Inhaltsverzeichnis
In Frankreich (Paris). Die Königin Isabella und der Prinz Eduard.
KÖNIGIN ISABELLA.
Ganz ohne Freunde sind wir hier in Frankreich,
die Lords sind grausam und der König ungut.
Was sollen wir tun, mein Sohn?
PRINZ EDUARD.
Zurück nach England, Mutter!
Dem Vater zum Gefallen, und dann pfeif ich
auf meines Onkels Anhang hier in Frankreich!
Ich bürg dirs, schnell gewinn ich Seine Hoheit,
sie liebt mich sicher mehr als tausend Spencers.
KÖNIGIN ISABELLA.
Ach, Kind, du irrst dich wenigstens in dem:
noch an Verständigung von uns zu denken.
Der Riß ist gar zu weit. Ungütiger Valois.
Wenn Frankreich mich Unglückliche verstößt,
wohin soll dann ich meine Schritte lenken?
Sir John von Hennegau tritt auf.
SIR JOHN.
Wie geht es Euch, Madame?
KÖNIGIN ISABELLA.
Ach, guter John von Hennegau,
noch nie so freudlos, nie so sehr verzweifelt!
SIR JOHN.
Ich höre, Fürstin, von des Königs Roheit;
doch trauert nicht, Madame; denn hoher Sinn
verzweifelt nie. Will Euer Gnaden mit mir
nach Hennegau und dort mit Eurem Sohn
der besseren Zeiten harren? Wollt Ihr, Mylord,
mit Euren Freunden unser Schicksal teilen?
PRINZ EDUARD.
So möchte es die Königin, doch ich will:
nicht Englands König, noch der Hof von Frankreich
sollen mich von meiner Mutter Seite reißen,
bis ich zum Lanzenbrechen stark genug bin;
und dann dem frechsten Spencer an den Kopf.
SIR JOHN.
Recht so, mein Prinz!
KÖNIGIN ISABELLA.
O süßes Herz, ich gräm mich deines Irrtums
und triumphiere in der Hoffnung auf dich.
Ach, lieber Sir, selbst an den letzten Saum
Europens, an die Küste Tanais,
wir wollen mit nach Hennegau – wir wollens.
Der Markgraf ist ein edeler Herr;
Seine Gnaden, hoffe ich, heißt uns willkommen.
Doch wer sind diese?
Kent und der jüngere Mortimer kommen.
KENT.
Lang lebe die Königin
und glücklicher als Eure Freund in England!
KÖNIGIN ISABELLA.
Lord Edmund und Lord Mortimer am Leben?
Willkommen hier! Die Nachricht kam, Mylord,
ihr wäret tot oder sehr nah am Tode.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Das letztere, Fürstin, kam der Wahrheit näher:
doch Mortimer, für besseres Glück bestimmt,
hat abgestreift die Sklaverei des Towers
und lebt, mein guter Prinz, für Eure Fahne.
PRINZ EDUARD.
Wie meint Ihr? – Und der König lebt, mein Vater!
Nein, Mortimer, fürwahr, ich glaub es nicht!
KÖNIGIN ISABELLA.
Warum nicht, Sohn – ich wollt, es wär nichts Schlimmeres.
Doch, edele Lords, freundlos sind wir in Frankreich.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Der Herr le Grand, ein edeler Freund von Euch,
erzählte uns bei unsrer Ankunft alles:
wie hart die Edelen und wie schlimm der König
gezeigt sich hätten. Doch Recht schafft Raum sich,
wo Waffen fehlen; und wenn auch viele Freunde
verloren sind, wie Warwick, Lancaster
und andere von unserer Partei,
so haben wir in England Freunde noch,
die händeklatschend hoch die Kappen würfen,
uns dort zu sehen, gewappnet gen die Feinde.
KENT.
Wär alles gut schon, Eduard schon bekehrt
zu Englands Friedensruh und Englands Ehre.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Nur mit dem Schwert, Mylord, könnt Ihrs erreichen.
Von seinen Schmeichlern läßt der König nie.
SIR JOHN.
