplenten, Mathematiker mit Schrapnells und Granaten zu erschlagen, hielt er für einen Blödsinn.
»Ich will nicht als Gewalttäter gehaßt werden«, sagte er sich und stahl seelenruhig die Uhr. Man prüfte zuerst seinen Geisteszustand, und als er erklärte, er habe sich bereichern wollen, schaffte man ihn in den Garnisonsarrest. Es gab mehr solcher Menschen, die wegen Diebstahls oder Betrügereien im Garnisonsarrest saßen. Idealisten und Nichtidealisten, Menschen, die den Krieg für eine Einnahmequelle hielten, diverse Rechnungsunteroffiziere im Hinterland und an der Front, die alle möglichen Betrügereien mit der Menage und der Löhnung begingen, und dann die kleinen Diebe, tausendmal ehrenhafter als die Kerle, von denen sie hierhergeschickt wurden. Außerdem saßen im Garnisonsarrest Soldaten wegen verschiedener anderer Delikte rein militärischer Art, wie Subordinationsverletzung, versuchter Meuterei, Desertion. Ein besonderer Typus waren die Politiker, von denen achtzig Prozent vollständig unschuldig waren und von denen wiederum neunundneunzig Prozent verurteilt wurden. Der Apparat der Auditoren war großartig. Einen solchen mächtigen Gerichtsapparat besitzt jeder Staat vor dem allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und moralischen Zusammenbruch. Der Glanz der ehemaligen Macht und des früheren Ruhms erhält die Gerichte, die Polizei, die Gendarmerie und den käuflichen Mob der Angeber.
In jedem Truppenkörper hatte Österreich seine Spitzel, welche die Kameraden anzeigten, die mit ihnen auf denselben Kavalletts schliefen und auf dem Marsch ihr Brot mit ihnen teilten.
Die Staatspolizei – die Herren Klíma, Slavíček & Co. – lieferte dem Garnisonsarrest ebenfalls Material. Die Militärzensur lieferte hierher die Autoren der Korrespondenz, die zwischen Front und jenen geführt wurde, die daheim verzweifelt zurückgeblieben waren. In dieses Gefängnis brachten die Gendarmen sogar alte Ausgedinger, die Briefe an die Front schickten, und das Kriegsgericht brummte ihnen für ihre Trostesworte und ihre Schilderung der Not daheim zwölf Jahre auf.
Aus dem Hradschiner Garnisonsarrest führte auch ein Weg über Břewnow auf den Motoler Exerzierplatz. Voran schritt in Begleitung von Soldaten ein Mensch mit Ketten an den Händen und ihm folgte ein Wagen mit einem Sarg. Auf dem Motoler Exerzierplatz erscholl dann der kurze Befehl: »An! Feuer!« Und in allen Regimentern und Bataillonen verlas man den Regimentsbefehl, daß man wieder einen Soldaten wegen Auflehnung erschossen habe. Er hatte sich nämlich gegen seinen Hauptmann gewendet, als dieser der Frau des Armen, die sich von ihm nicht trennen konnte, einen Säbelhieb versetzte.
Und im Garnisonsarrest führte die Dreieinheit: Stabsprofos Slawik, Hauptmann Linhart und Feldwebel Řepa, auch »Henker« genannt, das Weitere durch! Wie viele prügelten sie in der Einzelhaft zu Tod! Mag sein, daß Hauptmann Linhart auch heute in der Republik Hauptmann ist. Ich wünschte, man würde ihm die Dienstjahre im Garnisonsarrest einrechnen, Slaviček und Klíma werden sie von der Staatspolizei eingerechnet. Řepa ist ins Zivil zurückgekehrt und geht wiederum seiner Beschäftigung als Maurermeister nach. Vielleicht ist er Mitglied eines patriotischen Vereines.
Stabsprofos Slawik wurde in der Republik zum Dieb und ist heute eingesperrt. Der Arme hat in der Republik nicht so festen Fuß gefaßt wie andere Herren ...
Es war ganz natürlich, daß Stabsprofos Slawik, als er Schwejk in Empfang nahm, einen Blick voll stummer Vorwürfe auf ihn richtete:
»Auch du hast also schon einen Fleck auf der Reputation, daß du bis zu uns gekommen bist? Wir werden dir den Aufenthalt hier schon versüßen, Freunderl, wie allen, die in unsere Hände gefallen sind. Unsere Hände sind keine Damenhändchen.«
Und dann hielt er, um seinem Blick Nachdruck zu verleihen, Schwejk seine sehnige, dicke Faust unter die Nase und sagte:
»Riech einmal, Lump!«
Schwejk roch und bemerkte:
»Mit der möcht ich keine in die Nase kriegen wolln, das riecht nach Friedhof.«
Diese ruhige, bedächtige Sprache gefiel dem Stabsprofos.
»He«, sagte er, Schwejk mit der Faust in den Bauch stoßend, »steh grad, was hast du in den Taschen? Wenn du eine Zigarette hast, kannst du dir sie lassen, das Geld gibst du her, damit sie dirs nicht stehlen. Mehr hast du nicht? Wirklich nicht? Lüg nicht, Lüge wird bestraft.«
»Wohin stecken wir ihn?« fragte Feldwebel Řepa.
»Auf Nummer sechzehn«, entschied der Stabsprofos, »zwischen die in den Unterhosen. Sehen Sie denn nicht, daß auf dem Schriftstück vom Herrn Hauptmann Linhart aufgeschrieben steht: ›Streng bewachen, beobachten‹?« – »Ja, ja«, verkündete er Schwejk feierlich, »mit Gaunern verfährt man wie mit Gaunern. Wenn sich jemand auflehnt, dann geben wir ihn in den ›Einzel‹, brechen ihm alle Rippen und lassen ihn liegen, bis er krepiert. Dazu haben wir ein Recht. Wie wirs mit diesem Fleischer gemacht ham, nicht wahr, Řepa?«
»Na ja, der hat uns Arbeit gegeben, Herr Stabsprofos«, antwortete Feldwebel Řepa träumerisch, »das war ein Körper! Ich bin über fünf Minuten auf ihm herumgetrampelt, bevor ihm die Rippen zu krachen angefangen ham und das Blut ausm Maul geflossen is. Und er hat noch zehn Tage gelebt. Er war nicht zum Umbringen!«
»Also siehst du, du Lump, so gehts bei uns zu, wenn sich jemand auflehnt«, schloß der Stabsprofos seine pädagogische Erklärung, »oder wenn er davonlaufen will. Das is eigentlich Selbstmord, der bei uns auch so gestraft wird. Oder Gott behüte, daß dir, du Schweinehund, einfallen sollt, bis eine Inspektion kommt, dich über etwas zu beschweren. Wenn die Inspektion kommt und fragt; ›Haben Sie irgendeine Beschwerde?‹ – dann mußt du, Saukerl, Habtacht stehn, salutieren und antworten: ›Melde gehorsamst, ich hab keine, ich bin ganz zufrieden.‹ – Wie wirst dus sagen, Trottel? Wiederhols!«
»Melde gehorsamst, ich hab keine, ich bin ganz zufrieden«, wiederholte Schwejk mit einem so sanften Ausdruck, daß der Stabsprofos es irrtümlicherweise für aufrichtiges Entgegenkommen und Ehrlichkeit hielt.
