Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Findet der Leser nicht, daß diesem Lustspiel eine entschiedene Weltansicht zu Grunde liegt, so verdient es keinen Beifall. Im übrigen verspottet es sich selbst und werden daher die literarischen Angriffe von den beteiligten Personen leicht verziehen werden.

Es wird noch bemerkt, daß dieses Stück, ebenso wie die übrigen, schon im Jahre 1822 geschrieben war und auch in mehreren Gesellschaften vorgelesen wurde.

Vierte Szene

Inhaltsverzeichnis

Zimmer im Schlosse.

Liddy und der Baron treten ein.

BARON. Laß dich warnen, Mädchen! Ich traue dem Herrn von Wernthal nicht!

LIDDY. Er hat seine Fehler; daß er aber auch Männerwert besitzt, hat er neulich im Duelle mit dem Grafen von Naubeck dargetan.

BARON. Im Duelle? – Oho, gestern duellierten sich zwei junge Herren darum, weil der eine auf Ehre versicherte, schon mehrmals am Schandpfahle gestanden zu haben, und der andere es ihm nicht glauben wollte. – – Gute Nacht! Ich habe genug gesprochen!

Geht ab.

LIDDY. Wahrlich, die Warnungen des Onkels beginnen Wirkung auf mich zu äußern! Wernthal ist nicht der, für den ich ihn bei unsrer ersten Bekanntschaft hielt! – – Sonderbar, daß mir unwillkürlich ein gewisser Mollfels einfällt, – er hatte das häßlichste Gesicht, welches sich denken läßt, war aber der geistreichste und vortrefflichste Mann, den ich gekannt habe.

EIN BEDIENTE kommt. Ein Herr Mollfels wartet im Vorsaal.

LIDDY erstaunt. Wer? – Mollfels? – Wie sieht er aus?

DER BEDIENTE. Wir haben eben sieben alte Weiber aus dem Schloßteiche gezogen, welche beim Anblicke seines Gesichts vor Schrecken ins Wasser gesprungen waren.

LIDDY für sich. Kein Zweifel, er ist es! Laut. Führ ihn zu mir! Der Bediente ab. Es wird mir Mühe kosten, daß ich meine Verwunderung verberge.

MOLLFELS tritt herein. Ha, da erblicke ich sie wieder! Laut. Fräulein, ich komme aus Italien zurück und eile Sie zu begrüßen.

LIDDY. Willkommen in der Heimat, Herr Mollfels, willkommen! – Sind Ihre Erwartungen befriedigt worden? Wie fanden Sie Rom?

MOLLFELS. Graue Ruinen blicken aus grünen Gebüschen, laute Tritte tönen durch einsame Straßen, und wer auf den Trümmern des Kapitols, im Angesichte der ausgestorbenen Siebenhügelstadt die letzten Donner eines vorübergezogenen Gewitters am fernen Horizonte verhallen hört, fühlt sich freilich ganz anders ergriffen, als wenn er einen Kirchturm in Berlin zu seinem Standpunkt hätte.

LIDDY. Mich dünkt, in Rom müßte der Tod nicht sehr schmerzen.

MOLLFELS. Gewiß nicht! Dort schämt man sich ja beinahe, daß man lebt.

LIDDY. Haben Sie in Florenz meinen Bruder gesprochen?

MOLLFELS. Hier sind zwei Briefe von ihm und seiner Gemahlin.

LIDDY. O geschwind!

Sie bricht die Briefe auf.

MOLLFELS betrachtet sie während des Lesens. Welch reizendes Weib! Man hört die Musik ihrer Bewegungen! Wie zwei geistige Naphthafeuer glänzen die unauslöschlichen Flammen ihrer Augen, und wie ein See über seiner Quelle, wogt ihr Busen über ihrem Herzen! Selig der Erkorene, welcher an einer solchen Stätte sein ermüdetes Haupt ausruhen kann! Auf und ab gehend. Nein, ich will verdammt sein, wenn ich diesen Zustand länger ertrage! Ich muß erfahren, ob ich jemals hoffen darf oder ob ich mich an jenem Eichbaume aufhängen soll! Trotz meiner Häßlichkeit erkläre ich ihr jetzt meine Liebe, es mag biegen oder brechen! Er tritt vor Liddy hin. Fräulein, entsetzen Sie sich nicht über meinen Antrag, denn ich selber weiß recht gut, daß meine Taille die Pferde scheu zu machen pflegt, weil sie wie ein heruntergelassener Schlagbaum aussieht, – daß meine Stiefeln, ohngeachtet meine Waden darin stecken, so leer sind wie ein paar ausgehöhlte Bäume, – daß meine Ohren –

LIDDY. Um Gotteswillen, Herr Mollfels, fangen Sie an zu phantasieren?

