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Abkürzungsverzeichnis

ABI Arbeitsbewältigungsindex bzw. beziehungsweise

EU Europäische Union e.V. eingetragener Verein OECD Organisation for Economic Cooperation and Development ROI Return on Investment SBS Sick-Building-Syndrom WAI Work Ability Index WeGebAU Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Der demographische Wandel ist eine Thematik, die im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung verankert ist. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem demographischen Wandel im Besonderen für die Erwerbstätigen in Deutschland?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind derzeitig 49% der Arbeitnehmer in der Altersgruppe der 30- bis unter 50-Jährigen und 31% in der Altersgruppe der 50- bis unter 65-Jährigen. 1 Bereits bis zum Jahr 2020 wird es

zu einer Verschiebung kommen, ungefähr 40% der Erwerbstätigen werden

dann der Gruppe der 50- und bis unter 65-Jährigen angehören. 2 Zwischen den Jahren 2017 und 2024 wird das Erwerbspersonenpotential zu jeweils etwa 40% aus den 30- bis unter 50-Jährigen und den 50- bis unter 65-Jährigen bestehen. 3 Dieser Prozess der Veralterung wird mit einer Verminderung des Erwerbspersonenpotentials einhergehen. Prognosen zeigen, dass die Zahl der Erwerbspersonen (Personen im Alter von 20-65 Jahren) im gravierendsten Fall von knapp 50 Millionen im Jahr 2008 auf 33 Millionen im Jahr 2060 sinken könnte. 4 Um diesem Rückgang entgegen zu wirken, wurde erst vor Kurzem beschlossen, ab dem Jahr 2012, dass Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre anzuheben.

Sind deutsche Unternehmen auf diese Veränderungen vorbereitet? Welche Konsequenzen ergeben sich aus einer alternden und altersdiverseren Belegschaft für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, um langfristig innovativ, produktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben, und um dem sich bereits abzeichnenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken? Wie wird ein Werben für qualifizierte Arbeitskräfte in 20 Jahren aussehen?

Laut Umfragen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung boten 2008 nur ein Prozent der Betriebe spezielle Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer an. 5 Altersgemischte Arbeitsgruppen gab es in nur sechs Prozent der Betriebe und eine besondere, auf ältere Arbeitnehmer angepasste, Ausgestaltung der Arbeitsplätze nur bei zwei Prozent. 6

Abbildung 1: Angebot an altersspezifischen Maßnahmen 7

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Nachdenken, ein Problembewusstsein und einen Leitungsbeschluss. Es muss „von oben“ gewollt sein.“ 10 Unternehmen, die sich bereits den Herausforderungen des demographischen Wandels widmen, sind Großunternehmen wie beispielsweise die Metro AG,

Lufthansa oder BMW. 11 Der Großteil der deutschen Unternehmen ist jedoch noch unzureichend auf den „Paradigmenwechsel von der Frühverrentungspolitik zur demografiegerechten Personalpolitik“ 12 vorbereitet. „Aktives „Age-Management“ ist in deutschen Betrieben noch die Ausnahme.“ 13 Um dem demographischen Wandel erfolgreich zu begegnen, müssen insbesondere aber auch klein- und mittelständische Unternehmen nachhaltige Altersstrukturen aufbauen und in die Weiterbildung der älteren Mitarbeiter investieren. Die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter im mittleren und höheren Erwerbsalter muss gesichert werden. Alternde und ältere Mitarbeiter sollen besser und länger wertschöpfend in einem Unternehmen eingesetzt werden können. Wer langfristig seine Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sichern will, wird es sich nicht leisten können, auf ältere Arbeitnehmer zu verzichten. 14

Auch in Österreich werden die Auswirkungen des demographischen Wandels deutlich zu spüren sein. Österreichs Arbeitsmarkt droht bereits im Jahr 2015 zu kippen, da die Zahl der Menschen, die in den Ruhestand gehen, nicht durch die Zahl der Berufseinsteiger ausgeglichen werden kann. 15 Zudem steht im Vergleich zum EU-Durchschnitt, in dem jeder Dritte zwischen 60 und 64 Jahren noch erwerbstätig ist, in Österreich nur jeder Fünfte noch im Erwerbsleben. Schweizer Unternehmen sind laut Aussagen des Adecco Institutes in geringerem Maße durch den demographischen Wandel beeinträchtigt. 16 Aufgrund attraktiver Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer, wie beispielsweise

eines hohen Lohnniveaus oder niedrigen Steuerbelastungen, haben die Schweizer Unternehmen gegenwärtig kaum Schwierigkeiten, Positionen mit „Wunschkandidaten“ zu besetzen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind sie deshalb nur wenig auf den demographischen Wandel vorbereitet. Langfristig werden es sich jedoch auch Schweizer Unternehmen nicht leisten können, die Problematiken des demographischen Wandels zu vernachlässigen.

