Inhaltsverzeichnis
Impressum
Widmung
KAPITEL 1 Wirklich wahr?
KAPITEL 2 Letztlich ist es immer Brot
KAPITEL 3 Wie viele Klicks bin ich?
KAPITEL 4 Kopffüßler
KAPITEL 5 „Das kann ich schon!“
KAPITEL 6 „Und worin besteht die Leistung?“
KAPITEL 7 Die Kraft der Liebe
KAPITEL 8 Selbstliebe
KAPITEL 9 Sexy wie eine Essiggurke
KAPITEL 10 Schattenspiele
KAPITEL 11 „Egoitis“
KAPITEL 12 Rosinenpickerei
KAPITEL 13 Warum werten Kacke ist!
KAPITEL 14 Warum?
KAPITEL 15 Ja!
KAPITEL 16 Liebe deinen Nächsten
KAPITEL 17 Kein Bock auf ein Teilzeitleben!
KAPITEL 18 Bereit für deine Heldenreise?
KAPITEL 19 Die Kraft der Gedanken
KAPITEL 20 Faites vos jeux!
KAPITEL 21 Hürdenlauf
KAPITEL 22 Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
KAPITEL 23 Wenn das Leben dazwischenkommt
KAPITEL 24 Angst
KAPITEL 25 Was die anderen über mich denken
KAPITEL 26 Toxische Gedanken
KAPITEL 27 Dankbarkeit
KAPITEL 28 Ernten
KAPITEL 29 Teilen
KAPITEL 30 Anstoßen
KAPITEL 31 Das Elixier
KAPITEL 32 Eine letzte Herzenssache
Literatur, die mich inspiriert hat
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
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© 2017 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99064-023-4
ISBN e-book: 978-3-99064-024-1
Lektorat: Stine Berg
Umschlagfoto: Giulia Plaar, Gestaltung: Claudio Becker
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Sandra Plaar
www.novumverlag.com
Widmung
Für Giulia
Wenn man, so wie ich, dem Tod von der Schippe gesprungen ist, hat man erkannt, dass man Herzensdinge nie aufschieben sollte. Deshalb widme ich dieses Buch meiner geliebten Tochter Giulia. Nicht in der Angst vor dem Ungewissen, sondern in der Freude und mit dem beruhigenden Gefühl, es nicht versäumt zu haben, das aufzuschreiben, woran ich in der Tiefe meiner Seele glaube.
KAPITEL 1
Wirklich wahr?
Als Leser mache ich es dir mit diesem Buch nicht einfach. Ich möchte dich gleich zu Beginn schon mit einer kritischen Frage konfrontieren: Ist es wirklich wahr, was du hier zu lesen bekommst?
Um es sofort unumwunden zuzugeben: Ich weiß es nicht. Die Wahrheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Vieles, das wir einst für wahr hielten, entpuppte sich als falsch. Mit Nachdruck beharrte man jahrhundertelang darauf, die Erde stehe im Mittelpunkt des Universums. Wer etwas anderes behauptete, wurde als Spinner bezeichnet und wie beispielsweise Galileo Galilei mundtot gemacht. Heute weiß jeder, dass die Sonne und nicht die Erde im Zentrum des Universums steht. Große Erfindungen und Erkenntnisse wurden erst möglich, weil Querdenker es wagten, die gängige Wahrheit infrage zu stellen. Weil sie ihre Visionen und Überzeugungen zu ihrer eigenen Wahrheit erhoben und damit die Grenzen des vermeintlich Unmöglichen sprengten. Dass wir eines Tages wie die Adler in die Lüfte steigen, schien einst ein Ding der Unmöglichkeit. Und wer hätte gedacht, dass es möglich ist, immer und überall mit allen vernetzt und erreichbar zu sein?
