Im Januar 1930 kommt der siebzehnjährige Julian nach New York. Bald gehört er zu einer Clique junger Bohemiens. Manhattan ist geprägt von Weltwirtschaftskrise und Prohibition, aber «hier wachsen die schönen Jungs auf dem Mist». In den langen Nächten im Village ergeben sich immer neue erotische Kombinationen. Die Figuren folgen ganz gelassen ihren sexuellen Neigungen. Nur Karel ist auf der Suche nach dem einen, richtigen Freund, und gerät an den schönen, aber skrupellosen Louis. Als erste amerikanische Autoren schreiben Ford und Tyler 1933 offen über Homosexualität; ihr Roman konnte erst 1975 in den USA erscheinen.
«Verruchte Jugend» ist konkrete Prosa: ein Handlungsgitter, das scheinbar zufällige Segmente der laufenden Ereignisse miteinander verknüpft – die Leser müssen lernen, sich in diesem Labyrinth selbst zurechtzufinden, was ein lustvolles Erlebnis verspricht.
«Nur ein Genie, oder Mr Ford und Mr Tyler konnten dieses Buch schreiben.» (Djuna Barnes)
Harrison Parker Tyler wird 1904 in New Orleans geboren. Mit zwanzig Jahren zieht er ins New Yorker East Village und inszeniert sich dort mit Make-up und ausgesuchter Garderobe als «The Beautiful Poet». 1944 erscheint sein erstes filmtheoretisches Werk, «The Hollywood Hallucination», dem weitere Filmbücher folgen. Nach seinem Tod im Jahr 1974 bleibt Tyler vor allem als Mitbegründer des Genres Filmkritik in Erinnerung.
Charles Henri Ford wird 1913 in Mississippi geboren. Im Januar 1930 reist er per Schiff nach New York, wo ihn Tyler an den Docks in Empfang nimmt. Ford und Tyler verbringen die erste Hälfte des Jahres 1930 gemeinsam in der Welt der New Yorker Boheme. Als Ford im Sommer nach Mississippi zurückkehrt, beschließen die beiden, gemeinsam einen Roman über diese Zeit zu schreiben. Ford beginnt sofort mit der Arbeit und reist im Mai 1931 mit der Rohfassung nach Paris, wo «The Young and Evil» 1933 in der englischsprachigen Obelisk Press erscheint. In Paris lernt er den russischen Maler Pavel Tschelitschew kennen, mit dem er bis zu dessen Tod im Jahr 1957 zusammenlebt. Ford hinterlässt ein umfangreiches Werk surrealistischer Literatur und bleibt vor allem als Herausgeber der Zeitschrift «View» (1940-1947) im Gedächtnis. Er stirbt 2002 in New York.
«Verruchte Jugend» ist ein Text, den man laut lesen sollte – im Duktus der gesprochenen Sprache klingt vieles ganz selbstverständlich, was beim stillen Lesen merkwürdig wirkte. Die Autoren wagen es, Fragmente der Wirklichkeit ganz unmittelbar wiederzugeben, ohne sie in Hinblick auf eine gefällig erzählte Geschichte zu glätten und zurechtzustutzen. Das führt dazu, dass die Leser, genau wie die handelnden Figuren, gelegentlich nicht sofort begreifen, was hier eigentlich vorgeht: Oft muss der Text erschlossen werden.
Erzählt werden die Erlebnisse Karels und Julians in der ersten Hälfte des Jahres 1930. Julian kommt per Schiff aus New Orleans nach New York und wird durch seine Schönheit sofort zum Liebling einer Clique schwuler und heterosexueller Bohemiens um den Dichter Karel. Weltwirtschaftskrise und Prohibition prägen das Leben im East Village Manhattans. Kaum jemand hat mehr als ein paar Nickel (d.i. 5 Cent) in der Tasche und bekommt jeden Tag eine warme Mahlzeit, die Handlung ist dementsprechend vom Kampf ums nackte Überleben geprägt. Vor allem Gabriel und Louis, zwei junge Dichter und Bekannte Karels, haben sich ganz aufs Stehlen, Betteln und Schnorren verlegt und nehmen dabei auf niemanden Rücksicht. Alle Figuren werden von einer eigenartigen Gier getrieben, kein Gespräch, keinen Tanz und keinen Schnaps zu verpassen. Die Nächte in Julians Wohnung, in der Dragon Tavern oder auf einem Tuntenball in Harlem geraten aus unterschiedlichen Gründen schon bald außer Kontrolle, aber dann feiert man anderswo weiter. Die wenig spektakuläre Handlung in diesem bizarren Ambiente lässt viel Raum für die Entwicklung der Figuren, deren Charakter und Schicksal umso klarer hervortritt, je elementarer die Bedürfnisse sind, die sie zu befriedigen versuchen.
