cover.jpg

Lena M. Brand & Elisa Schwarz

 

 

 

Herzfrequenz Vol. 2

David & Henry

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

 

© the authors

 

Cover: Irene Repp

http://daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Olena Yakobchuk – shutterstock.com

© kiuikson – fotolia.com

 

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-155-0

ISBN 978-3-96089-156-7 (epub)

Inhalt:

Ausgerechnet Henry? Das ist Davids erster Gedanke, als er nach einem One-Night-Stand Ausschau hält und der Barkeeper offensichtlich mit ihm flirtet. Trotz seiner Vorbehalte ist David fasziniert von Henry und kann ihm nicht widerstehen. Dumm nur, dass diese Nacht unter erschwerten Bedingungen stattfindet und die beiden viel zu schnell auseinandergehen müssen. Was tun?

Henry davon überzeugen, dass sie sich ein weiteres Mal treffen sollten. Ganz unverbindlich natürlich. Denn feste Beziehungen passen nicht in Davids Lebensplan.

Kapitel 1

David

 

Ich bin ruhelos, wie immer nach einer fast durchwachten Nacht. Von der Frühstücksbar meiner Küche aus lasse ich den Blick durch den offen gestalteten Wohnbereich schweifen. Nach wie vor dringt kein Geräusch durch die angelehnte Schlafzimmertür und ich schiele nervös auf die Uhr meines Smartphones. Mr. Ich-bring’s-die-ganze-Nacht könnte langsam mal aufstehen. Oh ja, Lars hat sein Versprechen wahr gemacht: Ich fühle mich durch und durch befriedigt und spüre die letzten Stunden in allen Knochen. Und wie alle One-Night-Stands durfte auch er bleiben. Ich halte nicht viel davon, meine Bettpartner direkt nach dem Sex rauszuschmeißen. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass Lars am nächsten Tag schläft wie ein Stein. Es gibt Leute, die arbeiten müssen. Okay, es ist Sonntag, normalerweise kein Anlass zur Eile, doch ich möchte endlich los und ich bin kurz davor, ihn zu wecken. An den Wochenenden ist es ruhig in der Steuerkanzlei, die beste Gelegenheit, dringende Mandantenanforderungen abzuarbeiten.

Ich bemerke, wie mein Bein nervös auf und ab wippt. Genervt von meiner Unruhe, versuche ich es still zu halten. In dem Moment wird die Tür aufgezogen. Bei dem Anblick, den mein Übernachtungsgast mir bietet, wird es umgehend eng in meiner Hose. Er ist splitterfasernackt. Sein dunkelblondes Haar ist zerzaust, hängt ihm halb vor den müde blinzelnden Augen. Demonstrativ lehnt er sich an den Rahmen, gähnt herzhaft und fasst sich in den Schritt.

„Morgen“, murmelt er. „Kommst du wieder zurück ins Bett?“

Automatisch ruckle ich mich auf dem Barhocker breitbeinig in Position, um meiner Erektion mehr Platz zu verschaffen, und mein Plan, heute noch in die Kanzlei zu fahren, löst sich in Luft auf. „Morgen. Möchtest du nicht erst mal einen Kaffee?“ Ich beiße mir auf die Wange, sehe mich schon wieder in meinem Bett. Mit ihm.

„Total gern. Darf ich das Bad benutzen?“

Mann! Ich hätte nicht fragen sollen, das dauert viel zu lange. Ich will ihn jetzt. Sofort! Gut, er läuft nicht weg, das muss reichen. „Ja, geh duschen, ich mach dir den Kaffee dann frisch.“

„Und danach?“

Süffisant grinse ich ihm entgegen. Er lacht, versteht den Wink.

„Aber dass eines klar ist, bis heute Abend bist du verschwunden.“

„Kommt dein Freund von einem Wochenendseminar nach Hause?“ Spott klingt in seinen Worten mit und ein Dolch bohrt sich tief in mein Herz. Wortlos schüttle ich den Kopf. Nein, er ist und war nie mein Freund – dafür aber mein bester. Philipp hat eine Liebe und wohnt in Düsseldorf, mit genügend Abstand zu mir nach Köln. Besser für uns. Und es ist gut, wieder eine Wohnung ganz für mich allein zu haben. Ungeahnte Freiheiten haben sich dadurch ergeben.

„Vielleicht solltest du doch bleiben“, rufe ich meinem Gast hinterher. „Aber morgen früh muss ich um fünf raus.“

Lars guckt um die Ecke der Badezimmertür. Die Leichtigkeit und Lust sind aus seinem Gesicht verschwunden. Er mustert mich und klopft nachdenklich mit der flachen Hand an den Rahmen. „Nichts für ungut, David, aber ich steh echt nicht auf Wiederholungen von One-Night-Stands. Daraus entwickeln sich meist komplizierte Geschichten, die ich nicht gebrauchen kann.“

Perplex sehe ich ihn an, während er die Schultern entschuldigend nach oben zieht und erneut aus meinem Blickfeld verschwindet. Das war ein astreiner Korb. Doch seine Ansage lässt mich erschreckend kalt. Nicht einmal mein gerade aufgeflammtes Verlangen ebbt ab. Im Gegenteil: Jetzt weiß ich wieder, warum meine Wahl gestern Abend im Club ausgerechnet auf Lars gefallen ist. Der tickt wie ich. Er will Spaß haben, sich keine Verpflichtungen ans Bein binden.

Gedankenverloren drehe ich meine Kaffeetasse in den Händen und lausche den Geräuschen aus dem Bad. Der Toilettendeckel klappt, die Spülung rauscht, Wasser plätschert ins Waschbecken. Ich höre Schubladen ratschen und Schranktüren zufallen. Sicher hat er nun gefunden, was er sucht: ein frisches Handtuch. Ein paar Sekunden ist es still, dann wird die Dusche angestellt.

Mit jeder Minute, die ich hier sitze, steigert sich meine Lust. Fest greife ich mir in den Schritt. Verdammt will ich sein, wenn ich meine Chance auf eine weitere Runde mit Lars nicht nutze! Er wird mein Appartement erst verlassen, wenn wir beide nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Hastig gleite ich vom Hocker, nehme einen weiteren Schluck Kaffee und spucke ihn angewidert in die Spüle. Meine Hand krampft sich zur Faust und ich presse die Kiefer aufeinander. Das ist alles Philipps Schuld! Früher habe ich Kaffee sogar eiskalt getrunken. Aber mein bester Freund und seine nicht diskutable Einstellung zu Lebensmitteln haben es mir vermiest. Er schwört auf Frisches! Ganz egal, ob es darum geht, was auf dem Teller liegt oder darum, was sich in der Kaffeetasse befindet.

„Nicht an Philipp denken, nicht in etwas hineinsteigern, was vorbei und abgehakt ist“, mahne ich mich und trinke auch noch den Rest der kalten Brühe. Bereuen tue ich es noch in derselben Sekunde. Ich muss mir nichts beweisen.

„David? Brauchst du eine Extraeinladung?“

Ertappt wirble ich herum, doch die Tür zum Bad ist nach wie vor geschlossen. Ich lausche, aber es folgt kein weiterer Ruf. Kurzerhand greife ich an meinen Gürtel und überbrücke die Distanz zum Badezimmer. Noch bevor ich die Klinke herunterdrücke, trete ich die Hose von meinen Beinen und versuche, mit einer Hand die Knöpfe meines Hemds zu öffnen.