Auch ich musste während meines vergleichbar kurzen Erdendaseins meine Glaubenssätze gründlich überdenken. Früher glaubte ich an den Osterhasen und war der festen Überzeugung, dass das Christkind all die Päckchen unter den Tannenbaum lege. Nun, da ich ein paar Jährchen älter und hoffentlich weiser bin, ist mir nicht entgangen, dass mein Mann sich in Ermangelung einer zündenden Geschenkidee vor dem großen Tag ruhelos im Bett hin und her wälzt, um dann in letzter Sekunde ein kleines Schächtelchen käuflich zu erwerben, das der dann hektisch unter den Nadelbaum legt. Im Laufe der Zeit habe ich viele Ansichten, die ich im pubertären Hormonhoch noch mit Inbrunst vertrat, revidiert. Wenn ich heute in alten Tagebüchern von mir blättere, kann ich kaum glauben, dass ich die Urheberin solcher Gedankengänge gewesen sein soll. Anschauungen und Meinungen ändern sich. Auch meine. Und doch waren sie für mich in diesem Augenblick wahr.
Wahrheit hängt vom momentanen Wissensstand ab. Insofern basiert alles, was ich nun von mir gebe, auf meinem jetzigen Entwicklungsstand und den gemachten Erfahrungen. Es ist das, woran ich persönlich glaube und wofür ich einstehe. Nimm dir die Freiheit, darüber zu denken, was du willst, so wie ich mir die Freiheit genommen habe, meinen Gedanken und Überzeugungen freien Lauf zu lassen. „Die“ Wahrheit gibt es nicht. Wahr ist für dich, woran du glaubst. Vielleicht teilen wir einige Ansichten oder aber ich kann dir einen neuen Denkanstoß geben.
Mein Schreiben richtet sich sowohl an Männlein als auch Weiblein. Wenn ich dabei auf die explizite Schreibung der weiblichen Form verzichte, so geschieht das nicht deshalb, weil ich das weibliche Geschlecht außen vor lasse, sondern vielmehr, um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen.
Wie du ja schon gemerkt hast, erlaube ich mir, dich zu duzen. Dies nicht etwa, weil ich mit Rückenwind durch die Kinderstube gerast und deshalb besonders dreist bin, sondern weil Du-Botschaften tiefer im Unterbewusstsein verankert werden.
Nun wünsche ich dir viel Spaß bei der Lektüre. Steig in den Strom meiner Gedanken ein und lass dich treiben. Nimm dir Zeit, wenn du länger an einer Stelle verweilen möchtest oder rudere kräftig weiter, wenn du schneller vorankommen willst. Ich für meinen Teil freue mich, dich auf diese Gedankenreise mitzunehmen.
KAPITEL 2
Letztlich ist es immer Brot
Neulich hatte ich einen seltsamen Traum: Ich träumte davon, auf hundert verschiedene Arten Brot zu backen. Mal formte ich ovale Brötchen, mal waren es längliche Baguettes, die ich aus dem Ofen zog, dann waren es runde, bauchige Brotlaibe. Anschließend gab ich Sauerteig hinzu, verarbeitete Körner und Samen in die Masse, dann mischte ich mal dunkles, mal helles Mehl unter. Ich backte die Nacht hindurch. Als ich aufwachte, regte ich mich über diesen belanglosen, eintönigen Traum auf und war froh, dass er vorbei war. Doch, sobald mich der Schlaf übermannte, stand ich erneut in der Backstube und knetete voller Hingabe Teig.
„Was soll dieser Quatsch?“, grübelte ich im Dämmerzustand. Als ich dann von all dem Kneten erschöpft war und trotzdem innerlich getrieben nicht aufhören konnte, hörte ich aus dem Hintergrund eine Stimme, die zu mir sprach „Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, es bleibt immer Brot!“
Als sei damit alles gesagt, endete mein Traum abrupt und ich wurde vom Wecker unsanft in die Realität zurückgeholt. Wobei ich nicht sagen kann, dass ich allzu traurig darüber war, denn das Geträumte nervte kolossal.