Stilistisch ist «Verruchte Jugend» protokollarische Prosa, die von Erlebnissen und Problemen der Figuren erzählt, ohne sie zu einer «Geschichte» zu verbinden. Ford und Tyler haben vielmehr ein kunstvolles Handlungsgitter geknüpft, das scheinbar zufällig ausgewählte Segmente der laufenden Ereignisse miteinander verknüpft: Die Leser erhalten unvollständige Informationen, die oft erst später ein Ganzes ergeben. Die Autoren haben sich so die Freiheit geschaffen, Szenen, die ihnen am Herzen liegen, ausführlich auszuarbeiten, und andere wegzulassen. Philosophische Fragen werden mit großer Ernsthaftigkeit thematisiert: Karel spricht auf einem Symposium über persönliche und politische Freiheit; auch das Wesen der Liebe wird aus der Sichtweise verschiedener Figuren erörtert. Dabei stellt sich bald heraus, dass nicht nur der Stil dieses Romans unsere Lesegewohnheiten herausfordert, sondern dass auch das Lebensgefühl einer von Grund auf anderen Welt entstammt, auch wenn die geschilderten Ereignisse nicht einmal hundert Jahre zurückliegen: In der faktischen Gesetzlosigkeit der Megametropole New York der Dreißigerjahre erlebt die «verruchte Jugend» die ungewohnte Freiheit nicht in erster Linie als Geschenk, sondern immer auch als Mangel an Orientierung, der den Weg zum eigenen Glück beträchtlich erschwert. Im Vorwort zur Neuauflage des Romans im Jahr 1960 schreibt Parker Tyler: «Die Welt nennt den böse, der Etiketten, Methoden und Systeme zurückweist, selbst Rechtstitel und Privilegien, um kompromisslos sein eigenes, individuelles ‹Gut› zu erschaffen. Dieses Handlungsfeld gehört für alle Zeiten der Seele des Einzelnen. Sobald die Seele erklärt, dass sie autonom über sich und alles andere urteilen kann – und das tut jede Seele, oder sie ist keine –, bezeichnet man sie als ‹böse›.»
Sowohl stilistisch wie thematisch orientiert sich «Verruchte Jugend» an großen – wenn auch heute wenig gelesenen – Vorbildern: James Joyce wird von den Hauptfiguren des Romans (neben Gertrude Stein und Djuna Barnes) zum Hausgott erklärt, und natürlich kannten die Südstaatler Ford und Tyler das Werk William Faulkners, von dessen Stil sie ganz unmittelbar beeinflusst wurden. Für deutsche Leser drängen sich Vergleiche zu Alfred Döblins «Berlin Alexanderplatz» oder Carl Einsteins «Bebuquin» auf.
Harrison Parker Tyler wird 1904 in New Orleans geboren; seine Familie lebt eher bescheiden. Mit zwanzig Jahren zieht er ins New Yorker East Village und inszeniert sich dort mit Make-up und ausgesuchter Garderobe als «The Beautiful Poet Parker Tyler». Obwohl Kultfigur lebt er als Lyriker und Essayist bis Anfang der Vierzigerjahre in bitterer Armut. 1944 erscheint sein erstes filmtheoretisches Werk, «The Hollywood Hallucination», dem weitere Filmbücher folgen. Gore Vidal lässt ihn 1968 als «bedeutenden Filmkritiker Parker Tyler» in seinem Roman «Myra Breckinridge» auftreten. Nach seinem Tod im Jahr 1974 bleibt Tyler vor allem als Mitbegründer der Filmkritik in Erinnerung.
Charles Henri Ford wird 1913 in Mississippi geboren. Mit sechzehn Jahren verlässt er die Highschool und gründet die Literaturzeitschrift «Blue», woraus sich unter anderem eine längere Korrespondenz mit Parker Tyler ergibt. Im Januar 1930 reist Ford per Schiff nach New York, wo ihn Tyler an den Docks in Empfang nimmt. Wie es weitergeht, ist dem Roman zu entnehmen. Ford betont mehrfach: «Nichts ist erfunden».
