Die Reise

Inhaltsverzeichnis

I

Dem Kind, berauscht von bunter Bilder Flimmer,
Scheint wie sein Lebenshunger weit die Welt,
Wie ist sie gross beim stillen Lampenschimmer!
Wie klein von der Erinnrung Licht erhellt!

Es kommt ein Tag, da ziehn wir in die Weiten,
Voll bittrer Sehnsucht und voll banger Glut,
Und wiegen unsre Unermesslichkeiten
Auf eines Weltmeers engbemessner Flut.

Der eine flieht aus fremdverhassten Landen,
Der andre macht sich von der Heimat frei,
Sternforscher, die im Weib den Himmel fanden,
Fliehn vor der Kirke holder Tyrannei.

Sie wollen nicht zum Tier sich wandeln lassen,
Drum flüchten sie zum Meer und Himmelsstrahl,
In Sonnenglut, im Eishauch wird verblassen
Mählich der Küsse brennend rotes Mal.

Die wahren Wandrer aber sind's, die ziehen
Aus Wandertrieb leicht wie die Feder fort.
Sie können ihrem Schicksal nie entfliehen,
Und »weiter, weiter« heisst ihr Losungswort.

Sie, deren Wünsche sind gleich Luftgebilden,
Die träumen wie ein Knabe vor der Schlacht
Von leuchtenden, stets wechselnden Gefilden
Voll Schönheit, wie sie nie ein Mensch erdacht.

II

O Schreck! Wir drehn uns, springen wie ein Kreisel,
Die Neugier peitscht uns auf aus Schlaf und Traum,
Dem strengen Engel gleich, der mit der Geisel
Die Sonnen wirbelt durch den Weltenraum.

Seltsames Glück, des Ziele sich verschieben,
Das nirgends ist und dennoch überall!
Der Mensch, von Hoffnung hin- und hergetrieben,
Er sucht die Ruhe und durchrast das All.

Sein Geist gleicht einem Segler, rastlos strebend,
Und »Augen auf« ertönt es aus dem Schiff,
Vom Mast schreit eine Stimme, glühend, bebend:
»Ruhm! Liebe! Glück!« – O Fluch, es war ein Riff!

Doch jedes Eiland, fern im fahlen Lichte,
Scheint uns das Eden, das der Traum verhiess,
Und jeder Tag macht unsren Traum zunichte,
Zeigt starre Klippen uns, kein Paradies.

O arme Sucher lockender Gefilde!
Den Trunknen, der die neue Welt entdeckt,
Stürzt in das Meer, denn vor dem Zauberbilde
Noch bitterer der Staub des Alltags schmeckt.

So stampft der Bettler hin durch öde Strecken,
Durch Kot und Schmutz, träumt eine Zauberwelt,
Und will verzückt ein Capua entdecken,
Wo nur ein Span das finstre Loch erhellt.

III

Erhabne Wandrer, sagt, was ihr errungen,
Was in dem meerestiefen Blick euch lebt,
Zeigt die Kleinodien der Erinnerungen,
Aus Luft und Meer und Sternenglanz gewebt!

Wir wollen ohne Dampf und Segel fliehen,
Erhellt den Kerker, drin wir festgebannt,
Und lasst an unsrem Geist vorüberziehen,
Was Ihr erlebt, vom Horizont umspannt.
Sagt, was ihr saht! –

IV

           Wir sahen Sterngefunkel
Und Wogenglanz. Auch Wüsten sahen wir;
Und trotz Sturmschauer und Gewitterdunkel,
Kam oft der Überdruss uns, so wie hier.

Das Abendmeer in violettnem Prangen,
Der Stadt Erglühen, wenn die Sonne sinkt,
Erweckten nur im Herzen heiss Verlangen
Nach einem Himmel, der verlockend winkt.

Die schönsten Länder und die reichsten Städte
Berauschten nie so glühend unsren Sinn
Wie fern am Himmel jene Wolkenkette,
Und traurig zogen wir voll Sehnsucht hin.

O Sehnsucht, nur die Freude gibt dir Kräfte!
Du gleichst dem Baum, den nur die Lust erweckt,
Es wachsen und es schwellen deine Säfte,
Wenn dein Geäst sich nach der Sonne reckt.

Wächst du noch immer kühn wie die Zypressen,
Du alter Baum? – Doch seht, ihr Freunde, hier,
Wir haben auch die Skizzen nicht vergessen
Für euch, die ihr das Fremde liebt wie wir.

Wir grüssten Götzen, halb in Staub gesunken,
Throne von leuchtendem Gestein bedeckt,
Paläste, deren feenhaftes Prunken
Goldgierigen Seelen wilde Träume weckt,

Gewande, deren Pracht die Sinne lähmen,
Und Frauen, die sich färben Zahn und Hand,
Und kluge Zauberer, die Schlangen zähmen –

V

»Was noch, was noch?« –

VI

»O kindischer Verstand!
Allüberall bot sich, was wir nicht suchten,
Was immer sein wird und was immer war,
Die Stufen auf und nieder, die verruchten,
Bot sich des ewigen Lasters Spiel uns dar.

Das Weib, gemein, voll niedrigem Behagen,
Das schamlos sich vergöttert und geniesst,
Der Mann, der Sklavin Sklave, feig, verschlagen.
Ein schmutziger Schaum, der durch die Gosse fliesst.

Der Henker roh des Opfers Qual verschärfend,
Die wilden Feste unterm Blutgerüst,
Das Gift der Macht, Despoten selbst entnervend,
Das knechtige Volk, das seine Rute küsst.

Und Religionen – immer war's ein Gleiches:
Zum Himmel klettern sie, und doch zum Schluss
Ist Glaube nur ein Bett, ein wollustweiches,
Und Dorn und. Geissel wird für sie Genuss.