 

~~~

 

„Hier. Der Letzte für heute.“ Der Barkeeper schiebt mir einen Whisky über den Tresen und stößt mit seinem Glas gegen meines. „Schließzeit. Endlich Feierabend!“ Dabei sieht er mich fragend an. „Und du? Bist du immer am Arbeiten?“

„Ich verstehe nicht.“

„Du sitzt jeden Sonntag hier in meiner Bar. Stets akkurat gekleidet.“

„Letzte Woche war ich nicht da.“ Lars hatte mich wunderbar abgelenkt vom Alltagsstress.

„Stimmt, ich habe mich schon gewundert“, erwidert er und zwinkert mir zu. „Aber das war auch das erste Mal seit … Wie lange? Einem halben Jahr?“

„Klär mich mal auf, ja?“, hake ich brummelig nach. „Was genau stört dich? Dass ich hier sitze oder dass ich einen Anzug anhabe, während ich hier sitze?“

„Nichts von beidem. Ich mag deine Gewohnheit, jeden Sonntag hier aufzutauchen. Zudem steht dir der Anzug. Siehst sexy darin aus.“

„Ach!“

„Aber es deutet auch darauf hin, dass du mit deiner Arbeit verheiratet bist. So lernt man keinen Mann kennen.“

„Wer sagt denn, dass ich einen kennenlernen will?“

„Nicht?“ Eindeutig fragend fixiert er meinen Blick. „Viele einsame Seelen, die in Bars sitzen und bis zur Schließzeit ausharren, wünschen sich das.“

„Ich gehöre nicht dazu.“ Gut, er muss es wissen. Tagein, tagaus bekommt er vermutlich die seltsamsten Typen zu sehen und die haarsträubendsten Geschichten erzählt. „Ich ficke, wenn ich ficken will. Und ich habe auch keine Probleme, jemanden für mein Bett zu finden. Alles andere ist mir zu anstrengend.“

Lächelnd hält mir der Barkeeper seinen Drink hin und diesmal stoßen wir richtig an. Heute hat mir kein Lars einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie letzten Sonntag, als er mich von der Arbeit, entsprechend auch von meinem Feierabenddrink in dieser Kneipe abgehalten hat. Gut so. Sehr gut, vor allem, wenn ich mir den Barkeeper betrachte.

„Sven“, stellt er sich vor und leert sein Glas in einem Zug. „Warte kurz, ich mache vorn dicht. Dann können wir weiterreden.“

Reden? Ich spreche vom Vögeln und er will reden? Ich drehe den Tumbler in den Händen, bis die goldbraune Flüssigkeit rotiert, und sehe Sven hinterher. Er ist breitschultrig und massig. Sein T-Shirt spannt über den Oberarmen, sein Arsch füllt die dunkle Jeans optimal aus. Er wirkt durch und durch trainiert und kräftig. Die Glatze steht ihm. Vermutlich ist er jünger als ich. Größentechnisch überragt er mich wahrscheinlich auch. Ich setze das Glas an die Lippen und beobachte ihn über den Rand hinweg, als er zu mir zurückkehrt. Er läuft genauso langsam, wie der Whisky meine Kehle hinabrinnt. Ein warmes Kribbeln breitet sich bis in meine Fingerspitzen aus. Sein Blick liegt fest auf mir. Wir wissen beide, was jetzt folgt. Nur, wer hinhalten muss, wird sich erst in den nächsten Sekunden klären. Seit Philipp gab es keinen Mann mehr, der mich nehmen durfte. Gut, da ist noch Stefan, mein Chef, und Kilian durfte ebenfalls ran, aber … sie kommen nicht an Philipp heran.

Wie immer sticht es. Ich kann es nicht lassen, mich mindestens einmal täglich mit einem Gedanken an ihn zu geißeln. Unbeholfen reibe ich mir über die Brust.

Mein Schwanz steht dennoch wie eine Eins, als sich Sven zwischen meine Beine stellt, mich am Hintern packt und mit einem Ruck an seinen Unterleib zieht. „Und wie heißt er jetzt, der einsame Anzugträger?“

Gott verdammt, mir ist heiß. Allein sein Blick verrät mir, dass er sich mir nicht passiv hingeben wird. „David.“ Aus Mangel an Luft lockere ich die Krawatte und greife fest an Svens Nacken. Vorstellungsrunde beendet. „Du willst mich also ficken?“

Irgendwie ist der Gedanke befreiend. Hätte mich jemand gefragt, was ich mir wünsche, wäre meine Antwort mit Sicherheit eine andere gewesen. Doch nun greife ich auffordernd in seinen Schritt. Hinzuhalten heißt nicht, das Kommando abgeben zu müssen. Was ich zu fassen bekomme, ist nicht zu verachten. Perfekt. „Dann mach es mir. Und mach es gründlich.“

Kapitel 2

Henry

 

Ich greife zum Duschbad und schäume mein Haar ein, mache automatisch mit meinem Körper weiter. Befreie mich gründlich von Schweiß, Rauch, Alkohol, dem klebrigen Sirup und allem, was sonst noch berufsbedingt nach einer langen Nachtschicht an mir haftet. Müde lehne ich die Stirn an die Fliesen und schließe für einen Moment meine brennenden Augen, während das Wasser den Schaum von mir spült. Mein Gehirn ist wie leer gefegt. Im Queenz war es voll, stimmungsgeladen und zwischendurch ziemlich heiß. Das warme Maiwetter macht gute Laune. Heute Nacht wollte alle Welt bei uns im Club feiern und tanzen und vor allem an der Bar Cocktails trinken. So viele Getränke habe ich an einem Donnerstag schon lange nicht mehr gemixt und über die Theke geschoben. Meine Beine sind schwer wie Blei, meine Arme müde und kraftlos. Ich bin gern Barkeeper, trotzdem war ich froh, als Eik, unser Sicherheitsmann, um sechs endlich den letzten Besucher vor die Tür gesetzt hat. Mein Trinkgeld war nicht zu verachten. Und ich brauche jeden Cent, um mir meine eigene kleine Wohnung leisten zu können, denn Düsseldorf ist ein teures Pflaster.

Noch einmal kontrolliere ich, ob die letzten Shampoo-Reste aus den widerspenstigen Locken gespült sind, bevor ich das Wasser abdrehe und nach dem Handtuch greife.

Die Sonne strahlt durch das Badezimmerfenster und lässt die Staubpartikel über dem kleinen Duschvorleger tanzen. Vermutlich sollte ich mal wieder saugen, aber gerade gibt es nur eine Sache, die mir wichtig ist: mein Bett. Ich gähne wiederholt, trockne mich ab und schaffe es gerade noch so, das Handtuch über einen Stuhl zu schmeißen, bevor ich mich in die Kissen fallen lasse. Ein Blick auf den Wecker sagt mir, dass es acht Uhr ist und somit in zwölf Stunden meine nächste Schicht beginnt.

 