Bereits im Sommer 1930 kehrt Ford nach Mississippi zurück. Zusammen mit Tyler beschließt er, die gemeinsamen Erlebnisse dieses halben Jahres als Stoff für einen Roman zu verwenden. Mit der Rohfassung dieses Romans im Gepäck bricht Ford im Mai 1931 nach Paris auf, wo er Djuna Barnes und Gertrude Stein kennenlernt, die beide das Romanprojekt begeistert unterstützen. Der Titel des Romans lautet ursprünglich «Love and Jump Back» («Einmal Liebe und zurück», jetzt der Titel des 11. Kapitels), was dem Text vermutlich eher gerecht wird als das reißerische «Young and Evil», für das sich Ford erst unmittelbar vor Drucklegung entscheidet. Da kein amerikanischer oder britischer Verlag für das Manuskript zu finden ist, erscheint der Roman in Jack Kahanes Obelisk Press in Paris, die auch Henry Millers «Topic of Cancer» und Radcliffe-Halls «Well of Loneliness» herausbrachte. Die Erstauflage beträgt 2500 Exemplare. Die 500 nach England verschifften Exemplare werden vom Zoll verbrannt; der amerikanische Zoll lässt die Bücher nach Frankreich zurückschicken. Erst 1975 kann der Roman in den USA erscheinen.
In Paris lernt Charles Henri Ford den russischen Maler Pavel Tschelitschew kennen. Die beiden blieben bis zu Tschelitschews Tod im Jahr 1957 zusammen. Ford hinterlässt ein umfangreiches Werk surrealistischer Literatur und bleibt vor allem als Herausgeber der Zeitschrift «View» (1940-1947) im Gedächtnis. Er verbringt mehrere Jahre in Indien und verstirbt 2002 in New York.
Dieser Übersetzung liegt die Neuausgabe des Romans der Londoner Gay Men’s Press aus dem Jahr 1988 zugrunde. Die hier genannten biografischen Daten beruhen auf Steven Watsons Einführung zu dieser Ausgabe.
Joachim Bartholomae
Charles Henri Ford & Parker Tyler
Verruchte Jugend
Aus dem amerikanischen Englisch und mit einer Einführung von Joachim Bartholomae
Männerschwarm Verlag
Hamburg 2017
Sieh an sagte der Wolf zum Rotkäppchen kaum hatte Karel im Round Table einen Platz gefunden als das Unmögliche geschah. Direkt vor ihm stand ein Märchenprinz und eine dieser mythologischen Gestalten, die man Lesben nennt. Setz dich doch zu uns sagten sie süß im Chor.
Als er mit ihnen ging sah er eine ganz entzückende kleine Teekanne und lauter glücklich lächelnde Gesichter.
Ein kleines Mädchen mit Haar über dem Ohr kam ganz nah heran und sagte sei mir bitte nicht böse aber warum trägst du keine Mädchensachen?
Die Lesbe sagte genau dein Gesicht ist so köstlich dass wir zuerst glaubten du wärst eine Lesbe im Fummel und sie bestanden zwei lange Stunden darauf dass er als Mädchen viel besser abschneiden würde.
Er musste eingeschlafen sein denn er wachte erschrocken auf und sah, wie ihm ein netter alter Ochsenfrosch zuwinkte. Er ging hin zu ihm um herauszufinden was er wollte und er reichte Karel eine frische Tasse Tee. Jetzt musst du das Gedicht Träume sterben abwärts aufsagen, das du letztes Mal an meinem Tisch rezitiert hast sagte er und was blieb Karel anderes übrig als ein altes Gedicht vorzutragen das er als Kind gelernt hatte.
Die Najaden gurrten vor Freude doch in diesem Moment wurde ihm bewusst dass seine Soso*-Blume aus Brooklyn mit einem Mädchen zugegen war und ihn wehmütig ansah. Da hörte er plötzlich den Ruf: Hurra! Wir machen eine Bootsfahrt und in der Morgenluft klangen die Stimmen der kleinen Jungs und Mädchen so bezaubernd dass er nicht anders konnte als mitzugehen und allen die blieben schnell auf Wiedersehn zu sagen.