Der Menschen schwatzhaft, hochmutstolle Rotte,
Die fetzt wie ehdem blöde und verrucht,
Schreitauf im Todeskampf zu ihrem Gotte:
»O Herr, mein Ebenbild du, sei verflucht!«

Nur wenige fliehn wahnwitzig und vermessen
Aus dieser eingepferchten Herde Stall,
Und suchen in dem Opiumrausch Vergessen
– So lautet der Bericht vom Erdenball.

VII

O bittre Weisheit, die die Fahrt uns lehrt!
Es hat der Welt stumpfsinnig Einerlei
Stets unser eignes Bild uns zugekehrt,
Ein Quell des Schrecks in öder Wüstenei.

Gehn? Bleiben? Wie wir müssen, wollen;
Der duckt sich nieder und der andre rennt,
Der Feindin zu entgehn, der unheilvollen,
Wachsamen Zeit, die keine Schonung kennt.

Du siehst die Menschen gleich Ahasver eilen,
Da nützt kein Wagen, nützt kein schnelles Boot,
Die Schlimme holt sie ein. – Andre verweilen
Und schlagen sie schon in der Wiege tot.

Doch setzt sie ihren Fuss auf unsren Rücken,
Dann hoffen wir, und »Vorwärts!« heisst der Schrei.
So fuhren wir nach China voll Entzücken
Mit sturmverwehtem Haar, die Blicke weit und frei.

So schiffen wir uns ein zur düstern Reise,
Und jung das Blut durch unsre Adern fliesst,
Hört ihr die Stimmen feierlich und leise:
»Kommt her, kommt her! Und labt euch und geniesst!

Geniesst des Lotos Blüte, schwer von Düften,
Erlesne Früchte, die ihr lang entbehrt;
Berauscht euch an den seltsam fremden Lüften,
Des heissen Nachmittags, der ewig währt!«

Es sind der Schatten liebvertraute Stimmen,
Doch die Pyladen wehren dem Gelüst;
»Willst Labung du, musst zu Elektra schwimmen!«
Spricht eine, deren Knie wir einst geküsst. –

VIII

Tod, alter Fährmann, komm die Anker lichten!
Segel gehisst! – Wir sind der Erde satt.
Wenn schwarz auch Meer und Himmel sich verdichten,
Du weisst, dass unsre Seele Strahlen hat.

Reich uns dein Gift, dass Tröstung wir erfahren!
Noch brennt das Feuer – lass zum tiefsten Schlund,
Lass uns zu Himmel oder Hölle fahren !
Nur Neues zeig uns, Tod, im fremden Grund!

Die Blumen des Bösen (1857)

Inhaltsverzeichnis

Inhalt


An den Leser
Segen
Der Albatros
Erhebung
Zusammenklang
Den Entschwundenen
Die Leuchttürme
Die kranke Muse
Die käufliche Muse
Der schlechte Mönch
Der Feind
Der Unstern
Das frühere Leben
Zigeuner auf der Fahrt
Der Mensch und das Meer
Don Juan in der Unterwelt
An Theodor von Banville
Züchtigung des Hochmuts
Die Schönheit
Das Ideal
Die Riesin
Die Juwelen
Die Maske
Hymne an die Schönheit
Fremdländischer Duft
Das Haar
So bete ich dich an
Du locktest gern die Welt
Sed non satiata
In ihrem Kleid
Die Schlange, die tanzt
Ein Aas
De profundis clamavi
Der Vampir
Lethe
Als ich bei einer Jüdin lag
Totenreue
Die Katze
Zweikampf
Der Balkon
Der Besessene
Eine Erscheinung
Dir dieses Lied
Semper eadem
Ganz und Gar
Was sagst du heute abend
Die lebende Fackel
An sie, die allzufroh
Hingabe
Geständnis
Geistige Morgenröte
Abendklänge
Das Flakon
Das Gift
Umschleierter Himmel
Die Katze
Das schöne Schiff
Aufforderung zur Reise
Das Unsühnbare
Plauderei
Herbstgesang
Einer Madonna
Lied am Nachmittag
Sisina
Verse zum Portrait von Honoré Daumier
Franciscae meae laudes
Einer kreolischen Dame
Moesta et errabunda
Das Gespenst
Herbst-Sonett
Lunas Traurigkeit
Die Katzen
Die Eulen
Die Pfeife
Musik
Begräbnis eines verfemten Dichters
Ein phantastischer Kupfer
Der fröhliche Tote
Das Fass des Hasses
Die zersprungene Glocke
Schwermut
Trübsinn
Schwermut
Schwermut
Wahnsinn
Liebe zum Nichts
Alchimie des Schmerzes
Anziehender Schauder
Die Friedenspfeife
Gebet eines Heiden
Der Deckel
Der Unerwartete
Mitternächtige Selbstprüfung
Trauriges Madrigal
Der Mahner
An eine Malabaresin
Die Stimme
Hymne
Der Rebell
Berthas Augen
Der Springbrunnen
Das Lösegeld
Weit von hier
Romantischer Sonnenuntergang
Zu dem »Tasso im Gefängnis«
Der Abgrund
Die Klagen eines Ikarus
Sammlung
L' Heautontimoroumenos
Das Unlösbare
Die Turmuhr
Landschaft
Die Sonne
Lola de Valence
Die beleidigte Luna
An eine rothaarige Bettlerin
Der Schwan
Die sieben Greise
Die kleinen Alten
Die Blinden
Ein Vorübergehender
Das Skelett als Arbeitsmann
Abenddämmerung
Das Spiel
Totentanz
Liebe zur Lüge
Nein, ich vergass es nicht
Lasst uns der treuen Magd
Nebel und Regen
Pariser Traum
Morgengrauen
Die Seele des Weins
Der Wein der Lumpensammler
Der Wein des Mörders
Der Wein des Einsamen
Der Wein der Liebenden
Aufschrift auf ein verpöntes Buch
Die Zerstörung
Eine Märtyrin
Lesbos
Verdammte Frauen
Die beiden barmherzigen Schwestern
Die Blutquelle
Allegorie
Beatrice
Die Verwandlung des Vampire
Eine Reise nach Kythera
Die Liebe und der Schädel
Die Verleugnung des heiligen Petrus
Abel und Kain
Die Litanei des Satans
Bitte
Der Tod der Liebenden
Der Tod der Armen
Der Tod des Künstlers
Tagesende
Der Traum eines Neugierigen
Die Reise

An den Leser

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In Dumpfheit, Irrtum, Sünde immer tiefer
Versinken wir mit Seele und mit Leib,
Und Reue, diesen lieben Zeitvertreib,
Ernähren wir wie Bettler ihr Geziefer.

