„Suche Stunden der Sammlung, damit die Seele zu dir sprechen kann.”
(Zitat: Albert Schweitzer)
O liebliche? Idyll, du deutsche Schweiz, am schönen Elbestrande,
wie schlägt doch stets dein Liebesreiz, mich neu in Zauberbande!
So hab’ hinab von der Bastei, als Jüngling ich geblicket,
mich an der Fernsicht, hehr und frei, begeistert und entzücket!
So blick’ bewundernd ich noch heut, das Aug’ will satt nicht werden,
es hat mich wenig so erfreut, als dieses Bild auf Erden.
Der Königs- und der Lilienstein schau’n sagenreich hernieder“
der König wollt' die Lilie frei’n, so melden alte Lieder,
Da strömet durch das Polenztal, der Bach mit holdem Rauschen,
das Laub ist dicht, der pfad ist schmal, wie selig, so zu lauschen!
Im Bielagrunde rauscht’s und blinkt es wie aus tausend Bronnen,
daraus entzückt der Wand ’rer trinkt, drin sich die Buchen sonnen.
Und dir, vom „Brand“ entzückend’ Bild, voll ungeahnter Schöne,
das Tümmels Dichterherz erfüllt, des Dankes Lob ertöne!
Und unten in dem Edmundsgrund, welch ’ märchenhaß 'Erzählen!
Es lauscht der Wald in weitem Rund, will ja kein Wort verfehlen.
Hoch oben hat das Prebischtor, gigant’sche Hand gebauet,
der weite Himmel draus hervor, iln ew ’ger Ruhe blauet.
Und unten an der Elbe Strom, mein Schandau, reizumßossen,
wie ein idyllisches Phantom, von Anmut übergossen,
Der Schlüssel all’der Herrlichkeit, der liebsten mir auf Erden,
denn nimmermehr wird weit und breit, ein Ort mir lieber werden.
Hugo Lissauer (aus der Sammlung Reiselieder)
(Ein Erlebnistagebuch)
© 2017 tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld
Autor: Eckart Warnecke
Umschlag-Layout: Nicole Katharina Schober
Verlag: tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld · www.tao.de
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ISBN
Paperback: | 978-3-96051-852-5 |
Hardcover: | 978-3-96051-853-2 |
e-Book: | 978-3-96051-854-9 |
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‚Am liebsten würde ich die Tour gleich noch mal machen wollen‘. Dieser Gedanke kam mir immer mehr in den Sinn, als sich der achte Tag meiner Wanderungen auf dem Malerweg in der Sächsischen Schweiz dem Ende zuneigte. Denn die wunderbaren Erfahrungen und täglich neuen Eindrücke mit den herrlichen Wäldern, den grauen Felsformationen, den plätschernden Bächen und der Freude an der Bewegung während dieser Zeit waren so eindrucksvoll und sinnstiftend, dass ich immer mehr Wehmut entwickelte, je mehr ich mich den letzten Kilometern entlang der Elbe in Richtung Pirna näherte; am liebsten noch eine Woche dranhängen, was leider zeitlich nicht machbar war.
Aber weshalb spreche ich hier überhaupt von den ‚Künstlern‘ und warum hat man den Namen ‚Malerweg‘ für diese 120 Kilometer lange Wanderung rund um die Ortschaft Bad Schandau herum, dem lieblichen Zentrum der Sächsischen Schweiz, gewählt? Hierzu muss man wissen, dass die Zahl der Maler, die von dieser faszinierenden Landschaft angezogen wurden, sehr lang ist. So war es Johann Thiele, der bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dazu beigetragen hatte, die Schönheit und Romantik des Elbsandsteingebirges bekannt zu machen. Später war es dann Bernardo Bellotto, der unter seinem Künstlernamen ‚Canaletto‘ in seinen Zeichnungen neben Landschaftsaspekten besonders die Festungen Königstein und Sonnenstein, sowie ‚Den Marktplatz von Pirna“ (1753) festhielt.
Dem Schweizer Maler Adrian Zingg, der unter anderem Ende des 18. Jahrhunderts die ‚Ostrauer Mühle bei Bad Schandau‘ schuf, folgten Franz Stadler (‚Luck-Mühle im Liebethaler Grund‘, um 1800), Capt. Batty E. Goodall (‚Wehltürme überm Wehlgrund, 1825), Adrian Ludwig Richter (‚Schmilkaer Mühle‘) und andere Romantiker, wie Ernst Ferdinand Boehme (‚Blick auf die Sächsische Schweiz‘, 1840). Zum bekanntesten Maler allerdings wurde Caspar David Friedrich, der nicht nur 1823 seine ‚Felsenlandschaft im Elbsandsteingebirge‘ schuf, sondern schon fünf Jahre zuvor eines seiner bekanntesten und ausdrucksprächtigsten Gemälde, seinen ‚Wanderer über dem Nebelmeer‘ entworfen hatte, dessen Felsenvorlage heute noch sehr gut in der Nähe der Ortschaft Schöna zu besichtigen ist. Und dass sich Richard Wagner durch die Schönheit der Gegend zu Lohengrin inspirieren ließ, sagt wohl ein Übriges.