Wie Unternehmen dem demographischen Wandel und den sich daraus ergebenden Herausforderungen langfristig begegnen können, soll im folgenden Verlauf dieser Arbeit näher erörtert werden.

1.2 Zielsetzung

Vor dem in der Problemstellung beschriebenen Hintergrund, lässt sich nun folgende Fragestellung ableiten:

Wie kann ein Age Management Konzept in ein Unternehmen eingeführt und in diesem umgesetzt werden?

Ziel dieser Arbeit ist es, einen Leitfaden zu entwickeln, der Unternehmen eine Hilfestellung bei der Einführung eines betrieblichen Age Management Konzeptes bieten soll.

Die Unternehmen sollen darin unterstützt werden, ein solches Konzept weitestgehend ohne externe Hilfe anzuwenden und in ihren Betriebsalltag integrieren zu können.

Hierfür sollen folgende untergeordnete Kernpunkte eruiert werden:

Situationsanalyse des Ist-Zustandes eines Unternehmens Darstellung der primären Handlungsebenen und ihrer Age Management gerechten praktischen Implementierung in ein Unternehmen Aufführung der Vorteile und des Nutzens für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gewährleistung eines dauerhaften Erfolges des Age Management Konzeptes

Diese Punkte sollen anhand einer theoretischen Auseinandersetzung mithilfe einer problemorientierten Sekundäranalyse von Literatur und der Betrachtung von „Best-Practice“ Beispielen näher erläutert werden. Durch eine strukturierte

und übersichtliche Bearbeitung der Literatur soll dem Leser ein Überblick über den Untersuchungsgegenstand dargeboten werden.

1.3 Abgrenzung der Arbeit

Dieser Leitfaden beschränkt sich auf die Handlungsebenen und Möglichkeiten aus Unternehmenssicht. In dieser Arbeit wird nicht auf Maßnahmen und Handlungsmöglichkeiten, die von Seiten der Gesetzgebung und Politik eingeleitet werden könnten, eingegangen. Der Leitfaden soll einen allgemeinen Überblick über die Möglichkeiten der Implementierung, Umsetzung und Überprüfung der Maßnahmen eines Age Management Konzeptes geben. Je nach Art des Unternehmens und Betrachtungshorizont werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und weiterführend betrachtet werden müssen. Diese Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es werden, im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung der Thematik Age Management, ausgewählte Ansätze zur Bewältigung der Problemstellung dargestellt.

1.4 Methodische Vorgehensweise

Die Verfasserin geht zunächst auf die Relevanz und Aktualität des Betrachtungsgegenstandes dieser Arbeit ein. Diesbezüglich werden im einleitenden Teil die Ursachen und Folgen des demographischen Wandels, die Bevölkerungsentwicklung und die Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials in Deutschland näher betrachtet. Danach werden die sich daraus ergebenden Herausforderungen an deutsche Unternehmen aufgeführt. Es folgt eine Begriffsabgrenzung bezüglich des Terminus Age Management, als auch eine gewählte Definition des Altersbegriffs. Den Hauptteil dieser Arbeit bildet die Konzeption eines Leitfadens für Unternehmen, der aufzeigen soll, wie man ein betriebliches Age Management Konzept implementieren und umsetzen kann. Nach einer kurzen Einleitung wird in der Ausgangsphase durch Analysen die Ist-Situation eines Unternehmens ermittelt. Darauf folgend werden mögliche Maßnahmen in den ausgewählten Handlungsebenen näher erläutert. Im Anschluss werden ausgewählte Kennzahlen zur Erfolgskontrolle vorgestellt, als auch relevante Fördermöglichkeiten erörtert. Den Abschluss des Leitfadens bilden eine Auflistung von Vorteilen, die sich aus der Einführung und Umsetzung eines solchen Konzeptes ergeben können und ein kurzes Schlusswort.