»Also zieh dich in Unterhosen aus und komm auf Nummer sechzehn«, sagte er freundlich, ohne auch nur Lump, Trottel oder Saukerl hinzuzufügen, wie er dies in der Gewohnheit hatte. In Nummer sechzehn traf Schwejk mit zwanzig Männern in Unterhosen zusammen. Es waren diejenigen, auf deren Akten die Bemerkung stand: »Streng bewachen, beobachten!« und die man jetzt sehr sorgfältig bewachte, um ihnen keine Gelegenheit zum Entwischen zu geben.
Wenn diese Unterhosen sauber und nicht die Gitter in den Fenstern gewesen wären, dann hätte man auf den ersten Blick geglaubt, daß man sich in der Garderobe eines Bades befinde. Schwejk wurde von Feldwebel Řepa dem »Zimmerkommandanten« übergeben, einem bärtigen Kerl in offenstehendem Hemd. Der notierte Schwejks Namen auf ein Blatt Papier, das an der Wand hing, und sagte ihm:
»Morgen gibts eine große Hetz. Man wird uns in die Kapelle zur Predigt führen. Wir, die in Unterhosen, stehn grad unter der Kanzel. Das wird eine Hetz sein!«
So wie in allen Gefängnissen und Strafanstalten, erfreute sich auch im Garnisonsarrest die Hauskapelle einer großen Beliebtheit. Es handelte sich nicht darum, die Besucher durch den erzwungenen Besuch der Gefängniskapelle Gott näherzubringen oder den Arrestanten eingehende Kenntnisse über Sittlichkeit beizubringen. Von solchen Dummheiten kann nicht die Rede sein.
Der Gottesdienst und die Predigten waren eine hübsche Unterbrechung der Langweile des Garnisonsarrestes. Es ging nicht darum, Gott nahezukommen, sondern um die Hoffnung, auf den Gängen und auf dem Weg über den Hof einen Zigaretten- oder Zigarrenstummel zu finden. Gott wurde vollkommen von einem kleinen Stummel verdrängt, der sich hoffnungslos in einen Spucknapf oder irgendwo auf dem Boden in den Staub verirrt hatte. Dieser kleine stinkende Gegenstand siegte über Gott und über die Erlösung der Seele.
Und dann folgte noch die Predigt, dieser großartige Jux. Feldkurat Otto Katz war doch nur ein reizender Mensch. Seine Predigten waren ungewöhnlich fesselnd, spaßig, erquickend in der Langweile des Garnisonsarrestes. Er verstand es so schön, von der unendlichen Gnade Gottes zu faseln, die verlotterten Arrestanten und entehrten Männer geistig zu erbauen. Er verstand es so schön, von der Kanzel und vom Altar herab zu schimpfen. Verstand es so wundervoll, beim Altar sein »Ite missa est« zu brüllen, den ganzen Gottesdienst auf originelle Art durchzuführen, die Ordnung der heiligen Messe durcheinanderzuwerfen, und wenn er schon sehr betrunken war, neue Gebete und eine neue heilige Messe zu ersinnen, seinen eigenen Ritus, etwas noch nie Dagewesenes.
Und dann das Hallo, wenn er zuweilen ausrutschte und mit dem Kelch, mit dem heiligen Sakrament oder dem Meßbuch hinfiel und den Ministranten aus der Arrestantenabteilung laut beschuldigte, er habe ihm ein Bein gestellt und ihm sofort vor den allerheiligsten Sakramenten Einzelhaft und Spangen aufpfefferte.
Und der Betroffene freut sich, denn das gehört mit zu diesem ganzen Jux in der Gefängniskapelle. Er spielt eine große Rolle in dem Stück und entledigt sich ihrer würdig.
Feldkurat Otto Katz, der vollendetste Kriegspriester, war Jude. Das ist übrigens nichts Merkwürdiges, Erzbischof Kohn war gleichfalls Jude und ein Freund Machars obendrein.
Feldkurat Otto Katz hatte eine noch buntere Vergangenheit als der berühmte Erzbischof Kohn. Er hatte die Handelsakademie absolviert und als Einjährigfreiwilliger gedient. Und war im Wechselrecht und im Umgang mit Wechseln so gut bewandert, daß die Firma Katz & Co. innerhalb eines Jahres glorreich Bankrott machte, worauf der alte Herr Katz nach einem Ausgleich mit seinen Gläubigern, ohne ihr Wissen und ohne das seines Gesellschafters, der nach Argentinien auswanderte, nach Nordamerika abdampfte.
Als also der junge Otto Katz Nord- und Südamerika mit der Firma Katz & Co. uneigennützigerweise beschenkt hatte, befand er sich in der Situation eines Menschen, der kein Erbteil zu erwarten hat, nicht weiß, wohin er seinen Kopf betten soll und sich beim Militär aktivieren lassen muß.
Vorher aber hatte der Einjährigfreiwillige Otto Katz einen famosen Einfall. Er ließ sich taufen. Bekehrte sich zu Christus, damit dieser ihm helfe, Karriere zu machen.
Er bekehrte sich zu ihm mit dem restlosen Vertrauen, daß dies eine geschäftliche Angelegenheit zwischen ihm und Gottes Sohn sei.
Er wurde feierlich in Emaus getauft. Pater Alban tauchte ihn ins Taufbecken. Es war ein wunderbares Schauspiel, ein frommer Major des Regiments, bei dem Otto Katz diente, war dabei, dann eine alte Jungfer aus dem Adeligenstift auf dem Hradschin und ein großmäuliger Vertreter des Konsistoriums, der Pate stand.
Die Offiziersprüfung fiel gut aus, und der neue Christ Otto Katz blieb beim Militär. Anfangs schien es ihm, als würde alles gut gehen, er wollte sogar mit dem Studium des Stabskurses beginnen.
Aber eines Tages betrank er sich und ging ins Kloster, ließ den Säbel und griff zur Kutte. Er fand Zutritt beim Erzbischof auf dem Hradschin, und es gelang ihm, ins Seminar zu kommen. Bevor er die Weihen empfing, betrank er sich bis zur Bewußtlosigkeit in einem sehr anständigen Hause mit Damenbedienung und ging geradewegs aus dem Taumel der Wollust und Freude hin, um die Weihen zu empfangen.
Nach der Einweihung ging er zu seinem Regiment, um sich Protektion zu verschaffen, und als er zum Feldkuraten ernannt wurde, kaufte er sich ein Pferd, ritt durch die Prager Straßen und beteiligte sich lustig an allen Gelagen der Offiziere seines Regiments.
Auf dem Gang des Hauses, in dem er wohnte, wurden häufig Flüche unbefriedigter Gläubiger laut. Er brachte auch Straßenmädchen in seine Wohnung oder ließ sie von seinem Burschen holen. Sehr gern spielte er Färbl, und es wurde auch gemunkelt, daß er falschspiele; aber niemand konnte ihm nachweisen, daß er in dem weiten Ärmel seines Militärpriesterrockes ein As versteckt habe. In Offizierskreisen nannte man ihn den Heiligen Vater.