Halb sind die Sünden, matt ist unsre Reue,
Und unsre Beichte macht sich fett bezahlt,
Nach ein paar Tränen rein die Seele strahlt
Und wandert froh den schmutzigen Pfad aufs neue.

Satan, der Dreimalgrosse, übt die Künste,
Auf seinem Kissen wiegt er unsern Geist,
Bis das Metall, das Kraft und Wille heisst,
Vom Zaubrer aufgelöst in fahle Dünste.

Des Teufels Fäden sind's, die uns bewegen,
Wir lieben Graun, berauschen uns im Sumpf,
Und Tag für Tag zerrt willenlos und stumpf
Der Böse uns der Hölle Stank entgegen.

Wie an der Brust gealterter Mätressen
Der arme Wüstling stillt die tolle Gier,
So haschen nach geheimen Lüsten wir,
Um sie wie dürre Früchte auszupressen.

Gleich Würmern wimmelnd ist ins Hirn gedrungen
Die Teufelsschar, die uns zerstören muss,
Wir atmen, und ein unsichtbarer Fluss,
Der Tod, strömt klagend hin durch unsre Lungen.

Wenn Notzucht, Gift und Dolch und alles Böse
Noch nicht geschmückt mit holder Stickerei
Des Schicksals Grund voll fadem Einerlei,
Dann ist's, weil unsre Seele ohne Grösse.

Doch zwischen Panthern, Schakalen und Hunden,
In der Skorpionen, Schlangen, Affen Welt,
Die kriecht und schleicht und heult und kläfft und bellt,
Im Tierhaus unsrer Taster ward gefunden

Das schlimmste, schmutzigste von allen Dingen,
Die Qual, die nicht Gebärde hat noch Schrei,
Und doch die Erde macht zur Wüstenei
Und gähnend wird dereinst die Well verschlingen:

Der Uberdruss! – Tränen im Blick, dem bleichen,
Träumt vom Schafott er bei der Pfeife Bauch.
Du, Leser, kennst das holde Untier auch,
Heuchelnder Leser – Bruder –: meinesgleichen!

Segen

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Wenn nach des Himmels mächtigen Gesetzen
Der Dichter kommt in diese müde Welt,
Schreit seine Mutter auf, und voll Entsetzen
Flucht sie dem Gott, den Mitleid selbst befällt.

»Warum gebar ich nicht ein Nest voll Schlangen,
Statt diesem Spottgebild verwünschter Art!
Verflucht die Nacht, in der mein Bauch empfangen,
Da flüchtiger Lust so bittre Strafe ward!

Was wähltest du mich aus von allen Frauen,
Dem blöden Mann zur ekelvollen Wut,
Was werf' ich nicht die Missgeburt voll Grauen
Gleich einem Liebesbrief in Feuersglut!

Doch ich will deinem Hasse nicht erliegen,
Ich wälz' ihn auf das Werkzeug deines Grolls
Und will den missgeratnen Baum so biegen,
Dass keine Frucht entspringt dem faulen Holz.«

So presst sie geifernd ihren Grimm zusammen,
Nichts ahnend von des Himmels Schluss und Rat,
Und schürt sich in Gehenna selbst die Flammen
Für ihre mütterliche Freveltat.

Indessen zieht ein Engel seine Kreise,
Und der Enterbte blüht im Sonnenschein,
Und zu Ambrosia wird ihm jede Speise
Und jeder Trank zu goldnem Nektarwein.

Zum Spiel taugt Wind ihm, Wolken und Gestirne,
Berauscht von Liedern zieht er durch sein Reich,
Und traurig senkt der Engel seine Stirne,
Sieht er ihn sorglos, heitern Vögeln gleich.

Denn alle, die er liebt, voll Scheu ihn messen;
Weil seine Sanftmut ihren Groll entfacht,
Versuchen sie ihm Klagen zu erpressen,
Erproben sie an ihm der Roheit Macht.

Sie mischen eklen Staub in seine Speisen,
Beschmutzen jedes Ding, dem er sich naht.
Was er berührt, sie heuchelnd von sich weisen,
Und schreien »wehe«, kreuzt er ihren Pfad.

Auf öffentlichem Markt, wie eine Dirne,
Höhnt laut sein Weib: »Da mir sein Beten gilt,
So will ich auch vom Sockel bis zur Stirne
Vergoldet sein gleich einem Götzenbild.

Berauschen will ich mich an Weihrauch und Essenzen,
An Wein und Huldigung mich trinken satt,
Und da er göttergleich mich will bekränzen,
Werd ich beherrschen ihn an Gottes Statt!

Und will die Posse mir nicht mehr gefallen,
Pack' ich ihn mit der schwachen, starken Hand,
Mit meinen Nägeln wie Harpyenkrallen
Zerfleisch ich ihn, bis ich sein Herze fand.

Gleich einem jungen Vogel fühl' ichs zittern,
Zuckend und rot wird's meiner Hände Raub,
Und um mein Lieblingstier damit zu füttern,
Werf ich es voll Verachtung in den Staub!«

Zum Himmel, zu dem ewigen Strahlensitze
Hebt fromm der Dichter seine Hände auf,
Und seines lichten Geistes weite Blitze
Verhüllen ihm des Volks blindwütigen Häuf:

»Dank, dir, o Gott, der uns das Leid liess werden,
Das uns erlöst aus tiefer Sündennacht,
Das reine Elixier, das schon auf Erden
Die Starken deiner Wonnen würdig macht!

