Meiner Frau CHRISTINE HENRIETTE, geb. Engehausen

Ungedruckt gebliebene Vorrede zu den Nibelungen

Inhaltsverzeichnis

An die geneigten Leser

Der Zweck dieses Trauerspiels war, den dramatischen Schatz des Nibelungen-Liedes für die reale Bühne flüssig zu machen, nicht aber den poetisch-mythischen Gehalt des weit gesteckten altnordischen Sagen-Kreises, dem es selbst angehört, zu ergründen, oder gar, wie es schon zum voraus auf eine jugendliche, vor bald zwei Dezennien publizierte und überdies noch arg gemißdeutete Vorrede hin in einer Literatur-Geschichte prophezeit wurde, irgend ein modernes Lebens-Problem zu illustrieren. Die Grenze war leicht zu treffen und kaum zu verfehlen, denn der gewaltige Schöpfer unseres National-Epos, in der Conzeption Dramatiker vom Wirbel bis zum Zeh, hat sie selbst haarscharf gezogen und sich wohl gehütet, in die Nebel-Region hinüber zu schweifen, wo seine Gestalten in Allegorien umgeschlagen und Zaubermittel an die Stelle allgemein gültiger Motive getreten wären. Ihm mit schuldiger Ehrfurcht für seine Intentionen auf Schritt und Tritt zu folgen, soweit es die Verschiedenheit der epischen und dramatischen Form irgend gestattete, schien dem Verfasser Pflicht und Ruhm zugleich, und nur bei den klaffenden Verzahnungen, auf die der Geschichtschreiber unserer National-Literatur bereits mit feinem Sinn und scharfer Betonung hinwies, ist er notgedrungen auf die älteren Quellen und die historischen Ergänzungen zurückgegangen.

Es ist nämlich gar nicht genug zu bewundern, mit welcher künstlerischen Weisheit der große Dichter den mystischen Hintergrund seines Gedichts von der Menschen-Welt, die doch bei oberflächlicher Betrachtung ganz darin verstrickt scheint, abzuschneiden gewußt, und wie er dem menschlichen Handeln trotz des bunten Gewimmels von verlockenden Riesen und Zwergen, Nornen und Valkyrien seine volle Freiheit zu wahren verstanden hat. Er bedarf, um nur die beiden Hauptpunkte hervorzuheben, auf der einen Seite zur Schürzung des Knotens keiner doppelten Vermählung seines Helden und keines geheimnisvollen Trunks, durch den sie herbeigeführt wird; ihm genügt als Spiral-Feder Brunhilds unerwiderte Liebe, die ebenso rasch unterdrückt, als entbrannt, und nur dem tiefsten Herzenskenner durch den voreiligen Gruß verraten, erst der glücklichen Nebenbuhlerin gegenüber wieder als Neid in schwarzen Flammen auflodert und ihren Gegenstand auf alle Gefahr hin nun lieber dem Tode weiht, als ihn dieser überläßt. Er überschreitet aber auch, obgleich ihm dies oft und nicht ohne anscheinenden Grund vorgeworfen wurde, auf der andern Seite bei der Lösung des Knotens ebenso wenig die Linie, wo das Menschliche aufhört, und das tragische Interesse erlischt, ja er wagt sich noch lange nicht so weit, wie Aeschylos in seiner Klytämnestra, die, von neuen Begierden aufgeregt, weit mehr oder doch wenigstens ebenso sehr durch ihren heimtückischen Mord den Besitz des errungenen zweiten Gatten verteidigt, als die Manen der hingeschlachteten Tochter sühnt. Denn, wie Kriemhilds Tat uns auch anschauen mag: er führt sie langsam, Stufe nach Stufe, empor, keine einzige überspringend und auf einer jeden ihr Herz mit dem unendlichen, immer steigenden Jammer entblößend, bis sie auf dem schwindligen Gipfel anlangt, wo sie so vielen mit bittrem Schmerz gebrachten und nicht mehr zurückzunehmenden Opfern das letzte, ungeheuerste noch hinzufügen oder zum Hohn ihrer dämonischen Feinde auf den ganzen Preis ihres Lebens Verzicht leisten muß, und er söhnt uns dadurch vollkommen mit ihr aus, daß ihr eigenes inneres Leid selbst während des entsetzlichen Rache-Akts noch viel größer ist, als das äußere, was sie den anderen zufügt.