Für die Predigten bereitete er sich niemals vor, wodurch er sich von seinem Vorgänger unterschied, der gleichfalls den Garnisonsarrest besucht hatte. Das war ein Mensch, der mit der fixen Idee behaftet war, die im Garnisonsarrest eingesperrte Mannschaft ließe sich von der Kanzel herab bessern. Dieser ehrenwerte Kurat verdrehte fromm die Augen, setzte den Arrestanten auseinander, daß eine Reform der Huren und eine Reform der Fürsorge für unverheiratete Mütter erforderlich sei, und sprach auch von der Erziehung unehelicher Kinder. Seine Predigt hatte einen abstrakten Charakter; hatte nichts gemein mit der augenblicklichen Situation und langweilte.
Feldkurat Otto Katz dagegen hielt Predigten, auf die sich alle freuten.
Es war ein feierlicher Augenblick, wenn man die Insassen von »Nummer sechzehn« in Unterhosen in die Kapelle führte. Die Arrestanten ankleiden zu lassen, wäre nämlich mit dem Risiko verbunden gewesen, daß einer von ihnen hätte ausbrechen können.
Diese zwanzig weißen Unterhosen und Engel stellte man unter die Kanzel. Einige von ihnen, denen Fortuna lächelte, verbargen im Mund Zigarettenstummel, die sie unterwegs gefunden hatten, denn sie hatten – natürlich – keine Taschen, in denen sie sie hätten verstecken können.
Weiter rückwärts standen die andern Arrestanten des Garnisonsarrestes und ergötzten sich an den zwanzig Unterhosen unter der Kanzel, auf die der Feldkurat sporenklirrend hinaufkletterte.
»Habtacht«, schrie er, »zum Gebet, alle mir nach, was ich sagen werde! Und du hinten, du Lump, schneuz dich nicht in die Hand, du bist im Tempel Gottes, oder ich laß dich einsperren. Ob ihr wohl, ihr Saukerle, noch nicht das Vaterunser vergessen habt? Also probieren wirs. – – – No, ich hab gewußt, daß es nicht gehn wird. Woher denn das Vaterunser, ja, so zwei Portionen Fleisch und Bohnensalat auffressen, sich aufs Kavallett auf den Bauch legen, in der Nase bohren und nicht an Gott denken, das wär was – hab ich nicht recht?«
Er blickte von der Kanzel auf die zwanzig weißen Engel in Unterhosen, die sich ebenso wie alle andern vortrefflich unterhielten. Hinten spielte man »Maso«.
»Das is sehr fein«, flüsterte Schwejk seinem Nachbarn zu, auf dem der Verdacht haftete, er habe für drei Kronen seinem Kameraden mit einer Axt alle Finger an einer Hand abgehackt, um ihn vom Militär zu befreien.
»Es kommt noch besser«, lautete die Antwort, »heute is er wieder ordentlich besoffen, da wird er wieder vom dornigen Pfad der Sünde quatschen.«
Der Feldkurat war heute wirklich ausgezeichnet gelaunt. Er wußte selbst nicht, warum er dies tat, aber er beugte sich fortwährend von der Kanzel hinab und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre hinuntergefallen.
»Singt etwas, Jungens«, schrie er hinunter, »oder wollt ihr, daß ich euch ein neues Lied lern? Also singt mit mir:
Von allen doch am liebsten
hab ich die Liebste mein,
geh zu ihr nicht allein.
Viele seh ich zu ihr gehen
und um ihre Liebe flehen,
und wer ist denn meine Liebste?
die Jungfrau Maria ...
Ihr werdets nie erlernen, ihr Klacheln«, fuhr der Feldkurat fort, »ich bin dafür, euch alle zu erschießen, versteht ihr mich gut? Das behaupte ich von dieser göttlichen Stelle herab, ihr Taugenichtse, denn Gott ist etwas, was sich nicht vor euch fürchtet und was mit euch umspringen wird, bis ihr davon blöd sein werdet, denn ihr zögert, euch Christus zuzuwenden, und geht lieber auf dem dornigen Pfad der Sünde.«
»Da is es schon, er ist ordentlich besoffen«, flüsterte freudig der Nachbar Schwejks.
»Der dornige Pfad der Sünde, ihr vertrottelten Klacheln, ist der Pfad des Kampfes mit dem Laster. Ihr seid verlorene Söhne, die sich lieber im ›Einzel‹ wälzen als zum Vater zurückzukehren. Richtet euren Blick nur weiter und höher in die himmlischen Fernen, und ihr werdet siegen, und Frieden wird sich in eure Seele senken, ihr Lausejungen. Ich möcht mir ausbitten, daß dort hinten jemand schnaubt. Er ist kein Pferd und ist nicht in einem Stall, sondern im Tempel Gottes. Drauf mach ich euch aufmerksam, meine Lieblinge. So, wo hab ich denn aufgehört. Ja, über den Seelenfrieden, sehr gut. Merkt euch, ihr Rindviecher, daß ihr Menschen seid und daß ihr auch durch eure getrübten Augen in den weiten Raum blicken und wissen müßt, daß hier alles nur eine gewisse Zeit währt, aber daß Gott ewig ist. Sehr gut, nicht wahr, meine Herren? Ich sollte Tag und Nacht für euch beten, daß der barmherzige Gott, ihr blöden Kerls, seine Seele in eure kalten Herzen ergießt und mit seiner heiligen Gnade eure Sünden abwäscht, damit ihr auf Ewigkeit rein seid und damit er euch, ihr Lumpen, immerdar liebt. Da irrt ihr euch aber. Ich werde euch nicht ins Paradies einführen.« Der Feldkurat rülpste. »Nein und nein«, wiederholte er hartnäckig, »nichts werde ich für euch tun, fällt mir gar nicht ein, weil ihr unverbesserliche Lumpen seid. Auf euren Wegen wird euch nicht die Güte Gottes geleiten, der Odem Gottes wird euch nicht umwehn, weil es dem lieben Gott gar nicht einfällt, sich mit solchen Halunken abzugeben. Hört ihr, ihr dort unten in den Unterhosen?«
Die zwanzig Unterhosen blickten empor und sagten wie mit einer Stimme:
»Wir melden gehorsamst, daß wir hören.«
»Es genügt nicht, nur zu hören«, setzte der Feldkurat seine Predigt fort, »die dunkle Wolke des Lebens, in der euch Gottes Lächeln nicht von Kummer befreit, ihr Idioten, denn die Güte Gottes hat auch ihre Grenzen, und du Maulesel dort hinten, verkutz dich nicht, sonst laß ich dich einsperren, daß du schwarz wirst. Und ihr dort unten, glaubt nicht, daß ihr in einer Schnapsbude seid. Gott ist im höchsten Maß barmherzig, aber nur für anständige Menschen und nicht für den Auswurf der menschlichen Gesellschaft, der sich nicht nach seinen Gesetzen und nicht einmal nach dem Dienstreglement richtet. Das hab ich euch sagen wollen. Beten könnt ihr nicht, und ihr denkt, daß in die Kapelle gehen ein Jux ist, ihr denkt, daß hier ein Theater oder Kino ist. Das werde ich euch aus dem Kopf schlagen, damit ihr nicht glaubt, daß ich dazu da bin, damit ich euch unterhalte und euch Freude am Leben gebe. Alle sperr ich euch ins ›Einzel‹, das tu ich, ihr Lumpen. Ich verlier Zeit mit euch und seh, daß das alles rein umsonst ist. Wenn der Feldmarschall und der Erzbischof selbst hier wären, würdet ihr euch nicht bessern und Gott zuwenden. Und doch werdet ihr euch einmal an mich erinnern, daß ichs gut mit euch gemeint hab.«
Zwischen den zwanzig Unterhosen wurde ein Schluchzen laut. Schwejk hatte zu weinen begonnen.
