Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung
Chance für ein prozess- und qualitätsorientiertes Management im öffentlichen Sektor
von
Dr. Astrid Stein
Kommunal- und Schul-Verlag • Wiesbaden
Karriere in der Verwaltung
Herausgeber der Reihe
Thomas Miltkau
Brandenburgische Kommunalakademie
Potsdam
Reinhard Mokros
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen
Gelsenkirchen
Prof. Dr. Frank Nolden
Rektor der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege
Meißen
Roswitha Pfeiffer
Bayerische Akademie für Verwaltungs-Management
München
Prof. Dr. Josef Konrad Rogosch
Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung
Altenholz
Dr. Ludger Schrapper
Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Copyright 2016 by Kommunal- und Schul-Verlag GmbH & Co. KG • Wiesbaden
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Kumpernatz & Bromann • Schenefeld b. Hamburg
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN 978-3-8293-1211-0
Cover
Titel
Karriere in der Verwaltung
Impressum
Abbildungsverzeichnis
Vorwort
1 Einführung
2 Grundlagen des Qualitätsmanagements
2.1 Begriff des Qualitätsmanagements
2.2 Entwicklungsgeschichte
2.3 Umfassendes Qualitätsmanagement (Total Quality Management)
2.4 Qualität – ein relativer Begriff
3 Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung.
3.1 Qualitätsmanagement und Verwaltungsmodernisierung
3.2 Qualitätsmanagement in Regierungsprogrammen
3.3 Verbreitung des Qualitätsmanagements in der öffentlichen Verwaltung
3.4 Beispiele aus der Praxis
3.5 Ergebnisse des Qualitätsmanagements in der öffentlichen Verwaltung
3.6 Warum sich Behörden für Qualitätsmanagement entscheiden
3.7 Erfolgsfaktoren für ein wirkungsvolles QM-System
3.8 Risiken der QM-Einführung
4 QM-Modelle und Ansätze
4.1 CAF – Common Assessment Framework
4.2 Das EFQM-Modell
4.3 Internationale Normen zum Qualitätsmanagement
4.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede
4.5 Branchenspezifische QM-Modelle
4.5.1 LQW-Modell
4.5.2 KTQ®-Modell
4.6 Prozessmanagement – eine Alternative?
4.7 Auswahlkriterien
5 Das QM-System – Elemente und TQM-Grundsätze
5.1 Begriff des QM-Systems
5.2 Elemente des QM-Systems im Überblick
5.3 Kulturelle Rahmenbedingungen
6 Einführung eines QM-Systems
6.1 Vorbereitung
6.1.1 Leitungsentscheidung herbeiführen
6.1.2 Projektleitung benennen
6.1.3 Projektauftrag formulieren
6.2 Projektstart
6.2.1 Projektteam benennen
6.2.2 Konstituierende Projektsitzung durchführen
6.2.3 Externe Projektbegleitung beschaffen
6.2.4 Fortbildung initiieren
6.2.5 Projektplanung und -organisation
6.2.6 Auftaktveranstaltung organisieren und durchführen
6.3 Durchführung
6.3.1 Veränderungsprozess gestalten
6.3.2 Informations-und Kommunikationskonzept entwickeln
6.3.3 Fortbildungskonzept entwickeln und umsetzen
6.3.4 Ist-Analyse (Selbstbewertung) durchführen
6.3.5 Handlungsfelder priorisieren
6.3.6 Selbstbewertungsergebnisse dokumentieren und kommunizieren
6.3.7 Maßnahmenplanung erstellen
6.3.8 Initiierung von QM-Umsetzungspojekten
6.3.9 QM-Organisation konzipieren
6.4 Projektabschluss
7 Entwicklung von QMS-Elementen
7.1 Element 1: Kunden, Bürger, Interessengruppen und ihre Anforderungen
7.2 Element 2: Strategie/Qualitätspolitik
7.3 Element 3: Ziele und Kennzahlen
7.4 Element 4: Prozessmanagement, Managementsystem
7.5 Element 5: Personalmanagement
7.6 Element 6: Ressourcenmanagement
7.7 Element 7: Dokumentation
7.8 Element 8: Information und Kommunikation
7.9 Element 9: Messung, Analyse und Berichtswesen
7.10 Element 10: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
8 Kontinuierliche Anwendung des QM-Systems
8.1 Überwachung der Wirksamkeit des QM-Systems
8.2 Förderung der TQM-Kultur
8.3 Externe Begutachtung des QM-Systems
Literaturverzeichnis
Bücher und Broschüren
Zeitschriftenartikel und Studien
Normen
Internetquellen
Abkürzungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Anmerkungen
Unter www.kommunalpraxis.de finden Sie eine Fülle weiterführender Informationsquellen, wie Die wichtigsten Bücher zum Einstieg, Organisationen und Arbeitskreise, Konferenzen, Tagungen und Messen, Zeitschriften, Online-Portale sowie ein umfangreiches Glossar.