Alle Momente des Trauerspiels sind also durch das Epos selbst gegeben, wenn auch oft, wie das bei der wechselvollen Geschichte des alten Gedichts nicht anders sein konnte, in verworrener und zerstreuter Gestalt oder in sprödester Kürze. Die Aufgabe bestand nun darin, sie zur dramatischen Kette zu gliedern und poetisch zu beleben, wo es nötig war. Auf diese hat der Verfasser volle sieben Jahre Arbeit verwandt, und die in Weimar statt gefundene Darstellung bewies, daß er seinen Zweck nicht verfehlt hat, dem Franz Dingelstedts geniale Leitung erreichte mit Kräften, die zum größeren Teil doch nur für bescheidene gelten können, einen Erfolg, der das Schicksal des Stücks auf allen Bühnen sicher stellt, wo man ihm mit gutem Willen entgegen kommt, da das moderne Virtuosentum mit seinen verblüffenden Taschenspielereien nicht den geringsten Anteil daran hatte. Weitere Aufführungen in Berlin und Schwerin stehen bevor. Der geneigte Leser aber wird gebeten, auch in dem Trauerspiel hinter der »Nibelungen Not« nichts zu suchen, als eben »der Nibelungen Not« selbst, und diese Bitte freundlichst mit den Umständen zu entschuldigen.

Ich war an einem schönen Maientag,

Ein halber Knabe noch, in einem Garten

Und fand auf einem Tisch ein altes Buch.

Ich schlug es auf, und wie der Höllenzwang, Der, einmal angefangen, wär es auch

Von einem Kindermund, nach Teufelsrecht, Trotz Furcht und Graun, geendigt werden muß, So hielt dies Buch mich fest. Ich nahm es weg Und schlich mich in die heimlichste der Lauben Und las das Lied von Siegfried und Kriemhild.

Mir war, als säß ich selbst am Zauberborn, Von dem es spricht: die grauen Nixen gossen Mir alle irdschen Schauer durch das Herz, Indes die jungen Vögel über mir

Sich lebenstrunken in den Zweigen wiegten Und sangen von der Herrlichkeit der Welt.

Erst spät am Abend trug ich starr und stumm Das Buch zurück, und viele Jahre flohn

An mir vorüber, eh ichs wieder sah.

Doch unvergeßlich blieben die Gestalten Mir eingeprägt, und unauslöschlich war

Der stille Wunsch, sie einmal nachzubilden, Und wärs auch nur in Wasser oder Sand.

Auch griff ich oft mit halb beherztem Finger, Wenn etwas andres mir gelungen schien,

Nach meinem Stift, doch nimmer fing ich an.

Da trat ich einmal in den Musentempel,

Wo sich die bleichen Dichter-Schatten röten, Wie des Odysseus Schar, von fremdem Blut.

Ein Flüstern ging durchs Haus, und ein heiliges Schweigen Entstand sogleich, wie sich der Vorhang hob, Denn du erschienst als Rächerin Kriemhild.

Es war kein Sohn Apolls, der dir die Worte Geliehen hatte, dennoch trafen sie,

Als wärens Pfeile aus dem goldnen Köcher,

Der hell erklang, als Typhon blutend fiel.

Ein lauter Jubel scholl durch alle Räume, Wie du, die fürchterlichste Qual im Herzen, Und grause Schwüre auf den blassen Lippen, Dich schmücktest für die zweite Hochzeits-Nacht; Das letzte Eis zerschmolz in jeder Seele Und schoß als glühnde Träne durch die Augen, Ich aber schwieg und danke dir erst heut.

Denn diesen Abend ward mein Jugendtraum Lebendig, alle Nibelungen traten

An mich heran, als wär ihr Grab gesprengt, Und Hagen Tronje sprach das erste Wort.

Drum nimm es hin, das Bild, das du beseelt, Denn dir gehörts, und wenn es dauern kann, So seis allein zu deinem Ruhm und lege

Ein Zeugnis ab von dir und deiner Kunst!

Erste Abteilung

Der gehörnte Siegfried

Vorspiel in einem Akt

Personen.


Inhaltsverzeichnis


Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene


König Gunther.

Hagen Tronje.

Dankwart, dessen Bruder.

Volker, der Spielmann.

Giselher,

Gerenot, Brüder des Königs.

Rumolt, der Küchenmeister.

Siegfried.

Ute, die Witwe König Dankwarts.

Kriemhild, ihre Tochter.

Recken, Volk.

Burgund, Worms am Rhein. König Gunthers Burg. Große Halle. Früher Morgen. Gunther, Giselher, Gerenot, Dankwart, der Spielmann Volker und andere Recken sind versammelt.

Erste Szene

Inhaltsverzeichnis

Hagen von Tronje tritt ein.

HAGEN.

Nun, keine Jagd?

GUNTHER.

Es ist ja heilger Tag!

HAGEN.

Daß den Kaplan der Satan selber hole, Von dem er schwatzt!