„So ein Blödsinn“, ärgerte ich mich. Um den Traum loszuwerden, versuchte ich mit energischem Wackeln des Kopfes diesen abzuschütteln wie ein Hund Regenwasser aus seinem Fell. Seltsamerweise beschäftigte mich der Traum den ganzen Tag, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen, welche Botschaft er mir vermitteln wollte. So erzählte ich ihn kurzerhand meiner Tochter, die hinten im Auto saß. Als ich meine Schilderung beendet hatte, grinste sie und meinte: „Das ist lustig, ich habe heute Nacht etwas Ähnliches geträumt. Auch ich habe die ganze Nacht gebacken. Nur war es bei mir nicht Brot, sondern Kuchen in allen Varianten. Ich wollte den weltbesten Kuchen zaubern und probierte allerlei Neues aus. Eigentlich hatte ich die Absicht, einen Russenzopf zu backen. Aber das ging ordentlich in die Hose. Als ich davon kostete, schmeckte er erstaunlicherweise nach Cupcakes. Die Menschen, die davon versuchten, waren alle hellauf begeistert und waren ganz heiß auf das Rezept. Meine Russenzopf-Cupcakes waren im wahrsten Sinne in aller Munde. Jeder wollte sie. Von da an begann ich in der Backstube zu experimentieren, verwendete neue Zutaten, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie als Backzutat taugen. Zu meinem Erstaunen gelangen mir die tollsten Neukreationen, die ich in einem Rezeptbuch sammelte, das zu einem Bestseller wurde. Ich hatte es geschafft, das Kuchenbacken neu zu erfinden.“
Ich war total fasziniert, dass wir beide in derselben Nacht einen ähnlichen Traum gehabt hatten. Aber noch immer war ich kein bisschen schlauer, was das Ganze zu bedeuten hatte. Ein Licht ging mir erst später auf.
In dieser Zeit quälte mich die Frage, was ich denn Neues schreiben könnte. Eigentlich zog es mich immer mehr dorthin, ein Buch über die Sinnfrage des Lebens zu verfassen. Was mich davon abhielt, war der Gedanke, dass ich dazu wohl nichts zu Papier bringen könnte, wozu sich jemand anders wahrscheinlich viel eloquenter als ich bereits ausgelassen hatte.
In der Zwischenzeit stolperte ich über das Buch „Big Magic“ von Elizabeth Gilbert. Die Autorin schreibt darin von ihrem Glauben, dass Ideen himmlische Kreationen, göttliche Energien sind, zu deren Manifestation es jemanden braucht, der sie umsetzt. Ich freute mich wie Bolle, zu lesen, dass es da einen Menschen gibt, der das genauso sieht wie ich. Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los und ich suchte nach Fakten, die dessen Richtigkeit untermauerten.
Ich erinnerte mich daran, mich eine Zeit lang intensiv mit dem Thema der Quantenphysik beschäftigt zu haben. Die Quantenphysik lehrt uns, dass alles aus einer bestimmten Menge an elektromagnetischer Strahlung besteht, die „Quantum“ genannt wird. Alles setzt sich aus Energie zusammen und schwingt. Jeder Körper verfügt über sein eigenes Energie- und Schwingungsmuster, das sogenannte morphische Feld, das ihn umgibt. Geprägt hat diesen Begriff Rupert Sheldrake. Das griechische Wort „Morphogenese“ setzt sich aus zwei Wörtern zusammen. Morphe meint Gestalt oder Form, während Genese für Ursprung oder Entstehung steht. Das morphogenetische Feld kann somit als gestaltbringend und formgebend verstanden werden.
Gemäß dem Gesetz der Resonanz ziehen sich gleichartige Informationen, das heißt, Informationen, die ähnlich schwingen, gegenseitig an. Wenn wir dies auf den Gedanken, dass Ideen göttliche Energien sind, beziehen, bedeutet dies also, dass sich die Idee in Form von Energie ein passendes Objekt sucht, das sie verwirklicht. Sie ist auf der Suche nach einer adäquaten Andockstelle. Sobald die Idee angekoppelt hat, fängt sie an zu spielen, versucht, ihre Schwingung auf den Menschen zu übertragen. Nun kommt es darauf an, wie hellhörig, wie feinfühlig der Empfänger ist. Je offener er der Idee gegenüber ist, desto mehr entfaltet sich deren Energie. Nimmt der Träger die Schwingung kaum wahr oder ignoriert sie, sucht sich die Idee ein anderes Objekt der Begierde, das ihr verhilft, sich zu manifestieren. Gelingt es jedoch, die Schwingung der Idee und die des Trägers in Einklang zu bringen, wird das Feuer der Begeisterung bei diesem entfacht und dieser kommt nicht umhin, sie zu verwirklichen. Je mehr die Idee verwirklicht werden kann, desto mehr verspürst du das Gefühl dessen, was der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi bereits 1975 als „Flow“ definierte. Ehe du dich versiehst, hast du dich mit jeder Faser einer Sache verschrieben.