Ihr Lords von England, da der König Frankreichs
unfreundlich Waffenhilfe hier verweigert
der vielbedrängten Fürstin, seiner Schwester,
so geht mit ihr nach Hennegau. Wir finden
ohne Zweifel Trost, Geld, Mannen und Freunde,
um Englands König bald herauszufordern.
Was sagt Ihr, Prinz, und denkt von diesem Wettspiel?
PRINZ EDUARD.
Ich denk, der König überrennt uns alle.
KÖNIGIN ISABELLA.
Nicht doch, mein Sohn, Ihr müßt nicht so die Freunde
entmutigen, die so gern Euch helfen.
KENT.
Sir John von Hennegau, verzeiht, ich bitte:
der Trost, den Ihr der armen Königin gebt,
zwingt uns durch Güte alle zum Gehorsam.
KÖNIGIN ISABELLA.
Ja, lieber Schwager, und der Gott im Himmel
mög Eure gute Regung segnen, Sir.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Der edele, kampfbereite Ritter hier
ist, wie ich seh, als Anker uns bestimmt.
Sir John von Hennegau, es sei dein Ruhm,
daß Englands Königin und Lords in Not
von dir getröstet und gerettet wurden.
SIR JOHN.
Madame, und Ihr, Mylords, mit mir hinweg,
daß Englands Peers sehn Hennegaus Empfang.
Alle ab.
In einem Zimmer des Königspalastes von Westminster. Es treten auf König Eduard, Lord von Arundel, der ältere und der jüngere Spencer und andere Lords.
KÖNIG EDUARD.
So triumphiert nach grausem Kriegesdrohn
mit seinen Freunden Eduard von England.
Triumph dem Eduard mit unbesiegten Freunden!
Mylord von Gloster, hörtet Ihr das Neuste?
DER JÜNGERE SPENCER.
Was Neues, Herr?
KÖNIG EDUARD.
Ei, Mann, es heißt, es gab ein groß Gericht
durchs ganze Königreich. Lord Arundel,
Ihr habt doch wohl die Liste noch bei Euch?
ARUNDEL.
Ja, Herr, vom Gouverneur des Towers.
KÖNIG EDUARD.
Ich bitte, laßt sie sehn.
Er nimmt die Liste.
Was gibt es da?
Lies, Spencer, du.
Er gibt die Liste dem jüngeren Spencer, der die Namen vorliest.
KÖNIG EDUARD höhnisch lächelnd.
Vor einem Monat bellten sie noch laut,
jetzt, auf mein Leben, bellen und beißen sie nicht.
Gibts, Sirs, von Frankreich Neues? Gloster, traun,
die Lords von Frankreich lieben Englands Geld so,
daß Isabell dort keine Hilfe findet;
was bleibt zu tun? Habt Ihr, Mylord, verkündet
Belohnung dem, der Mortimer herbeischafft?
DER JÜNGERE SPENCER.
Ja, Herr, wir habens; ist er noch in England,
wird er bald hier sein, daran zweifelt nicht.
KÖNIG EDUARD.
Wenn, sagst du, Spencer? Sicher wie der Tod,
er ist in England. Unsere Hafenmeister
sind, wills der König, nicht so nachlässig.
Ein Bote kommt.
Was gibts? Was bringst du Neues? Woher kommt das?
BOTE.
Ein Brief, Herr, ist es mit Nachrichten aus Frankreich
an Euch, Mylord von Gloster, von Levune.
Der Bote gibt die Briefe dem jüngeren Spencer.
KÖNIG EDUARD.
Lest.
DER JÜNGERE SPENCER liest.
Meinen pflichtschuldigen Gruß zuerst an Euer
Gnaden usw. Ich habe gemäß der Instruktion für
diesen Auftrag mit des Königs von Frankreich
Großen verhandelt und erreicht, daß die Königin
ganz unzufrieden und ohne Tröstung fortgegangen
ist; wenn Ihr fragt, wohin: mit Sir John von
Hennegau, dem Bruder des Markgrafen, nach Flandern.