GUNTHER.

Ei, Hagen, mäßge dich.

HAGEN.

Was gibts denn heut? Geboren ist er längst!

Das war – laßt sehn! – Ja, ja, zur Zeit der Flocken!

Sein Fest verdarb uns eine Bärenhatz.

GISELHER.

Wen meint der Ohm?

HAGEN.

Gekreuzigt ist er auch, Gestorben und begraben. – Oder nicht?

GERENOT.

Er spricht vom Heiland.

HAGEN.

Ists denn noch nicht aus? – Wer hält mit mir? Ich eß kein Fleisch zur Nacht, Das nicht bis Mittag in der Haut noch steckt, Auch trink ich keinen Wein, als aus dem Horn, Das ich dem Auerstier erst nehmen muß!

GUNTHER.

So wirst du Fische kauen müssen, Freund, Am Ostermorgen gehn wir nicht zur Jagd.

HAGEN.

Was tun wir denn? Wo ist der heilge Mann?

Was ist erlaubt? Ich hör die Vögel pfeifen, Da darf der Mensch sich doch wohl fiedeln lassen?

Zu Volker.

So fiedle, bis die letzte Saite reißt!

VOLKER.

Ich fiedle nicht, solang die Sonne scheint, Die lustge Arbeit spar ich für die Nacht.

HAGEN.

Ja, du bezögst auch dann noch dir die Geige Gern mit des Feindes Darm und strichest sie Mit einem seiner Knochen.

VOLKER.

Würdest du

Vielleicht auf die Bedingung Musikant?

HAGEN.

Ich kenne dich, mein Volker. Ists nicht so?

Du redest nur, wenn du nicht fiedeln darfst, Und fiedelst nur, wenn du nicht schlagen kannst.

VOLKER.

Mag sein, Kumpan.

GUNTHER.

Erzähl uns was, der Tag Wird sonst zu lang. Du weißt so mancherlei Von starken Recken und von stolzen Fraun.

HAGEN.

Nur von Lebendgen, wenn es dir beliebt, Daß man sich sagen darf: die krieg ich noch, Den vor mein Schwert und die in meinen Arm!

VOLKER.

Ich will dir von Lebendigen erzählen, Und der Gedanke soll dir doch vergehn.

Ich kenn den Recken, den du nimmer forderst, Und auch das Weib, um das du nimmer wirbst.

HAGEN.

Wie! Auch das Weib? Den Recken laß ich gelten, Doch auch das Weib? Du meinst den Schlangentöter, Den Balmungschwinger, den gehörnten Siegfried, Der, als er einmal Schweiß vergossen hatte, Durchs Bad sich deckte vor dem zweiten Mal – Allein das Weib?

VOLKER.

Ich sag dir nichts von ihr!

Du könntest ausziehn, um sie heim zu führen, Und kämst gewiß nicht mit der Braut nach Haus.

Der Schlangentöter selbst wird sich besinnen, Ob er als Freier bei Brunhilden klopft.

HAGEN.

Nun, was Herr Siegfried wagt, das wag ich auch.

Nur gegen ihn erheb ich nicht die Klinge: Das wär ja auch, wie gegen Erz und Stein.

Glaubts oder zweifelt, wie es Euch gefällt: Ich hätt mich nicht im Schlangenblut gebadet, Darf denn noch fechten, wer nicht fallen kann?

GISELHER zu Volker.

Schon hört ich tausend Zungen von ihm plappern, Doch, wie die Vögel durcheinander zwitschern, Es gab kein Lied. Sprich du einmal von ihm!

GUNTHER.

Vom Weibe erst. Was ist das für ein Weib?

VOLKER.

Im tiefen Norden, wo die Nacht nicht endet, Und wo das Licht, bei dem man Bernstein fischt

Und Robben schlägt, nicht von der Sonne kommt, Nein, von der Feuerkugel aus dem Sumpf – Man hört in der Ferne blasen.

HAGEN.

Trompeten!

GUNTHER.

Nun?

VOLKER.

Dort wuchs ein Fürstenkind Von wunderbarer Schönheit auf, so einzig, Als hätte die Natur von Anbeginn Haushälterisch auf sie gespart und jeder Den höchsten Reiz des Weibes vorenthalten, Um ihr den vollen Zauber zu verleihn.

Du weißt von Runen, die geheimnisvoll Bei dunkler Nacht von unbekannten Händen In manche Bäume eingegraben sind: Wer sie erblickt, der kann nicht wieder fort, Er sinnt und sinnt, was sie bedeuten sollen, Und sinnts nicht aus, das Schwert entgleitet ihm, Sein Haar wird grau, er stirbt und sinnt noch immer: Solch eine Rune steht ihr im Gesicht!