Der Feldkurat blickte hinunter. Dort stand Schwejk und wischte sich mit den Fäusten die Augen ab. Ringsherum machte sich freudige Zustimmung bemerkbar.
Der Feldkurat fuhr fort, indem er auf Schwejk zeigte:
»An diesem Menschen soll sich jeder ein Beispiel nehmen. Was tut er? Er weint. Weine nicht, sage ich dir, weine nicht. Du willst dich bessern? Das wird dir nicht so leicht gelingen, mein Lieber. Jetzt weinst du, und bis du von hier in die Zelle zurückkehrst, wirst du wieder grad so ein Lump sein wie vorher. Du mußt noch viel über die unendliche Gnade und Barmherzigkeit Gottes nachdenken, dir viel Mühe nehmen, damit deine sündhafte Seele in der Welt den rechten Weg findet, auf dem du schreiten sollst. Heute sehen wir, daß hier ein Mann in Tränen ausgebrochen ist, der umkehren will, und was machen die andern? Gar nichts. Der da kaut an etwas, wie wenn seine Eltern Wiederkäuer wären, und die dort wieder suchen sich im Tempel Gottes Läuse im Hemd. Könnt ihr euch denn nicht zu Haus kratzen, und müßt ihr es euch grad zum Gottesdienst aufheben? Herr Stabsprofos, Sie kümmern sich auch um nichts. Ihr seid doch alle Soldaten und nicht blöde Zivilisten. Ihr sollt euch doch benehmen, wie es sich für Soldaten schickt, wenn ihr auch in der Kirche seid. Verlegt euch doch, kruzifixnochmal, auf das Suchen Gottes, und die Läuse sucht euch zu Haus. Damit habe ich zu Ende gesprochen, ihr Lauskerle, und verlange von euch, daß ihr euch bei der Messe anständig benehmt, damit es nicht passiert wie letzthin, wo die hinten die ärarische Wäsche für Brot getauscht und es während der Elevation gefressen haben.«
Der Feldkurat stieg von der Kanzel hinab und begab sich in die Sakristei, wohin ihm der Stabsprofos folgte. Nach kurzer Zeit kam der Stabsprofos heraus, wandte sich geradewegs zu Schwejk, zog ihn aus der Gruppe der zwanzig Unterhosen hervor und führte ihn in die Sakristei.
Der Feldkurat saß recht bequem auf dem Tisch und drehte sich eine Zigarette.
Als Schwejk eintrat, sagte der Feldkurat:
»Also da sind Sie. Ich hab mir alles überlegt und glaube, daß ich Sie durchschaut habe, wie sichs gebührt, verstanden, Lump? Das ist der erste Fall, daß mir hier jemand in der Kirche in Tränen ausbricht.«
Er sprang vom Tisch hinunter und schrie Schwejk, während er ihn an der Schulter rüttelte, unter dem großen melancholischen Bild des heiligen Franz von Sales an:
»Gesteh, du Lump, daß du nur hetzhalber geweint hast?«
Und der heilige Franz von Sales blickte fragend auf Schwejk herab. Von der gegenüberliegenden Seite blickte Schwejk ein Märtyrer verstört an, der gerade die Zähne einer Säge im Hintern hatte, mit der die bekannten römischen Söldner an ihm sägten. Dem Antlitz des Märtyrers merkte man dabei keine Qualen, aber auch keine Freuden oder die Verklärtheit des Märtyrers an. Er sah nur verstört aus, als wollte er sagen: »Wie bin ich eigentlich dazu gekommen, was macht ihr denn da mit mir, meine Herren?«
»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk ernsthaft, alles auf eine Karte setzend, »ich beichte dem allmächtigen Gott und Ihnen, Hochwürdiger Vater, der Sie an Gottes Stelle sind, daß ich wirklich nur hetzhalber geweint hab. Ich hab gesehen, daß zu Ihrer Predigt ein gebesserter Sünder fehlt, den Sie vergeblich in Ihrer Predigt gesucht ham. So hab ich Ihnen die Freude machen wolln, damit Sie nicht denken, daß es keine ehrlichen Menschen mehr gibt, und mir selbst wollt ich einen Jux machen, damit mirs leichter ums Herz wird.«
Der Feldkurat blickte prüfend in das einfältige Gesicht Schwejks. Ein Sonnenstrahl spielte auf dem düsteren Bild des heiligen Franz und gab dem verstörten Märtyrer auf der gegenüberliegenden Wand einen warmen Ausdruck.
»Sie fangen an, mir zu gefallen«, sagte der Feldkurat, indem er sich wieder auf den Tisch setzte. »Zu welchem Regiment gehören Sie?« Er fing an zu rülpsen.
»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, ich gehör zum einundneunzigsten Regiment und gehör nicht dazu, ich weiß überhaupt nicht, was mit mir los is.«
»Und warum sitzen Sie eigentlich hier?« fragte der Feldkurat, ohne daß er zu rülpsen aufhörte.
Aus der Kapelle drangen die Klänge des Harmoniums herein, das die Orgel vertrat. Der Musikant, ein Lehrer, der wegen Desertion eingesperrt war, spielte auf dem Harmonium die jämmerlichsten Kirchenmelodien. Mit dem Rülpsen des Feldkuraten verschmolzen diese Laute zu einer neuen dorischen Tonleiter.
»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, daß ich wirklich nicht weiß, warum ich hier sitz und daß ich mich nicht beschwer, daß ich hier sitz. Ich hab nur Pech. Ich mein immer alles gut, und zum Schluß wird für mich immer das Schlechteste draus, wie dort bei diesem Märtyrer auf dem Bild.«
Der Feldkurat schaute das Bild an, lachte und sagte:
»Sie gefallen mir wirklich, über Sie muß ich mich beim Herrn Auditor erkundigen, aber länger werde ich mich mit Ihnen nicht unterhalten. Ich will die heilige Messe schon vom Hals haben. Kehrt euch! Abtreten!«
Als Schwejk in die heimatliche Gruppe der Unterhosen unter der Kanzel zurückkehrte, antwortete er auf die Frage, was der Feldkurat in der Sakristei von ihm gewollt habe, sehr trocken und kurz:
»Er is besoffen.«
Die neue Funktion des Feldkuraten, die heilige Messe, wurde von allen mit großer Aufmerksamkeit und unverhohlener Sympathie verfolgt. Einer unter der Kanzel wettete sogar, daß dem Feldkuraten die Monstranz aus den Händen fallen werde. Er setzte seine ganze Ration Brot gegen zwei Ohrfeigen und gewann die Wette.