Nun wieder zurück zu mir. Ich hatte mir also auf den letzten Kilometern angesichts des aufkommenden Abschiedsschmerzes dann doch einen kleinen Kompromiss abringen können. Auf meiner Heimfahrt würde ich am Liebethaler Grund einen nicht geplanten Zwischenstopp einlegen, meine Wanderschuhe für ein letztes Mal rausholen und noch mal ein Stück auf derjenigen Strecke entlangwandern, auf der ich vor acht Tagen gestartet war und die mich sofort in ihren Bann gezogen hatte. Es müsste ja nicht die ganze erste Etappe sein, aber zumindest die ersten Kilometer noch mal sehen, entlangschlendern in der Beschaulichkeit der verzaubernden grünen Schlucht mit dem kleinen Flüsschen Wesenitz - ja das wäre doch schön. Somit würde meine Wanderung dort enden, wo sie angefangen hatte.
Ein meditativer Abschied auf Raten also, zufrieden und entspannt - und so geschah es dann auch. Und demzufolge konnte ich am Ende meines Urlaubs bezogen auf die Rückkehr zur ersten Etappe, die ja auch gleichzeitig meine letzte für diesen Urlaub sein sollte, verbunden mit einem berührenden Wiedersehen, sagen: ich verabschiede mich dort, wo es angefangen hatte, oder philosophisch ausgedrückt: „Jedem Anfang wohnt ein Ende inne.“
„Die beiden schönsten Dinge sind die Heimat, aus der wir stammen, und die Heimat, nach der wir wandern. “
(Johann Heinrich Jung-Stilling)
Man muss gar nicht unbedingt auf dem Jakobsweg unterwegs sein, um Stress bei sich abzubauen oder zu versuchen, zu sich selbst zu finden. Eine sehr gute Alternative ist, wie ich finde, das Wandern auf dem Malerweg. „Malerweg, nie gehört.“ Kann ich verstehen, denn auch mir war die Gegend im Hinterland von Dresden lange Zeit kein Begriff. Nun musste ich erst 60 werden, um Interesse an dieser Gegend zu finden. Und diese Gegend heißt ‚Sächsische Schweiz‘ – mitten darin die Elbe.
„O liebliche? Idyll, du deutsche Schweiz, am schönen Elbestrande, wie schlägt doch stets dein Liebesreiz, mich neu in Zauberbande! “
(Vers aus dem Gedicht von Hugo Lissauer – Seite 3)
Warum mache ich mir überhaupt diese Mühe und investiere Zeit und Energie, um dieses Buch herauszubringen? Einerseits habe ich ganz einfach Freude daran, zu schreiben und andererseits soll es Hilfe und Anregung für andere sein; besonders für diejenigen, die den Wunsch haben, sich aus dem hektischen Alltag herauszulösen, nach Entschleunigung suchen, die sich einen Tapetenwechsel erwünschen und die Arbeitsstress und Anforderungen für eine Weile hinter sich lassen wollen. Und die stattdessen Sehnsucht haben nach Ruhe, heiler Natur und Ausgeglichenheit – oder anders ausgedrückt, für diejenigen, die wieder ihre eigene Mitte finden wollen.
Denn obwohl die Regierung immer wieder anführt, uns Deutschen würde es so gut gehen, wie noch nie in den letzten sechzig Jahren, gehen heutzutage viele Menschen auf dem Zahnfleisch. Bei mir in meiner psychotherapeutischen Praxis leiden mehr als 80 Prozent meiner Patienten unter stressbedingten Symptomen. Die Krankenkassen beklagen schon lange, dass Depressionen zu einer wahren Epidemie geworden seien.
Warnzeichen werden in den meisten Fällen allerdings erst einmal verdrängt. Manchmal merken zwar Außenstehende, dass mit jemandem etwas nicht stimmt, nur leider will dies der Betroffene nicht hören. Das heißt, wir verdrängen negative Anzeichen so lange es geht, weil wir Angst davor haben, uns die Wahrheit einzugestehen.