GUNTHER.

Wie, Volker? Dieses Weib ist auf der Welt, Und ich vernehms erst jetzt?

VOLKER.

Vernimm noch mehr!

So ists. Bei Eis und Schnee, zur Augenweide Von Hai und Walfisch, unter einem Himmel, Der sie nicht einmal recht beleuchten kann, Wenn nicht ein Berg aus unterirdschen Schlünden Zuweilen seine roten Blitze schickt, Ist aller Jungfraun herrlichste erblüht.

Doch ist das öde Land, das sie gebar, Auf seinen einzgen Schatz auch eifersüchtig Und hütet sie mit solcher neidschen Angst, Als würd es in demselben Augenblick Vom Meere, das es rings umbraust, verschlungen, Wo sie dem Mann ins Brautbett folgt. Sie wohnt In einer Flammenburg, den Weg zu ihr Bewacht das tückische Geschlecht der Zwerge, Der rasch umklammernd quetschend Würgenden, Die hören auf den wilden Alberich,

Und überdies ist sie begabt mit Kräften, Vor denen selbst ein Held zu Schanden wird.

GUNTHER.

Wie das?

VOLKER.

Wer um sie wirbt, der wirbt zugleich Um seinen Tod, denn führt er sie nicht heim, So kehrt er gar nicht wieder heim, und ist Es schon so schwer, nur zu ihr zu gelangen, So ist es noch viel schwerer, ihr zu stehn.

Bald kommt auf jedes Glied an ihrem Leibe Ein Freier, den die kalte Erde deckt, Denn mancher schon zog kühn zu ihr hinab, Doch nicht ein einziger kam noch zurück!

GUNTHER.

Nun, das beweist, sie ist für mich bestimmt!

Hei! Meine lange Brautwahl hat ein Ende, Brunhilde wird die Königin Burgunds!

Man hört die Trompeten ganz nahe.

Was gibts?

HAGEN tritt ans Fenster.

Das ist der Held aus Niederland.

GUNTHER.

Du kennst ihn?

HAGEN.

Schau nur hin! Wer zöge wohl So trotzig bei uns ein, wenn ers nicht wäre, Und hätte doch nur zwölfe im Gefolg!

GUNTHER tritt gleichfalls ans Fenster.

Ich glaub es selbst! Doch sprich, was führt ihn her?

HAGEN.

Ich weiß nicht, was ihn reizt! Er kommt wohl nicht, Um sich vor dir zu bücken, und er hat Zu Haus doch alles, was man wünschen kann.

GISELHER.

Ein edler Degen!

GUNTHER.

Wie empfängt man ihn?

HAGEN.

Du dankst ihm, rat ich, wie er dich begrüßt.

GISELHER.

Ich gehe ihm entgegen!

GERENOT.

So auch ich!

HAGEN.

Wers tut, der wird sich nicht erniedrigen!

Denn, daß ers euch nicht selbst zu melden braucht: Er steckt nicht bloß in seiner Haut von Horn Und hat die Balmung-Klinge an der Seite, Er ist auch Herr des Nibelungenhorts

Und trägt die Nebelkappe Alberichs, Und alles das, ich muß es redlich sagen, Durch seine Kraft und nichts durch Hinterlist, Drum geh ich mit.

GUNTHER.

Wir kommen schon zu spät.

Zweite Szene

Inhaltsverzeichnis

SIEGFRIED tritt mit seinen zwölf Recken ein.

Ich grüß dich, König Gunther von Burgund! – Du staunst, daß du den Siegfried bei dir siehst?

Er kommt, mit dir zu kämpfen um dein Reich!

GUNTHER.

Hier kämpft man nicht um das, was man schon hat!

SIEGFRIED.

Um das denn, was dran fehlt! Ich hab ein Reich, So groß wie deins, und wenn du mich besiegst, So bist du Herr darin. Was willst du mehr?

Du greifst noch nicht zu deinem Schwert? Ich hörte Ja doch, daß hier die Tapfersten der Recken Versammelt seien, kühn genug, mit Thor Zu kämpfen um den Donner, wenn sie ihn In irgend einem Eichenhaine träfen, Und stolz genug, die Beute zu verschmähn.

Ist das nicht wahr? Wie? Oder zweifelst du An meinem Pfande, glaubst du, daß ichs dir Nicht geben kann, weil noch mein Vater lebt?

Herr Sigmund steigt von seinem Thron herunter, Sobald ich wiederkehre, und er wünscht Sich sehnlich diesen Augenblick herbei, Denn selbst der Szepter wird dem Greis zu schwer.