Ob es tatsächlich göttliche Energien sind, die diesen „Flow“ auslösen, kann ich nicht beweisen. Aber der Gedanke fühlt sich einfach so gut an, dass ich mich entschieden habe, ihn als richtig anzuerkennen. Lass dich auf dieses Gedankenspiel ein und spüre nach, was es in dir auslöst. Vielleicht erinnerst du dich das nächste Mal daran, wenn du von einem kreativen Geistesblitz getroffen wirst oder wenn dich eine Idee aus dem Nichts überfällt, und dann lässt du den Gedanken zu, dass Gott dich wie die Muse küsst, dich inspiriert, indem er seiner Idee durch dich Leben einhaucht.
Während meine Gedanken noch um dieses Thema kreisten, fiel mir auf einmal ein, dass ich mich zu meinen Studienzeiten der Sekundarlehrerausbildung mit dem Menschenbild und dem Erziehungsziel bekannter Philosophen und Pädagogen auseinanderzusetzen hatte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mich die staubtrockenen Ausführungen über die alten Gelehrten anödeten. Vermutlich lag es weniger an den wirklich beeindruckenden Gedankengängen dieser weisen Herren als vielmehr an der mangelnden Begeisterungsfähigkeit des Dozenten, der wohl ein paar Jahre zu viel das immerwährend Gleiche aus der Konserve heruntergeleiert hatte, wobei ihm dadurch zwischenzeitlich der Funken der Leidenschaft zur Materie abhandengekommen war. Ein Thema jedoch ließ mich seitdem nicht mehr los: Es war die Theorie der Anamnese des guten alten Platons, wonach alles Wissen in der unsterblichen Seele immer schon vorhanden ist. Bei der Inkarnation gerät das vollkommene Bewusstsein, das Wissen um das große Ganze in Vergessenheit. Der menschliche Intellekt erschafft kein neues Wissen, sondern erinnert sich lediglich an das Vergessene. Somit beruht jede Erkenntnis auf Erinnerung. Der Mensch strebt nach dem Zustand des sich vollkommenen Erinnerns. Mit jeder Inkarnation sammelt er bestimmte Erfahrungen, die er sich für das jeweilige Leben ausgesucht hat. Erleuchtet ist der Mensch, wenn er sich seines Selbst vollständig gewahr wird. Das heißt nicht einmal, dass er das gesamte Potenzial seines Selbst nutzen kann, es reicht, wenn er darum weiß.
Und jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, weshalb ich mich eine Nacht lang so mühselig mit Brötchenbacken abrackern musste. Einmal mehr staunte ich, wie clever das Unterbewusstsein gerade die Botschaften einspielt, die wir so nötig brauchen. Nur sind wir – sorry, ich darf hier nicht verallgemeinern − bin ich meist zu dusselig, sie zu verstehen.
„Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, es bleibt immer Brot!“
Der Satz spiegelte meine quälenden Gedanken wider, dass alles, was ich auch schriebe, nichts Neues sein würde, denn es existierte bereits. Wie all das Wissen, das in jedem von uns seit jeher angelegt ist. Auf einmal wurde mir klar, dass ich den Anspruch an mich, etwas vollkommen Neues generieren zu müssen, getrost fallen lassen konnte. Es ging bei meinem Schreiben lediglich darum, mich daran zu erinnern, was ich und alle tief in ihrem Innern eigentlich wissen. Es ging darum, meinen unzähligen Fragen nachzugehen, um für mich das große Ganze ein Stückchen fassbarer zu machen und um es mit dem Traum meiner Tochter zu komplementieren:
Die Schwierigkeit lag nun darin, mich auf unbefangenes Experimentieren einzulassen und mit ungewöhnlichen Zutaten das Altbekannte in neuem Licht erstrahlen zu lassen.