Das, was beim Anblick der Zeremonien des Feldkuraten die Seelen aller erfüllt, war nicht der Mystizismus Gläubiger oder die Frömmigkeit wahrer Katholiken. Es war ein Gefühl wie im Theater, wenn wir den Inhalt eines Stücks nicht kennen, die Handlung sich verwirrt und wir neugierig warten, wie sie sich entwickeln wird. Sie versenkten sich in das Bild, das ihnen der Feldkurat am Altar mit großer Opferfreudigkeit bot.
Sie gaben sich dem ästhetischen Genuß des Ornats hin, das der Feldkurat verkehrt angezogen hatte, und beobachteten mit innigem Verständnis und Eifer alles, was sich beim Altar begab. Der rothaarige Ministrant, ein Deserteur aus Kirchenkreisen, Spezialist in kleinen Diebstählen beim 28. Regiment, war bestrebt, die ganze Reihenfolge, die Technik und den Text der heiligen Messe aus dem Gedächtnis hervorzuholen. Er war gleichzeitig Ministrant und Souffleur des Feldkuraten, der mit vollendetem Leichtsinn ganze Sätze überwarf und statt der gewöhnlichen Messe im Meßbuch bis zur Adventandacht kam, die er zur allgemeinen Zufriedenheit des Publikums zu singen begann.
Er hatte weder Stimme noch Gehör, und unter der Wölbung der Kapelle ertönte ein Winseln und Kreischen wie in einem Schweinestall.
»Der is aber heut besoffen«, sagten die vor dem Altar mit voller Befriedigung, »den hats gepackt! Der hat sich wieder gegeben! Gewiß hat er sich bei Weibern besoffen.«
Und vielleicht schon zum drittenmal ertönte vor dem Altar der Gesang des Feldkuraten: »Ite missa est!« wie das Kriegsgeheul von Indianern, daß die Fenster zitterten.
Dann schaute der Feldkurat noch einmal in den Kelch, ob nicht doch noch ein Tröpfchen Wein übriggeblieben sei, machte eine verdrießliche Gebärde und wandte sich an die Zuhörerschaft:
»So, jetzt könnt ihr schon nach Haus gehn, ihr Lumpen, es ist schon Schluß. Ich hab bemerkt, daß ihr nicht die wahre Frömmigkeit zeigt, wie ihr sie an den Tag legen sollt, wenn ihr in der Kirche vor dem Angesicht der heiligsten Altarsakramente steht, ihr Lauskerle! Angesicht in Angesicht mit Gott dem Herrn schämt ihr euch nicht, laut zu lachen, zu husten und zu kichern, mit den Füßen zu scharren, noch dazu vor mir, der die Jungfrau Maria, Jesus Christus und Gott Vater vertritt, ihr Lumpen. Wenn sich das nächstens wiederholt, so werde ich euch Mores lehren, wie sichs gehört und gebührt, damit ihr wißt, daß es nicht nur die Hölle gibt, von der ich euch das vorletztemal gepredigt hab, sondern daß es auch eine Hölle auf Erden gibt, und wenn ihr euch auch vor der ersten retten könntet, vor dieser werdet ihr euch nicht retten. Abtreten!«
Der Feldkurat, der eine so verflucht alte wohltätige Einrichtung, wie den Besuch von Sträflingen, so schön in Wirklichkeit umsetzte, verschwand in der Sakristei, kleidete sich um, ließ sich aus dem Demijohn in eine Kanne Meßwein einschenken, trank ihn aus und setzte sich mit Hilfe seines Ministranten auf sein im Hof angebundenes Reitpferd; aber dann erinnerte er sich Schwejks, kletterte hinunter und ging in die Kanzlei zu Auditor Bernis.
Untersuchungsauditor Bernis war ein Gesellschaftsmensch, ein bezaubernder Tänzer und moralisch verkommenes Subjekt. Er langweilte sich schrecklich und schrieb deutsche Gedenkbuchverse, um immer einen Vorrat davon bereit zu haben. Er war der wichtigste Teil des ganzen Apparates, denn er hatte eine so ungeheure Menge von Resten und verwickelten Akten, daß er dem ganzen Kriegsgericht auf dem Hradschin Respekt einflößte. Er pflegte das Anklagematerial zu verlieren und war gezwungen, neues zu ersinnen. Er verwechselte die Namen, verlor die Fäden der Klage und spann neue, wie es ihm einfiel. Er verurteilte Deserteure wegen Diebstahls und Diebe wegen Desertion.
Er war sogar in politische Prozesse verstrickt, die er aus der Luft griff. Er machte den unmöglichsten Hokuspokus, um die Angeklagten eines Verbrechens zu überführen, das sich diese niemals hatten träumen lassen. Er ersann Majestätsbeleidigungen und unterschob die ausgedachten inkriminierten Aussprüche immer jemandem, dessen Anklage in diesem undurchdringlichen Chaos von Amtsakten und Zuschriften verlorengegangen war.
»Servus«, sagte der Feldkurat, ihm die Hand reichend, »wie gehts?«
»Mäßig«, antwortete Untersuchungsauditor Bernis, »man hat mir das Material überworfen, und nicht mal der Teufel kennt sich drin aus. Gestern hab ich das schon durchgearbeitete Material über einen Fall von Meuterei hinaufgeschickt, und sie haben mirs zurückgeschickt, weil es sich angeblich nicht um Meuterei, sondern um Konservendiebstahl handelt. Und ich hab doch vorsichtshalber eine andere Nummer draufgegeben, aber wie sie draufgekommen sind, das weiß Gott.« Der Auditor spuckte aus.
»Spielst du noch Karten?« fragte der Feldkurat.
»In Karten hab ich alles verloren; letzthin haben wir mit dem glatzköpfigen Oberst Makao gespielt, und ich hab ihm alles in den Schlund geworfen. Aber ich weiß von einem netten Mädl. Und was machst du, Heiliger Vater?«
»Ich brauche einen Burschen«, sagte der Feldkurat, »vor kurzem hab ich einen alten Buchhalter ohne akademische Bildung gehabt, aber ein Rindvieh erster Klasse. Fort hat er nur geraunzt und gebetet, Gott möge ihn beschützen, so hab ich ihn mit dem Marschbataillon an die Front geschickt. Es heißt, daß das Bataillon ganz aufgerieben wurde. Dann hat man mir einen Kerl geschickt, der nichts anderes gemacht hat als im Wirtshaus sitzen und auf meine Rechnung trinken. Er war ganz passabel, aber die Füße haben ihm geschwitzt. So hab ich ihn auch mit dem Marschbataillon an die Front geschickt. Heut hab ich bei der Predigt einen Kerl gefunden, der aus Hetz zu weinen angefangen hat. So einen Menschen könnt ich brauchen. Er heißt Schwejk und sitzt auf Nummer sechzehn. Ich möcht gern wissen, warum man ihn eingesperrt hat, und ob es nicht zu richten geht, daß ich ihn bekommen könnt.«
Der Auditor suchte in den Schubladen die Akten, die Schwejk betrafen, konnte aber, wie gewöhnlich, nichts finden.