~~~

 

Das penetrante Klingeln meines Handys reißt mich aus dem Tiefschlaf. Oh Mann, wer zur Hölle ist das? Ich kriege kaum meine Augen auf und könnte mich selbst in den Hintern treten, weil ich vergessen habe, das Telefon vor dem Einschlafen auszuschalten. Ich blinzle und taste nach dem Übeltäter, doch der Ton verstummt. Ohne nachzuschauen, wer mich gerade erreichen wollte, drehe ich mich noch einmal um und versuche, wieder einzuschlafen. Doch wenige Minuten später, als es erneut losbimmelt, gebe ich mich geschlagen und nehme den Anruf entgegen.

„Was gibt’s?“, fahre ich den unliebsamen Anrufer an.

„Henry?“ Kilians volle Bassstimme dröhnt mir entgegen. „Was ist denn mit dir los?“

„Du hast mich geweckt.“ Ich richte mich langsam auf, reibe mir über die Augen und werfe einen Blick in Richtung Wecker: Immerhin kann ich sechs Stunden Schlaf verbuchen.

„Mal wieder eine lange Nacht gehabt?“ Der süffisante Unterton ist nicht zu überhören. Wenn Kilians Fantasie eines ist, dann dreckig. Ich glaube, viel mehr als Sex hatte er in den letzten Monaten nicht im Kopf. Noch schlimmer als früher. Seitdem David nach Köln abgehauen ist, hat mehr oder weniger die gesamte schwule Bevölkerung im Einzugsgebiet Düsseldorfs von Kilians Unersättlichkeit profitiert. Mich eingeschlossen. Kilian ist immer für schnellen, unkomplizierten Sex zu haben. Perfekt und befriedigend für mich. Was will ich mehr? Und wenn er mal keine Zeit hat, habe ich eine Handvoll ausgewählter Männer, die mich gern wiedersehen wollen. Mit Wildfremden kann ich nichts mehr anfangen. Früher war das anders, aber meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass ich mehr davon habe, wenn ich den anderen kenne. Ich mag Vertrautheit.

„Ja, ich hab ’ne lange Nachtschicht hinter mir, falls du das meinst“, gehe ich schmunzelnd auf Kilians Frage ein.

„Oh, ach so …“ Jetzt klingt er ein bisschen enttäuscht.

„Was gibt’s denn?“

„Ach, ist nicht so wichtig.“

„Und wegen ‚nicht so wichtig‘ weckst du mich?“ Ich schlage die Decke zurück und setze mich auf, lehne mich an das Kopfteil des Bettes.

„Vergiss es einfach. Begleitest du mich heute Abend ins McLaughlins?“

„Tut mir leid, geht nicht. Ich muss arbeiten – wie immer.“ Meine Stimme trieft vor Ironie. Kilian kennt mich lange genug, das sollte er wissen.

„Schade. Magst du danach noch zu mir kommen?“, schlägt er vor, wieder mit diesem anzüglichen Ton.

Warum eigentlich nicht? Lust auf ihn hätte ich durchaus. „Wenn du bis dahin nicht anderweitig beschäftigt bist“, gebe ich zu bedenken. Kenne ich ihn doch auch ganz gut.

„David ist am Wochenende in der Stadt.“

„David?“, hake ich nach, obwohl ich den Namen genau verstanden habe. Aber seit Monaten haben wir nichts von ihm gehört. Das ist also der Grund für Kilians Anruf. Ich habe geahnt, dass irgendetwas in der Luft liegt, wenn er sich so früh bei mir meldet.

„Ja, David!“, bellt Kilian ins Telefon. „Du weißt schon, etwas kleiner als ich, braunes Haar, grüne Augen, eine Granate im B...“, abrupt unterbricht er sich.

Ich atme tief durch. „Also hast du mich seinetwegen aus dem Bett geschmissen?“

„Ja, irgendwie schon“, gibt er zu meiner Verblüffung nach kurzem Zögern zu.

Okay, Kilian will reden. Über David! Es kommt ja selten genug vor, dass er sein Herz ausschüttet. „Bist du etwa immer noch nicht über ihn hinweg?“

„Natürlich bin ich über ihn hinweg!“, plärrt er und ich halte das Handy ein Stück von meinem Ohr weg.

„Na dann ist es ja gut.“

„Er ist heute Abend bei Liams Gig.“

Ich muss unwillkürlich grinsen. Liam ist ein verliebter Träumer. Anscheinend hofft er immer noch, dass David und Kilian sich irgendwann finden. Geschickter Schachzug, David zum Gig einzuladen, wo er doch weiß, dass Kilian regelmäßig zu seinen Auftritten geht. Und so langsam dämmert mir, warum Kilian mich dabei haben wollte: Ich sollte offenbar sein Händchen halten. „Und? Gehst du hin?“

„Nee, ich hab keinen Bock.“

„Okay“, sage ich gedehnt. „Wegen David?“

„Ja, nein … vielleicht.“

„Warum probierst du es nicht? Geh doch hin, David wird dir weder den Kopf abreißen noch die kalte Schulter zeigen. Plaudere ein wenig mit ihm und komm anschließend zu mir in den Club“, schlage ich ihm vor. „Es sind Monate vergangen, seit ihr zwei miteinander geschlafen habt. Irgendwann müsst ihr doch wieder normal miteinander umgehen.“

„Hm, mal sehen.“ Sehr überzeugt klingt er nicht und für einen Moment wird es still in der Leitung.

Ich lege mich zurück und ziehe die Decke wieder über mich. Die Müdigkeit steckt mir immer noch in den Knochen. „Ich sollte wirklich noch ’ne Runde pennen.“

Er lacht auf, scheint wieder ganz der Alte zu sein. „Mach das, damit du später fit bist.“

„Ja, ja. Vergiss mich nicht heute Nacht!“, verabschiede ich mich von ihm und grinse noch breiter als zuvor.

Statt wieder einzuschlafen, fliegen meine Gedanken zu David. Seine Aktion vor über einem Jahr, als er mich nach meiner Nacht mit Philipp unsanft auf die Straße gesetzt hat, war fies, daran habe ich lange geknabbert. Denn ich hätte Philipp schon gern wiedergesehen, weil ich seine ruhige, beständige Art mochte, aber mir fehlten die Argumente und der Mut, mich in ihre Freundschaft zu drängen und mich somit gegen David zu stellen. Liam besaß da wesentlich mehr Ehrgeiz. Vermutlich hatte er mir auch einfach voraus, dass er sich Hals über Kopf in Philipp verliebt hatte und sich deswegen nicht vertreiben lassen wollte.

Bei dem Gedanken an ihn muss ich unwillkürlich grinsen. Liam tut Philipp verdammt gut. Sie passen toll zusammen. Mit ihm habe ich zudem einen wertvollen Freund hinzugewonnen.

Ich erinnere mich noch genau an die total verrückte Nacht, in der ich das erste Mal mit Liam zu tun hatte. Kilian und ich haben David aus der Wohnung gezerrt, um Liam den Weg zu Philipp zu ebnen. Das war auch die Nacht, in der Kilian seinen heißersehnten Fick mit David bekommen und mich dafür in den Wind geschossen hat. Wenige Tage später war der dann aus Düsseldorf verschwunden. Pech für Kilian. Schlimm für Philipp. Gut für Liam.