Angst vor der Erkenntnis, dass wir womöglich nicht mehr so ‚cool‘ und voller ‚energy‘ sind, wie wir das gern sein wollen; dass es uns stattdessen nicht gut geht, dass wir uns leer fühlen, dass wir nicht so leben, wie wir dies erhofft hatten. Eine Burnout-Erkrankung kommt nicht über Nacht, sondern ist Resultat einer oft jahre-, manchmal jahrzehntelangen körperlichen wie auch seelischen Überforderung, die sich jedoch schleichend und zumeist unbemerkt vom Betroffenen vollzieht.
Der erste Fehler, den man nicht machen sollte, wenn man merkt, dass irgendetwas mit einem nicht in Ordnung ist, besteht darin, anzunehmen, dass man der Einzige ist, dem es so geht. Dies kann dann zu Scham und schlechtem Gewissen führen. Es gibt übrigens eine Unmenge an Studien, die belegen, dass sportliche Betätigung zu deutlich mehr Besserung von depressiven Symptomen, von Schlafstörungen und Bluthochdruck führt, als dies durch Medikamente und Antidepressiva erreicht wird, auf die zumeist die Ärzte zurückgreifen.
Was ich aber trotz dieser offensichtlichen Entwicklung schlimm finde: ganz häufig werden diejenigen Menschen, die erkennen und sich trauen, zu sagen, dass sie sich überfordert fühlen, dass also diese Leute, denen bewusst wird, dass in ihrem Leben irgendwas aus dem Ruder gelaufen ist, oft auch noch verlacht werden, gemäß dem Motto: „Na Burnout, das hat ja wohl jetzt schon bald jeder Zweite!“
Und dann passiert womöglich das Paradoxe, dass nämlich diejenigen, die vor drei Jahren noch über ‚die Leute mit ihrem Burnout‘ gelacht hatten, plötzlich selbst unter psychosomatischen Symptomen zu leiden beginnen und nach Auswegen aus dem Hamsterrad suchen, welches zu Schlafproblemen, Überreiztheit, Konzentrationsproblemen, Schwindelgefühlen, Antriebslosigkeit, fehlender Kreativität, Magenbeschwerden, Ängsten, innerliche Unruhe, Bluthochdruck, Schlaganfällen und vielem mehr geführt hatte.
Aber nun muss nicht jeder gleich zum Psychotherapeuten gehen. Wenn der Kopf voll ist, man plötzlich Dinge macht, weswegen man sich zum Teil nicht mehr wieder erkennt, sich vielleicht über sich selbst ärgert und trotzdem nicht weiß, wie man aus diesem Kreislauf wieder herauskommt warum versucht man es dann nicht mal mit wandern? Wandern ist eine wunderbare Methode, sich selbst besser kennen zu lernen, Stress abzubauen und achtsamer zu werden. Fast wie in einer Meditation.
Und wenn man eine Wanderung beendet hat - wo ginge es besser, als hierauf stolz zu sein. Stolz in unserer Welt, die immer häufiger aus bewegungsarmen Arbeitstätigkeiten besteht. Hier beim Wandern und dem Rückblick auf die zurückgelegten Strecken kann man festhalten, was man geschafft hat, und zwar ganz allein, keiner hat einem während einer Wanderstrecke sozusagen auf die Sprünge geholfen. Demzufolge kann ich wärmstens empfehlen: Wandern als Krankheitsprophylaxe und Selbst-Therapie.
„Ich habe eigentlich genug Zeit, aber ich schaffe es nicht, mich auffurappeln, ein Buch zu lesen oder mich rechtzeitig auf Prüfungen vorzubereiten. Und gleichzeitig habe ich die ganze Zeit über im Kopf ein Schuldgefühl, ich müsste eigentlich was tun ".
(Student aus Hamburg)
Es ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen, Freude und Zufriedenheit zu empfinden, lachen zu können und gesund zu sein. Das Streben nach Glück ist nicht nur im östlichen Kulturraum ein wesentliches Ziel, sondern auch in einer Vielzahl westlicher Staaten sogar in deren Verfassungen niedergeschrieben. Nun nähern wir uns allerdings scheinbar einem gesellschaftlichen Zustand, in dem das Gegenteil davon zu erkennen ist. Die Menschen fühlen sich immer gehetzter, verlernen das Lachen und haben immer mehr Schwierigkeiten, den täglichen Anforderungen des modernen Lebens nachzukommen. Und vor allem: es gibt eine immer größere Zahl an Beschäftigten, deren berufliche Tätigkeit nur noch im Sitzen stattfindet.