Mit ihnen gingen Lord Edmund und Lord Mortimer,
die in ihrem Gefolge verschiedene Leute Eures
Vaterlandes und auch andere haben; und es erhält sich das
Gerücht, daß sie dem König Eduard eine Schlacht
zu liefern beabsichtigen, und zwar schneller, als er sich ihrer
versehen kann. Das sind die Neuigkeiten von Belang.
Euer Gnaden stets zu Diensten
Levune.
KÖNIG EDUARD.
Ha, Schurken, ist der Mortimer entschlüpft?
Mit ihm vereint ist Edmund fortgegangen?
Den Reigen führt Sir John von Hennegau.
Bei Gott, Madame, mit Eurem Sohn willkommen!
England wird euch und eure Rotte grüßen.
Spreng vorwärts, lichter Phöbus, durch den Himmel
und dunkele Nacht im rostigen Eisenwagen,
verkürze deine Zeit, ich bitte dich,
daß ich den höchsterwünschten Tag erblicke,
an dem im Feld wir die Verräter treffen.
Nichts grämt mich so, als daß mein kleiner Sohn
verführt ward, ihre Bosheit so zu stützen.
Nach Bristow, Freunde, kommt, uns dort zu rüsten:
seid, Winde, so gerecht, sie herzubringen,
als ihr wart ungerecht, sie fortzutragen.
Nähe von Harwich. Königin Isabella, Prinz Eduard, Kent, der jüngere Mortimer und Sir John von Hennegau.
KÖNIGIN ISABELLA.
Ihr Lords, Landsleute und geliebte Freunde,
mit gutem Wind willkommen all in England.
Die besten Freunde ließen wir in Belgien,
der Heimat Freunde hier zu treffen. Böser Fall,
der Kraft mit Kraft verknüpft und Schwert und Degen,
in Bürgerzwisten Sipp und Landsmannschaft,
sich selbst in andern schlachten läßt und ihre Körper
durch eigene Waffen bluten! Doch was hilfts?
An allem Graus sind schuld verführte Könige.
Vor ihnen allen, Eduard, bist du einer,
des Lockerheit dies Land dem Raube preisgab,
der den Kanal vom Blut des eigenen Volkes
ließ überströmen. Schirmherr solltest du sein,
doch du –
DER JÜNGERE MORTIMER.
Nein, Königin, wollt Ihr ein Krieger sein,
müßt Ihr mit solcher Leidenschaft nicht reden.
Lords, da der Himmel uns hier landen ließ,
gewappnet für Rechte dieses Prinzen,
schwören wir ihm, um unseres Landes willen
Vasallentreue, Lehnspflicht, Kriegsbereitschaft.
Und für das offenkundige Unrecht, das
Eduard an uns, dem Land, der Königin tat,
stehn wir in Waffen, es durchs Schwert zu rächen,
daß Englands Königin in Frieden wieder
besitze ihre Ehr und Würden; nebenbei
vom Könige die Schmeichler fortzuräumen,
die Englands Reichtum, seinen Schatz, vergeuden.
SIR JOHN.
Trompeten blast; Mylord, wir wollen marschieren.
Der König denkt, wir kommen, ihm zu schmeicheln.
KENT.
Ich wollt, ihm wär nie mehr geschmeichelt worden!
Alle ab.
Die Szene ist in der Nähe von Bristow. König Eduard, Baldock und der jüngere Spencer treten auf.
DER JÜNGERE SPENCER.
Flieht, Herr, die Königin ist überstark.
Es wächst ihr Anhang, und der Eure sinkt.
Gehn wir nach Irland, Atem dort zu schöpfen.
KÖNIG EDUARD.
Wie, ward ich geboren, zu fliehn und fortzulaufen,
die Mortimers erobernd hier zu lassen?
Bringt mir mein Pferd, ermutigen wir die Truppen,
in diesem Ehrenbett mit Ruhm zu sterben.
BALDOCK.
O nein, Mylord, der fürstliche Entschluß
paßt diesmal nicht hierher, fort, man verfolgt uns.
Alle ab.
Kent tritt auf mit Schwert und Schild.
KENT.
Hier floh er hin, ich bin zu spät gekommen.
Eduard, hallo! mein Herz erweicht sich dir.
Kecker Verräter Mortimer, was hetzt du
den angestammten König mit dem Schwert?