Ich presse die Lippen zusammen und entlasse die Luft aus meinen aufgeplusterten Wangen. Nach Monaten kommt David also zu Besuch nach Düsseldorf. Wegen Philipp ging es ihm ja letzten Herbst ziemlich mies. Wie es ihm wohl inzwischen geht?

Ich schüttle den Gedanken an ihn ab. Wie auch immer, ich muss noch mal schlafen, damit ich die nächste Schicht überstehe. Und wenn Kilian mich danach noch mit nach Hause nehmen will, dann erst recht. Ich drehe mich auf den Bauch und schließe die Augen. Umsonst. Erneut fängt mein Handy an zu bimmeln und ich verfluche Kilian.

„Was gibt’s denn jetzt noch?“, motze ich in den Hörer.

„Äh, Henry?“ Die Fragezeichen in Liams Stimme sind nicht zu überhören. Ich atme mehrmals tief durch und versuche mich zu beruhigen. „Alles klar bei dir?“, hakt er nach. „Hab ich dich etwa geweckt?“

„Ja, hast du“, knurre ich zurück. „Bist aber nicht der Erste heute.“

„Das tut mir echt leid. Soll ich später wieder anrufen?“ Liam klingt kleinlaut und gleich tut es mir leid, ihn so angegiftet zu haben.

„Schon okay. Was gibt’s denn?“

„Eigentlich wollte ich nur fragen, ob du Lust und Zeit hast, heute Abend bei meinem Gig dabei zu sein? David kommt seit Langem mal wieder aus Köln und Kilian hat sich auch angekündigt und ich dachte, wir könnten uns alle zusammen einen schönen Abend machen. Es ist jetzt schon so lange her, seitdem …“ Schon wieder David. Genervt rolle ich die Augen. David kommt und ganz Düsseldorf steht Kopf, oder was?

„Seitdem David mich aus der Wohnung gejagt hat?“, beende ich seinen Satz. „Oder seitdem Kilian David mir vorgezogen hat?“ Einen Augenblick lang ist es still in der Leitung.

„Tut mir leid, war eine blöde Idee.“ Er klingt ziemlich betreten. „Es ist nur … ich fände es toll, wenn wir wieder alle miteinander klarkämen.“

„Lass mal gut sein. Es kann nicht immer alles perfekt sein. Außerdem hab ich David schon längst verziehen. Das Ganze ist ewig her. Sieh es doch mal positiv: Wenn er nicht gewesen wäre, wer weiß, was dann aus Philipp und mir geworden wäre.“

Liam lacht leise. „Dafür bin ich ihm auch ewig dankbar.“

„Und was Kilian und David angeht: Die zwei werden sich auch wieder einkriegen, aber das müssen sie unter sich ausmachen“, spreche ich ihm Mut zu.

„Hm … du hast ja recht. Also, würdest du heute Abend kommen?“

„Ich kann nicht, ich muss arbeiten. Das habe ich Kilian eben schon gesagt. Ist schon ein starkes Stück, dass ihr alle meine Arbeitszeiten vergesst, kaum, dass David in euren Köpfen herumspukt.“

„Oh … Jetzt machst du mir ein schlechtes Gewissen. Sorry. Tut mir echt leid.“

„Schon okay.“ Liam kann schon echt süß sein.

„Super.“ Sein erleichtertes Aufatmen dringt durch den Hörer. „Vielleicht ein anderes Mal.“

„Ja, bestimmt. Bis dann, Liam. Dir viel Erfolg heute Abend.“

„Danke. Wir hören uns bald.“

Ich lasse mein Handy sinken und denke kurz über einen weiteren Versuch nach, die Augen zu schließen, aber mein Magen knurrt verdächtig. Lernen muss ich wohl oder übel in den nächsten Stunden auch noch. Das Semester befindet sich in der Endphase. Studieren und arbeiten gleichzeitig ist stellenweise ganz schön anstrengend. Wie gut, dass ich die beiden kommenden Wochenenden frei habe. Da werde ich mich ganz und gar meinen Büchern widmen und mir jegliche Ablenkung verbieten. Aber heute Nacht werde ich Kilians Bitte nachkommen. Der Gedanke beflügelt mich und ich springe gut gelaunt aus dem Bett.

Kapitel 3

David

 

Mitten in der Fußgängerpassage, direkt vor dem McLaughlins, bleibe ich stehen und lege den Kopf in den Nacken. Alles ist wie immer. Nicht einmal die Tatsache, dass über Düsseldorf genauso wenige Sterne am Himmel leuchten wie über Köln, hat sich geändert. Ich ziehe den Kragen meiner Jacke ein wenig höher, beginne plötzlich zu frösteln. Obwohl tagsüber langsam sommerliche Temperaturen herrschen, sind die Nächte noch empfindlich kalt. Eigentlich mag ich diese Jahreszeit, ich kann mich so gut mit ihr identifizieren. Sie ist so halb … So halb, wie ich mich seit Monaten fühle. Ich atme tief durch und versuche, meine aufkommende Nervosität zurückzudrängen.

Ertappt zucke ich zusammen, als mein Handy in der Hosentasche vibriert, und sehe zum Pub. Die Nachricht kann nur von Philipp sein. Ich bin verdammt spät dran. Habe noch lange im Büro gesessen und mit mir gehadert, überhaupt herzufahren.

Die Entscheidung, mir in Köln ein neues Leben aufzubauen, bereue ich keine Sekunde. Nur Philipp fehlt mir. Schnell entsperre ich den Bildschirm und lese die eingegangene Nachricht.

Wo bleibst du?

„Bin schon da, mein Lieber“, nuschle ich und schiebe das Smartphone zurück in die Hosentasche. Gönne mir einen letzten tiefen Atemzug der Düsseldorfer Luft, die ich von Kindesbeinen an eingeatmet habe, und ziehe die schwere Holztür auf. Rauchschwaden und Stimmengewirr schlagen mir entgegen. Die Bar ist wie immer voll, ein Magnet für Studenten und generell für Musikbegeisterte. Beinahe täglich spielen unbekannte Musiker auf der kleinen Bühne, deren Repertoire in der Regel hörenswert ist. Auch Liam hatte hier erstmals die Chance bekommen, sich zu beweisen und von seiner Musik zu überzeugen. Seit einigen Monaten ist der Freitag sein Abend. Er hat es sich redlich verdient. Philipp ist vor Stolz beinahe geplatzt, als er mir das erzählt hat. Doch von Liam höre ich gerade nichts. Eine mir unbekannte Band tönt durch die Lausprecher und beschallt den Raum. Ist sein Gig schon zu Ende?

Ich bahne mir einen Weg durch die vollen Gänge und suche die Tische ab. Nach dem dritten Rundumblick sehe ich direkt in Philipps Augen. Er zieht seine Mundwinkel nach oben, sein Blick nimmt mich gefangen und mir wird warm ums Herz. Gleich darauf sagt er etwas zu Liam, der direkt neben ihm sitzt. Auch dieser sieht nun auf und versucht sich an einem Lächeln, das seine Augen aber nicht ganz erreicht. Er gibt sich Mühe. Und genau das tue ich auch. Für Philipp!