Nach einer entzückenden Fahrt gingen sie am Doll’s House an Land diesem idyllischen Ort und als er sich fragte wann das schreckliche Geplapper endlich vorbei sein würde (denn niemand hatte Tee) wer kam da herein wenn nicht Karels netter alter Ochsenfrosch in Person mit den Najaden und einem Satyr im Gefolge und sie bedeuteten Karel zu ihnen zu kommen. Praktisch das erste was der Satyr sagte war wieviel willst du für dieses Gedicht und Karel sagte nun ja zwei Dollar und dann schrieb er es auf. Der Satyr gab ihm zwei Dollar und Karel faltete sie sorgfältig zusammen und steckte sie in sein Mieder (natürlich als niemand zusah) und schließlich brach ein Teil der Gesellschaft auf. Karel machte Anstalten ebenfalls aufzubrechen und blieb noch ein wenig um zu entscheiden was er mit einem so hübschen Nachmittag anfangen sollte als einige männliche Freunde vorbeikamen, da dachte er dass er genauso gut zum Round Table zurückgehen könne doch der Märchenprinz der einen wachsamen Aufpasser bei sich hatte (es könnte sein älterer Bruder gewesen sein) sagte vertraulich zu Karel wir wohnen noch bis Dienstag im Pennsylvania – komm doch vorbei weswegen Karel beinahe rot wurde. Er fürchtete er hätte zu viel Tee getrunken.
Doch er rief auf Wiedersehn und hüpfte in ein hübsches kleines Schnellboot das zum Round Table fuhr. Als er dort ankam wen erblickte er wenn nicht ein paar alte Freunde und einer vor dem ihn seine Mutter immer gewarnt hatte weil er eine «Sissy» sei lud ihn zu einer privaten Tee-Party ein und Karel sagte danke gern ohne so recht zu wissen was er tat.
Aber die Soso-Blume war bei ihm und selbst als Harold kam und anfing Karel zu beschimpfen weil er ihn nicht besuchte wo er doch kein Telefon hatte konnte Karel die Tränen zurückhalten weil er an Mutter dachte und plötzlich brüllte der Große Schwarze Bär dem die Cafeteria gehörte es sei jetzt Feierabend und Karel glaubte dass Harold beinah mit jemand streiten wollte und vergaß ganz und gar dass er versprochen hatte zu einer privaten Tee-Party mitzukommen. Er bahnte sich so gut es ging den Weg durch das Gedränge und Harold und die Soso-Blume folgten ihm.
Als die gute frische Luft des späten Nachmittags auf sie einströmte – die Sonne war ein großer roter Ball – wurde Karel von einem schrecklichen Monster angepöbelt und zu Tode erschreckt deshalb straffte er die Hüften und flüchtete sich mit seinen Begleitern in einen Hafen – ein privates Heim – wo sie Sandwiches aßen und Kaffee tranken statt Tee.
* Hochgestellte Sternchen verweisen auf Erläuterungen im Glossar am Ende des Buches.
Julian hob die großen blauen Augen vom Telefonbuch auf dem schiefen Gestell vor der Zelle auf Pier 36 und sah ein leicht oranges Gesicht das Augen enthielt in denen Löcher waren. Er war die Gangway des Schiffs von New Orleans nach New York hinter einem hinkenden Kanadier hinuntergegangen.
Er wusste das war Karel. Denn eins hatte er erwartet – mit Mascara getuschte Wimpern. Oh sagte er hallo und legte die Hand in Karels Hand.
Karel war wie ein großes geschwungenes Gebäude nur viel kleiner. Sein Hut war dunkelgrün wie die Farbe der Ringe um die Löcher mit einer links hochgeklappten Krempe. Sein Mantel passte ihm zum Verzweifeln.
Julian hatte kürzeres Haar und enorme Erwartungen. Ich muss meine Tasche holen, sagte er. Auf Wiedersehen, Herr Kanadier, ich hoffe, dass Sie nicht mehr lange hinken müssen, nein, Ihre Schwester möchte ich nicht kennenlernen. Er kehrte zu Karel zurück und bis zur 11th Street kamen sie an vielen Laternenpfählen vorbei – in jedem Lichtkegel sah man die Umrisse von Männern, die ihre Last teilten.
Du hattest Verspätung sagte Karel.