Gleichzeitig ließe sich in diesem Zusammenhang anmerken, dass die Sorge unter Ärzten wie auch Psychologen immer mehr anwächst. Diese müssen oft nur noch als Reparaturdienst für Schäden bei Erkrankten bereitstehen, die durch das Verheizen der Mitarbeiter, durch Ausbeutung, durch verantwortungslose Kapitalmarktprozesse und häufig entwürdigende Strategien vieler Unternehmen im Arbeitsbereich entstanden sind. Ich denke, wir bräuchten dringend eine neue Gesamtethik – ein Erkennen, was wirklich wichtig im Leben ist.
Und wo könnte man so etwas besser erlernen, als beim Wandern in wunderbarer, intakter Natur. In einer Natur wie zum Beispiel der Sächsischen Schweiz, deren Entstehungsgeschichte schon etwa 90 Millionen Jahre zurückliegt. Das Elbsandsteingebirge war damals von einem Meer überflutet gewesen, an dessen Boden sich Jahrtausend für Jahrtausend immer mehr Sand absetzte, den die umliegenden Flüsse herangetragen hatten. Dieser verfestigte sich immer mehr und als sich das Wasser zurückzog, hinterließ es eine bis zu 600 Meter mächtige Sandsteinschicht.
Durch Witterungseinflüsse entstand bis heute diese erstaunliche Landschaft mit ihren Tafelbergen, bizarren Felsentürmen, Schluchten, Tälern und Höhlen, mit Buchenwäldern, plätschernden Bächen und herrlichen Aussichtspunkten, durchzogen von einer Vielzahl von gut ausgeschilderten Wanderwegen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Die kleine Info-Broschüre des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz, deren Angaben ich immer mal wieder einfließen lasse, spricht deshalb auch von einem „Märchen aus Stein“.
„Und unten an der Elbe Strom, mein Schandau, reizumflossen, wie ein idyllisches Phantom, von Anmut übergossen. “
(Vers aus dem Gedicht von Hugo Lissauer – Seite 3)
„Achtsamkeit bedeutet, dass wir unseren Geist an einem Ort ruhen lassen, an dem es keine Angst und keine Sorge gibt. Tatsächlich finden wir dort das genaue Gegenteil. Wir entdecken Einfallsreichtum, Mut und ein stilles Glück“.
Chozen Bays:
Innerliche Stressreaktionen müssen nicht unbedingt schlecht sein. Wichtig ist allerdings, dass nach der Phase der Anspannung auch wieder eine Phase der Entspannung folgt. Die Natur hatte den Mechanismus der körperlichen Stressreaktionen als eine Art Schutz in Bezug auf hin und wieder einmal auftretende Extremsituationen eingerichtet. Arbeitet und lebt der Mensch jetzt jedoch in einer ständigen Überreizung, so entstehen Beschwerden, die zu körperlichem wie psychischen Erkrankungen führen können.
Inzwischen gibt es zum Glück etliche gute Studien, die beweisen, dass regelmäßiges Wandern den Selbstwert, die Schlafqualität sowie das Essverhalten verbessern, während es gleichzeitig Stressreaktionen, Depressionen, Hoffnungslosigkeit und zum Teil sogar Suizidgedanken verringert. Überhaupt zeigte sich, dass man der körperlichen Leistungsfähigkeit bisher viel zu wenig Beachtung im Kontext von Gesundheitsvorsorge zugeordnet hatte.
Einen besonderen Bereich stellen mehrtätige Wanderungen dar. Denn hierbei wird neben Körper und Seele darüber hinaus auch noch das Bewusstsein positiv beeinflusst. Unter Bewusstsein ist nicht nur allein die Art des Denkens zu verstehen, sondern die Gesamtzahl aller mentalen Prozesse, die sich auf Geist und Grundeinstellung eines Menschen auswirken. Denn bei mehrtätigen Wanderungen gerät man nach und nach in einen Bewusstseinszustand hinein, der dem von Meditationen sehr ähnlich ist.
Dabei ist Meditation trotz des immer noch etwas fremdartig klingenden Begriffs eine Methode, die recht leicht zu praktizieren ist. In der klassischen Anwendung reicht es aus, sich für eine Weile mit aufrechtem Rücken hinzusetzen, einige Male tief durchzuatmen und sich dann auf eine Art Meditationsobjekt zu konzentrieren. Und dieses Objekt kann allein schon der Atem sein, es können aber auch innere Bilder, lächelnde Gesichter, freundliche Worte, Töne oder Gesänge wie auch bestimmte Körperteile sein. Alles hilft, auf leichtem Wege den Geist zu beruhigen und wieder ein kraftvolleres und sinnvolleres Lebensempfinden zu entwickeln.