Ich straffe die Schultern, dränge mich an ein paar Leuten vorbei und mir wird noch ein Stück wärmer, als Philipp aufsteht und mir die letzten Schritte entgegenkommt. Er legt die Arme um mich und drückt mich fest an sich. „Mann, ich bin so froh, dass du endlich da bist.“

Ich weiß genau, was er meint. Viele Monate habe ich Düsseldorf gemieden, Philipp musste zu mir nach Köln kommen. Was leider nicht so oft geklappt hat, wie wir uns das gewünscht hatten.

Sein Geruch hüllt mich ein und ich erwidere die Umarmung. „Tut mir leid, es ging nicht eher“, beantworte ich seine Aussage absichtlich falsch, „ich war noch im Büro und natürlich gab es Stau unterwegs.“

Philipp lässt mich los und tritt einen Schritt zurück, um mich ansehen zu können. Seine Umarmung war, wie sie sein sollte: rein freundschaftlich. Ich kann nicht mal mit Gewissheit sagen, ob ich mir mehr gewünscht hätte. „Ich dachte schon, du hast es dir in letzter Sekunde anders überlegt. Liams Gig ist schon zu Ende.“

„Allem voran bin ich deinetwegen hier, auch wenn ich versprochen hatte, heute in den Pub zu kommen.“

Philipp nickt verhalten. Versteht er mich? „Komm, sag den beiden ‚Hallo‘. Kilian ist auf dem Sprung und Liam freut sich, dich wiederzusehen. Er hat seine Instrumente in jeder freien Ecke der Wohnung verstaut, damit du dein ehemaliges Zimmer nutzen kannst, falls du doch bei uns übernachten möchtest.“

Ich schüttle den Kopf, so weit bin ich noch nicht. Mit ihrer Beziehung komme ich klar, aber ich will nicht bei ihnen schlafen. Auch Kilian wäre ich gern noch eine Weile aus dem Weg gegangen. Dennoch lasse ich mich von meinem besten Freund mitziehen und drücke im Gehen einen Kuss auf seine Schläfe. „Wir haben darüber gesprochen, mein Lieber. Ich werde mich nicht umentscheiden“, murmle ich, sodass er es gerade noch hört, bevor wir am Tisch ankommen. Der Blick, den er mir zuwirft, spricht Bände. Eine Antwort erspart er uns.

„Hey, David.“ Liam umarmt mich kurz und ich erwidere den knappen Gruß.

„Schade, dass ich deinen Gig verpasst habe.“ Und das meine ich ehrlich. Liam spielt fantastisch, nur war ich zu feige, um meinen Hintern rechtzeitig hierher zu bewegen.

„Halb so wild.“ Er winkt ab, wirkt nach dem bisschen Small Talk gleich ein wenig lockerer. „Es ist nur blöd, dass ihr jetzt gar keine Zeit hattet, ein wenig zu plaudern.“

„Nicht?“

„Na ja … eigentlich haben wir schon gezahlt und …“ Liam druckst rum und bricht ab, als er merkt, dass ich über seine Schulter zu Kilian sehe. Dieser kann meinem Blick kaum standhalten und erhebt sich nur langsam, seine Augen huschen von links nach rechts.

„Hey.“ Zögernd hält er mir seine Hand entgegen, die ich mit gleichem Zögern ergreife, um dann auch ihn in eine Umarmung ziehe. Es ist an der Zeit, Vergangenes hinter uns zu lassen. Ich hoffe, er hat die letzten Monate ebenfalls genutzt und sich Gedanken gemacht. Vor allem hoffe ich, er hat seinen irrsinnigen Wunsch, mit mir eine Beziehung eingehen zu wollen, aufgegeben.

„Geht es dir gut?“ Forschend sehe ich ihm ins Gesicht. „Mit dir habe ich heute Abend gar nicht gerechnet.“

Ich erhalte ein Nicken, gleich darauf ein „Ja, alles bestens!“ als Antwort. „Wir sind gerade im Aufbruch. Hast du Lust, noch was trinken zu gehen?“

Zweifelnd betrachte ich Philipp und Liam, die in einem Kuss versinken. Eigentlich hatte ich gehofft, hier noch den Abend mit Philipp ausklingen lassen zu können. Er ist der Grund, weshalb ich überhaupt in Düsseldorf bin. Meine Hoffnung schwindet allerdings, als die beiden sich gleichzeitig zu mir drehen und ihre Finger verflochten haben. „Wir möchten gern nach Hause. Ich hatte gehofft, dich doch noch überreden zu können, bei uns zu schlafen.“ Sein Blick hält meinen gefangen, Liebe spricht daraus, dennoch sieht er zerknirscht aus. Als hätte er nun ein schlechtes Gewissen mir gegenüber. „Liam muss morgen früh arbeiten und meine Schicht steckt mir in den Knochen. Es tut mir echt leid, David, aber ich bin fix und alle.“

„Ist okay“, versichere ich schnell, obwohl ich es schon schade finde. Ich bin gerade erst angekommen und soll bereits jetzt auf meinen besten Freund verzichten. Allerdings verstehe ich Philipp nur zu gut. Als Küchenchef und Teamleiter im Squisito, einem der exquisitesten Düsseldorfer Cateringunternehmen, übernimmt er sich bei seinen Arbeitszeiten des Öfteren. Aber mir kommt der Gedanke, dass er in diesem Fall seine Schicht als vorgeschobenen Grund nutzt, sich aus der Affäre zu ziehen. Jetzt zu viert um die Häuser zu ziehen, liegt ihm überhaupt nicht. Daran kann auch die Beziehung zu seinem sozial geprägten Freund nichts ändern.

„Wollt ihr vielleicht noch auf ein Bier mitkommen? Kilian und du? Und danach erst weiterziehen?“

Ich schüttle den Kopf und mir gelingt sogar ein Lächeln. „Lass uns das auf morgen verschieben“, antworte ich, noch bevor Kilian es tun kann. „Es rennt uns ja nicht weg und wir haben den Samstagabend für uns. Ein Grund mehr, mich auf morgen zu freuen, wenn ich heute schon nichts von dir habe.“

Philipps Augen glitzern verräterisch und er kaut sich wie so oft die Innenseite seiner Wange wund. „Du hast recht“, stimmt er widerwillig zu. „Wir sehen uns morgen. Und ich habe auch schon eine Idee, wo wir hingehen werden. Wo schläfst du eigentlich? Bei deiner Mutter?“

„Ich habe mir ein Hotelzimmer gebucht.“ Die Option, zurück nach Köln zu fahren, bestünde natürlich auch. Aber auf die nächtliche Fahrerei hatte ich wenig Lust. Und bei Monika habe ich keine Nacht mehr verbracht, seit ich ausgezogen bin. Sie würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie von meinem ausschweifenden Lebensstil Kenntnis bekäme. Und jetzt, da ich weiß, dass der Abend anders verläuft als gewünscht, werde ich mir vielleicht noch einen netten Ausklang suchen – Sex ist ein guter Weg, anstrengende Arbeitswochen hinter mir zu lassen. Möglicherweise werde ich das Hotelzimmer heute nicht mehr beziehen. Je nachdem, was sich ergibt.

Philipps Blick hält mich gefangen, als könne er meine Gedanken lesen. Genauso wie ich weiß, dass er nicht zu müde ist, um mit mir noch wegzugehen, ahnt er vermutlich, dass ich heute noch nach unverbindlichem Sex suchen werde.