Ja sagte Julian selbst die Lichter verlöschen schneller als ich.
Du wirkst so echt wie der Tod sagte Karel.
Sie betraten ein billiges Hotel und gingen zur Rezeption.
Mit Bad? fragte der Angestellte und schielte auf ihre Unterschriften.
Ohne sagte Julian. Er betrachtete Karel mit Staunen und Zuneigung und Karel sah ihn forschend an.
Der Raum entsprach den Gepflogenheiten eines anderen Jahrzehnts. Julian lockerte seinen Kragen und Karel richtete sein langes schwarzes Haar. Karel hatte geschrieben er schminke sich schmerzlich aber unaufdringlich. Allein wegen der Augenbrauen so dachte Julian würde ein italienischer Arbeiter sich nach ihm umdrehen. Sie steckten sich Zigaretten an.
Du bist der Karel der mir geschrieben hat sagte Julian. Deine Worte auf den hübschen langen stockfleckigen Bögen bedeuteten o süßer strammer Junge und in New Orleans war das der größte Wahnsinn dieser Zeit mal abgesehen von dem was zwischen der Zunge eines arktischen Vogels und seinem Schnabel ist. Bestell uns Gin sagte er.
Karel fragte soll ich dir ein Gedicht vorlesen.
Julian sagte ja bestell uns Gin und Ginger Ale.
Karel faltete das Gedicht zusammen rief eine Nummer an und verlangte Frank. Er kommt hoch.
Lies mir bitte dein Gedicht Richtungen vor.
Ich hab es ihnen neulich ins Gesicht gesagt – Richtungen, nicht Überzeugungen. Andererseits liegt’s an den Sternen, wenn Worte über Menschen staunen.
Der Kronleuchter war hässlicher als ihre Gesichter, also sahen sie ihn nicht an.
Da ist er ja schon.
Hallo Frank.
Julian gefiel seine Mütze.
Bitte sehr.
Danke.
Jetzt bestell uns Eis und frag den Pagen ob er glaubt es gebe keine Kunst mehr wie manche sagen.
Der Page sagte ja Sir danke Sir.
Das ist guter Gin sagte Julian und goss die beiden Gläser noch einmal halb voll, und beide nochmal halb voll, und halb voll nochmal beide, er trank sonst nur Maisschnaps.
Übrigens hat mich letzte Nacht Jesus in den Schuhen von Aschenputtel besucht sagte Karel. Das Leben ist ein Traum der Körper sollte duften.
Die Helden aus Tausendundeiner Nacht kannten sich aus sagte Julian.
Die Welt verjüngt sich über den Betonblumen, doch man muss Paris einfach lieben.
Die Kurtisane der Dichter.
Und wirklich auch wenn ich mir aus Diamanten nichts mache liebe ich Boudoirlampen mit lila Schirmen.
Und ich erinnere mich an ein paar Schenkel die ich nicht kannte obwohl sie bekannt waren sagte Julian, die Nacht war wie eine samtige Woolworth-Tunte und protzte mit ihrem Pollen-Mond, einem kleinen zitronigen Ding.
Karel fragte sich, ob eine Straße mit Hochbahngleisen darüber manchen Leuten guttut oder schadet.
Julian sagte ich glaube dass ich Djuna Barnes mag und das ist ein guter Glaube.
Karel kreuzte Beine und Unterarme mit dem Glas in der linken Hand. Genau und wenn Miss Barnes an meinem Tor vorbeikäme würde ich sagen kommen Sie in meinen Garten Miss Barnes und setzen Sie sich auf meine Veranda ich bringe Ihnen Tee und falls Sie eins Ihrer Gedichte vortragen würde ich es gern rückwärts auswendig lernen.
Julian sagte alles zieht natürlich rückwärts an ihrem Ohr vorbei.
Aber das geht mich nichts an stimmt’s? Erzähl mir wie heute die Südstaatler aussehen. Bis ich dich sah glaubte ich sie wären ausgerottet.
Ganz und gar nicht aber der Himmel ist anders dort unten. Im Sommer pellen sie große Fetzen davon ab und nageln sie auf dich drauf das nennen sie die Hitze. Ich bin gestrauchelt in den glatten Spiegeln.
Wäre es übertrieben gewesen eine Rose zu stehlen? fragte Karel.