Und jeden Helden, der dir dienen mag, Wäg ich dir auf mit dreien, jedes Dorf Mit einer Stadt, und für ein Stück vom Rhein Biet ich den ganzen dir! So komm und zieh!

DANKWART.

Wer spricht mit einem König so?

SIEGFRIED.

Ein König!

Spricht doch ein Degen so mit einem Degen!

Wer kann und mag besitzen, wenn er nicht

Bewiesen hat, daß er mit Recht besitzt?

Und wer erstickt das Murren um sich her, Bevor er den Gewaltigsten, der lebt, Zu Boden warf, und ihn mit Füßen trat?

Bist du das nicht? So sag mir, wen du fürchtest, Und gleich zur Stunde zieh ich wieder ab Und fordre den, statt deiner, vor mein Schwert!

Du nennst ihn nicht und greifst auch nicht zur Wehr?

Ich brenne, mich zu messen mit dem Recken, Der mir mein Gut verdoppelt oder nimmt: Wär dies Gefühl dir fremd? Das glaub ich nicht, Wenn ich auch nur auf deine Diener blicke: So stolze Männer würden dir nicht folgen, Empfändest du nicht ganz so, wie ich selbst.

DANKWART.

Du bist gewiß aufs Kämpfen so versessen, Seit du des Lindwurms Schuppen-Panzer trägst?

Nicht jedermann betrog den Tod, wie du, Er findet eine offne Tür bei uns.

SIEGFRIED.

Wohl auch bei mir! Hab Dank, du alte Linde, Daß du ein Blatt auf mich herunterwarfst, Als ich mich badete im Blut des Drachen, Hab Dank, o Wind, daß du sie schütteltest!

Nun hab ich doch die Antwort für den Spötter, Der seine Feigheit hinter Hohn versteckt.

HAGEN.

Herr Siegfried, Hagen Tronje nennt man mich, Und dieser ist mein Bruder!

VOLKER macht einen Geigenstrich.

SIEGFRIED.

Hagen Tronje,

Ich grüße dich! Doch wenn dich das verdreußt, Was ich hier sprach, so brauchst dus nur zu sagen, Ich setze gern den Königssohn beiseite Und stehe dir, als wärst du Gunther selbst.

GUNTHER.

Kein Wort mehr, Hagen, eh dein König sprach.

SIEGFRIED.

Und wenn du fürchtest, daß dein gutes Schwert An meiner harten Haut zerspringen könnte, So biete ichs dir anders, komm herab Mit in den Hof, dort liegt ein Felsenblock, Der ganz so schwer für mich ist, wie für dich:

Wir werfen und erproben so die Kraft.

GUNTHER.

Du bist willkommen, Held aus Niederland, Und was dir hier gefällt, du magst dirs nehmen, Nur trink mit uns, eh dus von dannen trägst.

SIEGFRIED.

Sprichst du so mild mit mir? Da könnt ich bitten: Schick mich sogleich zurück zu meinem Vater, Er ist der einzge, der mich züchtgen darf.

Doch, laß michs, wie die kleinen Kinder machen, Die auch nicht gleich von ihrer Unart lassen: Kommt, werft mit mir, so trinke ich mit Euch!

GUNTHER.

So seis, Herr Siegfried.

SIEGFRIED zu Dankwart.

Und was Euch betrifft,

Nicht wahr, ich kniff Euch in den dritten Arm, Es tat nicht weh, ich weiß, Ihr habt ihn nicht!

Zu allen.

Als ich hier einritt, packte mich ein Grauen, Wie ichs noch nicht empfand, solang ich lebe, Mich fröstelte, als würds auf einmal Winter, Und meine Mutter kam mir in den Sinn, Die nie zu weinen pflegte, wenn ich zog, Und dies Mal weinte, als ob alles Wasser Der Welt den Weg durch ihre Augen nahm.

Das machte mir den Kopf so wirr und kraus, Ich wollte gar vom Pferde nicht herunter – Jetzt bringt Ihr mich so bald nicht mehr hinauf.

Alle ab.

Dritte Szene

Inhaltsverzeichnis

Ute und Kriemhild treten auf.

UTE.

Der Falk ist dein Gemahl!

KRIEMHILD.

Nicht weiter, Mutter,

Wenn du den Traum nicht anders deuten kannst.

Ich hörte stets, daß Liebe kurze Lust Und langes Leid zu bringen pflegt, ich sehs Ja auch an dir und werde nimmer lieben, O nimmer, nimmer!

UTE.

Kind, was sagst du da?

Wohl bringt die Liebe uns zuletzt auch Leid, Denn eines muß ja vor dem andern sterben, Und wie das schmerzt, das magst du sehn an mir.