Ich feiler Schurke! Warum hab ich roh
das Schwert erhoben gegen meinen Bruder?
Laß Racheschauer regnen auf mein Haupt,
du Gott, dem es gerechterweise zusteht,
die scheußliche Verräterei zu strafen.
Eduard, der Mortimer sinnt dir Verderben.
So flieh ihn denn! Doch Edmund, kühl die Wut,
verstell dich oder stirb, denn Mortimer
und Isabell verschwören sich und küssen;
und doch, bei Gott, trägt sie der Liebe Maske.
Pfui dieser Brunst, die Tod und Haß gebiert!
Fort, Edmund, fort, Bristow zu Longshanks Blut
ist falsch; laß nicht Verdacht allein dich finden.
Denn Mortimer paßt dir auf alle Schritte.
Königin Isabella, Prinz Eduard, der jüngere Mortimer, Sir John von Hennegau treten auf.
KÖNIGIN ISABELLA.
Erfolg in Schlachten gibt der Gott der Könige
dem, der mit Recht ficht, Fürchter seines Zornes.
Da wir Erfolg und Sieg davongetragen,
sei Dank dem großen Himmels-Herrn und euch;
eh wir noch weiter gehen, edle Lords,
ernennen wir hier unseren lieben Sohn
aus Lieb und Fürsorg für sein fürstlich Leben
zum Reichsverweser; und da die Geschicke
den Vater sein so höchst unglücklich machten,
verfahret, ihr getreuen Lords, hierin,
wie euer Weisheit es am besten dünkt.
KENT.
Madame, darf ich ganz harmlos fragen: was
Ihr nach dem Fall mit Eduard machen wollt?
PRINZ EDUARD.
Sagt, welchen Eduard meint Ihr, lieber Ohm?
KENT.
Den Vater, Neffe, ich darf nicht König sagen.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Mylord von Kent, was braucht es dieser Fragen?
Es steht bei ihrem Willen nicht, noch unserem,
doch was dem Reich und Parlament gefällt,
das soll mit Eurem Bruder dann geschehn. –
Beiseite zur Königin.
Ich liebe nicht diesen weichen Zug an Edmund,
man wird guttun, beizeiten aufzupassen.
KÖNIGIN ISABELLA.
Der Mayor von Bristow kennt ja unsere Absicht.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Gewiß, Madame, und die entkommen schwer,
die schlachtenflüchtig.
KÖNIGIN ISABELLA.
Baldock ist mit dem König.
Ein feiner Kanzler das, nicht wahr, Mylord?
SIR JOHN.
Und auch die beiden Spencers, Sohn und Vater!
KENT.
Dieses, Eduard, ist der Untergang des Reiches.
Es treten auf: Rice ap Howell, Ratsherrn der Stadt, Gefolge mit dem gefangenen älteren Spencer.
RICE.
Gott schütz die Königin und ihren Prinzen.
Die Bürger und das Oberhaupt von Bristow
schenken zum Zeichen ihrer Lieb und Treue
durch mich dem Staate diesen Hochverräter.
Spencer, den Vater jenes Schalksnarrn Spencer,
der – wie in Rom der Meuterer Catilina –
in Englands Schatz und Wohlstand schwelgte.
KÖNIGIN ISABELLA.
Euch allen Dank.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Für diese Liebessorge
verdient Ihr königliche Gunst und Lohn;
doch wo sind Eduard und der andere Spencer?
RICE.
Spencer, der Sohn, ernannter Graf von Gloster,
ist mit dem Zungengleisner Baldock fort
und schiffte grad nach Irland mit dem König.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Ein Wirbelwind ersäufe oder bring sie;
ich zweifle nicht, sie kommen bald ums Leben.
PRINZ EDUARD.
Wann sehe ich den König, meinen Vater?
KENT beiseite.
Unseliger Eduard, verjagt aus England!
SIR JOHN.
Madame, was wartet Ihr und steht versonnen?
KÖNIGIN ISABELLA.
Mich schmerzt das Unglück meines Herrn. Doch ach!
die Sorge um mein Land trieb mich zum Krieg.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Madame tat es mit Sorg und Trauerklagen.