Dem Dichter wahrst du deiner Sitze besten
Inmitten seliger Legionen Schar,
Ich weiss, du lädst ihn zu den ewigen Festen
Der Herrlichkeit und Tugend immerdar.

Ich weiss, nicht Welt noch Hölle macht zum Hohne
Den einzigen Adel, den der Schmerz verleiht.
Ich weiss, auf meinem Haupt die Wunderkrone
Muss leuchten über Welt und Ewigkeit.

Ich weiss, dass Schätze, die versunken schliefen,
Dass Gold und Edelstein aus finstrem Schacht,
Dass Perlen, die du hebst aus Meerestiefen,
Nicht würdig sind für dieser Krone Pracht.

Denn sie ward aus dem reinsten Licht gesponnen,
Das der Urflamme heiliger Herd besass,
Des Menschen Blick, die leuchtendste der Sonnen
Erlischt vor ihrem Glanz wie mattes Glas.

Der Albatros

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Oft kommt es vor, dass, um sich zu vergnügen,
Das Schiffsvolk einen Albatros ergreift,
Den grossen Vogel, der in lässigen Flügen
Dem Schiffe folgt, das durch die Wogen streift.

Doch, – kaum gefangen in des Fahrzeugs Engen
Der stolze König in der Lüfte Reich,
Lässt traurig seine mächtigen Flügel hängen,
Die, ungeschickten, langen Rudern gleich,

Nun matt und jämmerlich am Boden schleifen.
Wie ist der stolze Vogel nun so zahm!
Sie necken ihn mit ihren Tabakspfeifen,
Verspotten seinen Gang, der schwach und lahm.

Der Dichter gleicht dem Wolkenfürsten droben,
Er lacht des Schützen hoch im Sturmeswehn ;
Doch unten in des Volkes frechem Toben
Verhindern mächt'ge Flügel ihn am Gehn.

Erhebung

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Hoch über stillen Wäldern, blauen Meeren,
Hoch über eisiger Gletscher Einsamkeit
Und über Wolkenflügen weltenweit,
Jenseits der sternbeglänzten ewigen Sphären

Dort regst du dich, mein Geist, so frei und jung!
Wie kühne Schwimmer durch die Wellen gleiten,
So ziehst du durch die unermessnen Weiten
Voll grosser, männlicher Begeisterung.

Flieh' aus der Erde giftigtrübem Schlamme,
Steig' auf zum Äther, Seele, werde rein!
Und trink wie einen starken Götterwein
Der lichten Räume himmlischklare Flamme.

Weit hinter dir lass Kummer, Schuld und Streit,
Die dumpf und lastend dich zur Erde zwingen,
Beglückt, wer sich erhebt auf leichten Schwingen
Zu leuchtender Gefilde Heiterkeit!

Wessen Gedanken gleich der Lerche steigen
Des Morgens frohbeschwingt zum Firmament,
Wer überm Leben schwebt und mühlos kennt
Der Blumen Sprache und der Dinge Schweigen!

Zusammenklang

Inhaltsverzeichnis

Im Tempel der Natur, in Säulengängen,
Durch die oft Worte hallen, fremd, verwirrt,
Der Mensch durch einen Wald von Zeichen irrt,
Die mit vertrauten Blicken ihn bedrängen.

Wie weite Echo fern zusammenklingen
Zu einem einzgen feierlichen Schall,
Tief wie die Nacht, die Klarheit und das All,
So Düfte, Farben, Klänge sich verschlingen.

Denn es gibt Düfte, frisch wie Kinderwangen,
Süss wie Oboen, grün wie junges Laub,
Verderbte Düfte, üppige, voll Prangen,

Wie Weihrauch, Ambra, die zu uns im Staub
Den Atemzug des Unbegrenzten bringen
Und unsrer Seelen höchste Wonnen singen.

Den Entschwundenen

Inhaltsverzeichnis

Den entschwundenen, nackten Zeiten bin ich so hold,
Da Phöbus die Säulen umwob mit lauterem Gold,
Da Mann und Weib ohne Lüge und schamhaftes Bangen
In heiter beweglichem Spiel durch das Leben gegangen,
Und – vom zärtlichen Licht umspielt und umflossen –
Ihrer edlen Leiber kraftvolle Schönheit genossen.
Als Cybele fruchtbar, verschwenderisch fast
Ihre Kinder nicht fühlte als drückende Last
Und wie eine Wölfin mit mütterlich drängenden Lüsten
Die ganze Erde getränkt an den schwellenden Brüsten,
Als der Mensch geschmeidig, voll siegreicher Pracht
Mit stolzem Recht sich zum König der Erde gemacht,
Und die edlen Früchte ohne Flecken und Schaden
Mit frischem und saftigem Fleisch zum Bisse geladen.

Will in unseren Tagen ein Dichter bewundernd schauen
Ursprüngliche Schönheit, da wo Männer und Frauen
In Nacktheit sich zeigen, da fühlt er die Freude entfliehen,
Da fühlt er den eisigen Frost seine Seele durchziehen
Vor dem düsteren Bild dieser Hässlichkeit,
Vor der Missgeburt, die nach Kleidern schreit!

O armselig Zerrbild, für Masken geschaffen!
Ihr mageren Rümpfe, ihr feisten, ihr schlaffen,
Die der Nützlichkeit Gott unerbittlich und fest
Schon als Kinder in eherne Windeln gepresst!
Ihr Frau'n, die ihr bleich seid wie wächserne Kerzen,
Die Wollust nagt euch am Leib und am Herzen,
Jungfraun, durch ererbte Sünden entweiht,
Ihr schleppt schon der Mutterschaft Hässlichkeit!