Doch all die bittren Tränen, die ich weine, Sind durch den ersten Kuß voraus bezahlt, Den ich von deinem Vater einst empfing.

Auch hat er, eh er schied, für Trost gesorgt, Denn wenn ich stolz auf tapfre Söhne bin, Und wenn ich dich jetzt an den Busen drücke, So kanns doch nur geschehn, weil ich geliebt.

Drum laß dich nicht durch einen Reim erschrecken: Ich hatte lange Lust und kurzes Leid.

KRIEMHILD.

Viel besser, nie besitzen, als verlieren!

UTE.

Und was verlierst du nicht auf dieser Welt!

Sogar dich selbst. Bleibst du denn, was du bist?

Schau mich nur an! So sehr du lächeln magst: Ich war vordem, wie du, und glaube mir, Du wirst dereinst, wie ich. Was willst du halten, Wenn du dich selbst nicht einmal halten kannst?

Drum nimms, wie’s kommt, und greife, wie wir alle, Nach dem, was dir gefällt, obgleich der Tod Es dir zu Staub zerbläst, sobald er will: Die Hand, mit der dus packst, zerstäubt ja auch.

KRIEMHILD tritt zum Fenster.

Wie mirs ums Herz ist, Mutter, könnt ich schwören – Sie schaut hinaus und bricht ab.

UTE.

Was brichst du ab? Du wirst ja feuerrot?

Was hat dich so verwirrt?

KRIEMHILD tritt zurück.

Seit wann ists Brauch

An unserm Hof, daß wirs nicht mehr erfahren, Wenn fremde Gäste eingezogen sind?

Wird diese stolze Burg zu Worms am Rhein Der Schäferhütte gleich, in der sich jeder Bei Nacht und Tag verkriechen kann, der will?

UTE.

Warum so hitzig?

KRIEMHILD.

Ei, ich wollte eben

Im Hofe nach den jungen Bären schaun,

Die so possierlich durcheinander kugeln, Und wie ich ohne Arg den Laden öffne, Da stiert mir plump ein Recke ins Gesicht.

UTE.

Und dieser Recke machte dirs unmöglich, Den Schwur zu endigen, den du begannst?

Sie tritt gleichfalls zum Fenster.

Ei freilich, wer ihn sieht, wie er da steht, Der überlegt sichs, ob er weiter schwört.

KRIEMHILD.

Was kümmern mich die Gäste meines Bruders, Wenn ich nur weiß, wie ich sie meiden kann.

UTE.

Nun, dies Mal freuts mich, daß dir bloß der Zorn Die Wangen färbt, denn dieser junge Held, Der zwischen dich und deine Bären trat, Ist längst vermählt und hat schon einen Sohn.

KRIEMHILD.

Du kennst ihn?

UTE.

Ganz gewiß!

KRIEMHILD.

Wie heißt er denn?

UTE.

Ich weiß es nicht! Jetzt aber kenn ich dich, Du bist ja bleich geworden, wie der Tod! – Und wahrlich, wenn du diesen Falken fängst, So hast du nichts vom Adler zu besorgen, Er nimmts mit jedem auf, ich bürge dir!

KRIEMHILD.

Dir hab ich meinen letzten Traum erzählt!

UTE.

Nicht so, Kriemhild! Ich spotte deiner nicht.

Wir sehen oft im Traum den Finger Gottes, Und wenn wir noch im Wachen ängstlich zittern, Wie du es tust, so sahn wir ihn gewiß.

Nur sollen wir den Wink auch recht verstehn, Den er uns gibt, und nicht in unsrer Furcht Unmögliches geloben. Hüte du Den Falken, der dir zugeflogen kommt, Damit kein tückscher Adler ihn zerreißt, Doch denke nicht daran, ihn zu verscheuchen, Du scheuchst mit ihm die Lust des Lebens fort.

Denn über eines edlen Recken Liebe Geht nichts auf dieser Welt, wenn du es gleich Noch unter deinem Mädchenkranz nicht fühlst, Und wär dir auch kein Besserer beschert,

Als dieser da, ich wies ihn nicht zurück.

Sie schaut aus dem Fenster.

KRIEMHILD.

Er wirbt wohl nicht, so brauch ichs nicht zu tun.

UTE lacht.

Ei, so weit spring ich noch, so alt ich bin.

KRIEMHILD.

Was gibts da drunten, Mutter, daß du lachst?

UTE.

Sie werfen in die Wette, wie es scheint, Und Giselher, dein Bruder, warf zuerst.