Abb. 1: |
Erfolgsfaktoren leistungsfähiger Organisationen |
Abb. 2: |
Der PDCA-Zyklus als Qualitäts-Steuerungskreislauf |
Abb. 3: |
Struktur der DIN EN ISO 9001:2015 im PDCA-Zyklus, in Anlehnung an DIN EN ISO 9001-2015, S. 13 |
Abb. 4: |
Entwicklung des Qualitätsmanagements ab Mitte des 20. Jh, in Anlehnung an Zorn 1998. |
Abb. 5: |
Operationalisierung des Qualitätsmerkmals „Verständlichkeit“ |
Abb. 6: |
Beziehungen zwischen internen Qualitätsergebnissen und extern wahrgenommenen Qualitätsergebnissen |
Abb. 7: |
Verortung der Prozesskategorien im CAF-Modell |
Abb. 8: |
CAF-Bewertungsskala für Befähiger-Kriterien, CAF 2013, S. 56 |
Abb. 9: |
Die zehn Schritte des CAF-Prozesses (CAF 2013, S. 15) |
Abb. 10: |
Das EFQM-Modell (EFQM 2013, S. 9) |
Abb. 11: |
Die Grundkonzepte des EFQM-Modells (EFQM 2013, S. 4) |
Abb. 12: |
Struktur der QMS-Elemente im PDCA-Zyklus nach DIN EN ISO 9001:2015, S. 13 |
Abb. 13: |
Vergleich von EFQM-Modell und DIN EN ISO 9001 (Abschätzung), entnommen aus Neumann in REFA-Fachbuchreihe S. 192 |
Abb. 14: |
LQW-Qualitätskreislauf auf Basis von: Rainer Zech: Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung. Leitfaden für die Praxis, Hannover 2011, S. 14 |
Abb. 15: |
KTQ-Verfahrensablauf, vgl. www.ktq.de |
Abb. 16: |
Mögliche Gründe für die Entscheidung, mit CAF ins QM einzusteigen |
Abb. 17: |
Verortung von Steuerungsinstrumenten im CAF-Modell |
Abb. 18: |
Auszug aus einer CAF-Einzelbewertung anhand des Bewertungsbogens zu CAF 2013, Kriterienebene, vgl. CAF-Kriterien-Bewertungsbogen 2013 |
Abb. 19: |
Beispiel einer Prozesslandkarte |
Kann Qualitätsmanagement für Sie und Ihre Organisation überhaupt von Interesse sein? Wollen Sie Qualität systematisch auf allen Ebenen Ihrer Organisation definieren und umsetzen? Wollen Sie Ihre Kern-, Unterstützungs- und Führungsprozesse so aufeinander abstimmen, dass sie insgesamt ein stimmiges Managementsystem ergeben? Wollen Sie Ihre Ressourcen nach transparenten Kriterien den jeweiligen Prozessen/Aufgaben zuordnen? Ist die Zufriedenheit Ihrer „Kunden“ und sonstigen Interessengruppen eines Ihrer zentralen Ziele? Vielleicht werden Sie die meisten dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, aber dennoch zweifeln, ob dies mithilfe des Qualitätsmanagements zu leisten ist. Vielleicht assoziieren Sie mit Qualitätsmanagement einen eher bürokratischen Aufwand, dem in der Praxis kein Nutzen gegenübersteht. Sie denken an teure Zertifizierungen, die Sie für Ihre Organisation für entbehrlich halten. Oder Sie befürchten, Qualitätsmanagement führt zu einer Transparenz, die Sie gar nicht unbedingt anstreben. Auch dass Qualitätsmanagement zu einem Korsett werden könnte, das Sie in Ihrer Flexibilität einschränkt, ist möglicherweise eine Ihrer Befürchtungen. Da Sie dieses Buch in die Hand genommen haben, kann es dennoch sein, dass die Systematik eines Management-Systems für Sie etwas Bestechendes hat – auch wenn Sie vor der Komplexität der Aufgabe zurückschrecken und zudem vermuten, dass die Akzeptanz in Ihrer Behörde eher gering wäre. Knappe Kassen, ehrgeizige Einsparziele einschließlich Personalabbau sind nicht gerade Rahmenbedingungen, die dazu einladen, in die Entwicklung und Einführung eines Management-Systems zu investieren.
Und dennoch ist ein prozess- und qualitätsorientiertes Verwaltungsmanagement in einem vom Wandel geprägten Umfeld wichtiger denn je: Komplexität, immer schneller sich entwickelnde IT, sich verändernde Anforderungen, der demografische Wandel sind Herausforderungen, denen sich die öffentliche Verwaltung stellen muss. Unter diesen Umständen können und sollten wir es uns nicht leisten, Qualität dem Zufall zu überlassen. Singuläre Qualitätsoffensiven, die sich auf punktuelle Qualitätsverbesserungen beschränken, reichen nicht mehr aus. Vielleicht kann sogar die allseits beklagte Reformmüdigkeit durch einen systematischen Ansatz der proaktiven und kontinuierlichen Leistungsverbesserung unter intensiver Einbeziehung der Beschäftigten neuen Schwung in die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung bringen und Müdigkeit kann mit einer Spur von Begeisterung überwunden werden. Vielleicht ist es ja gerade die Kontinuität, die von den Beschäftigten in den Modernisierungsbemühungen vermisst wird, was oftmals mit einer geringen Wirksamkeit einzelner Reformen einhergeht.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung wollen nicht alle Jahre einer anderen Mode hinterherjagen. Sie benötigen Kontinuität für ihre Leistungsbereitschaft und für ihre Leistungsfähigkeit. Erfolge der Modernisierungsanstrengungen müssen gesichert werden und für alle sichtbar sein. Anstrengung muss sich lohnen – sowohl für den einzelnen Beschäftigten als auch für die gesamte Organisation. Mit der Einführung von Qualitätsmanagement werden nicht die bisherigen Bemühungen um Modernisierung und Verbesserung zugunsten eines ganz neuen Ansatzes oder Konzepts weggefegt. Qualitätsmanagement integriert das bisher Erreichte. Bisherige Erfolge werden wertgeschätzt, Schwachstellen werden identifiziert, es wird nach Ursachen und Lösungen, nicht aber nach Schuldigen gesucht.
Mit der Einführung von Qualitätsmanagement geht es um die Entwicklung und Anwendung eines redundanzfreien, wirksamen, weil aufeinander abgestimmten Steuerungsinstrumentariums, das von Führungskräften und Beschäftigten gleichermaßen verstanden, akzeptiert und zum Nutzen der Organisation angewendet und weiter entwickelt wird. Der Aufwand für die Einführung eines solchen Managementsystems besteht nicht nur in der Entwicklung der entsprechenden Instrumente, Methoden und Vorgehensweisen, sondern vor allem auch in der Entwicklung gemeinsamer Zielvorstellungen und Werte innerhalb der Organisation. Für die Kunden-, Prozess- und Ergebnisorientierung im Qualitätsmanagement muss in aller Regel ein Bewusstsein geschaffen werden, damit zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden können. Die Investition bezieht sich somit auf harte und „weiche“ Faktoren. Mit der Einführung von Qualitätsmanagement wird der Kulturwandel konkret.