»Hauptmann Linhart wirds haben«, sagte er nach langem Suchen, »weiß der Teufel, wohin bei mir alle Akten verschwinden. Wahrscheinlich hab ich sie zu Linhart geschickt. Gleich telefonier ich bin. – – – – Halloo, hier Oberleutnant Auditor Bernis. Herr Hauptmann, bitte, haben Sie dort nicht die Akten betreffs eines gewissen Schwejk? – Daß die Akten bei mir sein müssen? Das wundert mich aber. – Daß ich sie von Ihnen übernommen hab? Das wundert mich wirklich. – Er sitzt auf Nummer sechzehn. – Ich weiß, Herr Hauptmann, daß ich Nummer sechzehn hab. Aber ich hab geglaubt, daß sich die Akten Schwejk irgendwo bei Ihnen herumwälzen. – Daß Sie sich ausbitten, daß ich so mit Ihnen spreche? Daß sich bei Ihnen nichts herumwälzt? – Halloo, halloo ...«
Auditor Bernis setzte sich an den Tisch und sprach erbittert über die Unordnung in der Führung der Untersuchung. Zwischen ihm und Hauptmann Linhart herrschte schon lange eine Feindschaft, in der beide überaus konsequent waren. Gelangte ein Akt, der Linhart gehört, in Bernis' Hände, verlegte ihn Bernis, daß ihn niemand finden konnte. Linhart tat dasselbe mit den Akten, die Bernis gehörten. Sie verloren einander gegenseitig die Beilagen.
(Die Schwejk betreffenden Akten wurden erst nach dem Krieg mit folgendem Vermerk im Militärarchiv aufgefunden: »Hat die Absicht, die heuchlerische Maske abzuwerfen und persönlich gegen die Person unseres Herrschers und unseren Staat aufzutreten.« Die Akten lagen zwischen Akten, die einen gewissen Josef Koudela betrafen. Auf dem Umschlag befand sich ein kleines Kreuz und darunter stand: »Erledigt« und das Datum.)
»Also der Schwejk ist mir verlorengegangen«, sagte Auditor Bernis, »ich werde mir ihn rufen lassen, und wenn er sich zu nichts bekennt, so laß ich ihn frei und laß ihn zu dir bringen, und du machst das schon beim Regiment aus.«
Nachdem der Feldkurat gegangen war, ließ sich Auditor Bernis Schwejk vorführen und ließ ihn bei der Tür stehen, weil grade ein Telefonogramm von der Polizeidirektion eingetroffen war, das besagte, daß das verlangte Material zu der Anklageschrift Nr. 7267, betreffend den Infanteristen Maixner, in der Kanzlei Nr. I von Hauptmann Linhart übernommen worden sei.
Inzwischen betrachtete Schwejk prüfend die Kanzlei des Auditors.
Man kann nicht behaupten, daß sie, insbesondere mit den Fotografien an den Wänden, einen sehr günstigen Eindruck gemacht hätte. Es waren Fotografien verschiedener Exekutionen, die von der Armee in Galizien und Serbien durchgeführt worden waren. Künstlerische Aufnahmen abgebrannter Hütten und Bäume, deren Zweige sich unter der Last von Gehenkten senkten. Besonders gelungen war eine Fotografie aus Serbien mit einer gehenkten Familie. Ein kleiner Knabe, Vater und Mutter. Zwei Soldaten mit Bajonetten bewachen den Baum mit den Hingerichteten, und irgendein Offizier steht als Sieger im Vordergrund und raucht eine Zigarette. Auf der anderen Seite im Hintergrund ist die Feldküche in voller Arbeit zu sehen.
»Also was ist mit Ihnen, Schwejk?« fragte Auditor Bernis, als er das Telefonogramm zu den Akten legte, »was haben Sie angestellt? Wollen Sie gestehn oder wollen Sie warten, bis die Klage gegen Sie abgefaßt sein wird? So gehts nicht weiter. Glauben Sie nicht, daß Sie vor einem Gericht stehen, wo Sie vertrottelte Zivilisten verhören werden. Sie stehen vor einem k. u. k. Militärgericht. Ihre einzige Rettung vor einer strengen und gerechten Strafe kann ein Geständnis bilden.«
Auditor Bernis hatte eine eigenartige Methode, wenn er das Material gegen den Angeklagten verloren hatte. Es war durchaus nichts Besonderes daran, und wir dürfen uns auch nicht wundern, daß die Ergebnisse einer solchen Untersuchung und eines solchen Verhörs in allen Fällen gleich Null waren.
Auditor Bernis glaubte überaus scharfsinnig zu sein, weil er, ohne Material gegen den Angeklagten zu besitzen, ohne zu wissen, weshalb er hier im Garnisonsarrest saß, durch Beobachtung des Betragens und aus der Physiognomie des zum Verhör Vorgeführten kombinierte, warum man diesen Menschen wohl eingesperrt habe.
Sein Scharfsinn und seine Menschenkenntnis waren so groß, daß er einen Zigeuner, der wegen des Diebstahls einiger Dutzend Wäschestücke (er war Gehilfe eines Magazineurs in einem Magazin!) in den Garnisonsarrest gekommen war, politischer Verbrechen beschuldigte und behauptete, der Angeklagte habe in einem Wirtshaus mit Soldaten von der Errichtung eines selbständigen Nationalstaates gesprochen, der aus den Ländern der böhmischen Krone und der Slowakei bestehen und einen slawischen König an der Spitze haben sollte.
»Wir haben Dokumente«, sagte er dem unglücklichen Zigeuner, »es bleibt Ihnen nichts übrig als zu gestehen, in welchem Wirtshaus Sie das Delikt begangen haben und von welchem Regiment die Soldaten waren, die Ihnen zugehört haben, und wann das war.«
Der unglückliche Zigeuner dachte sich sogar das Datum, das Gasthaus und das Regiment seiner vermeintlichen Zuhörer aus, und als das Verhör beendet war, lief er einfach davon.
»Sie wollen nicht gestehen«, sagte Auditor Bernis, als Schwejk schwieg wie das Grab, »Sie wollen nicht sagen, warum Sie hier sind, warum man Sie eingesperrt hat? Mir könnten Sies wenigstens sagen, bevor ich es Ihnen selbst sage. Ich mache Sie nochmals darauf aufmerksam, daß Sie gestehen sollen. Es ist besser für Sie, weil es die Untersuchung erleichtert und die Strafe mildert. Das ist grad so bei uns wie bei den Zivilisten.«
»Melde gehorsamst«, ließ sich die gutmütige Stimme Schwejks vernehmen; »ich bin hier im Garnisonsarrest als Findling.«
»Wie meinen Sie das?«
»Melde gehorsamst, ich kann das auf sehr einfache Art erklären. Bei uns in der Gasse is ein Kohlenmann, und der hat einen ganz unschuldigen zweijährigen Buben gehabt, und der is mal zu Fuß von der Weinberge bis nach Lieben gekommen, wo ihn ein Polizist gefunden hat, wie er auf dem Trottoir gesessen is. Er hat also diesen Buben aufs Kommissariat gebracht, und man hat ihn dort eingesperrt, den zweijährigen Buben. Wie Sie sehn, war der Bub vollständig unschuldig, und man hat ihn doch eingesperrt. Und wenn er sprechen gekonnt hätt und jemand ihn gefragt hätt, warum er dort sitzt, hätt ers auch nicht gewußt. Und mit mir gehts so ähnlich. Ich bin auch ein Findling.«
Der scharfe Blick des Auditors überflog Schwejks Gestalt und Gesicht und zerschellte an ihm. Aus diesem vor dem Auditor stehenden Geschöpf strahlte eine solche Gleichgültigkeit und Unschuld, daß Bernis aufgeregt in der Kanzlei auf und ab zu gehen begann. Und hätte er dem Feldkuraten nicht versprochen, ihm Schwejk zu schicken, weiß der Teufel, wies mit Schwejk ausgefallen wäre.
