Einleitung

Liebe Leser,

hier soll niemand beleidigt werden. Also nehmen Sie dieses Buch bitte nicht persönlich. Wir wissen: Wenn es um Kinder geht, spinnen alle ein bisschen rum. Schließlich sind Kinder das Wertvollste, was es gibt. Und aus lauter Liebe zu ihnen möchten Sie, möchten wir alle das Leben der Kinder so schön und einfach und glücklich machen, wie es nur geht. Das verstehen wir.

Trotzdem: Wenn Sie in den folgenden Kapiteln lesen, wie andere Eltern vom ersten Tag der Schwangerschaft bis zum Studium ihres Nachwuchses abgehen, werden auch Sie sich vielleicht ein bisschen ertappt fühlen. Einen Teil von diesem Quatsch hat jeder wahrscheinlich schon mal gemacht. Geballt zusammengetragen sind die Anekdoten von Über-­Vätern und Super-Muttis jedoch einfach nur unglaublich. Häufig sind sie sehr lustig und manchmal auch beängs­tigend.

Wir sprechen hier von den sogenannten Helikopter-­Eltern, die jederzeit wie Hubschrauber über ihren Kindern kreisen, alles überwachen, was diese tun, und bei jeder Kleinigkeit landen, um zu helfen. Manche sprechen auch von Schneepflug-Eltern, die ihren Kindern jedes Hindernis aus dem Weg räumen. Und von den ebenfalls häufig so genannten Curling-Eltern, die den Boden vor den Füßen ihrer Kinder so glatt schrubben, dass diese ohne Anstrengung durchs Leben gleiten können. Sie sind diesen überängstlichen, kontrollierenden und sich in alles einmischenden Leuten garantiert schon begegnet – im Supermarkt, im Kindergarten, in der Schule, beim Ballettunterricht, im Bus – oder vor dem Spiegel. Man fragt sich angesichts dieser Überbehütung manchmal, wie die Menschheit bislang hat überleben können – die meiste Zeit ganz ohne Helikopter-Eltern.

Bei uns kommen sie alle vor: Schwangere, die sich von einer Agentur den perfekten Babynamen kreieren lassen. Junge Mütter, die am Kinderbettchen eine Infrarotkamera installieren. Eltern, die minutenlang durchs Schlüsselloch der Kita spähen. Väter, die vors Verwaltungsgericht ziehen, weil sie unbedingt beim Klassenausflug dabei sein wollen. Mütter, die auf dem Spielplatz die Augenbrauen hochziehen, weil die Mama des heulenden Kinds weder Arnica-Globuli (gegen kurzfristige Schmerzen) noch eine halbe Zwiebel (gegen ­Insektenstiche) aus der Handtasche hervorzaubern kann. Väter, die beim Fußballspiel der 5. G-Jugend beinahe dem jugendlichen Schiedsrichter an die Gurgel gehen. Eltern, die von Ärzten aus dem Behandlungszimmer gebeten werden müssen, weil sie das Kind mit ihrer eigenen Angst verrückt machen. Mütter, die mit ihren erwachsenen Söhnen in die Uni gehen, um bei den Vorlesungen mitzuschreiben oder mit zum Bewerbungsgespräch kommen.

Unzweifelhaft ist es schlimmer, ein Kind verwahrlosen zu lassen, als es zu sehr zu verwöhnen. Und die meisten Eltern wuppen das mit ihren Kindern sicherlich goldrichtig. Dennoch darf über diejenigen, die maßlos übertreiben, auch mal gelacht werden. »Da ich selbst Mutter bin«, schreibt eine Lehrerin aus Baden-Württemberg in einer E-Mail an ­SPIEGEL ONLINE, »kenne ich die Ängste von Eltern und den Wunsch, das Beste für sein Kind zu erreichen.« Trotzdem, so die Frau, »gibt es manchmal Situationen, die sich auch meinem Verständnis entziehen«.

So können Eltern die Lehrer ihrer Kinder in den Wahnsinn treiben mit ihren dreisten Forderungen, absurden Wünschen und aberwitzigen Anliegen, die nicht nur unrealistisch sind, sondern auch nicht im Interesse des Kindes sein können – jedenfalls, wenn man möchte, dass es sich zu ­einem eigenständigen Erwachsenen entwickelt. Auch Erzieher, Fußballtrainer, Kinderärzte oder Studienberater finden an ihrem Beruf häufig am anstrengendsten: die Eltern. Sie alle erzählen in diesem Buch von ihren schlimmsten Erlebnissen.

Zusammengetragen haben wir die Anekdoten, Sprüche und Geschichten aus persönlichen Gesprächen mit Betroffenen sowie Einsendungen von SPIEGEL-ONLINE-Lesern, die wir aufgerufen hatten, uns von Helikopter-Eltern zu berichten. Außerdem kommen überbehütete Kinder selbst zu Wort – ebenso wie Eltern. Und ein Psychiater erklärt im letzten Kapitel, mit welcher ungewöhnlichen Methode Helikopter-Eltern sich selbst heilen können. Übrigens: Mit kaum etwas kann man sich so unbeliebt machen wie mit Kritik an hysterischen Eltern. Deshalb ­haben unsere Einsender Wert darauf gelegt, nicht mit ihrem Namen und Heimatort genannt zu werden oder anderweitig identifizierbar zu sein. Wer will schon, dass seine Verwandten, Nachbarn, Lehrer etc. lebenslang sauer auf einen sind. Wir als Autorinnen ­garantieren Ihnen, dass alle Zitate echt sind. Im Übrigen haben wir auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf ­unserer Seite: So einen Wahnsinn kann sich niemand aus­denken.

Unter den Helikopter-Müttern und -Vätern gibt es die Ängstlichen, die Ehrgeizigen und die Extravaganten – und alle haben eines gemeinsam: Sie kennen keine Grenzen. »Ich bin die beste Freundin meiner Tochter. Wir teilen alles, sogar den Kleiderschrank«, teilte zum Beispiel eine Mutter beim Elternabend mit. Was sie außerdem verbindet: Diese Eltern vertrauen niemandem mehr – keinem Arzt, keinem Lehrer und keinem Erzieher. Und ihrer eigenen Intuition am allerwenigsten. Das führt dann zu einem verkrampften Umgang mit ihren Kindern und allen, die mit ihnen zu tun haben.

Und es führt zu widersprüchlichen Verhaltensweisen, die die Eltern selbst natürlich nicht bemerken: So packen sie einerseits ihre Kinder in Watte und andererseits deren Tage so voll wie die eines Topmanagers. Sie verbitten sich einerseits jegliche Kritik der Lehrer am eigenen Nachwuchs, überlassen ihnen aber zugleich die unangenehmen Seiten der Erziehung, weil sie selbst sich nicht unbeliebt machen wollen. Und am Ende verklagen sie Lehrer wegen schlechter Noten oder überhäufen sie mit Geschenken für ein gutes Zeugnis. Kurzum: Ihnen fehlt das richtige Maß. Und Gelassenheit. Und der Arsch in der Hose, ihre Kinder selbst mit der Härte des Daseins und ihren charakterlichen Defiziten zu konfrontieren.

Wir hoffen, Sie mit diesem Buch zum Schmunzeln zu bringen. Viel Spaß beim Lesen – und nicht vergessen: The kids are alright!

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