Nun, nun, er ist der Jüngste. Aber schau; Jetzt kommt der fremde Recke. Ach, mein Sohn, Wo wirst du bleiben? Sieh, nun tritt er an, Nun holt er aus, nun – Ha, der Stein wird fliegen, Als würde er zum Vogel – Komm doch her Und stell dich hinter mich, du siehst es nicht Zum zweiten Mal, es gilt das Äußerste, Er wills mit einem Wurf zu Ende bringen!

Jetzt – Hab ich Augen oder hab ich keine?

Nicht weiter?

KRIEMHILD nähert sich.

Hast du ihn zu früh gelobt?

UTE.

Das ist ja nur ein Schuh!

KRIEMHILD tritt hinter Ute.

Noch immer mehr,

Als wär es nur ein Zoll.

UTE.

Um einen Schuh

Dies Kind zu überwerfen – KRIEMHILD.

Ist nicht viel!

Besonders, wenn man sich dabei noch spreizt.

UTE.

Und wie er keucht!

KRIEMHILD.

Für einen solchen Riesen Possierlich gnug! Wär ichs, verdient ich Mitleid, Denn für ein Mädchen wär es schon ein Stück.

UTE.

Nun macht sich unser Gerenot ans Werk.

Es steht ihm gut, nicht wahr? Er hat von allen Die meiste Ähnlichkeit mit seinem Vater, Nur mutig zu, mein Sohn! – Das ist ein Wurf!

KRIEMHILD.

Der Bär sogar ist überrascht, er hat Sichs nicht erwartet und wird plötzlich flink.

UTE.

Zieh du auf Abenteuer, wann du willst! – Doch Giselher bleibt hier.

KRIEMHILD.

Wie gehts denn fort? –

Nein, mache mir nicht Platz, ich sehs schon so.

UTE.

Jetzt kommt der Recke wieder! Doch er strengt Sich nicht mehr an, er scheint sich im voraus Des Sieges zu begeben. Wie man sich Doch irren kann! – Was tut er aber da?

Er dreht sich um – er kehrt dem Ziel den Rücken, Anstatt der Augen zu – er wirft den Stein Hoch über Kopf und Achsel weg – Ja wohl, Man kann sich irren! Gerenot ist auch Besiegt, wie Giselher.

KRIEMHILD.

Es macht zwar wieder

Nur einen Schuh! Doch dies Mal keucht er nicht.

UTE.

Es sind doch gute Kinder, die ich habe.

Treuherzig reicht ihm Gerenot die Hand, Ein andrer würde nach der Klinge greifen, Denn solch ein Übermut ist gar nicht fein.

KRIEMHILD.

Man siehts ja wohl, daß ers nicht übel meint.

UTE.

Herr Volker legt die Geige still bei Seite, Die er so höhnisch strich!

KRIEMHILD.

Der eine Schuh

Stört ihn in seiner Lust. Die Reihe wäre Am Marschall jetzt, wenns langsam, wie bei Treppen, Hinauf gehn soll, doch König Gunther drängt Herrn Dankwart ungestüm zurück, er will sich selbst versuchen.

UTE.

Und er tuts mit Glück.

Zweimal so weit, als Gerenot.

KRIEMHILD.

Und dennoch

Nicht weit genug. Du siehst, der Recke folgte Sogleich, und wieder fehlt der eine Schuh.

UTE.

Der König lacht. Ei nun, so lach ich auch! – Ich sahs ja längst, daß dies der Falke ist, An dem dein Traum sich nicht erfüllen kann; Doch hat er jetzt die volle Kraft gebraucht.

KRIEMHILD.

Nun tritt der Tronjer an.

UTE.

Dem schwärts im Herzen, So fröhlich er auch tut! – Er packt den Stein, Als wollt er ihn zermalmen. Wie der fliegt!

Bis an die Wand! Nun, weiter kann er nicht.

Das ist ein Wurf, den keiner übertrifft, Selbst für den einen Schuh ist nicht mehr Platz.

KRIEMHILD.

Der Recke holt sich doch den Stein noch wieder.

UTE.

Wozu nur? – Großer Gott, was gibt es jetzt?

Bricht über unserm Haupt die Burg zusammen?

Das dröhnt!

KRIEMHILD.

Bis in den Turm hinauf. Die Dohlen Und Fledermäuse fahren aus den Nestern – UTE.

Sie fliegen blind ins Licht hinein!

KRIEMHILD.

Die Wand

Hat einen Riß.

UTE.

Unmöglich.

KRIEMHILD.

Warte nur,

Bis sich der Staub verzieht. Groß, wie ein Fenster!

Da ging der Wurf hindurch.

UTE.

Jetzt seh ichs auch.

KRIEMHILD.

Der Stein flog in den Rhein.

UTE.

Wer sollt es glauben!