„Wir sehen uns morgen“, verabschiede ich mich letztendlich. „Viel Spaß in eurer Liebeshöhle.“

Liam schnappt nach Luft, während Philipp neben ihm schmunzelt. Beiden lege ich die Hand auf die Schulter, drücke erst Liam, dann meinem besten Freund einen Kuss auf die Wange. „Ich werde mit Kilian was trinken gehen. Wir haben uns auch lange nicht gesehen.“ Über Liams Schulter hinweg mustere ich meinen damaligen Kumpel und komme nicht umhin, mich auf ein paar Stunden mit ihm zu freuen. Es war immer unbeschwert mit ihm zu feiern. Vielleicht kann es wieder so werden.

Nach der Verabschiedung sehe ich den beiden Turteltauben hinterher. Sie bahnen sich einen Weg durch die engen Gänge und ich nehme aus dem Augenwinkel heraus wahr, dass Kilian sich neben mich gestellt hat.

„Sie tun sich gut.“ Zeitgleich mit seinen Worten zieht er die Schultern nach oben, als wäre es für ihn genauso unverständlich wie für mich damals. „So, und nun? Hast du schon eingecheckt oder willst du das noch machen, bevor wir losgehen?“

„Nein, später. Die Rezeption ist rund um die Uhr besetzt. Was hast du geplant?“

„Eigentlich wollte ich ins Queenz. Aber … wir könnten auch zu mir.“

Langsam wende ich den Kopf, sehe, wie er schluckt.

„Keine gute Idee“, interpretiert er meinen Blick und ich erwidere nichts. Die lebhafte Erinnerung an unsere gemeinsame Nacht ist genauso präsent wie die monatelange Funkstille danach. Allerdings kann ich sein Angebot gerade nicht einschätzen. Möchte er einfach nur einen guten Fick wiederholen oder verspricht er sich doch wieder mehr? Auf beides habe ich keine Lust. Eigentlich weiß Kilian auch, dass ich kein Wiederholungstäter bin.

„Abwarten, was sich ergibt“, mildere ich meinen Seitenblick ab. „Also ins Queenz?“

„Ja, Henry freut sich immer über ein wenig Gesellschaft an der Bar, auch wenn er alle Hände voll zu tun hat. Außerdem …“

Henry arbeitet dort! Das hatte ich komplett verdrängt, eine Ahnung macht sich in mir breit. „Außerdem“, ergänze ich Kilians Satz, „habt ihr seinen Feierabend bereits verplant. Wieso fragst du mich überhaupt, ob ich mit zu dir komme? Dann ist doch alles klar. Du nimmst Henry mit und ich werde anderweitig fündig. Und wenn nicht, geht die Welt auch nicht unter.“ Ich rolle spaßeshalber mit den Augen und stupse Kilian mit der Schulter an. Er beißt sich auf die Unterlippe, grinst und erspart uns eine Antwort. So kenne ich ihn, es ist befreiend, so ungezwungen mit ihm umgehen zu können.

Dass Kilian und Henry häufiger das Bett teilen, wusste ich schon, als ich noch in Düsseldorf gewohnt habe. Irgendwann fing es an. Erstaunlich jedoch, dass es immer noch anhält. Und eine Erinnerung steigt in mir auf: Henry und Kilian wollten die Nacht, in der ich mit Kilian das erste und einzige Mal geschlafen habe, ursprünglich miteinander verbringen. Deswegen hat Henry auch wie eine Klette an uns gehangen. Allerdings sind wir nur zu zweit in Kilians Penthouse gelandet, wo Henry plötzlich abgeblieben war, habe ich nicht mitbekommen. Verdammt will ich sein, wenn ich ihm eine weitere Verabredung mit Kilian streitig mache. Ob er mir das verziehen hat, weiß ich nicht, ebenso entzieht sich meiner Kenntnis, wie er nach der Sache mit Philipp über mich denkt.

„Lass uns fahren“, fordere ich Kilian auf und bin sagenhaft erleichtert, dass mir die spätere Auseinandersetzung mit ihm erspart bleibt. Henry geht mit Kilian heim, Punkt.