Wohl ist uns, die wir zum Untergang neigen,
andere Schönheit, den Eilten verschlossen, zu eigen,
Gesichter, drin glühendes Leiden brennt,
Darin man die Schönheit des Siechtums erkennt;
Diese Gabe jedoch, aus der Muse zögernden Händen
Soll uns, des Untergangs Kindern, die Blicke nicht blenden.
Wir huldigen tief und voll Leidenschaft
Der heiligen Jugend, der Jugend voll Klarheit und Kraft.
Deren Auge strahlend und klar wie die fliessende Quelle,
Die überall Leben spendet und sorglose Helle,
Die in des Himmels Leuchten, der Vögel Gesang,
Die Duft ist und Wärme und Farbe und Klang.

Die Leuchttürme

Inhaltsverzeichnis

Rubens, der Trägheit Garten, des Vergessens Bronnen,
Ein Lager blüh'nden Fleisches, der Liebe leer,
Doch so von Leben und von Glut durchronnen
Wie von der Luft das All, das Meer vom Meer.

Leonard da Vinci Spiegel tief und dunkel,
Wo Engel lächeln süss und rätselschwer
Aus Fichtenschatten, grünem Eisgefunkel
Von ihrer Heimat Gletschergipfeln her.

Rembrandt, das Haus der Traurigen und Kranken,
Von einem hohen Kruzifix erhellt,
Gebete, Seufzer überm Unrat schwanken,
Ein kalter Schimmer jäh ins Dunkel fällt.

Buonarroti, fern, wo Riesenschatten schweben,
Wo Herkules mit Christus sich verband,
Gespenster steil aus ihrer Gruft sich heben,
Mit starrem Finger fetzend ihr Gewand.

Der in des Pöbels Wut, des Fauns Erfrechen,
Der Schönheit fand selbst in der Schurken Reich,
Puget, du grosses Herz voll Stolz und Schwächen,
Der Sklaven König, kummervoll und bleich.

Watteau, ein Fest, wo Herzen leuchtend irren,
Den Schmetterlingen gleich, ein Faschingsball,
Lieblicher Zierat, Glanz und Lichter schwirren
Und Tollheit wirbelnd durch den Karneval.

Goya, ein Nachtmahr, ferner wirrer Schrecken,
Leichengeruch vom Hexensabbat weht,
Wo, lüsterner Dämonen Gier zu wecken,
Die nackte Kinderschar sich biegt und dreht.

Und Delacroix, Blutsee, wo Geister hausen.
Im Schatten tief, der Himmel schwer wie Blei,
Wo durch die trübe Luft Fanfaren brausen
Seltsamen Klangs, wie ein erstickter Schrei.

Dies alles, Fluch und Lästerung und Sünden,
Verzückungsschrei, Gebet und Todesschmerz
Ist Widerhall aus tausend dunklen Gründen,
Berauschend Gift für unser sterblich Herz.

Ein Schrei ist's, der da gellt in tausend Stürmen,
Die Losung, die von tausend Lippen schallt,
Leuchtfeuer, das da flammt von tausend Türmen,
Des Jägers Ruf, der durch die Wildnis hallt.

Ein Zeichen, Gott, das wir dir bringen wollen,
Vor deinen Herrlichkeiten zu bestehn,
Glühende Tränen, die durchs Weltall rollen
Und an der Ewigkeiten Rand vergehn.

Die kranke Muse

Inhaltsverzeichnis

Du arme Muse, was ist dir geschehn?
Im hohlen Blick les' ich die nächtgen Qualen,
Und muss den Wahnsinn und den Schreck, den fahlen
Im stummen, angstgequälten Antlitz sehn.

Gossen sie Lieb' und Furcht aus ihren Schalen,
Die grünen Zwerge und die rosigen Feen?
Hat dich der Alb gepackt mit eisigem Wehn
Und dich erstickt in wilden Zauber quälen?

Ich wollt', dein Atem wäre stets voll Kraft,
Dass er nur starker Dinge Abbild schafft!
Des Blutes Rauschen rhythmischer Gesang,

Wie er in jenen alten Zeiten klang,
Als Phöbus und der grosse Pan regierten,
Des Liedes Vater und der Gott der Hirten.

Die käufliche Muse

Inhaltsverzeichnis

O meine Muse, der Paläste Kind!
Wirst du, wenn erst der Winter hetzt die Raben,
Für deinen nackten Fuss ein Feuer haben
In trüber Schneenacht und bei eisigem Wind?

Willst du die marmorkalten Schultern laben
Am nächtigen Strahl, der durch die Läden rinnt?
Willst du, wenn leer dir Tasch' und Gaumen sind,
Verborgnes Gold aus blauen Höhlen graben ?

Allabendlich wird dich der Hunger zwingen,
Chorkindern gleich beim Weihrauchfass zu singen
Den Lobgesang, der deinen Schmerz verhöhnt,

Seiltänzern gleich wirst du zur Schau dich stellen.
Indes dein Lachen, darin Schreie gellen,
Des rohen Haufens Gier und Lüsten frönt.

Der schlechte Mönch

Inhaltsverzeichnis

Aus alter Klöster hohem Wandgemälde
Schaut oft der heiligen Wahrheit Angesicht,
Den Brüdern, die der fromme Eifer quälte,
Ein wenig Wärme spendend, Trost und Licht.

Zur Zeit, da Christi Saat geblüht, erwählte
Manch edler Mönch, von dem man heut kaum spricht,
Das Leichenfeld zur Werkstatt und erzählte
In Bildern uns vom Tode stark und schlicht.

Mein Herz gleicht einer finstern Klosterzelle,
Seit Ewigkeiten tritt mein Fuss die Schwelle, –
Mit nichts hab' ich die kahle Wand geschmückt.

Ich träger Mönch, wann werd' ich endlich geben
Aus jenem öden Schauspiel, meinem Leben,
Was meine Hand erschuf, mein Aug' beglückt?