Auf einmal war er weg, der Druck, um das, was mir so auf der Seele drückte, schreiben zu dürfen, weil ich mich davon befreite, noch nie Dagewesenes hervorbringen zu müssen. Feierlich warf ich einen meiner festgefahrenen Glaubenssätze über Bord.
KAPITEL 3
Wie viele Klicks bin ich?
Kürzlich habe ich im Fernsehen eine Dokumentation gesehen, die darüber berichtete, wie Jugendliche, ach, was sage ich, meist noch Kinder, live aus ihren Kinderzimmern die Welt daran teilnehmen ließen, was sie gerade Sinnvolles in ihrem Leben tun. Da erzählten sie dir freimütig, was sie heute den lieben, langen Tag gemacht hatten oder dass sie sich soeben ein Stück Pizza und eine Cola einverleibt hatten. Mit großen Kinderaugen wirst du naiv angeschaut und angebettelt, dass du ihnen zuschaust. Zehnjährige buhlen um deine Aufmerksamkeit, indem sie sich tänzelnd durch ihr Zimmer bewegen und die Verrenkungen wohl aus den Videoclips ihrer musikalischen Vorbilder, deren Poster du im Hintergrund erahnen kannst, nachahmen. Da werden Kussmünder geformt, laszive Augenaufschläge geübt, nur weil sie eine Stimme im Chat dazu ermutigt.
Aufgeregt erzählte ein dunkelhaariger Elfjähriger, dass er sich irre freute, wenn er mit seinen Beiträgen Klicks in Rekordhöhe erreichte.
„Das gibt mir das Gefühl gut zu sein, wichtig zu sein“, schwärmte er mit stolz geschwellter Brust. Ich war wie vor den Kopf gestoßen, zu hören, wie sich Teenager über ihre Anzahl Klicks definieren, ihr Selbstwertgefühl davon ableiten, ob ihnen der virtuelle, emporgestreckte Daumen vergönnt wird.
Da haben junge „Facebookianer“ geschätzte 100 000 Freunde. Aber nur eine Handvoll kennen sie wirklich. Und sollte es dann doch zu einem realen Treffen, einem sozialen Stelldichein kommen, sitzen sich Jugendliche mit spastisch zuckenden Daumen gegenüber, damit sie nicht in Verzug geraten, die im Sekundentakt eintreffenden Mitteilungen pflichtbewusst zu beantworten. Kommuniziert wird meist nicht direkt, sondern per SMS. Und falls gesprochen wird, dann über den Inhalt einer solchen. Es ist mir egal, wenn ich altbacken wirke, aber ich finde diese Entfremdung äußerst bedenklich und sehne mich nach den Zeiten zurück, als man sich noch richtig was zu sagen hatte.
Die Eltern, denen das Treiben ihrer Sprösslinge im Anschluss gezeigt wurde, zeigten sich in der Regel entsetzt und zugleich ahnungslos. Da frage ich mich schon, wie viel Interesse am Leben und Wirken des eigenen Kindes gezeigt werden sollte, damit aus ihm ein starkes Wesen wird, das über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügt und weiß, dass es um seiner selbst willen geliebt wird.