Und doch ists wahr, das Wasser selbst bezeugts, Es spritzt ja himmelhoch empor.

KRIEMHILD.

Das ist

Noch etwas über einen Schuh.

UTE.

Dafür

Wischt er sich endlich auch einmal die Stirn.

Gott Lob! Sonst käm der Tronjer um vor Wut.

KRIEMHILD.

Nun ist es aus. Sie schütteln sich die Hände; Dankwart und Volker kamen um ihr Recht.

UTE.

Komm, wir vergessen, es ist Messezeit.

Beide ab.

Vierte Szene

Inhaltsverzeichnis

Die Recken treten wieder ein.

GUNTHER.

Ihr seid ein Schalk, Herr Siegfried.

SIEGFRIED.

Nehmt Ihrs krumm?

GISELHER.

Vergebt mir nur, daß ichs sogar gewagt,

Mich Euch zu stellen. Doch ich will zur Strafe Mit meiner alten Mutter Ute ringen, Und wenn ich sie besiege, sollt Ihr mich Vor allem Volk bei schallenden Trompeten Mit Eichenlaub bekränzen, wenn Ihr wollt!

SIEGFRIED.

Nichts mehr davon! Der Wurf war nicht so schlecht, Euch fehlen nur zehn Jahre.

HAGEN.

War das Letzte

Denn endlich Euer Bestes?

SIEGFRIED.

Kann man das

Im Spiele zeigen?

GUNTHER.

Noch einmal willkommen!

Und glücklich pries ich mich, wenns mir gelänge, Dich anders, als für flüchtigen Besuch An mich zu fesseln. Doch, was hätte ich, Das ich dir bieten könnte. Wär es auch Mein rechter Arm – mit dem ich mir den Dienst Von deinem linken gern erkaufen mögte – Du sagtest nein und kämst wohl auch zu kurz!

SIEGFRIED.

Nimm dich in acht, ich bettle, eh dus denkst!

GUNTHER.

Was es auch sei, es ist voraus gewährt.

SIEGFRIED.

Hab Dank für dieses Wort! Ich werde dir Es nie vergessen, doch ich gebe dirs Sogleich zurück, denn meine Wünsche sind Vermeßner, als du ahnst. Ich war bescheiden, Als ich dein Reich bloß forderte.

GUNTHER.

Du wirst

Mich nicht erschrecken.

SIEGFRIED.

Hörtest du vielleicht

Von meinen Schätzen? Nun, das ist gewiß, Für Gold und Silber brauchst du nicht zu zittern, Ich hab so viel davon, daß ich es lieber Verschenkte, als zu Hause schleppte, doch Was hilfts mir? Was ich dafür kaufen mögte, Ist nimmer feil!

GUNTHER.

Das ist?

SIEGFRIED.

Du rätst es nicht? –

Ein anderes Gesicht, als dieses hier!

GUNTHER.

Hast du die Kraft des alten schon erprobt?

SIEGFRIED.

An meiner Mutter, ja! Und da mit Glück, Denn ihr gefällts!

GUNTHER.

Nicht sonst noch?

SIEGFRIED.

Allerdings!

Hast dus denn nicht bemerkt? Ein Mägdlein sah Vorhin auf uns herunter in den Hof, Und als sie, ihre goldnen Locken schüttelnd, Die, wie ein Vorhang, ihr die Augen deckten, Mich unter euch erblickte, fuhr sie rascher Zurück, wie ich, als sich im Reich der Zwerge Die Erde, die mein Fuß betrat, auf einmal Zu einem Angesicht zusammenzog, Das mir die Zähne zeigte!

GUNTHER.

Bloße Scheu!

Versuchs nur immer weiter. Wenns dir aber Am Werber fehlt: ich leiste dir den Dienst, Nur mußt du mir den gleichen auch erweisen, Denn Kriemhild, meine Schwester, darf nicht ziehn, Bevor hier Brunhild ihren Einzug hielt.

SIEGFRIED.

Welch einen Namen nennst du da, o König?

Die nordsche Jungfrau denkst du heimzuführen, Der flüßges Eisen in den Adern kocht?

O, gib es auf!

GUNTHER.

Warum? Ist sies nicht wert?

SIEGFRIED.

Nicht wert! Ihr Ruhm durchfliegt die Welt! Doch keiner Kann sie im Kampf bestehen, bis auf einen, Und dieser eine wählt sie nimmermehr.

GUNTHER.

So sollte ich aus Furcht vor ihr nicht werben?

Welch eine Schmach! Viel lieber gleich den Tod Von ihrer Hand, als tausend Jahre Leben In dieser Ohnmacht schimpflichem Gefühl.

SIEGFRIED.