Danksagung
Mein Dank gilt all denen, mit denen ich im Laufe meiner Beratungstätigkeit gemeinsam lernen durfte, wie Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung eingeführt werden kann. Besonders danken möchte ich meinem Sohn Thomas, der als professioneller Mediengestalter anhand meiner einfachen Illustrationsskizzen die Abbildungen für dieses Buch gestaltet hat. Meinem Lebensgefährten Bernd danke ich herzlich dafür, dass er mir den Freiraum gegeben hat, den das Verfassen des vorliegenden Buches erforderte. Herzlichen Dank auch an den Verlag und Frau Lörsch, die mir dieses Projekt ermöglicht haben.
Das vorliegende Buch möchte Organisationen im öffentlichen Sektor auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ermutigen und unterstützen, aus eigener Überzeugung ihr organisationsspezifisches, wirksames Qualitätsmanagementsystem (QMS) zu entwickeln, einzuführen und anzuwenden. Die konsequente Nutzung und Optimierung des Managementsystems wird der Organisation helfen, ihre Leistungsfähigkeit kontinuierlich und auf allen Ebenen in den Blick zu nehmen, Antworten auf aktuelle und künftige Herausforderungen zu finden, frühzeitig Anpassungen vorzunehmen und so ihre Leistungsergebnisse konsequent an den aktuellen Anforderungen auszurichten. Die Nutzung des Qualitäts-Steuerungskreislaufs und die Ausrichtung an den Grundsätzen des Total Quality Management (vor allem Kunden-/Bürger- und Mitarbeiterorientierung sowie Ausrichtung an Zielen, Wirkungen und Ergebnissen) versetzt die Organisation in die Lage, eine Organisationsentwicklung „von innen heraus“ zu betreiben, eine Kultur des gemeinsamen kontinuierlichen Lernens zu entwickeln und eine dafür erforderliche Vertrauenskultur herauszubilden. Die Umsetzung eines solchen Kulturwandels braucht Geduld, kontinuierliche Maßnahmen und vor allem die Überzeugung und den festen Willen zur Veränderung bei der Leitung und den Führungskräften. Die Arbeit am und mit dem Qualitätsmanagementsystem ist ein kontinuierlicher Prozess, in den alle Beschäftigten einbezogen sind.
Dieses Buch wendet sich an alle, die sich für Qualitätsmanagement in Organisationen des öffentlichen Sektors interessieren und nach Antworten auf z. B. folgende Fragen suchen:
Bürgerinnen und Bürger erwarten von der öffentlichen Verwaltung ein Leistungsangebot, das ihren Bedürfnissen, Anforderungen und Erwartungen entspricht. Optimale Bedingungen sind ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Die Gesellschaft erwartet von der Verwaltung einen verantwortlichen und schonenden Umgang mit Ressourcen und die Gestaltung eines Umfeldes, das niemanden ausgrenzt. So ist von der öffentlichen Verwaltung insgesamt ein Leistungsangebot gefordert, das die Anforderungen aller Interessengruppen berücksichtigt und Interessenkonflikte in einem sorgfältigen Abwägungsprozess auf transparente Weise ausbalanciert. Die Nichterfüllung von Erwartungen an die öffentliche Verwaltung wird immer weniger akzeptiert, es wird ein Leistungs- und Serviceniveau wie in der Privatwirtschaft erwartet. „Die Effektivität politischer Maßnahmen und die operative Leistungsfähigkeit und Qualität öffentlicher Dienstleistungen sind angesichts der sozioökonomischen Krise und des Sparzwangs entscheidende Faktoren im Umgang mit den sich wandelnden Bedürfnissen und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen.“1
Die Ausrichtung an den Grundsätzen des Umfassenden Qualitätsmanagements (Total Quality Management, TQM) kann allen Mitgliedern einer Organisation des öffentlichen Dienstes eine sinnstiftende, mitgestaltende Berufstätigkeit ermöglichen, die dem Gemeinwohl dient. Die daraus resultierende Motivation und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist gleichzeitig ein Beitrag zu einer effizienten und effektiven Verwaltung.
Die Hinweise, Empfehlungen und Erläuterungen in diesem Buch basieren neben der Auswertung von Fachliteratur auf eigenen Erfahrungen der Autorin, die sie in mehr als 25 Jahren Organisations- und QM-Beratung gemacht hat.
Wer Qualitätsmanagement (QM) einführen möchte, muss eine Vorstellung davon haben, was Qualitätsmanagement überhaupt ist, was es leisten kann, welche Modelle und Herangehensweisen es gibt, in welchem Verhältnis zu anderen Modernisierungsaktivitäten QM steht und welche Kriterien entscheidend für den „richtigen“ Ansatz sind. Wer sich bereits im Vorfeld der Einführung mit den Erfolgsfaktoren, Risiken und hemmenden Faktoren auseinandersetzt, kann sie in den einzelnen Phasen von der Vorbereitung, Entwicklung und Einführung bis zur kontinuierlichen Anwendung gezielt berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund werden in Abschnitt 1 „Grundlagen des Qualitätsmanagements“ zunächst die Begriffe QM, TQM und Qualität erläutert. Es wird dargestellt, wie sich Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement voneinander unterscheiden und wie sie auf einander aufbauen und welcher Qualitätsbegriff dem QM zugrunde liegt. In Abschnitt 2 „Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung“ wird der Bezug des QM zu den Zielen und Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung aufgezeigt. Dazu wird u. a. auf zentrale Aussagen in den Programmen der Bundesregierung seit 2006 Bezug genommen. Es werden Aussagen zur Akzeptanz und zur Verbreitung von QM in der öffentlichen Verwaltung getroffen. Anhand ausgewählter Beispiele wird erläutert, was QM hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Organisation bewirken kann und welche externen Ergebnisse z. B. für Bürger, Kunden oder Unternehmen erzielt werden können. Schließlich werden die Erwartungen an ein QM-System und die Rahmenbedingungen des Qualitätsmanagements in der öffentlichen Verwaltung thematisiert. Dazu gehört es auch, die Risiken und Grenzen dessen, was QM leisten kann, aufzuzeigen und deutlich zu machen, was QM nicht leisten kann.