Ich hatte das Glück, in einer Welt aufzuwachsen, in der die Rolle der Erziehung und der Wertevermittlung noch den Eltern vorbehalten war und nicht an die sozialen Medien abgeschoben wurde. Meine Kindheit war geprägt durch echte Erlebnisse, gelebte Traditionen und den Umstand, dass sich meine Eltern Zeit für mich genommen haben. Klar, gab es damals auch schon elektronische Spiele, die ersten Gameboys, die den Kindern heute wohl nur noch ein müdes Lächeln abringen würden. Aber es sind nicht die Rekorde im Tetris oder die vielen Male, die ich Snoopy im Tennis besiegte, an die ich mich erinnere. Es sind Erinnerungen an die schwülheißen Sommernächte, in denen ich die Sterne mit meinem Vater, im Dampf der Räucherspiralen gegen die Mücken gehüllt, betrachtete. Es sind die Herbsttage, die ich mit meinem Großvater beim Angeln am See verbrachte. Während er am See saß und seine Angel auswarf, sammelte ich Beeren, baute Hütten und kochte ihm aus Blättern und Kräutern einen Zaubertrank. Mein Opa war selig, dass ich ihn begleitete und ich freute mich wie Bolle, wenn ich mitdurfte. Es war diese stille Freude, die wir miteinander teilten, ohne dass es irgendwelcher Worte bedurfte. Es ist der Duft der Weihnachtsgans, um deren Hals wir jedes Jahr gestritten haben. Es sind die wiederkehrenden Rituale, die ich liebte und die mir Halt gaben. Es sind die Werte, die mir meine Eltern mitgaben, die meine Persönlichkeit formten und die mir das Gefühl vermittelten, wichtig zu sein.
Aber ich möchte mich hier nicht auf die heikle Diskussion über eine ernsthafte und liebevolle Erziehung einlassen. Vielmehr möchte ich herausstreichen, dass das Bewusstsein, wer ich denn eigentlich bin, sich nicht auf die Anzahl der Likes reduzieren lässt.
Das Beispiel einer 18-jährigen Australierin, die mehr als 50 Stunden in der Woche im Netz damit verbrachte, Fragen zu beantworten, täglich Fotos auf Instagram zu posten, Rezepte und Work-outs zu veröffentlichen, zeigt deutlich, wie entfremdend sich diese Selbstdarstellung auf die Identität auswirken kann. Die über 500 000 große Fangemeinde konnte ihr kein Gefühl des Geliebtseins vermitteln. Zurück blieb die ernüchternde Erkenntnis, Jahre ihres Lebens verpasst zu haben. Mit zwölf hatte sie noch Träume und Hobbys, war kreativ und verbrachte viel Zeit in der Natur. Nach all den Jahren am PC hatte sie keine Ahnung mehr, wer sie eigentlich war. Sie hatte den Anschluss ans reale Leben verloren. Ihr eindringlicher Appell, nach draußen zu gehen, sich mit Menschen aus Fleisch und Blut zu treffen, zu reden, einander zu umarmen, die Wunder der Schöpfung zu genießen, berührt und macht zugleich betroffen.
Bleibt aber die Frage nach dem „Wer bin ich?“, die sich zugegebenermaßen nicht so einfach beantworten lässt.
In meinen Lesungen stelle ich gerne die Geschichte von Eckhart Tolle aus seinem Buch „Jetzt!“ an den Anfang. Sie erzählt, wie ein Fremder einen Bettler am Straßenrand auf einer Kiste sitzend vorfindet. Auf die Frage des Fremden, was denn in der Kiste sei, meint der Gefragte bloß, dass dort eh nichts drin sei, obwohl er nie versucht hatte, einmal hineinzuschauen. Nach eindringlichem Bitten des Fremden öffnet der Bettler die Kiste und entdeckt, dass sie bis an den Rand mit Gold gefüllt ist.