 

~~~

 

Im Queenz dröhnt der Bass und übertönt damit sämtliche Nebengeräusche. Ich schiebe mich vor Kilian die spärlich beleuchteten Stufen zur Bar hinauf. Ein schwieriges Unterfangen. Der Laden ist gerammelt voll. Mein Hemd klebt jetzt schon an meinem Körper und während ich mich nach oben kämpfe, knöpfe ich es weiter auf, löse die Manschetten und kremple die Ärmel hoch. Hier drinnen steht die Luft. Zudem streift Kilians warmer Atem immer wieder über meinen Nacken. Mich stört es nicht. Ganz im Gegenteil: Kilian riecht gut. Der Duft seines Rasierwassers zieht mir in die Nase, und auch sein fester Körper, den ich immer wieder an meinem Rücken spüre, ist angenehm. Ich erinnere mich sehr gut an seine warme, glatte Haut und die ausgeprägte Muskulatur. Beinahe schade, dass er Henry bereits zugesagt hat, ihn mit nach Hause zu nehmen, aber eigentlich auch besser so. Kein zweites Mal, das ist meine Devise. Und es erspart uns ein nächstes Desaster. Vollkommen ausreichend, dass monatelang Funkstille geherrscht hat, obwohl wir früher so gut miteinander klarkamen. Hier mit ihm zu sein, ist doch ein guter Anfang, Vergangenes ruhen zu lassen. Oben angekommen, drängt mich Kilian mit der Hand an meiner Hüfte direkt nach links. Tuchfühlung? Will er die Zeit bis zu Henrys Feierabend überbrücken?

„Dort hinten“, schreit er mir ins Ohr und zieht mich mit sich. „Henry sieht gelangweilt aus.“

Ich sehe in die angedeutete Richtung und grinse. Henry sieht definitiv nicht aus, als wäre ihm langweilig. Vielmehr ist die Bar vor seinem Bereich unüberschaubar voll und er mixt Longdrinks am laufenden Band. Soeben fliegt eine Flasche durch die Luft, die er gekonnt auffängt, bevor er einen reichlichen Schuss in ein Glas kippt. Krasse Mischung. Vermutlich beschwert sich hier niemand über die Drinks. Kein Wunder, dass es an der Bar so voll ist. Henry versteht sein Handwerk offensichtlich. Und das wohl nicht nur in seinem Job. Soweit ich mich erinnere, macht er gern mal die Nächte zum Tag und ist anschließenden One-Night-Stands nicht abgeneigt. Ich habe ihn nie ohne einen Kerl an der Seite von einer Party verschwinden sehen.

Nein, er wäre definitiv nichts für Philipp gewesen. Gedanklich klopfe ich mir auf die Schulter und dränge mich durch die Menge. Je näher wir Henry kommen, umso faszinierter bin ich von seinem Anblick. Er ist ständig in Bewegung und wirkt verdammt sexy in seiner Arbeitskleidung. Ich kann meinen Blick kaum von ihm abwenden und ärgere mich ein wenig darüber. Ich sehe ihn ja nicht das erste Mal. Aber auf die Art ist er mir noch nie aufgefallen, ich bin überrascht. Kilian ruft quer über die Theke und selbst diese Ablenkung scheint Henry ohne Weiteres wegzustecken. Er nickt uns zu, lächelt und schiebt drei Drinks über die grafitfarbene Marmorplatte. Auffordernd hält er dem Gast die Hand hin und zieht den Geldwert von der hingestreckten Karte ab. Gleich darauf gibt er seinem Kollegen ein Zeichen und wischt sich die Finger an einem Handtuch ab. Die aufgebrachten, wartenden Gäste überlässt er den anderen Barkeepern und lotst uns zu einem ruhigeren Bereich der Bar.

Kilian schlägt in die dargebotene Hand ein, bevor Henrys Blick auf mich fällt. Spöttisch wandern seine Mundwinkel nach oben. „Der verloren gegangene Freund. Schön, dich wiederzusehen, David. Dein Besuch in Düsseldorf wurde bereits angekündigt.“

Flurfunk! Wie ich das liebe. Immerhin scheint er auf mich nicht mehr sauer zu sein. Ganz im Gegenteil. Ähnlich wie bei Kilian habe ich das Gefühl, die Funkstille hat uns allen gutgetan. Henry ist ja nicht verkehrt und alles andere als langweilig. Er hat lediglich den Fehler gemacht, seine Finger nach Philipp auszustrecken und mit ihm ins Bett zu gehen. Da habe ich rot gesehen. Ich halte meine Faust hin und Henry dockt mit seiner dagegen. „Freut mich auch“, erwidere ich ehrlich und deute zu seinem Arbeitsbereich. „Du machst dir gerade Feinde.“

Henry lacht auf und greift nach zwei Longdrinkgläsern. „Die werden von den Kollegen mitbedient, da mache ich mir keine Sorgen. Also, was möchtet ihr trinken? Ich gebe einen aus.“

„Ein Kölsch für mich“, bitte ich provokativ und bin mir des Frevels vollkommen bewusst. Henrys Augen werden groß, gleich darauf grinst er. „Willst du mich verarschen? So eine Brühe haben wir hier nicht. Das kannst du da trinken, wo du herkommst. Hier sind wir in Düsseldorf und ich mixe dir den besten Cocktail, den du je hattest. Lass dich überraschen.“ Er zwinkert verräterisch und macht sich ans Werk. Immer wieder fliegt mir sein funkelnder Blick zu, während er aus dem Effeff die Getränke zubereitet.

Henrys Stimmung ist ansteckend. Schon ohne Alkohol im Blut regt sich bei mir was. In seinem Outfit sieht er schlank und sehnig aus. Die Muskeln an seinen Unterarmen spannen sich bei jedem Handgriff an. Schweiß steht ihm auf der Stirn. Eine kleine Perle läuft über die Schläfe, den Hals hinab und verschwindet im Ausschnitt seines grauen Hemdes. Er strahlt Sex pur aus. In meiner Jeans wird es eng. Was ist das, verdammt? Seit wann reagiere ich auf Henry? Ausgerechnet!

Mit einer Pobacke setze ich mich auf den einzigen Barhocker in dieser Ecke und stütze mich auf die Theke. Fasziniert beobachte ich ihn, wie er eine Flasche nach der anderen greift, alles in einen Standmixer kippt und Eiswürfel dazu schmeißt.

Kilian steht neben mir und sieht genauso gebannt zu. „Machst du mir das Gleiche?“ Er reibt sich die Hände und knufft mich in die Schulter. „Warte ab, David, am Ende kommst du nicht drum herum, mich später zu begleiten. Henrys Spezialdrinks haben es in sich.“ Er wackelt vielsagend mit den Augenbrauen und verliert sich offensichtlich in einer Erinnerung, denn sein Blick ist kurz abwesend. „Noch bin ich nicht dahintergekommen, was er zusätzlich hineinmixt. Aber es zeigt Wirkung.“ Demonstrativ wandert seine Hand in den Schritt und er leckt sich über die Lippen. Ich lache auf, seine Anmachen waren schon besser. Dennoch komme ich nicht umhin, meine Position zu verlagern, um mir etwas Freiraum in der Jeans zu verschaffen. Verdammte Kerle.

Henry sieht es, ploppt mit der Zunge in die Wange und lacht uns an. „Du bist ein Arsch, Kilian, echt. Verbreite bloß keine Lügenmärchen. In dem Drink ist alles nur vom Feinsten.“

Er lehnt sich weit über die Theke zu mir. Sein Kaugummi-Atem weht mir entgegen, so nah ist er plötzlich. Seine Augen glitzern herausfordernd, seine Zungenspitze stiehlt sich zwischen den Schneidezähnen hervor und ohne Berührungsängste streichelt er über meinen Arm. Noch ein paar Zentimeter und unsere Lippen würden sich berühren.

„Keine Sorge, David“, wispert er gerade so laut, dass nur ich es hören kann. „Ich pansche nicht. Aber ich kenne Rezepte für gute, lange Nächte. Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Spaß vertragen.“

Wow! Was wird das? Ein kleiner Racheakt, weil ich ihm zweimal sprichwörtlich ans Bein gepinkelt habe?

„Bist du immer so forsch?“, frage ich unverblümt und lege meine Hand auf seine. Will das verdammte Streicheln unterbinden, das mir Gänsehaut beschert. Wegschieben möchte ich seine Finger aber nicht. Dafür fühlen sie sich zu gut auf meiner erhitzten Haut an. Rau irgendwie, und doch sanft. Automatisch streiche ich über seinen Handrücken, ich kann nicht anders. Bin jetzt schon angefixt von seiner Ausstrahlung, die hier, an seinem Arbeitsplatz, doppelt intensiv wirkt wie andernorts. Einer direkten Anmache kann ich selten widerstehen. Vor allem dann nicht, wenn der Typ dermaßen heiß ist.