In Abschnitt 3 werden verschiedene QM-Modelle vorgestellt, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht sowie Kriterien für die Modellauswahl zusammengetragen. Anschließend folgt in Abschnitt 4 ein erster Überblick über die wesentlichen Elemente eines QM-Systems in der öffentlichen Verwaltung sowie die kulturellen Rahmenbedingungen des Total Quality Managements, die Voraussetzung für die Wirksamkeit des QM-Systems sind. Die Elemente werden in Abschnitt 5 „Einführung eines QM-Systems“ aufgegriffen und hier ausführlich nach Zweck, Inhalt und Funktion im Gesamtsystem beschrieben. Für die Umsetzung in die Praxis werden Ansätze, Methoden und Vorgehensweisen sowie mögliche Instrumente aus der QM-Praxis und den QM-Modellen vorgestellt. Zusätzlich wird auf die vielfältigen Leitfäden und Arbeitsmaterialien verwiesen, die größtenteils aus dem Internet heruntergeladen werden können. Hierin ist bereits ein breites Erfahrungswissen der öffentlichen Verwaltung mit Elementen eines QM-Systems dokumentiert, das es zu nutzen und weiter zu entwickeln gilt. Abschnitt 5 „Einführung eines QM-Systems“ widmet sich des Weiteren den einzelnen Phasen der QM-Einführung in der Praxis. Es wird empfohlen, die Einführung eines QM-Systems als Projekt zu organisieren und hierfür Vorgehensweisen des Projektmanagements zu nutzen. Von der Vorbereitung bis zur Durchführung werden Hinweise und Empfehlungen zur konkreten Ausgestaltung der verschiedenen Phasen gegeben. In Abschnitt 6 schließlich geht es um die „Kontinuierliche Anwendung des QM-Systems“. Dazu gehören die Etablierung einer QM-Organisation in der Linienarbeit, die Überwachung der Wirksamkeit des QM-Systems sowie seine systematische Verbesserung. Der kontinuierlichen Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Qualitätsprozess kommt auch nach Abschluss des Projekts eine besondere Bedeutung für die Entwicklung einer TQM-Kultur zu. Eine große Rolle spielt hierbei der intensive hierarchieübergreifende Dialog zur Entwicklung eines einheitlichen Aufgaben- und Zielverständnisses zu allen von der Behörde eingesetzten Steuerungsinstrumenten, denn:
„anderenfalls werden wesentliche Chancen für einen nutzbringenden Einsatz der Instrumente mit dem Ziel einer effektiveren und effizienteren Verwaltung nicht genutzt.“2
Schließlich kann eine externe Begutachtung/Zertifizierung hilfreich sein, das QM-System, die Arbeit daran und damit, nicht aus den Augen zu verlieren.
Das Image des Qualitätsmanagements in der öffentlichen Verwaltung trägt wenig zur Begeisterung bei. Immer wieder hört man, dass Behörden Qualitätsmanagement mit der internationalen Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. gleichsetzen und von der hier z. T. etwas technokratischen Sprache und dem Abstraktionsgrad der Anforderungen abgeschreckt sind. Stichworte wie „Korsett“, „keine Flexibilität“, „wirkungslos“, „teure Zertifizierungen“, „Bürokratie“ usw. sind im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement an der Tagesordnung. Umso wichtiger ist es, einen klaren Begriff und eine klare Vorstellung davon zu haben, was Qualitätsmanagement bedeutet – zunächst losgelöst von einzelnen Modellen. Diesem Begriffsverständnis dienen die folgenden Abschnitte.
Zu Beginn eines QM-Grundlagenseminars bitte ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich für fünf Minuten mit der Frage zu beschäftigen: Was ist erforderlich, damit eine Organisation gut funktioniert und sie hervorragende Leistungsergebnisse erzielt? Ich bitte die Teilnehmenden, ihre Ergebnisse – das können sowohl materielle als auch immaterielle Aspekte sein – auf Metaplankarten zu schreiben. Anschließend werden die Karten sortiert und verschiedenen Themenclustern zugeordnet. Abb. 1 zeigt das Beispiel einer so entstandenen Metaplanwand (auf der folgenden Seite).
Es stellt sich heraus, dass die Teilnehmenden aller Seminare sehr ähnliche Karten schreiben. Als Einflussfaktoren einer leistungsfähigen Organisation werden u. a. regelmäßig genannt: motivierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ziele, klare Abläufe, ausreichende Ressourcen, Führung, eindeutige Zuständigkeiten, zielgerichtete Fortbildung, funktionierende IT, Kommunikation, Büroausstattung. Diese und weitere Aspekte lassen sich den Oberbegriffen des Qualitätsmanagements, wie sie in den drei großen branchenübergreifenden QM-Modellen3 enthalten sind, zuordnen: Führung/Verantwortung der Leitung, Strategie und Planung, Personal, Ressourcen und Prozesse. Um genau diese Themen geht es im Qualitätsmanagement auf der Inhaltsseite. Alle großen QM-Modelle enthalten Handlungsfelder zu diesen oder ähnlichen Oberbegriffen (vgl. Abschnitt 4). Sie sind demnach für das „Management bezüglich Qualität“4 von Bedeutung. Es scheint ein weitgehender Konsens darüber zu bestehen, was die „Stellschrauben“ für eine leistungsfähige Verwaltung der Zukunft sind. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung nur zögerlich eingeführt wird. Dieses Zögern mag auch darin begründet sein, dass es selbstverständlich in allen Behörden Aktivitäten, Maßnahmen und Prozesse zu den genannten Oberbegriffen gibt. Was sollte das Qualitätsmanagement also noch zusätzlich bieten?