Als ich diese Geschichte zum ersten Mal meiner damals zehnjährigen Tochter vorlas und sie fragte, was der Erzähler ihrer Meinung nach damit ausdrücken wollte, meinte sie: „Das ist doch klar! Der Fremde, das ist Jesus, der darum besorgt ist, dass es dem Bettler gut geht. Die Schatzkiste hat er ihm nämlich schon lange zuvor geschenkt und da ist alles drin, was der Bettler braucht, um glücklich zu sein. Nur schaut dieser nie in die Kiste. Deshalb kommt Jesus jetzt vorbei und hilft ihm auf die Sprünge!“
Ich war beeindruckt. Mit einer Selbstverständlichkeit drückte meine Tochter in ein paar Sätzen aus, was ich meinen Zuhörern ungelenk und langwierig zu erklären versuchte. Die Geschichte zeigt auch, dass wir Menschen uns des Schatzes, auf dem wir seit Anbeginn des Lebens sitzen, meist nicht bewusst sind. Gott hat uns mit einem Körper ausgestattet, einem Tempel, in dem unsere Seele wohnen darf und der uns durch unser irdisches Dasein führt. Gott hat uns den Verstand gegeben, der uns erlaubt, zu denken, zu analysieren, Gutes vom Bösen zu unterscheiden und Entscheidungen zu fällen. Er hat uns mit der Fähigkeit bedacht, Gefühle wie Freude, Trauer, Angst oder Wut zu empfinden. Er hat alle, und damit meine ich jeden und jede, mit besonderen Begabungen und Talenten beschenkt, die uns befähigen, genau die Erfahrung im Leben zu machen, die wir uns für diese Inkarnation vorgenommen haben. Kurz, Gott hat uns alles gegeben, was wir brauchen, womöglich aber nicht alles, was wir wollen.
Er schuf den Menschen nach seinem Bilde, heißt es in der Genesis der Bibel (Mose 1,27). Ich verstehe diesen Satz so, dass jeder Mensch ein Ausdruck des göttlichen Seins ist. Alles, was in dir angelegt ist, zielt darauf ab, Gott zu verwirklichen. Das, was dich ausmacht, ist nicht dazu da, um deinem Ego zu schmeicheln, sondern dazu, dich in den Dienst einer höheren Ordnung zu stellen und herauszufinden, welch wundervollen Plan sich Gott mir dir ausgedacht hat.
Oder um es mit den Worten von Nelson Mandela aus seiner Antrittsrede als Staatspräsident zu sagen: „Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. Es ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem Einzelnen. Und wenn wir das Licht leuchten lassen, geben wir damit anderen die Erlaubnis, es auch zu tun und glücklich zu werden.“
Glaube ist keine Religion. Glaube ist etwas, das ich im Herzen trage. Etwas, das mir ein tiefes Urvertrauen gibt. Glaube manifestiert sich im täglichen Leben, indem ich meinen Mitmenschen und der Schöpfung mit Wertschätzung und Respekt begegne. Glaube lässt sich kaum in Worte fassen, weil es das Irdische übersteigt. Religion ist ein menschliches Konstrukt, ein Versuch, dem Glauben eine Form zu geben. Leider wurden und werden Religionen immer wieder für Machtzwecke missbraucht und widerlaufen damit dem Grundgedanken eines echten Glaubens dessen Basis Liebe und die gelebte Nächstenliebe ist. Sämtliche Theorien, religiösen Ansichten und Glaubenssätze, die Angst verbreiten oder Gewalt anwenden, sind in meinen Augen nicht richtig.
Wenn ich von Gott spreche, dann stelle ich mir darunter nicht einen weisen Mann mit grauem Bart vor. Was Gott für mich ist, habe ich das erste Mal in einer Grenzerfahrung mit dem Tod erfahren. Ich erlebte Gott als absolute Einheit im Sein, einen Zustand allumfassender, bedingungsloser Liebe. Das Erlebte in Worte zu fassen, ist schlichtweg unmöglich. Wenn ich das Wort Gott verwende, dann, um über etwas sprechen zu können, das in seiner Existenz zwar erfahrbar, jedoch nie begreifbar wird.
Es gibt immer wieder Menschen, denen es gelingt, dieser göttlichen, bedingungslosen Liebe Ausdruck zu verleihen. Es sind Persönlichkeiten wie Jesus, Mohammed oder Buddha, die den Mut hatten, den Weg der Liebe ohne Wenn und Aber zu beschreiten und damit unzählige Menschen inspirieren.
Diese große, bedingungslose Liebe steckt in allen von uns. Indem du dein wahres Selbst erkennst, erlaubst du dir, diese große Liebe zu leben und zu verkörpern.