Ich bin nur durchs Ahorn gegangen und habe ein grünes Blatt gepflückt.
Und im Winter?
Links von mir sah ich erfrorene Vögel, noch vorige Nacht, rechts den Schatten von Rauch auf den Häuserwänden. Sonst nichts.
Karel stand auf und zog die Jacke aus. Ist dir klar sagte er dass man sagen könnte ich bin betrunken?
Ich bin sicher dass das nicht stimmt. Denk an Camille sagte Julian. Aber er war jetzt auch ein wenig müde. Hatte sein Herz die große Maus begonnen seine Eingeweide zu fressen? Er dachte jetzt wäre es gut ins Bett zu gehen. Weil er nur einen Pyjama in seiner Tasche hatte gab er Karel die Hose und nahm die Jacke für sich selbst. Es war ein schwarzer Pyjama mit weißen Figuren. Als sie sich auszogen kam ihm Karel schmutzig vor was nicht wichtig war; bisher hatte er nicht über Hygiene und Moral nachgedacht, beides war so leicht zu vernachlässigen.
Karel fand ihn nur ein wenig derb.
Die Jacke sah an Julian wie ein Jackett aus.
Karels Schultern waren dürr aber seine Brust war kräftig und die Arme rund deshalb sah er ohne Jacke gut aus.
Sie beschlossen dass Karel auf der rechten Seite des Bettes schlafen sollte.
Julian lag auf dem Rücken im Dunklen und inhalierte den Rauch der Zigarette, was sein Herz noch schneller schlagen ließ.
Karel lag auf seiner linken Seite und atmete. Der Januarmond stand wohl gerade hinter einem der Hochhäuser. Er sagte oh. Ich kann jetzt nicht schlafen.
Warum nicht sonst ist ja nichts zu tun sagte Julian.
Wirklich nicht?
Es ist doch ziemlich spät oder?
Mensch, dein Herz klopft ganz schön schnell.
Viel Gin murmelte Julian und legte sich auch auf die linke Seite.
Bist du wirklich müde? fragte Karel.
Ja ich versuche mich zu entscheiden wovon ich träume.
Oder von wem.
Ja. Spürst du wie meine linke Seite pocht man fühlt es sogar auf der rechten Seite. Er legte die glühende Asche der Zigarette auf den Teppich, atmete tief und umschlang das Kopfkissen. Gute Nacht sagte er.
Karel schwieg. Dann sagte er bevor es hell wird muss ich etwas Grausames tun.
Nun ich finde das deutet auf eine Hitze die nicht in Bedeutung gekühlt wurde sagte Julian.
Karel zögerte, dann erblühte er aus dem Bett wie eine weiße Uhr um vier. Er knipste das Licht an und stellte sich vor den Spiegel, sah prüfend hinein und drückte die langen unförmigen Finger gegen die Schläfen. Ich bin schwach sagte er was bedeutet dass auf diesem Planeten viele kräftige Menschen leben die nicht besonders freundlich sind, und wenn man nicht getötet wird, weil man nicht sehr freundlich ist, ist das im Grunde sehr sozial. Ich werde hinausgehen und rezitieren und ich werde mit hohen Absätzen über ihre Leichen steigen und es wird mir misslingen ihre Kehlen mit meinen süßen Worten erbeben zu lassen die sagen dass du der Liebling des Doll’s House seist, doch ich werde tiefer in das andere Haus hineingehen das es auch noch gibt und darauf warten was passieren wird wie das Aufschlagen von Eiern an den Rändern von Bratpfannen. Er blickte hinter sich und sah Julian auf dem Bauch liegen und ihn mit einem weit geöffneten Auge beobachten. Er drehte ihm den Rücken zu ließ die Pyjamahose fallen und zog sich nicht allzu langsam an.
Julian nahm vom Boden neben dem Bettpfosten eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. Karel bist du so lieb und sagst mir noch einmal Franks Nummer sagte er.
Sie steht im Verzeichnis sagte Karel.
Du weißt, wie Augen sind, die schon oft betrunken waren. Julian setzte sich auf. Schade dass du nicht bleibst.