MOLLFELS. Und meine Nase! Hohoho, meine Nase! Die Menschheit schaudert davor zusammen! Unförmlich wie ein Tigergekrös, rot wie ein Fuchs, platt wie eine Erzählung von der Karoline Pichler, und so kurz wie eine Sekunde!

LIDDY. Wie eine Sekunde! – Wie lang ist Ihr rechter Arm?

MOLLFELS. Ein Schaltjahr! Mitten im Gradestehen kann ich mit ihm meine Schuhe aufknöpfen! Wenn ich jedoch Gradestehn sage, so ist das natürlich nicht im Sinne eines preußischen Gardisten zu nehmen, sondern weit eher möchte es in die Gedanken und Träume eines Leipziger Stadtsoldaten hineinpassen! Der Henker weiß es, wo mein Rücken seine unendliche Bescheidenheit gelernt hat, er macht mich zu einem stereotypen Komplimente, zu einem unermüdlichen Betrachter meiner eignen Beine, welche sich wiederum vielleicht nicht übel mit zwei fettgewordenen türkischen Säbeln vergleichen ließen!

LIDDY. Bleiben Sie mir mit den fettgewordenen Säbeln aus dem Spiele, und erlösen Sie mich endlich aus meinem Starren und Staunen! Wozu soll Ihre begeisterte Selbstschilderung denn eigentlich führen?

MOLLFELS. Dazu, daß ich vor Sie hinstürze, daß ich Sie anbete, daß ich Sie liebe!

LIDDY. Nun, ich muß Ihnen einräumen, Sie verstehen Ihre Liebeserklärungen fein einzufädeln! Wenigstens schicken Sie Beschreibungen Ihrer Persönlichkeit voraus, nach denen ich eher vermutet hätte, daß Sie wegen Ihrer Beine unter die Bäcker gehen wollten, als daß Sie mir die Liebe erklären würden.

MOLLFELS. O zerreißen Sie mir nicht mit meinen Beinen das Herz! Kein Mensch kann diese beiden Pole des Abscheus, diese beiden Zerstörer der Freundschaft, diese beiden Universalmittel gegen die Liebe grimmiger hassen als ich! Wenn ich irgend einem edlen Manne, der in den Morast gefallen ist, das Leben gerettet habe, und ich drücke ihn nun zum ewigen Bunde unsrer Seelen an meine Brust, so gibt er mir eine Ohrfeige und läuft davon, wenn er von ohngefähr einen Blick auf meine Beine geworfen hat! Aber dennoch, Fräulein, zwingt mich die Macht der Leidenschaft Ihnen meinen Liebesschwur von neuem vorzustammeln! Es ist mit mir dahin gediehen, daß ich mich schäme Rindfleisch und Senf zu essen, weil es mir für einen Liebenden zu gemein scheint, – daß ich in meiner Ekstase ein abgeschmacktes Trauerspiel geschrieben habe, dessen Inhalt zu närrisch ist, als daß ich Ihnen denselben nicht sogleich mitteilen sollte. Statt des Schicksals lasse ich darin die Gottheit der Antifatalisten, die Langeweile herrschen. Diese wird bei Eröffnung der Szene von dem zagenden Volke mit Vorlesungen aus den dramatischen Werken von Eduard Gehe verehrt. Unvermutet schallt aus dem Tempel der Ausspruch, daß die Göttin den Untergang der erhabenen Prinzessin Salvavenia beschließe. Das Volk heult, die Glocken läuten, die Prinzessin jammert als ob sie dem Satan schon in den Krallen säße, und alles stürzt in wilder Verzweiflung von der Bühne. Hierauf tritt Ossian ein und ißt ein Butterbrot. Nachdem er damit fertig geworden, verändert sich die Szene in den Audienzsaal des kaiserlichen Palastes. Der Kaiser hat eine Napoleonsweste an und die Großen stehen in grauen Gamaschen, welche sie vor Betrübnis aufgeknöpft haben, um seine Majestät herum. In der einen Stubenecke liegen zwei Strümpfe, welche höchst erbittert auf einander sind und sich vergiften wollen; nebenbei hängt ein plüschenes Wams, welches im Konversationslexikon blättert und eine Tasse Tee trinkt. Doch mit mordbegierigen Gebärden schleicht schon ein rachsüchtiger, hypochondrischer Borstwisch –

LIDDY. Gerechter Himmel, halten Sie ein! Ich zittere für meinen Verstand!

MOLLFELS. Ich wollte Ihnen nur zeigen, zu welchen wahnsinnigen Kompositionen mich die Allgewalt der Liebe verleitet!

LIDDY. Ich hoffe, daß es mit Ihrer Liebe nicht so ernstlich gemeint ist, denn ich bin mit dem Herrn von Wernthal verlobt.