Im abschließenden Teil der Arbeit werden die wichtigsten Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst und bewertet.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Der demographische Wandel in Deutschland als Hintergrund

2.1.1 Ursachen und Auswirkungen der demographischen Entwicklung

Die demographische Entwicklung wird durch das Zusammenspiel der drei folgenden Einflussfaktoren bestimmt: Die Geburtenrate, die Veränderung der Lebenserwartung und die Nettozuwanderungsrate eines Landes. Annahmen über die zukünftige demographische Entwicklung können mithilfe von Bevölkerungsvorausberechnungen getroffen werden. In den Ergebnissen der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (2009) in Deutschland werden zwei mögliche Varianten beschrieben. Es wird dabei von einer annähernd konstanten Geburtenhäufigkeit, eines Anstiegs der Lebenserwartung bei den Männern um acht Jahre und bei den Frauen um sieben Jahre und eines Wanderungssaldos von 100 000 und 200 000 Personen im Jahr ausgegangen. 17 In Anbetracht der Geburtenzahlen wird zukünftig ein weiterer, seit dem Jahr 2003 einsetzender, Rückgang zu verzeichnen sein. 18 Bedingt durch die Alterung der stark besetzten Geburtenjahrgänge der Baby-Boom-Generation, steigt zudem die Zahl der Sterbefälle an. Es wird zu einem Bevölkerungsrückgang kommen, der nicht durch die Nettozuwanderung ausgeglichen werden kann. Bis zum Jahr 2060 geht man von einem Rückgang der Bevölkerung von in etwa 82 Millionen (Ende 2008), auf ungefähr 65 Millionen (Untergrenze der „mittleren Bevölkerung) bzw. 70 Millionen (Obergrenze der „mittleren“ Bevölkerung) aus. Zudem wird es durch den demographischen Wandel zu einer zweiten großen Veränderung kommen. Es wird sich eine zunehmende Verschiebung der Alterstrukturen hin zu den Älteren zeigen. Im Jahr 2060 werden bereits 34%, also in etwa jeder Dritte in Deutschland 65 Jahre oder älter sein, im Jahr 2008 waren dies noch 20%. Den

Berechnungen zufolge werden 2060 14% im Alter der Hochbetagten (80 Jahre und älter) sein, 2008 waren dies 5%.

Folgende Graphiken sollen diese Verschiebung illustrieren.

Abbildung 2: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 19

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Abbildung 3: Bevölkerung nach Altersgruppen 20

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Diese Veränderungen in der Altersstruktur werden auch Auswirkungen auf die Bevölkerung im erwerbstätigen Alter (von 20 bis 65 Jahren bzw. 67 Jahren) haben. Auch diese wird von einer Schrumpfung und Alterung betroffen sein. Im Ausgangsjahr 2008 gehörten in Deutschland in etwa 50 Millionen Menschen dieser Gruppe an. 21 Bei Annahme eines Wanderungssaldos von 200 000 Personen geht man davon aus, dass 2060 ein Rückgang auf 36 Millionen Erwerbspersonen zu verzeichnen sein wird. Bei einer Nettozuwanderung von 100 000 Personen könnte das Erwerbspersonenpotential auf etwa 33 Millionen sinken, was einem prozentualen Rückgang von 34% entspricht. Dieser Rückgang des Erwerbspersonenpotentials wird, wie bereits in der Problemstellung erwähnt, mit einer Verschiebung der Altersstruktur hin zu den Älteren einhergehen. Zudem wird sich der Altenquotient bis zum Jahr 2060 fast verdoppeln. Der Altenquotient gibt Auskunft über das Verhältnis der Personen im Rentenalter zu den Personen im Erwerbsalter. 22 Auf 100 Personen im Erwerbsalter entfielen 2008 34 Personen im Alter von 65 Jahren oder älter. 23 2060 wird die Zahl der Älteren zwischen 63 und 67 Personen liegen (ähnliche Zahlen ergeben sich auch bei dem erhöhten Renteneintrittsalter auf 67 Jahre).