Thomas Dellenbusch
Der Matrjoschka Code
M y s t e r y E r z ä h l u n g
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Thomas Dellenbusch
"Der Matrjoschka Code"
1. Auflage 2014
2014 Thomas Dellenbusch
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat & Satz: KopfKino-Verlag
Covergestaltung: coverandbooks / Rica Aitzetmüller
Umschlagmotiv:
© Chantal de Bruijne, Shutterstock & Igor Golovniov, Shutterstock
KopfKino-Verlag
Thomas Dellenbusch
Gluckstr. 10
D-40724 Hilden
www.MeinKopfKino.de
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Thomas Dellenbusch
Der Matrjoschka Code
M y s t e r y E r z ä h l u n g
Sie wachte auf einer Holzbank mitten im Wald auf und wusste nicht, wo sie war oder wie sie dorthin gekommen ist. Dieses Gefühl, sich erst orientieren zu müssen, war ihr nicht unbekannt. Nach ein oder zwei Sekunden setzte normalerweise das volle Wachbewusstsein wieder ein.
Doch diesmal war es anders.
Es kam nicht.
Sie richtete sich auf. Das noch vorhandene Tageslicht begann bereits blass zu werden, und die Frau nahm an, dass es später Nachmittag war. Die Bank, auf der sie gelegen hatte, stand am Rande eines ausgetretenen, lehmigen Pfades. Um sie herum entdeckte sie nichts, was zu ihr gehören könnte. Die Frau trug einen blauen und sauberen Hosenanzug und darüber einen langen Mantel. In ihrem Kopf pochte es. Sie rieb sich die Schläfen und strengte sich an, sich an irgendetwas zu erinnern.
Aber da war nichts.
Vorsichtig stand die Frau auf. Sie fühlte sich schwach. Als ihre Beine sie tragen sollten, begannen sie zu zittern. Aber sie wollte nicht an diesem Ort bleiben. Sie musste etwas Vertrautes oder zumindest einen anderen Menschen finden, um die Orientierung, besser noch ihre Erinnerung, wieder zu erlangen. Sie entschied sich dafür, dem Pfad in rechter Richtung zu folgen. Mit jedem Schritt kamen Kraft und Sicherheit in ihren Körper zurück. Wie lange hatte sie bloß auf dieser Bank geschlafen? An jeder Kreuzung oder Weggabelung entschied sie sich intuitiv für eine der möglichen Richtungen, denn nichts erschien ihr vertraut und nirgends entdeckte sie Anhaltspunkte, die ihr eine bestimmte Richtung aussichtsreicher erscheinen ließen.
So nahm sie mal den linken, mal den rechten und ein anderes Mal den geradeaus führenden Pfad. Nach einer Stunde war ihr immer noch niemand begegnet. Das Einzige, was sie begleitete, war das Gezwitscher der Vögel in den Wipfeln und das Rascheln der Blätter, die von einem leichten Wind in Bewegung gehalten wurden. Es begann schon dunkel zu werden, und sie hoffte inständig, rechtzeitig auf einen Menschen, eine Siedlung oder wenigstens auf eine Hütte oder dergleichen zu treffen, bevor sie überhaupt nichts mehr sah.
Die Frau sollte Glück haben, denn sie stieß bald auf eine kleine Abzweigung. Ein schmaler Nebenpfad führte vom Hauptweg ab durch eine Baumgruppe, hinter der sie eine kleine Lichtung vermutete. Von dort nämlich flackerte ein schwaches gelbes Licht zu ihr herüber. Also bog sie vom Hauptweg ab und steuerte darauf zu.
Tatsächlich erblickte sie hinter der natürlichen Palisade aus Bäumen eine kleine Lichtung, in deren Mitte eine einfache Blockhütte stand. Diese Hütte erinnerte sie an jene, die sie von Fotografien kanadischer Blockhütten kannte, und sie freute sich darüber, dass es wenigstens überhaupt etwas gab, an das sie sich erinnerte. So keimte in ihr die Hoffnung auf, dass ihr Erinnerungsvermögen nicht gänzlich abhanden gekommen war und sicher bald wieder einsetzen würde. Ein dünner Rauchfaden stieg aus dem Schornstein auf, und aus dem einzigen Fenster neben der Türe drang Licht. Jetzt erst bemerkte sie, wie hungrig und durstig sie war.
Als sie die Hütte erreichte, atmete sie einmal kräftig durch und klopfte an die Tür. Aus dem Inneren vernahm sie langsame und schlürfende Schritte. Die Tür wurde geöffnet, und sie stand einem alten Mann gegenüber, der bestimmt schon über 80 Jahre zählte. Zumindest war das ihr erster Eindruck, denn sein Gesicht war faltig und ledrig. Sein Haupt bedeckte schlohweißes, wenn auch volles, aber ungekämmtes Haar. Ferner zierte ihn ein ebenso weißer wie buschiger Schnurrbart, dessen Enden deutlich über seine Mundwinkel hinaus ragten. Was jedoch für einen so alten Mann eher ungewöhnlich erschien, waren seine Größe und seine Haltung. Er überragte sie um mindestens zwei Kopflängen, und er stand kerzengerade, so als stünde sein Körper in der Blüte seiner Kraft. Der Alte trug eine blaue Latzhose über einem rotkarierten Hemd, dessen Ärmel hochgekrempelt waren. Seine ganze Erscheinung strahlte Kraft und Vitalität aus.
Er begrüßte die Frau freundlich.
»Guten Abend. Welch später Besuch für den alten Hein. Kommen Sie! Kommen Sie doch herein.«
Ihre Unsicherheit verschwand, und ein Gefühl der Erleichterung breitete sich aus. Der alte Mann trat zur Seite, so dass sie die Hütte betreten konnte. Diese bestand nur aus einem einzigen großen Raum. An der gegenüberliegenden Wand war eine Anrichte mit einer großen Wasserschüssel darauf. Daneben stand ein alter und schwarzer, gusseiserner Ofen, in dem ein Feuer züngelte. Am linken Ende des Raumes stand ein Bett und zu ihrer Rechten, vor dem Fenster, stand ein einfacher rechteckiger Holztisch mit zwei Stühlen davor und einer Bank dahinter.