Der Feind

Inhaltsverzeichnis

Mein Kinderland war voll Gewittertagen,
Nur selten hat die Sonne mich gestreift,
Und so viel Bluten hat der Blitz zerschlagen,
Dass wenig Früchte nur mein Garten reift.

Nun kommt der Herbst, – ich muss zur Harke greifen,
Die Erde sammeln, die verwüstet schlief,
In die der Regen Risse grub und Streifen
Und manche Holde wie ein Grab so tief.

Doch ob den Blumen, die erhofft mein Träumen,
In dieses wild zerwühlten Ackers Räumen
Die Wundernahrung wird voll Glut und Kraft?

O Schmerz! die Zeit trinkt unsren Lebenssaft,
Der dunkle Feind, der uns am Herzen zehrt
Und sich von unsrem Blute stärkt und mehrt!

Der Unstern

Inhaltsverzeichnis

So schwere Lasten zu heben,
Bedarf es des Sisyphus Mut,
Und hätten wir Kraft auch und Glut,
Lang ist die Kunst, flüchtig das Leben.

Fern ruhmreicher Sarkophage,
An des Friedhofs verlassenem Hang,
Wie verdeckter Trommel Gesang
Schlägt mein Herz nun die trauernde Klage.

Manches Kleinod von leuchtender Glut
In finstrer Verborgenheit ruht,
Wohin Sonde und Senkblei nicht gleiten.

Manche Blume der edelsten Art
Strömt Duft wie Geheimnis so zart
In der Wildnis verlorene Weiten.

Das frühere Leben

Inhaltsverzeichnis

Ich wohnte lang in weiter Hallen Schweigen,
Die abends in der Meeressonne Glut
Sich stolz erheben und zur blauen Flut
Sich gleich basaltnen Grotten niederneigen.

Das Meer, darauf des Himmels Abbild ruht,
Tönt feierlich beim Auf- und Niedersteigen,
Und der Akkorde übermächt'ger Reigen
Strömt in den Abend voller Gold und Blut.

Dort lebt' ich lang in dämmerstillem Lächeln,
Voll Wollust atmend Glanz und blaue Luft;
Die nackten Sklaven, ganz getaucht in Duft,

Sie mussten mir die müde Stirne fächeln,
Von einer einzigen Sorge nur beschwert,
Das Leid zu finden, das mein Herz verzehrt.

Zigeuner auf der Fahrt

Inhaltsverzeichnis

Zum Aufbruch muss der Stamm der Zaubrer rüsten,
Glutäugig Volk. – Es schleppt der Weiber Schar
Bücklings die Kinder, reicht dem Säugling dar
Den stets bereiten Schatz aus braunen Brüsten.

Zu Fuss die Männer, deren Waffen flimmern,
Die Karren rollen langsam nebenher;
Und Aller Augen wandern sehnsuchtsschwer
Zum Himmel, wo die fernen Träume schimmern.

Sie ziehn vorbei, – und im Versteck die Grille
Singt doppeltlaut ihr Lied durch Morgenstille;
Die Erde, die sie liebt, vermehrt ihr Grün,

Lässt Felsen sprudeln, lässt die Wüste blühn
Für sie, die in der Zukunft dunkles Brauen
Wie in vertraute lichte Lande schauen.

Der Mensch und das Meer

Inhaltsverzeichnis

Du freier Mensch, du liebst das Meer voll Kraft,
Dein Spiegel ist's. In seiner Wellen Mauer,
Die hoch sich türmt, wogt deiner Seele Schauer,
In dir und ihm der gleiche Abgrund klafft.

Du liebst es, zu versinken in dein Bild,
Mit Aug' und Armen willst du es umfassen,
Der eignen Seele Sturm verrinnen lassen
In seinem Klageschrei, unzähmbar wild.

Ihr beide seid von heimlich finstrer Art.
Wer taucht, o Mensch, in deine letzten Tiefen,
Wer kennt die Perlen, die verborgen schliefen,
Die Schätze, die das neidische Meer bewahrt?

Und doch bekämpft ihr euch ohn' Unterlass
Jahrtausende in mitleidlosem Streiten,
Denn ihr liebt Blut und Tod und Grausamkeiten,
O wilde Ringer, ewiger Bruderhass!

Don Juan in der Unterwelt

Inhaltsverzeichnis

Als Don Juan, den schwarzen Fluss erreichend,
Den Fährmann zahlte und bestieg das Schiff,
Ein finstrer Bettler, Antisthenes gleichend,
Mit starkem Rächerarm zum Ruder griff.

Laut stöhnend warfen sich die Frau'n zur Erde,
Mit schlaffen Brüsten und zerfetztem Kleid,
Wie Brüllen einer aufgescheuchten Herde
Klang ihr Geschrei, gedehnt, voll dumpfem Leid.

Sganarell heischte Lohn, sein Lachen schwirrte.
Indes Don Louis, die Greisenhand gereckt,
Der Totenschar, die an den Ufern irrte,
Den Sohn wies, der sein Haupt mit Schmach bedeckt.

Nah ihrem Gatten, fröstelnd, sass Elvire,
In ihrer Trauer aller Anmut bar,
Fleht' um das letzte Lächeln letzter Schwüre,
So süss und falsch wie jenes erste war. –

Ein grosser fremder Mann, in Stahl die Glieder,
Lenkte das Steuer, steinernen Gesichts.
Der bleiche Held beugte aufs Schwert sich nieder,
Betrachtete die Flut und weiter nichts.

An Theodor von Banville

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Du hast die Muse so beim Haar ergriffen.
So herrisch sie besiegt voll schöner Lässigkeit,
Dass du ein Held erschienst, ein Bravo, der im Streit
Sein Lieb erdolcht, die Waffe blankgeschliffen.

Dein Blick war feurig und voll junger Kraft,
Und Kühnheit zeigtest du und Stolz und Stärke
Im künstlerischen Wunderbau der Werke,
Aus denen atmet künftige Meisterschaft.