MOLLFELS. Ei, so mag mich die Erde einschlingen, ich bin ein unglücklicher Kerl! – Verlobt? – Wahrhaftig, mir rollen die Tränen! – Mit der Hand über seine Stirn fahrend. Wenn – wenn ich mich in diesem meinen Schmerze umbringe, so werde ich mich vermutlich erschießen, denn wenn ich mich ersäufte, so müßte ich fürchten, daß ich den Schnupfen bekäme, und mit dem Schnupfen vor Gottes Richterstuhl zu treten, wäre wegen des Niesens teils sehr störend und teils sehr unschicklich. Er geht ab.

LIDDY. Der Mann könnte einem Mädchen mehr gefallen, als wie er selber denkt.

Dritter Akt

Inhaltsverzeichnis

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene

Erste Szene

Inhaltsverzeichnis

Abend. Stube des Schulmeisters, von einer Lampe erhellt.

Der Schulmeister und der Schmied im Gespräch.

SCHMIED. Ja, Herr Schulmeister, er hatte einen Pferdefuß mitsamt einem Fersenbüschel!

SCHULMEISTER. Es ist der Teufel, Konrad, es ist der Teufel! Ihr könnts in jeder Naturgeschichte lesen, daß der Teufel einen Pferdefuß hat.

SCHMIED. Er rief mir auch nach, daß er der Satan wäre und drohte mir den Hals umzudrehen, wenn ich es ausplauderte.

SCHULMEISTER. Hoho, deshalb seid ohne Sorgen! Ich habe ganz andre Absichten mit ihm vor! – Was meint Ihr, wenn wir den Herrn Urian einfingen, ihn in einen Käfig sperrten, mit ihm auf Messen und Jahrmärkten herumzögen, ihn für eine Seejungfer, oder um den Anschlagszettel noch auffallender zu machen, für eine Seewitwe ausgäben, und uns den Titel zweier Professoren der Seejungferei beilegten?

SCHMIED. Wir würden steinreiche Leute!

SCHULMEISTER. Oder wir könnten ihn auch gleich als das, was er ist, als den Teufel dem Publico produzieren. Dann tränkten wir ihm das Tanzen ein, ließen ihn nach der Melodie »wie schön leucht’t uns der Morgenstern« am Stocke springen und steckten ihm alle Viertelstunde zur Verwunderung der Zuschauer wie einem abgerichteten Löwen den Kopf in den Hals.

SCHMIED. Das Kopfindenhalsstecken möchte ihm schwer beizubringen sein; er hat ein ziemlich kleines Maul.

SCHULMEISTER mit stolzen Schritten in der Stube auf und ab. Ihr mitleidswerter, ungläubiger Thomas! Ich brachte meinen Zöglingen schon weit schwierigere Sachen bei!

SCHMIED. Na, das habe ich an meinem Jürgen wenigstens noch nicht gemerkt!

SCHULMEISTER. Euer Jürgen! Der stupide Kartoffelbauch! Bei dem hätte sogar der weise Konfuzius, ohngeachtet er niemals Hopfen und Malz besaß, dennoch einige Fuder Hopfen und Malz verlieren müssen! – Im Vertrauen, woran hat Eure Frau gedacht, als sie mit dem Jungen schwanger war? Der Bengel trägt ‘ne Art Pferdekopf!

SCHMIED. Das tut der vermaledeite Hengst, welcher sich beim Beschlagen losriß und meiner Frau, die in der Stube stand und Essig auf den Salat goß, plötzlich durch das Fenster ins Gesicht kuckte!

GRETCHEN tritt ein. Guten Abend, Herr Schulmeister! Die Frau Gerichtshalterin hat mir befohlen, Sie einen unverschämten Ochsen zu nennen und Ihnen die Kodons wieder ins Gesicht zu schmeißen!

SCHULMEISTER indem er die Kodons aufhebt. Hm! hm! kann die Madam diese Dinger also nicht in der Haushaltung gebrauchen?

GRETCHEN. Ach, Herr Schulmeister, wie ist Er dumm! Daß solche Ware nicht für die Haushaltung gemacht ist, spürt jede Christenseele auf eine Meile Weges. Madam ist außer sich vor Zorn!

SCHULMEISTER. Hm! hm! hier sind aber nur sechzehn Stück und ich hatte der Madam doch zwanzig überschickt, – wo sind die vier andren hingekommen?

GRETCHEN. Ja, als Madam recht im ärgsten Schimpfen war, steckte sie die vier besten geschwind in ihren Strickbeutel.

SCHULMEISTER. Im ärgsten Schimpfen in den Strickbeutel? Ei ei, welche verzwickte Inkonsequenz!