Schließlich blieb der Auditor wieder bei seinem Tisch stehen.
»Hören Sie«, sagte er zu Schwejk, der gleichgültig vor sich hin schaute, »wenn ich Ihnen noch einmal begegne, so werden Sie dran denken. – Führen Sie ihn ab!«
Nachdem man Schwejk auf Nummer sechzehn zurückgeschafft hatte, ließ Auditor Bernis Stabsprofos Slawik rufen.
»Bis zur weiteren Entscheidung«, sagte er kurz, »wird Schwejk dem Herrn Feldkuraten Katz zur Disposition geschickt. Entlassungspapiere ausfertigen und Schwejk mit zwei Mann zum Herrn Feldkuraten führen!«
»Soll man ihm Fesseln auf den Weg geben, Herr Oberleutnant?«
Der Auditor schlug mit der Faust auf den Tisch:
»Sie sind ein Ochs. Ich hab Ihnen doch deutlich gesagt, Entlassungspapiere ausfertigen.«
Und alles, was sich während des Tages in der Seele des Auditors angehäuft hatte, Hauptmann Linhart und Schwejk, ergoß sich jetzt wie ein Sturzbach auf den Stabsprofos und endete mit den Worten:
»Und jetzt werden Sie begreifen, daß Sie ein gekrönter Hornochse sind.«
Das soll man eigentlich nur von Königen und Kaisern sagen, aber nicht einmal der gewöhnliche Stabsprofos, ein ungekröntes Haupt, war damit zufrieden. Nachdem er den Auditor verlassen hatte, traktierte er auf dem Gang den Arrestanten, der den Gang aufräumte, mit Fußtritten.
Was Schwejk betrifft, nahm sich der Stabsprofos vor, ihn wenigstens noch eine Nacht im Garnisonsarrest schlafen zu lassen, damit er auch »noch was genieße«.
Die im Garnisonsarrest verlebte Nacht gehört jederzeit zu den angenehmen Erinnerungen Schwejks.
Neben Nummer sechzehn befand sich der »Einzlik« ein düsteres Loch, die Einzelhaft, wo auch in dieser Nacht das Gewinsel eines eingesperrten Soldaten ertönte, dem Feldwebel Řepa wegen irgendeines Disziplinarvergehens auf Befehl des Stabsprofosen Slawik die Rippen brach.
Als das Gewinsel verstummte, wurde in Nummer sechzehn das Knacken der Läuse vernehmbar, die den Arrestanten beim Suchen in die Hände gerieten.
Über der Tür in einer Maueröffnung verbreitete die mit einem Schutzgitter versehene rauchende Petroleumlampe ein fahles Licht. Petroleumgestank vermischte sich mit den natürlichen Ausdünstungen der ungewaschenen menschlichen Körper und dem Gestank des Eimers, dessen Oberfläche sich nach jeder Benützung teilte, um eine neue Welle von Gestank in »Nummer sechzehn« zu werfen.
Die schlechte Nahrung verursachte bei allen einen beschwerlichen Verdauungsprozeß, und die Mehrzahl litt an Winden, die sie in der nächtlichen Stille fahrenließen, wobei sie einander unter verschiedenen Scherzen mit diesen Signalen Antwort gaben.
Auf den Gängen war der gemessene Schritt der Wachposten vernehmbar, von Zeit zu Zeit öffnete sich die Öffnung in der Tür und der Aufseher schaute durchs Guckloch.
Auf dem mittleren Kavallett ließ sich leise eine erzählende Stimme vernehmen:
»Bevor ich weglaufen wollt und bevor sie mich dann hergegeben ham zwischen euch, war ich auf Nummer zwölf. Dort sind nämlich die Leichtern. Einmal ham sie euch einen Menschen hingebracht, von irgendwo draußen. Der liebe Mann hat vierzehn Tage gefaßt, weil er Soldaten bei sich hat schlafen lassen. Zuerst hat man gedacht, daß es eine Verschwörung is, aber dann hat sichs aufgeklärt, daß ers für Geld gemacht hat. Er hat zwischen den Leichtesten eingesperrt wern solln, aber weil dort voll war, so is er zu uns gekommen. Aber was der sich alles von zu Haus mitgebracht hat und was man ihm noch geschickt hat, weil er erlaubt gehabt hat, daß er sich selbst verköstigen und zubessern kann. Sogar rauchen hat er dürfen! Er hat zwei Schinken gehabt, solche Riesenlaiber Brot, Eier, Butter, Zigaretten, Tabak, na, kurz, an was man sich erinnert, hat er in zwei Rucksäcken mitgehabt. Und der Kerl hat geglaubt, daß ers allein auffressen muß. Wir ham angefangen ihn anzubetteln, wies ihm nicht eingefalln is, mit uns zu teiln, wie die andern geteilt ham, wenn sie was gekriegt ham; der geizige Kerl hat gesagt, daß herich nicht, daß er vierzehn Tage eingesperrt sein wird und daß er sich mit Kohl und verfaulten Erdäpfeln, was man uns als Minasch gibt, den Magen verderben möcht. Daß er uns seine ganze Minasch und das Kommißbrot geben wird, das mag er herich nicht, das solln wir uns herich unter uns teiln oder der Reihe nach abwechseln. Ich sag euch, das war so ein feiner Mensch, daß er sich nicht mal aufn Kibl setzen wollt und bis am nächsten Tag aufn Spaziergang gewartet hat, daß ers im Hof auf der Latrine macht. Er war so verwöhnt, daß er sich sogar Klosettpapier mitgebracht hat. Wir ham ihm gesagt, daß wir ihm auf seine Portion pfeifen, und ham ein, zwei, drei Tage zugeschaut. Der Kerl hat Schinken gefressen, hat sich Butter aufs Brot geschmiert, hat sich Eier geschält, kurz, hat gelebt. Er hat Zigaretten geraucht und niemandem nicht mal einen Schluck geben wolln. Wir dürfen herich nicht rauchen, und wenns der Aufseher sehn möcht, daß er uns einen Schluck gibt, möcht man ihn herich einsperren. Wie gesagt, wir ham drei Tage zugeschaut. Am vierten Tag in der Nacht is es losgegangen. Der Kerl is früh aufgekommen, und das hab ich euch zu sagen vergessen, daß er immer früh, mittag und abend, bevor er sich anzustopfen angefangen hat, gebetet hat, lang gebetet hat. Er hat also gebetet und sucht seine Rucksäcke unter der Pritsche. Ja, die Rucksäcke waren dort, aber ausgetrocknet, zusammengeschrumpft wie eine gedörrte Pflaume. Er hat angefangen zu schrein, daß er bestohln is, daß man ihm nur Klosettpapier dortgelassen hat. Dann hat er wieder fünf Minuten lang geglaubt, daß wir uns einen Jux machen, daß wirs wohin versteckt ham. Er sagt noch so lustig: ›Ich weiß, ihr seid Schwindler, ich weiß, ihr werdet mirs zurückgeben, aber gelungen is es euch.