Uns Dichtern starrt das Blut im Glück, im Leid.
War's Zufall, dass man des Kentauren Kleid,
Das Blut und Mark gerinnen liess in Qualen,

Im scharfen Gift getränkt zu dreien Malen,
Das aus rachsüchtiger Schlangen Geifer rinnt,
Die Herakles im Spiel erwürgt als Kind?

Züchtigung des Hochmuts

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In jener alten Zeit, als noch Theologie
Eifrig betrieben ward voll Kraft und Energie,
Trug es sich zu, dass ein gar weiser, frommer Mann,
Der selbst die Lässigsten noch schlug in seinen Bann
Und sie der finstern Macht des Bösen abgerungen,
Zu weit auf jenem Weg, ihm selber fremd, gedrungen,
Der zu dem Himmelsglanz erhabner Wonnen führt,
Den nur die reinste Schar der Geisterwelt berührt,
Und schwindelnd, wahnerfasst, da er zu hoch gestiegen,
Satanischem Gelüst des Hochmuts musst' erliegen.
»Mir, kleiner Jesus, mir verdankst du deinen Ruhm,
Hätt' ich statt des enthüllt dein sündig Menschentum,
Müsst' deine Schmach so hoch wie jetzt die Ehre gelten,
Als Spott und Missgeburt durchirrtest du die Welten!«

In diesem Augenblick entfloh ihm der Verstand,
Ein schwarzer Flor sich um sein leuchtend Denken wand,
Das Chaos wirbelte durch seine kranke Seele,
Lebender Tempel einst voll Ordnung und ohn' Fehle,
Von dessen Dach gestrahlt der hellsten Lichter Pracht,
Auf ihn sank Schweigen jetzt und Finsternis und Nacht.
Ein Grabgewölb' zu dem den Schlüssel man verloren.

Von nun an ward er gleich den Tieren vor den Toren,
Und wenn er schwankend schlich durch lauter Gassen Flut,
Nicht fühlend Winterfrost, nicht fühlend Sommerglut,
Alt, schmutzig und verbraucht, mit blind' und tauben Mienen,
Musst' er der Kinder Spott als Ziel und Scheibe dienen.

Die Schönheit

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Schön bin ich, Sterbliche, ein Traum von Stein,
Mein Busen trieb euch oft in blutige Sünde,
Die Glut, die euren Dichtern ich entzünde,
Muss wie der Urstoff stumm und ewig sein.

Ich throne hoch in blauer Rätselpracht,
Kühl wie der Schnee, weiss wie das Kleid des Schwanen,
Ich hasse jedes Schwanken aus den Bahnen,
Ich habe nie geweint und nie gelacht.

Die Dichter, die mein stolzes Wesen lieben
– Fast scheint's von stolzen Bildern nur entlehnt –,
Vergebens sich in strengen Formeln üben,

Denn ihnen schenk' ich, was ihr Herz ersehnt:
Den reinen Spiegel, schönren Lebens Quelle,
Mein weites Aug', mein Aug' voll ewiger Helle.

Das Ideal

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Nie sind's die zarten Schönen der Vignetten,
Ärmliche Zeugnisse aus kranker Zeit,
Die mit verschnürtem Fuss, die Hand an Kastagnetten,
Ein Herz wie meins erfüllt mit Freudigkeit.

Lasst Gavarni die blut- und seelenlosen
Lispelnden Schönen aus dem Hospital!
Nicht eine dieser schwanken, bleichen Rosen
Gleicht meinem glutenroten Ideal.

Nein, für mein abgrundtiefes Herz erwähle
Ich, Lady Macbeth, dich, gewaltige Seele,
Äschlos' Traum, erblüht im nordischen Wind;

Und dich, erhabene Nacht, Buonarrotis Kind,
Die still in seltsam fremder Ruh' entfaltet
Die Reize, für Titanenmund gestaltet.

Die Riesin

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Zur Zeit, da der Natur, der kräftevollen.
Gewaltige Kinder gross und wild gediehn,
Hätt' ich bei einer jungen Riesin leben wollen,
Wie eine Katze auf der Königin Knien.

Ich hätt' erspäht in ihrem Spiel, dem tollen,
Des Leibes Wachsen und der Seele Blühn,
Den leichten Tau, der ihrem Aug' entquollen,
Der tief versteckten, düstern Flamme Glühn.

Hätt' ihrer mächtigen Glieder Pracht umstreichelt,
Auf ihre stolzen Kniee mich geschmeichelt,
Und manchmal, wenn die kranke Sommerglut

Sie müd dahingestreckt auf sonnigen Matten,
Hätt' schlummernd ich an ihrer Brust geruht,
Ein friedlich Dorf in mächt'ger Berge Schatten.

Die Juwelen

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Die Holde war ganz nackt, doch kennt den Liebsten sie
Und hatte sich geschmückt mit klingendem Geschmeide,
Des überreiche Pracht ihr sieghaft Aussehn lieh,
Maurischen Sklaven gleich in ihrem Feierkleide.

Wenn hell und spöttisch klirrt im Tanze Gold und Stein,
Und alles flimmernd sprüht von leuchtenden Juwelen,
Ergreift Verzückung mich, und bis zu Wut und Pein
Lieb' ich die Dinge, drin sich Klang und Licht vermählen.

Nun lag sie da, umglüht von zärtlichem Begehr,
Und lächelte voll Lust von ihres Diwans Kissen
Auf meine Liebe, die, anschwellend wie das Meer,
Aus nächtigen Tiefen stieg, zum Ufer hingerissen.