Es fehlt oftmals das Verständnis, dass es im Qualitätsmanagement darum geht, die Aktivitäten und Prozesse systematisch aufeinander zu beziehen, ihre Wechselwirkungen zu analysieren und ihre Wirksamkeit kontinuierlich zu überprüfen und bei all dem stets die Anforderungen der Kunden/Bürger und weiterer Interessengruppen (z. B. Gesetzgeber, Politik, die Gesellschaft, Unternehmen) im Blick zu haben.
„Qualitätsmanagement wird von der Wirtschaftswissenschaft als Teilbereich des funktionalen Managements definiert. Ziel ist es, die Effizienz einer Arbeit oder von Geschäftsprozessen zu erhöhen und die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen zu ermitteln und zu erhalten oder weiterzuentwickeln.“5
Qualitätsmanagement setzt auf die klare Strukturierung und Dokumentation von Zielen, Verantwortlichkeiten und Prozessen sowie die kontinuierliche, zyklische Überprüfung und Verbesserung aller Tätigkeiten und Leistungsergebnisse. Mithilfe des Qualitätsmanagements können Mängel in Prozessen identifiziert, behoben und vermieden werden sowie Leistungen verbessert und kunden-/bürgerfreundlich gestaltet werden.
Betrachtet man die Begriffsdefinition zum Qualitätsmanagement in der DIN EN ISO 9000:2000, so zeigt sich ein eher abstrakter Begriff, der für die Anwendungspraxis konkretisiert werden muss: „Qualitätsmanagement umfasst die aufeinander abgestimmten Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität.“ Eine für die Praxis anschaulichere Begriffserklärung liefert Manfred Bruhn (2001):
„Unter einem Qualitätsmanagementsystem ist die Zusammenfügung verschiedener Bausteine unter sachlogischen Gesichtspunkten zu verstehen, um unternehmensintern und -extern eine systematische Analyse, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von qualitätsrelevanten Aspekten des Leistungsprogramms eines Unternehmens sicherzustellen.“6
Ein ressortübergreifender Arbeitskreis des Bundesministeriums des Innern (BM) hat auf Basis der gängigen Begriffsdefinitionen und der bisherigen QM-Praxis in Bundesbehörden einen Vorschlag für eine Begriffserläuterung entwickelt, der den Behörden die Praxisrelevanz des Ansatzes nahebringen soll:
„Qualitätsmanagement ist der Oberbegriff für alle Tätigkeiten, Führungsaufgaben und Methoden, die zur Planung, Umsetzung, Sicherung, Überprüfung und Verbesserung von Dienstleistungen und Produkten sowie ihrer Leistungsbedingungen gehören.“
„Qualitätsmanagement umfasst alle für die strategische Ausrichtung einer Organisation wesentlichen Handlungsfelder – von der Ergebnis- und Prozessorientierung über zielorientierte Führung, Mitarbeiterentwicklung bis zur Ausrichtung an Kunden und weitere Interessengruppen. Je besser die einzelnen Handlungsfelder integriert sind, ihre Instrumente und Maßnahmen aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft sind, desto reibungsloser und effektiver funktioniert die Gesamtsteuerung der Organisation. In zahlreichen Aktivitäten zur Verwaltungsmodernisierung haben die Bundesbehörden bereits wichtige Bausteine des Qualitätsmanagements entwickelt und eingeführt. Die systematische Einführung von Qualitätsmanagement hilft ihnen, diese Bausteine nun in einem Gesamtsystem optimal aufeinander abzustimmen, weiter auszubauen und ggf. fehlende Instrumente zu ergänzen.“7
Diese Begriffsbeschreibung wurde mit dem Ziel entwickelt,
Qualitätsmanagement ist also eine Managementmethode, die die Qualität der Organisation mit all ihren qualitätsrelevanten Elementen in den Mittelpunkt stellt. Welche „Elemente“ in welcher Weise qualitätsrelevant sind, wird in den Qualitätsmanagement-Modellen konkretisiert, vgl. Abschnitt 3.