‹ – Da war euch dort unter uns ein Liebner, und der sagt: ›Wissen Sie was, decken Sie sich mit der Decke zu und zähln Sie bis zehn. Und dann schaun Sie in Ihre Rucksäcke.‹ – Er hat sich zugedeckt wie ein folgsamer Junge und zählt: Eins, zwei, drei. – Und der Liebner sagt wieder: ›Sie dürfen nicht so schnell, Sie müssen recht langsam.‹ – Und so zählt er unter der Decke langsam, in Pausen: Eins – zwei – drei. – – Wie er zehn gezählt hat, is er vom Kavallett gekrochen und hat sich seine Rucksäcke angeschaut. – Jesusmariandjosef, Leutln, hat er zu schrein angefangen, sie sind ja leer wie früher. – Und dabei sein blödes Gesicht, wir ham alle vor Lachen platzen können. Aber der Liebner sagt: ›Probieren Sies noch mal.‹ – Und werdet ihrs glauben, daß er von dem allen so blöd war, daß ers noch mal probiert hat, und wie er gesehn hat, daß er wieder nichts dort hat wie Klosettpapier, hat er angefangen, in die Tür zu dreschen und zu schrein: ›Sie ham mich bestohlen, sie ham mich bestohlen, Hilfe, machts auf!‹ Also sind sie gleich hineingestürzt, ham den Stabsprofos und Feldwebel Řepa gerufen. Wir alle, einer wie der andre, sagen, daß er verrückt geworn is, daß er gestern bis lang in die Nacht gefressn hat und daß er das alles aufgefressen hat. Und er hat nur geweint und fort gesagt: ›Es müssen doch irgendwo Bröserl sein.‹ – Also hat man die Bröserl gesucht und nicht gefunden, weil so gescheit waren wir auch. Was wir selbst nicht ham auffressen können, hamr per Post auf einer Schnur in den zweiten Stock geschickt. Sie ham uns nichts nachweisen können, obzwar der Trottel fort wiederholt hat: ›Die Bröserl müssen doch irgendwo sein.‹ – Den ganzen Tag hat er euch nichts gefressen und hat achtgegeben, ob niemand was ißt oder nicht raucht. Am nächsten Tag mittag hat er auch noch nicht die Minasch angerührt, aber abends hat er sich die verfaulten Erdäpfel und den Kohl schmecken lassen, nur daß er nicht mehr gebetet hat wie früher, bevor er sich an den Schinken und die Eier gemacht hat. Dann hat dort einer von uns von draußen Dramas bekommen, und da hat er mit uns zum erstenmal zu sprechen angefangen, damit wir ihm einen Schluck geben. Dreck hamr ihm gegeben.«
»Ich hab schon Angst gehabt, daß ihr ihm einen Schluck gegeben habt«, bemerkte Schwejk, »das hätt die ganze Erzählung verdorben. So einen Edelmut gibts nur in Romanen, aber im Garnisonsarrest unter solchen Umständen wärs ein Blödsinn.«
»Und eine ›Decke‹ habt ihr ihm nicht gegeben?« ließ sich eine Stimme vernehmen.
»Dran hamr vergessen.«
Eine leise Debatte hub an, ob er trotz allem eine »Decke« hätte bekommen solln oder nicht. Die Mehrzahl stimmte dafür.
Das Gespräch verstummte allmählich. Sie schliefen ein, während sie sich unter den Achseln, auf der Brust und auf dem Bauche kratzten, wo sich in der Wäsche die meisten Läuse halten. Sie schliefen ein, indem sie sich die verlausten Decken über die Köpfe zogen, damit das Licht der Petroleumlampe sie nicht störe. –
Früh um acht Uhr forderte man Schwejk auf, in die Kanzlei zu gehen.
»Auf der linken Seite bei der Kanzleitür is ein Spucknapf, dort wirft man die Zigarettenstummel hinein«, belehrte Schwejk ein Arrestant. »Und im ersten Stock gehst du auch an einem vorbei. Man kehrt den Gang erst um neun, es wird was dort sein.«
Aber Schwejk enttäuschte ihre Hoffnung. Er kehrte nicht mehr nach Nummer sechzehn zurück. Neunzehn Unterhosen kombinierten und vermuteten mancherlei.
Ein sommersprossiger Landwehrsoldat, der am meisten Phantasie besaß, meinte, Schwejk habe seinen Hauptmann angeschossen und man habe ihn auf den Exerzierplatz in Motol zur Hinrichtung geführt.
Schwejks Odyssee begann von neuem unter der ehrenvollen Begleitung zweier Soldaten mit »Bajonett auf«, die ihn zum Feldkuraten bringen sollten.
Seine Begleiter waren Männer, die einander gegenseitig ergänzten. War der eine von ihnen lang und hager, so war der andere klein und dick. Der Lange hinkte auf dem rechten Fuß, der kleine Soldat auf dem linken. Beide dienten im Hinterlande, weil sie früher, bis zum Krieg, vom Militärdienst vollständig befreit gewesen waren.
Sie gingen ernsthaft auf der Fahrbahn und blickten von Zeit zu Zeit von der Seite auf Schwejk, der in der Mitte schritt und jedem zweiten salutierte. Seine Zivilkleider waren im Magazin des Garnisonsarrestes verlorengegangen, samt seiner Militärkappe, mit der er zur Assentierung gegangen war. Bevor man ihn entließ, hatte man ihm eine alte militärische Montur gegeben, die einem Dickwanst gehört haben mußte, der um einen Kopf größer war als Schwejk.
In die Hosen, die er trug, wären noch drei Schwejks hineingegangen. Endlose Falten von den Füßen bis über die Brust, wohin die Hosen reichten, erweckten unwillkürlich die Verwunderung der Schaulustigen. Eine ungeheure Bluse mit Flicklappen auf den Ellbogen, voller Fettflecke und schmutzig, schlotterte an Schwejk wie ein Rock an einer Vogelscheuche. Die Hosen hingen an ihm hinunter wie ein Kostüm an einem Zirkusclown. Die Militärkappe, die man ihm gleichfalls im Garnisonsarrest ausgetauscht hatte, reichte ihm bis über die Ohren. Auf das Gelächter der Vorübergehenden antwortete Schwejk mit einem weichen, warmen Lächeln und der Sanftmut seiner gutmütigen Augen.
Und so marschierten sie nach Karolinental, zur Wohnung des Feldkuraten.
Als erster wurde Schwejk von dem kleinen Dicken angesprochen. Sie schritten gerade auf der Kleinseite unter dem Laubengang.
»Woher bist du?« fragte der kleine Dicke.
»Aus Prag.«
»Und wirst du uns nicht weglaufen?«
Der Lange mischte sich ins Gespräch. Es ist eine überaus merkwürdige Erscheinung, daß die kleinen Dicken größtenteils gutmütige Optimisten zu sein pflegen, während die hageren Langen im Gegenteil Skeptiker sind.
Und deshalb sagte der Lange zu dem Kleinen:
»Wenn er könnt, möcht er weglaufen.«