Über unvermeidliche Missverständnisse kann man entspannt philosophieren, aber unnötige Missverständnisse … er legte die Hand auf den Türknauf, der sich kalt wie eine Stirn anfühlte. Der tunnelartige Flur ermöglichte die horizontale, der abwärts gehende Fahrstuhl die vertikale Fortbewegung. Er trat hinaus auf die Straße, wo es dunkler geworden war, und ging mit immer langsamerem Schritt davon, bis er schließlich vor einer Bank am Washington Square stehen blieb und sich setzte, sein Geist leer wie vor der Geburt.
… ob man davon träumt oder nicht davon träumt es gibt haufenweise Dinge zu tun. Ja sagte ich als ich mich vorsichtig aus dem Bauch meiner Mutter hervorarbeitete. Wie viele sind es? Außer den Blumen und so. Wie viele sind es? Aber es gab Blumen und Essen, Blumen und. Lass uns einfach ein paar Schritte gehen sagte ich zu meinem Freund. Wir waren nicht ganz unter dem Vordach aber doch fast. Das waren wir. Ich glaube dass ich selbst es war. Sehr jung vielleicht drei. Nein. Nicht drei. Zwei. Das könnte gereicht haben. Es könnte damals gewesen sein als ich Diphterie bekam und fast. Aber. Doch nach all dem wie kommt es dass ich glaube wie kann es so realistisch sein. Kein Fragezeichen weil ich das nicht will. Ich weiß nur: es sind entzückende Leute: das sind sie. Ich auch. Ich habe schicke Sachen an und bekomme sogar Strümpfe angezogen. Die Strümpfe zieht man mir wegen oder trotz des ersten Gasts an, der sich sehen lässt, er kommt mit einem Kindermädchen und ich kann sie einen Moment lang sehen als ich hinschauen darf (ein Strumpf hängt noch runter). Da kommen sie also. Einzeln. Zweizeln. Umwerfend toll. Mich interessiert das nicht besonders, jetzt, wo es kein Eis mehr gibt. Ich bin fünf doch ich darf es vergessen. Bis ich sie zählen will und dazu stelle ich sie in eine Reihe: einundfünfzig Gäste und die Puppe die ich hab ich hab ich hab. Ich reiße Gras aus dem Rasen meines fünften Geburtstags und sie machen es nach die anderen Kinder und ich freue mich. Und sie. Auch. Zwischen dem und dem. Ich habe Angst. Selbst jetzt. Zwischen dem und dem hätten doch: oder waren wirklich: elefantöse Kugelförmigkeiten die ihre eigenen Kinder beschützten wie perfekte Mütter, die nicht wissen, dass ein Kind (ich) von fünf Jahren (ich) herumhüpfte, rannte, stolperte, ohne dass jemand aufpasste, außer in. O elefantöse Kugelförmigkeiten, wer was seid ihr wenn es euch gibt oder geben könnte? Zwischen dem und dem. Ich liebe Hula Hoop. Die runden Dinger aus Holz und Bürgersteige und Rennen und ich kriege einen Hula Hoop und ich spiele damit und renne wie man erwartet dass ich renne. Doch es ist genau wie ich erwartet habe. Ich fürchte nein. Auch die Puppe nicht. Ich schäme mich nicht für meine Puppe. Auch wenn nur kleine Mädchen, das weiß ich, deshalb liegt sie in all ihrer Pracht im großen Schrank. Ich spiele nie damit. Ich möchte sie ihnen einmal zeigen. Aber irgendwer ist es Großmutter ist es Mutter schnappte SCHNAPPTE sie sich und sie kommt in so eine Art Himmel vermute ich aber mein Herz. Und ein Dreirad und ein englisches Postamt (es gibt auch ein irisches Postamt) stehen im Flur und ich möchte damit nach draußen wenn ich nicht damit nach draußen soll und manchmal werden sie auf den harten Asphalt gestellt den harten. Ritter eilen über glattes graues Feld. Sie fallen.CH MUSS DRIN. Oder wenn Kinder draußen sind. Der Pferdemarkt von Blankety Blank beeindruckt mich aber ich finde etwas fehlt. Sind es die Pferde? Selbst Brot und Tee tun nach einer Krankheit gut. Und etwas kaltes Lamm. Ich liebe meine Sammlung schöner hölzerner Indianer aber ich lasse sie im Sand liegen wo der Regen sie verdirbt denn meine Zinnsoldaten sehen schicker aus. Ich will eine Puppe die aussieht wie Kermit Roosevelt. Ich will sie haben. Ich bekomme sie am Weihnachtsmorgen.