Die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Qualitätsmanagements auf der praktischen Ebene wie im Beispiel der Seminareröffnung macht deutlich, dass sich das Qualitätsmanagement nicht mit Themen und Aspekten außerhalb oder neben der täglichen Arbeit auseinandersetzt, sondern integrierter Bestandteil sein muss. Außerdem stellen die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer schnell fest, dass ihre Organisation bereits über eine Reihe von Instrumenten, Methoden und Vorgehensweisen verfügt, die für ein QMS erforderlich sind und gut in einen systematischen QM-Ansatz integriert werden können. In der Diskussion über vorhandene Qualitätsmanagement-Elemente wird immer wieder Unzufriedenheit und Enttäuschung darüber laut, dass die modernen, erst in den letzten Jahren eingeführten sog. neuen Steuerungsinstrumente die erhoffte Wirkung nicht erzielen. Methoden des betriebswirtschaftlichen Managements wie Budgetierung, KLR, Controlling oder auch moderne Instrumente der Personalentwicklung sind zwar vielerorts eingeführt. Das Vertrauen in die Wirksamkeit von Modernisierungsbemühungen ist in vielen Behörden aber aufgrund negativer Erfahrungen in den letzten Jahren gesunken. Es ist wichtig, ein Vorgehen zu finden, das möglichst schnell zeigt, wo der Nutzen für die Organisation liegt. Antworten auf zentrale Steuerungsfragen, wie sie im Qualitätsmanagement unabdingbar sind, fehlen aber oftmals – auf Ebene des Arbeitsplatzes, der Abteilung und der gesamten Organisation. Hierzu ist eine konsequente Zielorientierung im gesamten Steuerungskreislauf erforderlich, beispielsweise anhand folgender Fragestellungen:
Ein Beispiel dazu aus einem QM-Projekt einer Landesbehörde: In einer Ist-Analyse zur Standortbestimmung des Qualitätsmanagements wurde festgestellt, dass ein Leitbild entwickelt worden war. Sowohl das Ergebnis als auch der partizipative Ansatz der Entwicklung wurden als Stärken gewertet. Allerdings ergab die weitere Analyse, dass das Leitbild wenig gelebt wurde und es keinen Prozess für die Anpassung des Leitbildes bei Bedarf gab. Auch war nicht transparent, inwieweit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Leitbild und seine Bedeutung bekannt waren und sie sich mit den darin verankerten Werten identifizierten. Als eine erste Verbesserungsmaßnahme im Sinne des Qualitätsmanagements wurde eine Mitarbeiterbefragung angeregt, die Auskunft zu den oben genannten Fragen geben sollte. Aus den Erkenntnissen daraus wurden weitere Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet, mit dem Ziel, die Wirksamkeit des Behördenleitbildes zu verbessern.
Anhand solcher Fragen kann die Organisation einen vollständigen Qualitäts-Steuerungskreislauf implementieren, der idealerweise auf allen Ebenen angewendet wird. Indem das tägliche Tun immer wieder reflektiert und geprüft wird, inwieweit Ziele erreicht wurden, und Ideen für weitere Verbesserungen und Innovationen entwickelt werden, entwickelt sich eine lernende Organisation.
Qualitätsmanagement ist auf kontinuierliche Qualitätsverbesserung angelegt – der Produkte und Dienstleistungen, des Services, der Unterstützungs-, Führungs- und Kernprozesse, der Organisation und der Wechselbeziehungen von Menschen – Prozessen – Leistungen. Im Fokus steht die Unternehmens- oder Behördenqualität.
Wenn von Verbesserungen und Zielen die Rede ist, liegt die Frage nahe, wer die Ziele festlegt bzw. wer oder was Maßstab für die „richtige Qualität“ ist: Welche und wessen Qualitätsziele sollen erreicht werden? Im behördlichen Qualitätsmanagement stehen der Kunde/Bürger und weitere Interessengruppen wie der Gesetzgeber, die Fachaufsicht, Unternehmen, Verbände und die Gesellschaft im Mittelpunkt der Qualitätsarbeit. Ihre (berechtigten) Anforderungen gilt es so gut wie möglich miteinander auszubalancieren und zu erfüllen.
Die größtmögliche Zufriedenheit der Kunden/Bürger, Mitarbeiter und weiterer Interessengruppen8 ist das übergeordnete Ziel des Qualitätsmanagements. Die von der Organisation festzulegenden Qualitätsziele können sich aber – wie oben dargestellt – nicht nur auf den Service, die Produkte und Prozesse, d. h. die externen Ergebnisse, beziehen. Vielmehr müssen auch die internen „Kunden-Lieferanten-Beziehungen“ und die hier erzielten Ergebnisse betrachtet werden. Dazu muss z. B. transparent sein, welche Anforderungen der Kunde „Fachabteilung X“ an die Personalbeschaffung, an die Fortbildung, den Personalauswahlprozess stellt. Und auch die Erwartungen und Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als interne Interessengruppe sind zu berücksichtigen. Welche Anforderungen stellen sie beispielsweise an Führung, Gesundheitsmanagement, Arbeitszeitmodelle oder insgesamt zur Umsetzung einer befriedigenden „Work-Life-Balance“?
Zu beachten und in der Umsetzung frühzeitig zu kommunizieren ist, dass Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung nicht dazu führen kann, dass alle Anforderungen aller Interessengruppen immer und vollständig erfüllt werden. Vielmehr hilft die Transparenz der Anforderungen, einen Interessenausgleich auf Basis von Daten und Fakten zu vollziehen. Denn dass Interessenkonflikte im Geflecht der unterschiedlichsten Interessengruppen entstehen, liegt auf der Hand. So haben beispielsweise Bürgerinnen und Bürger als Empfänger von Sozialleistungen oftmals andere Erwartungen als der Bürger in der Rolle des Steuerzahlers. Der Gesetzgeber muss vielfältige Interessen berücksichtigen und selbstverständlich ist der Kundenbegriff der öffentlichen Verwaltung ein anderer als in der Privatwirtschaft. „Der Begriff Kunde in der öffentlichen Verwaltung stellt nicht in erster Linie das WAS, sondern das WIE zur Disposition.“9
Im Qualitätsmanagement geht es um das reibungslose Zusammenspiel von Kern-, Unterstützungs- und Führungsprozessen – im Interesse hervorragender Leistungsergebnisse für interne und externe Kunden und Interessengruppen. Einen Überblick über diese Zusammenhänge enthält das Prozessmodell der DIN EN ISO 9001:2015 auf S. 16.
Bereits in den 1950er Jahren hat man beim US-amerikanischen Militär und in der Raumfahrt erkannt, dass die produktbezogene Qualitätskontrolle am Ende eines Produktionsprozesses – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – nicht ausreicht. Durch die Qualitätskontrolle kann keine Qualität erzeugt werden; die Kontrolle macht lediglich sichtbar, ob die zuvor festgelegten Merkmale und Kriterien („Beschaffenheiten“) eingehalten wurden. Ist das nicht der Fall, ist das erzeugte Produkt bzw. die Dienstleistung fehlerhaft, im schlimmsten Fall Ausschuss und nicht brauchbar. Der Produktionsprozess hat dann zu keinem verwertbaren Ergebnis geführt, es handelt sich um Blindleistung.