„Ich bin nur nett.“ Amüsiert kommt er noch näher und haucht mir gegen die Lippen: „Komm schon, David, vergiss, was war. Das ist lange her. Ein kleiner Flirt hebt die Gemüter.“

„Bei mir hebt er was anderes“, kontere ich, überbrücke den letzten Abstand, den letzten Zentimeter und fahre mit der Zungenspitze seinen Mundwinkel entlang. „Sieh dich vor, Henry, pass vor allem auf deinen geilen Arsch auf. Wenn du so weitermachst, kann ich für nichts garantieren.“

Er atmet schnell und zieht sich ein wenig zurück, um mich ansehen zu können. Sein Grinsen verschwindet, stattdessen beißt er sich verrucht auf die Unterlippe. Rrrr! „Ich habe feste Bettpartner, David, aber für dich würde ich glatt eine Ausnahme machen.“

„Seit wann bist du wählerisch?“ Das ist mir neu!

Henry lächelt sanft. „Seit ich gemerkt habe, dass ich mehr Spaß habe, wenn meine Partner wissen, was ich mag. Außerdem minimiert es das Risiko, an den Falschen zu geraten. Ist zwar nicht so, dass ich mich nicht wehren könnte, aber herausfordern muss ich mein Glück auch nicht.“

„Dann verpasst du vielleicht was …“

„Dich zum Beispiel?“, fragt er unschuldig. „Ich lasse mich gern überzeugen.“

Mir stockt der Atem, doch ich kann nichts mehr erwidern. „Hey ihr zwei, was wird das?“ Kilian drängt sich neben mich, es wird eng. Das in der Luft liegende Knistern verpufft allerdings nicht. „So war das nicht gedacht.“

„Henry spielt gerade mit dem Feuer“, knurre ich und umfasse seine Finger fester, bevor er noch auf die Idee kommt, sie wegzuziehen. „Ist er immer so drauf?“

Henry presst seine Lippen aufeinander, Kilian gluckst. „Glaubst du, ich hole mir Langweiler ins Bett? Frag mal deinen Freund Philipp, der kann das auch beurteilen. Ich befürchte, mit Henry hast du dir was entgehen lassen.“

Krass, der spinnt! War mir eben schon so warm? Ich glühe. Am liebsten würde ich mir das Hemd vom Leib reißen. Henrys Blick hilft mir wenig, er zieht mich förmlich aus.

Sekundenlang starrt er mich an, dann geht ein Ruck durch ihn, als hätte er etwas mit sich selbst vereinbart. „Du willst also David mit ins Penthouse nehmen? Vergiss nicht, dass wir verabredet waren.“ Er grinst Kilian an und nickt, ohne eine Antwort abzuwarten. „Heute komme ich mit, denk nicht mal drüber nach, mich stehenzulassen. Wenn David mit soll, dann gehen wir zu dritt.“

Kapitel 4

Henry

 

David zuckt zusammen. Seine Finger zerquetschen meine beinahe. Scheiße, hat der Kraft. Was mache ich hier eigentlich? Ich flirte auf Teufel komm raus mit ihm. Dabei weiß ich nicht einmal genau, was ich von ihm halten soll. Es ist alles lange her, aber wir haben uns nie ausgesprochen. Für mich ist die Sache vergessen – jetzt wo er vor mir steht, erst recht. Zwischen uns liegt ein Knistern in der Luft, das ich kaum begreifen kann. Aber ich liebe es, liebe diesen Abend, die Stimmung hier im Club, die angeheizt wird vom Testosteron.

„Macht nur so weiter“, murmelt David, seine Lippen sind geöffnet, auch er atmet schneller als normal. Und sieht dabei umwerfend aus. Das etwas längere Haar verrät, dass er heute schon mehrfach durchgefahren ist. Um seine Augen liegen Schatten. Schlecht geschlafen? Oder generell eine schwere Zeit? Liam sagt, er arbeitet viel, steht immer unter Strom. Zu gern würde ich dafür sorgen, dass er abschalten kann. Und wenn ich seinen Blick richtig deute, wünscht er sich genau das Gleiche. Einen Fick, der alles andere in den Hintergrund schiebt. Mit einem Mal kann ich es kaum erwarten, meine Schicht zu beenden.

„War das eine Aufforderung?“ Ich zwinkere und winde meine Finger unter seinen hervor, leider ruft die Arbeit.

Er will etwas erwidern, lächelt stattdessen aber nur. „Ich habe Durst. Willst du die Getränke warm werden lassen?“ Okay, eins nach dem anderen. Erst die Drinks, dann weiterflirten. Meine Hand zittert leicht, als ich den Standmixer nehme und meinen Spezialmix in die bereitgestellten Longdrinkgläser fülle. Ich bin froh, dass mein Beruf mir in Fleisch und Blut übergegangen ist, sonst wären diese Getränke ein Reinfall geworden. Strohhalm rein und fertig sind sie. Ich schiebe ein Glas in Richtung Kilian und stelle das zweite vor David ab.

Seine Zeit in Köln scheint ihn verändert zu haben. Ihn umgibt nicht mehr diese Arroganz, die ihn so unnahbar wirken ließ. Offenbar sieht er es ähnlich wie ich: Es ist genug Zeit vergangen, um das, was passiert ist, abzuhaken. Und wenn wir später zu dritt unterwegs sind, schaffen wir es bestimmt, uns zu unterhalten, bevor wir … Ich grinse los. Das wird abenteuerlich, aber sicher auch extrem befriedigend. Mir gefällt meine Idee immer besser, mit den beiden nachher mitzugehen. Scheiße, mein Kopfkino spielt gerade verrückt. Kilians Qualitäten sind schon ziemlich perfekt, ob David Vergleichbares bieten kann?

„Henry.“ Ein Prickeln breitet sich bis in meine Fingerspitzen aus, als er mich anspricht. Unsere Blicke treffen sich und ich beuge mich abermals zu ihm, um wegen des Dröhnens des Basses nicht schreien zu müssen. David greift in meinen Nacken, bis wir dicht beieinander sind, wispert in mein Ohr. „Jederzeit gern.“ Flüssige Lava rollt meine Wirbelsäule hinab, scheiße, das war eine Ansage. Allerdings lässt er sofort wieder von mir ab, spricht normal laut weiter. „Aber heute eher nicht. Ich bin mir sicher, dass wir alle unseren Spaß haben werden. Egal in welchem Bett.“

Zur Demonstration lässt er den Blick über die anderen Gäste schweifen. Und ich bin mehr als enttäuscht, der Kick, den er mir eben noch verpasst hat, ebbt schneller ab, als mir lieb ist. Wie zuvor berühre ich seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit zurückzuerlangen. „Wo liegt das Problem? Ich glaube, wir würden uns bestens verstehen.“

Seine Augen blitzen bei meinen Worten auf und er drückt seine Zunge mit einer eindeutigen Bewegung in die Wange. Macht meine Enttäuschung geradewegs wieder zunichte. Was hält ihn noch ab, einfach zuzustimmen?

„Das glaube ich auch“, mischt sich Kilian ein. „David ziert sich allerdings noch ein bisschen und sucht nach ’nem willigeren Arsch.“

Ungerührt zuckt David mit den Schultern. „Das hat einen Grund, Kilian, den du am allerbesten kennen solltest. Eigentlich sollte es mir scheißegal sein, ob du immer noch in mich verliebt bist oder nicht, aber du bist mir nun mal nicht egal. Willst du es wirklich wiederholen? Ich denke, unsere Freundschaft hat genug gelitten.“

„Verliebt?“ Kilian winkt ab. „Das ist doch längst Schnee von gestern.“

Daher weht der Wind? Oh, Mann, Kilian. Davids Unentschlossenheit liegt also nicht an mir. ,Jederzeit gern!‘ Das war ein Versprechen, wenn auch nicht für heute.

David geht nicht weiter auf das Thema ein, riecht an dem Getränk und prostet Kilian und mir zu. „Wirklich keine Drogen?“, versichert er sich, bevor er den Strohhalm zwischen die Lippen nimmt und daran zieht. „Lecker. Was ist da drin?“

Ich schüttle belustigt den Kopf. „Keine Chance. Das wird nicht verraten.“

„In Köln hab ich noch nichts Vergleichbares getrunken.“ Über Davids Gesicht huscht ein undefinierbarer Ausdruck. Seine Worte stacheln mein Interesse noch mehr an. Seitdem er hier aufgetaucht ist, bin ich neugierig darauf zu erfahren, wie es ihm die letzten Monate ergangen ist.

„Wie geht’s dir eigentlich dort? Vermisst du Düsseldorf gar nicht?“

David zieht arrogant die Augenbrauen in die Höhe. „Alles bestens.“