Und hier wird schnell deutlich, dass Wandern genau diejenigen Kriterien erfüllt, wie sie für Meditationen gelten. Denn beim achtsamen und bewussten Gehen schalten wir zunehmend die Außenwelt aus und lenken die Konzentration auf den Weg, die Schritte, den Körper oder die Umgebung, die den Wanderer umgibt. Somit sind wir beim Wandern ständig im Hier und Jetzt. Und indem wir die Konzentration auf das Hier-sein richten, verringern wir das Abschweifen von Gedanken, lassen die Sorgen außen vor und schöpfen somit Kraft aus der Gegenwart.
Und wenn doch einmal störende Gedanken auftauchen, so müssen wir diesen Umstand lediglich kurz realisieren und unsere Konzentration dann wieder auf das Hier und Jetzt ausrichten – auf die Farben der Pflanzen und Bäume, auf die Töne der Natur, den Wind, auf die Gerüche, auf Wärme und Kälte und vieles mehr.
Viel zu oft erwischen wir uns im Alltag bei der Fixierung auf das Zukünftige. Und vergessen dabei, dass ist es ein wunderschönes Gefühl ist, frei zu sein. Frei sein heißt, wenn einem niemand sagt, was zu machen ist. Und sich nicht einmal mehr das Gewissen meldet – dieses oftmals so ‚schlechte‘. Wenn man seine Leichtigkeit wiederfindet, und es kein Vorher und kein Nachher gibt, sondern nur noch den Augenblick, das Da-sein. Freiheit möchte ich definieren als ‚die Sehnsucht des Eingesperrten‘. Und stecken wir nicht alle im weiteren Sinne in Abhängigkeiten, Notwendigkeiten, Zwangsläufigkeiten und Verpflichtungen fest? Sind wir nicht, so betrachtet, allesamt ‚Getriebene‘?
Was brauchen wir wirklich? Brauchen wir die vielen Dinge, nach denen wir streben, wirklich? Oder werden in uns nur die Sehnsüchte von außen geweckt? Geweckt, um uns abhängig zu machen, um uns zu lenken, zu beeinflussen? Um uns zu ‚Stimmvieh‘ zu machen?
So gesehen wird regelmäßiges Wandern nicht nur zu einer verbesserten Gesundheit beitragen, sondern es wird auch das Bewusstsein verändern. Und ich hoffe, dass sich dieses neue Bewusstsein auch auf die gesellschaftliche Ebene überträgt, mit dem Ziel, ein vertiefteres Verständnis für den Wert der Schöpfung zu entwickeln, uns kritisch mit der Macht der multinationalen Konzerne auseinander zu setzen und dem Wert jedes Lebewesens wieder eine größere Wichtigkeit beizumessen. Und natürlich gehört dazu endlich auch ernsthafte Umweltschutzpolitik, denn ansonsten werden die natürlichen Grundlagen nicht mehr zu retten zu sein. Die Welt braucht uns Menschen nicht, aber wir brauchen die Umwelt.
„ Berge sind stille Meister—sie machen schweigsame Schüler. “
(Johann Wolfgang Goethe)
Eine wichtige Frage, die ganz am Anfang geklärt werden sollte: Allein oder in der Gruppe? Die Antwort hierauf ist nicht einfach zu geben. Hier mal einige Aspekte für Pro und Kontra: Wer völlig neu ist in Bezug auf Wandern oder Trekking, wie man früher sagte, der tut womöglich gut daran, sich einer geführten Wanderung anzuschließen, manchmal auch in Kombination mit Fasten, was die Seele zusätzlich entschlackt.
In einer Gruppe wird allerdings oft sehr schnell das allgemeine Tempo während einer Etappe zum Problem. Sind die Teilnehmer unterschiedlich leistungsfähig, dann wird es Frust und vielleicht auch Unzufriedenheit bei den Schnelleren und Versagensgefühle und Scham bei den Langsameren geben. Wandern in einer Gruppe, oder auch nur mit einem oder zwei Partnern macht eigentlich nur dann Sinn, wenn die Leistungsunterschiede nicht zu groß sind.
Andererseits führt der Gruppenzusammenhalt dazu, dass jemand, der schnell zum Aufgeben neigt, von den anderen mitgezogen werden kann. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit Gruppen gemacht, aber auch erlebt, welch‘ große Spannungen auftreten können. Also wie gesagt: schon mal gut drüber nachdenken, was man sich von einer Wandertour verspricht.
„Selbstfindung funktioniert nur allein in der Einsamkeit seines Selbst.“