Euer König hat das Land und sich geschändet,
gutmachen müssen wirs, so gut es geht.
Bringt den Rebellen inzwischen auf den Block.
DER ÄLTERE SPENCER.
Rebell ist der, der gen den Fürsten ficht;
so fochten nicht, die Eduards Recht verfochten.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Schafft ihn hinaus, er faselt.
Gefolge mit dem älteren Spencer ab.
Rice ap Howell,
Ihr sollt der Königin gute Dienste tun,
da Ihr im Lande hier in Ansehen steht,
und folgen den rebellischen Flüchtlingen.
Madame, wir müssen derweil uns beraten,
wie schließlich Baldock, Spencer und Gelichter,
bis sie erledigt, zu verfolgen sind.
Alle ab.
In der Abtei von Neath. Es treten auf der Abt, Mönche und vermummt der König Eduard, der jüngere Spencer und Baldock.
ABT.
Mylord, habt keinen Zweifel, keine Angst:
wir wollen so sorgsam, so verschwiegen sein,
um Eurer Majestät Person zu sichern,
frei von Verdacht und Überfall
von denen, die die Majestät verfolgen,
Euch selbst und die Ihr zu Gefährten wähltet,
wie die Gefahr in diesen Stürmen fordert.
KÖNIG EDUARD.
Vater, dein Antlitz darf Verrat nicht bergen,
o wärest je ein König du gewesen;
dein Herz, durchbohrt vom Anblick meines Elends,
könnt Mitleid nur mit meinem Zustand fühlen.
Stattlich und stolz durch Reichtum und Gefolge,
Lebt ich bis jetzt in Pomp und voller Pracht.
Doch wo wär der, den Thron und Königswürde
im Leben nicht und Tod elend gemacht.
Komm, Spencer; Baldock, komm, setz dich zu mir,
erprobe nunmehr die Philosophie,
die du an Brüsten hochberühmter Schulen
von Aristoteles und Plato einsogst.
Dies Leben voll Beschaulichkeit ist Himmel;
könnt ich ein Leben so voll Ruhe führen!
Doch ach, wir sind verfolgt und ihr, Geliebte –
sie wollen euer Leben, meine Schande.
Ihr edelen Mönche: für Schätze, Gold und Lohn
verratet mich und mein Gefolge nicht.
EIN MÖNCH.
Ihr möget sicher sitzen, Euer Gnaden,
wenn niemand sonst um Euer Hiersein weiß.
DER JÜNGERE SPENCER.
Nicht einer! Dennoch war mir recht verdächtig
ein düsterer Kerl auf einer Wiese unten:
er sah mit langem Blick uns nach, Mylord,
und alle Welt ist, weiß ich, unter Waffen,
Waffen, die unserem Leben tödlich dräun.
BALDOCK.
Wir waren nach Irland eingeschifft, doch leider
von Widerwind und schlimmem Sturm gezwungen,
an Land zu gehn und hier in Furcht zu schweben
vor Mortimer und seinen Mitverschwornen.
KÖNIG EDUARD.
Mortimer, wer spricht von Mortimer!
Wer kränkt mich mit dem Namen Mortimer?
Ein Bluthund das! In deinen Schoß, mein Vater,
leg ich dies Haupt, mit Sorgen schwer beladen.
O möcht ich diese Augen nie mehr öffnen,
nie mehr erheben dieses müde Haupt,
nie mehr erheben dies mein sterbend Herz.
DER JÜNGERE SPENCER.
Blickt auf, Mylord! – Baldock, die Schläfrigkeit
besagt nichts Gutes; – da sind wir schon verraten!
Rice ap Howell, ein Schnitter und Leicester dringen mit Walliser Streitaxtträgern herein.
DER SCHNITTER.
Bei meinem Leben! Dies sind die Gesuchten!
RICE.
Genug, mein Bursch. Herr, bitte, macht es kurz,
ein höherer Wille läßt uns dieses tun.
LEICESTER für sich.
Der Königin Will, erregt von Mortimer!
Was setzte Mortimer bei ihr nicht durch!