Der nächste Schritt führte von der produktbezogenen Endkontrolle zur prozessbezogenen integrativen Qualitätssicherung. Dabei wird bereits im Herstellungsprozess regelmäßig geprüft, ob der Prozess so abläuft, dass am Ende das gewünschte Ergebnis entsteht. Man versuchte nun, Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Herstellungsprozessen und der Produktqualität zu analysieren. Dazu wurden Stichproben genommen und man konnte gegensteuern, wenn etwas aus dem Ruder lief. Diese prozessbezogene Herangehensweise führte zu höheren Präventivkosten, führte aber gleichzeitig zu weniger Ausschuss. Die Prozesse sollten „qualitätsfähig“ sein. Die Investition in die Fehlervermeidung hat sich als wirtschaftlicher als die Ausgaben/Kosten für die Fehlerbehebung erwiesen. Nachdem die Qualität der Herstellungsprozesse (Kernprozesse) in den Fokus gerückt war, wurde schnell deutlich, dass diese von der Qualität anderer Prozesse, der Unterstützungs- und Führungsprozesse beeinflusst wird: Das Qualitätswesen entwickelt sich „von einer rein reaktions- und gegenwartsorientierten Qualitätskontrolle auf eine präventive und in die Zukunft gerichtete, methodenintegrierte und systematische Qualitätsplanung und -sicherung.“10
In den 1980er Jahren schließt sich die Entwicklung des eigentlichen Qualitätsmanagements an. Dabei wird Qualität als ständige Aufgabe nicht nur der Querschnittseinheiten, sondern aller Organisationseinheiten betrachtet. Die Fachabteilungen sind ebenso einbezogen wie beispielsweise das Personalmanagement, die Organisationsabteilung, der Haushalt und die Beschaffung. Qualitätsmanagement hat die Aufgabe, intern mit den Fach- und Querschnittsabteilungen einer Organisation und extern in Zusammenarbeit mit Bürgern, Kunden und weiteren Interessengruppen Qualitätsziele festzulegen und diese so wirtschaftlich wie möglich umzusetzen und Fehler erst gar nicht zustande kommen zu lassen.11 Die produktbezogene Qualitätskontrolle und die prozessbezogene Qualitätssicherung sind damit nicht obsolet, sondern sind wichtige Bestandteile des ganzheitlichen Qualitätsmanagements. Die Qualitätssicherung ist nach DIN EN ISO 9000:2000 der „Teil des Qualitätsmanagements, der auf das Erzeugen von Vertrauen darauf gerichtet ist, dass Qualitätsanforderungen erfüllt werden.“
Der Qualitätsbegriff im Qualitätsmanagement bezieht sich auf Produkte und Dienstleistungen, auf die Prozesse sowie die „Potenziale“ der Organisation, d. h. ihrer Leistungs-Rahmenbedingungen wie z. B. verfügbare Ressourcen, die Führungskultur oder die Aufbau- und Ablauforganisation. Im Qualitätsmanagement geht es um die „Unternehmensqualität“ bzw. „Behördenqualität“.
Auch wenn die inhaltliche Grundstruktur des Qualitätsmanagements relativ stabil ist, zeigt die Entwicklung der verschiedenen QM-Modelle in den letzten Jahren, dass die Inhalte keineswegs statisch sind, sondern immer wieder an aktuelle Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen angepasst werden. Neuere Themen in den QM-Modellen sind z. B. das Risiko- und Umweltmanagement, der Datenschutz, das Gesundheitsmanagement sowie Informations- und Wissensmanagement (zu den Inhalten der QM-Modelle s. Abschnitt 4).
Neben Qualitätsmanagement-Systemen nutzen Unternehmen und Behörden weitere Managementsysteme zur effektiven Steuerung. Dazu gehören z. B. Umweltmanagement, Gesundheitsmanagement und Arbeitsschutzmanagement. Dabei ist die Gefahr groß, dass die einzelnen Managementsysteme isoliert voneinander als Inseln entwickelt werden, was zu Doppelarbeiten, Widersprüchlichkeiten und unnötigem Aufwand führen kann. Um die Bündelung der verschiedenen Managementsysteme in einem Integrierten Managementsystem zu erleichtern, wurde beispielsweise in der aktuellen Überarbeitung der DIN EN ISO 9001:2015 „Qualitätsmanagementsysteme“ die „High Level Structur“ von Management-Normen der ISO umgesetzt. Das bedeutet, dass eine einheitliche Grundstruktur für Managementsystemnormen eingeführt wird, die standardisierte Kerntexte, eine vereinheitlichte Abschnittsreihenfolge und einheitliche Kerndefinitionen umfasst.12 Die DQG versteht unter Qualitätsmanagement „einen umfassenden Managementansatz, der unterschiedlichste Systeme und Instrumente vernetzt, um den Anforderungen beispielsweise von Bürgern, internen Kunden und Gesetzen optimal gerecht zu werden.“13
Qualitätsmanagement ist ein ganzheitlicher Ansatz, der alle qualitätsrelevanten Aspekte der Strukturen, der Prozesse und des Verhaltens der Mitglieder der Organisation berücksichtigt. Fehlt beispielsweise für den Kernprozess „Antrag auf Elterngeld bearbeiten“ die aktuelle Programmversion oder verfügen die Prozessbeteiligten nicht über entsprechende Qualifikationen wird schnell klar, welchen Einfluss z. B. Beschaffung und Fortbildung auf die Qualität des Kernprozesses haben. Oder: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen ihre Zuständigkeiten nicht genau, haben keine Vorstellungen davon, auf was es in ihrer Arbeitsaufgabe eigentlich ankommt. Führungsprozesse etwa zu Zielvereinbarungen oder zur Entwicklung des Managementsystems können hier für Verbesserungen sorgen. In Abschnitt 6.3 werden praxiserprobte Möglichkeiten der Komplexitätsreduzierung im Entwicklungs- und Einführungsprozess dargestellt.