Die Blicke hielten mich wie ein gezähmtes Tier,
Unsicher, träumerisch bewegte sie die Glieder,
Und Kindlichkeit, vermischt mit Lüsternheit und Gier,
Goss neuen Zaubers Reiz auf jede Wandlung nieder;

Und all die Herrlichkeit, Schenkel und Arm und Bein,
Glänzend und schwanengleich in sanfter Biegung schwellen
Sah mein entzückter Blick, mein Auge klar und rein;
Die Brüste, Trauben, die an meinem Weinstock quellen,

Sie nahten schmeichlerisch, den bösen Engeln gleich,
Aus ihrer Ruhe mir die Seele aufzustören,
Und sie, die einsam thront im stillen, kühlen Reich
Auf dem kristallnen Fels, zu quälen und betören.

Ich glaubt' vereint zu sehen, was ich noch nie geschaut,
Antiopes Hüften und die Schultern eines Knaben,
Den kräftigen Gliedern und der fahlen, braunen Haut
Die duftigen Salben fremde Reize gaben!

Das Licht glomm langsam aus, ergab sich still dem Tod,
Nur vom Kamin der Schein flackerte hin und wieder,
Und immer, wenn die Glut aufseufzte, floss es rot,
Ein blutiger Strom, um ambrafarbne Glieder!

Die Maske

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Statue im Geschmack der Renaissance
Dem Bildhauer Ernest Christophe

Dies Kleinod sieh aus Florentiner Tagen;
Des Körpers weiche Biegung, darin Kraft
Und Anmut, holde Schwestern, sich vertragen,
Fürwahr, dies Frauenbild ist zauberhaft!
So göttlich derb, so zierlich zum Entzücken,
Erschaffen nur für Prunk und Leidenschaft,
Um Päpste oder Fürsten zu beglücken.

Sieh auch dies Lächeln fein und lasterhaft,
Drin Eitelkeit und Hochmut Feste feiern,
Den heimlich schwülen Blick, den Spott durchbricht,
Das zärtliche Gesicht, umrahmt von Schleiern,
Drin jede Miene wie ein Sieger spricht:
»Die Wollust ruft mich, Liebe wird mich krönen!'«
Hast du Verführung, Anmut je gesehen
So hold wie hier die Majestät verschönen?
Komm, lass uns rings um ihre Schönheit gehen!
O Lästerung der Kunst! O seltsam Grauen!
Muss ich dies göttergleiche Wesen hier
Als doppelköpfig Ungeheuer schauen?

Doch nein, nur Maske, trügerische Zier
Sind des erlesnen Antlitz lichte Züge;
Sieh her, das wahre Bild von Leid verzerrt,
Das krampfverzogne Antlitz, das die Lüge
So gleisnerisch dem Blick der Welt versperrt.
Du arme Schönheit! Wie mit lichten Wellen
Dein Tränenstrom sich in mein Herz ergiesst;
Dein Trug berauscht mich, und die Seele schwellen
Fühl' ich beim Leid, das deinem Aug' entfliesst.

Doch warum weint sie? So von Kraft getragen,
So schön, dass, wer sie sieht, in Andacht bebt,
Welch Leid kann ihre Götterbrust zernagen? –
Sie weint, o Tor, sie weint, weil sie gelebt!
Und weil sie noch lebt! Das lässt sie erbeben
Und schaudert fröstelnd durch die Glieder ihr,
Dass morgen sie und übermorgen leben,
Und immer, immer leben muss! – wie wir.

Hymne an die Schönheit

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Kommst du vom Himmel herab, entsteigst du den Schlünden?
Aus deines teuflischen, göttlichen Blickes Schein
Strömen in dunkler Verwirrung Tugend und Sünden,
Schönheit, und darin gleichst du berauschendem Wein.

Du trägst im Aug' der Sonne Sinken und Steigen,
Du birgst den Duft gewitterschwüler Nacht,
Deine Lippen sind leuchtende Schalen, und wenn sie sich neigen,
Haben sie Helden schwach und Kinder zu Helden gemacht.

Entfliehst du zum Abgrund, steigst auf du zu himmlischen Strahlen.
Der bezauberte Geist folgt hündisch der Spur deines Lichts!
Du schüttest nach Laune Freuden aus oder Qualen,
Beherrschst uns alle und verantwortest nichts.

Du trittst auf Leichen, Schönheit, und lachst unsrer Qualen,
Entsetzen umschmiegt deine Brust wie Juwelen und Gold,
Auf dem stolzen Leib seh' ich zärtlich tanzen und strahlen
Den Meuchelmord, kostbar Geschmeid, dem vor allem du hold.

Die scheuen Falter dein Leuchten, Kerze, umschweben,
Die Flamme segnend büssen sie ihr Gelüst,
So gleicht, wer sein Lieb umarmt mit Keuchen und Beben,
Dem Todgeweihten, der seine Bahre küsst.

Ob du vom Himmel kommst, ob aus nächtigen Orten,
Gleichviel, o Schönheit, dem Dämon, dem Kinde verwandt,
Öffnet dein Auge, dein Lächeln mir nur die Pforten
Des unendlichen Alls, das ich liebe, doch nimmer gekannt.

Von Gott oder Satan, Engel oder Sirene,
Gleichviel, nur gib mir, o Herrin, samtäugige Fee,
Du Wohlklang und Leuchten und Duft, dass verschönert ich wähne
Die hässliche Erde und leichter den Augenblick seh'.

Fremdländischer Duft

Inhaltsverzeichnis

Wenn ich geschlossnen Augs in Abendglut
Einschlürfe deinen warmen Duft mit Beben,
Seh' ich ein herrlich Ufer sich erheben
Aus einem Meer, drauf ewiges Leuchten ruht.

Ein schwellend Eiland, dem der Sonne Flut
Seltsame Bäume, saftige Frucht gegeben
Und schlanke Männer voller Kraft und Leben
Und Frauen, deren Blick voll Glanz und Mut.

Dein Hauch führt mich zu lieblichen Gestaden,
Im Hafen seh' ich Schiff an Schiff beladen
Und von der langen Reise müd und schwer.

Ich schlürf den Duft von Tamarindenbäumen,
Der sich vermischt in meinen wachen Träumen
Dem Sang der Schiffer auf besonntem Meer.