Sieh, wie der dort sitzt, hoffend, ungesehen
entfliehn zu können mörderischen Händen.
Zu wahr ist es: »Wen der Morgen machtvoll sieht,
den sieht der Abend schon im Niedersturz.«
Doch Lester, laß dein Mitgefühl nicht wachsen.
Laut.
Spencer und Baldock – bei keinen anderen Namen –
nehm ich euch hier ob Hochverrates fest.
Pocht nicht auf Titel, sondern folgt in Haft.
Es ist im Namen Isabells, der Königin.
Was sinkt Ihr so zusammen, Herr?
KÖNIG EDUARD.
O Tag, du letzter meines Erdenglücks,
Schwerpunkt des Unglücks, o ihr meine Sterne,
was blickt so finster ihr auf einen König?
Komm, Lester, denn, im Namen Isabells
mein Leben mir, die Freunde mir zu nehmen.
Hier, Mann, reiß auf die atemfrohe Brust
und nimm mein Herz als Pfand für meine Freunde.
RICE.
Fort mit ihnen!
DER JÜNGERE SPENCER.
Du wirst wohl noch erlauben,
daß wir von seiner Gnaden Abschied nehmen.
DER ABT beiseite.
Mir bricht das Herz vor Mitleid, wenn ich sehe,
welch Worte und Gebot ein König duldet.
KÖNIG EDUARD.
Mein lieber Spencer, müssen so wir scheiden!
DER JÜNGERE SPENCER.
Wir müssen, Herr, so wills der Zorn des Himmels.
KÖNIG EDUARD.
So wills die Höll und Bosheit Mortimers.
Des Himmels Huld hat nichts hiermit zu tun.
BALDOCK.
Herr, nutzlos ist, zu klagen und zu toben.
Wir nehmen untertänigst unseren Abschied.
Gefallen ist unser Los, ich fürcht, auch deines.
KÖNIG EDUARD.
Im Himmel sehn wir uns, hier niemals wieder!
Und Lester, sag, was wird mit uns geschehn?
LEICESTER.
Nach Killingworth muß Eure Hoheit gehen.
KÖNIG EDUARD.
Muß! Es ist hart, wenn Könige gehen müssen.
LEICESTER.
Für Euer Gnaden ist die Sänfte da,
die auf Euch wartet, und der Tag wird alt.
RICE.
Viel lieber geht, als bleibt, bis daß es Nacht wird.
KÖNIG EDUARD.
Eine Sänfte hast du? Legt mich auf die Bahre
und bringt mich fort von hier zur Höllenpforte,
laßt Plutos Glocken meinen Tod ausläuten
und Furien ihn an Charons Strand beheulen;
denn Freunde hab ich außer diesen nicht,
die sterben müssen durch Tyrannenschwert.
RICE.
Mylord, geht nur, habt keine Sorg um diese,
wir sehn sie bald um ihre Köpfe kürzer.
KÖNIG EDUARD.
Gut, – was sein muß, muß sein. Scheiden heißts,
lieber Spencer, lieber Baldock, scheiden!
Fort, falsches Kleid, nicht falsch ist nur mein Leid.
Er reißt die Verkleidung ab.
Vater, lebt wohl. Lester, du wartest schon,
und ich muß gehn. Lebt, Freunde, wohl, und Leben!
Der König mit Leicester ab.
DER JÜNGERE SPENCER.
O! ist er fort? Der edle Eduard fort?
Von hier gegangen? Nie mehr uns zu sehen?
Brich, Himmel, ein! Sonne, laß deine Bahn!
Erde, zerschmilz! Fort ist mein Lehensherr,
fort ist er, fort! Ach! Niemals kommt er wieder!
BALDOCK.
Spencer, ich sehe unsere Seelen fliehn;
wir sind beraubt der Sonne unseres Lebens:
bereite dich für neues Leben, aufwärts
heb Augen, Händ und Herz zum Himmelsthron;
zahl der Natur mit frohem Angesicht Tribut.
Das ist der ganzen Weisheit letzter Schluß:
zu sterben, Lieber, darum leben wir,
zu sterben, leben all und steigen, um zu fallen.
RICE.