Dem Konzept des Umfassenden Qualitätsmanagements (Total Quality Management, TQM) liegt die Überzeugung zugrunde, dass technische und methodische Perfektion allein nicht ausreicht, um Spitzenleistungen und eine damit einhergehende hohe Kundenzufriedenheit zu erzielen. Vielmehr sind die Einstellung und das Bewusstsein der Beschäftigten auf allen Ebenen von entscheidender Bedeutung für den Erfolg einer Organisation. Auf dieser Erkenntnis baut TQM auf und entwickelt aus einem technisch-administrativen Qualitätsmanagement-System, wie es in den QM-Normen der 1990er Jahre beschrieben war, ein soziotechnisches Führungsmodell. Grundsätze dieses Führungsmodells sind z. B. eine Fehlerkultur, die individuelles und organisationales Lernen ermöglicht, die Einbeziehung aller Mitglieder der Organisation und die Vorbildrolle der Führungskräfte. Die Prozesse, Methoden und Werkzeuge bleiben auch im TQM-Konzept das WAS des QM-Systems, die Grundsätze und Werthaltungen des TQM beschreiben eher das WIE: Wie muss das System entwickelt und gelebt werden, damit es wirksam wird? Wie muss der Umgang miteinander, das gemeinsame Handeln und Kommunizieren beschaffen sein und welche Anforderungen ergeben sich daraus an Führung? In DIN EN ISO 8402:1994 wird TQM als Umfassendes Qualitätsmanagement bezeichnet und folgendermaßen definiert:
„(…) auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder gestützte Managementmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellen der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt.“14
Der TQM-Gedanke erhält in der Überarbeitung der Zertifizierungsnorm DIN EN ISO 9001:2015 deutlich mehr Berücksichtigung als dies in den ersten Normversionen der Fall war. So wird der kontinuierlichen Verbesserung und der Ausrichtung an Kundenanforderungen sowie der Berücksichtigung weiterer „interessierter Parteien“ mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Qualität ist Chefsache.15
Die Werte und Grundsätze des TQM sind sowohl im EFQM-Modell als auch im QM-Modell für die öffentliche Verwaltung in Europa, dem CAF-Modell, enthalten.16
Das CAF-Modell empfiehlt der öffentlichen Verwaltung eine TQM-Kultur, die auf folgenden „Grundsätzen der Excellence“ aufbaut:
Kunden- und Mitarbeiterorientierung, Prozessdenken und kontinuierliche Verbesserung sind die zentralen Ansätze des Umfassenden Qualitätsmanagements. Eine entsprechende Behördenkultur basiert auf einem Führungskonzept, das auf Partizipation, Prävention und Nachhaltigkeit angelegt ist.
Zusammenfassend heißt es in der Veröffentlichung des Qualitätskreises des Bundesministeriums des Innern aus dem Jahr 2011:
„Für die Verwirklichung eines umfassenden Qualitätsmanagements (Total Quality Management) ist neben der Nutzung spezifischer Instrumente und Methoden ein entsprechendes Selbstverständnis der Organisation erforderlich, das sich in Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder äußert. Total Quality Management vereint kulturelle und technisch-methodische Aspekte und beruht auf der Einbeziehung und Mitwirkung aller Mitglieder einer Organisation. Im Mittelpunkt steht die Steuerung der Organisation hinsichtlich Qualität, mit dem Ziel langfristigen Erfolgs durch Zufriedenstellung der Bürger/Kunden sowie Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft.“18
Umfassendes Qualitätsmanagement unterstützt die Organisation, die Qualität ihrer Produkte, Dienstleistungen, Prozesse, Beziehungen, Kooperationen, Mitarbeiter und Ressourcen systematisch zu steuern, d. h. die erforderliche Qualität zu definieren, umzusetzen, zu überwachen und immer wieder an sich ändernde Anforderungen anzupassen. Qualität wird nicht dem Zufall überlassen, sondern sie wird innerhalb eines Prozessnetzes von allen Mitgliedern einer Organisation erzeugt.
Empfehlung: Behörden sollten sich am Managementkonzept des TQM ausrichten, um Qualität systematisch zu erzeugen und kontinuierlich zu verbessern
Eines gleich vorweg: Kein Qualitätsmanagement-Modell kann Ihnen empfehlen oder gar vorschreiben, wie die Qualität Ihrer Leistungen, Prozesse, Strukturen oder Ihres Services sein muss, damit Ihre Organisation erfolgreich ist. Vielmehr muss sich jeder, der sich mit dem Management von Qualität beschäftigt, selbst mit der Frage auseinandersetzen, was Qualität für seine Organisation bedeutet, auf was sich die zu definierende Qualität bezieht und für wen sie erzeugt wird. Es geht um die Frage: Für wen erbringen wir welche Qualität? „Maßstab für die Qualität von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen, Personal, Führung, Organisation usw. sind die Anforderungen, Erwartungen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger, der internen und externen Kunden sowie weiterer Interessengruppen wie die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft.“19 Der Begriff der Interessengruppe geht weit über den Kundenbegriff hinaus. „Interessengruppen sind all jene, die ein Interesse, ob finanzieller oder sonstiger Art, an den Tätigkeiten der Organisation haben.“20
Beispiele für Interessengruppen sind: politische Entscheidungsträger, Bürgergruppen, Bürgerinitiativen, Aufsichtsbehörden, Kontrollinstanzen, Medien, Unternehmen, die Gesellschaft.21 Interessengruppen haben ein berechtigtes Interesse an den Leistungen und der Leistungsfähigkeit der Verwaltung, ohne selbst Leistungen zu beziehen. Leistungsbezieher werden mit den Begriffen „Kunde“, „Bürger“ oder „Leistungsadressat“ bezeichnet.