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Michele Noterdaeme, Karolin Ullrich, Angelika Enders (Hrsg.)

Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)

Ein integratives Lehrbuch für die Praxis

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

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2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-026848-7

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pdf:      ISBN 978-3-17-026849-4

epub:   ISBN 978-3-17-026850-0

mobi:   ISBN 978-3-17-026851-7

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Inhalt

 

 

 

  1. Vorwort
  2. A Phänomenologie
  3. 1 Historischer Überblick
  4. Hedwig Amorosa
  5. 2 Klassifikation und Epidemiologie
  6. Hedwig Amorosa
  7. 2.1 ICD-10 und ICD-11
  8. 2.2 DSM-5
  9. 2.3 ICF und »Core Sets«
  10. 2.4 Kategoriale versus dimensionale Klassifikation
  11. 2.5 High-Functioning (HFA) vs. Low-Functioning (LFA) Autism
  12. 2.6 Epidemiologie
  13. 2.6.1 Prävalenz
  14. 2.6.2 Zunahme der Häufigkeit
  15. 3 Kernsymptome
  16. 3.1 Kleinkindalter
  17. Renate Giese
  18. 3.1.1 Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion
  19. 3.1.2 Soziales Lernen über Beobachtung und Imitation
  20. 3.1.3 Kommunikation und Sprache
  21. 3.1.4 Spiel
  22. 3.1.5 Regulationsprobleme, sensorische Besonderheiten, repetitives Verhalten
  23. 3.2 Vorschulalter
  24. Hedwig Amorosa
  25. 3.2.1 Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation
  26. 3.2.2 Repetitive Verhaltensweisen und eingeschränkte Interessen
  27. 3.2.3 Spiel
  28. 3.2.4 Weitere Verhaltensweisen
  29. 3.3 Schulalter
  30. Hedwig Amorosa
  31. 3.3.1 Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation
  32. 3.3.2 Repetitive Verhaltensweisen und eingeschränkte Interessen
  33. 3.3.3 Spiel
  34. 3.3.4 Weitere Verhaltensweisen
  35. 4 Komorbidität
  36. 4.1 Psychiatrische Komorbiditäten
  37. Michele Noterdaeme
  38. 4.1.1 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
  39. 4.1.2 Oppositionelles und aggressives Verhalten
  40. 4.1.3 Autoaggressives Verhalten
  41. 4.1.4 Angststörungen
  42. 4.1.5 Zwangsstörungen
  43. 4.1.6 Depression
  44. 4.1.7 Schlafstörungen
  45. 4.1.8 Essstörungen
  46. 4.1.9 Schizophrene Psychosen
  47. 4.1.10 Weitere psychopathologische Begleiterscheinungen
  48. 4.2 Neurologische Komorbiditäten
  49. 4.2.1 Epilepsie und deren medikamentöse Behandlung
  50. Matthias Ensslen und Angelika Enders
  51. 4.2.2 Sensomotorische Besonderheiten
  52. Angelika Enders
  53. 4.2.3 Intelligenzminderung
  54. Angelika Enders
  55. 5 Verlauf und Prognose
  56. Hedwig Amorosa
  57. 5.1 Kernsymptomatik
  58. 5.2 Kognitive Entwicklung
  59. 5.3 Mortalität
  60. 5.4 Psychosoziale Anpassung im späteren Jugendalter und frühen Erwachsenenalter
  61. B Entwicklungspsychologie und Ätiologie
  62. 6 Sensitive Phasen im Kontext der frühen sozial-emotionalen Entwicklung
  63. Renate Giese
  64. 6.1 Physiologische Regulation im Kontext der Eltern-Kind-Beziehung
  65. 6.2 Affektive Differenzierung und Regulation
  66. 6.3 Intersubjektivität und Mentalisierung
  67. 6.4 Autonomie und Selbstentwicklung
  68. 6.5 Spielentwicklung
  69. 7 Psychologische Theorien
  70. Christiane Bormann-Kischkel und Karolin Ullrich
  71. 7.1 Affektiv-soziale Störung
  72. 7.2 Theory of Mind (ToM)
  73. 7.3 Exekutive Dysfunktion
  74. 7.4 Mangel an zentraler Kohärenz
  75. 7.5 Beeinträchtigte Entwicklung des Selbst
  76. 7.5.1 Empfindung des auftauchenden Selbst (0–8 Wochen)
  77. 7.5.2 Empfinden des Kernselbst (2–6 Monate)
  78. 7.5.3 Empfinden eines subjektiven Selbst (6–15 Monate)
  79. 7.5.4 Autismus und kein Kernselbst?
  80. 7.5.5 Implikationen für ein theoretisches Verständnis
  81. 8 Neurobiologische Erklärungsansätze
  82. 8.1 Genetik
  83. Imma Rost
  84. 8.1.1 Chromosomenstörungen
  85. 8.1.2 Linkage-Analysen (Kopplungsstudien)
  86. 8.1.3 Assoziationsstudien
  87. 8.1.4 Array-CGH (CMA, Chromosomale Mikroarrays)
  88. 8.1.5 Kandidatengene
  89. 8.1.6 Neue Hochdurchsatztechnologien (»Next Generation Sequencing«)
  90. 8.1.7 Zusammenfassung
  91. 8.2 Genetische Syndrome
  92. Angelika Enders und Imma Rost
  93. 8.2.1 Tuberöse Sklerose
  94. 8.2.2 Fragiles-X-Syndrom
  95. 8.2.3 Rett-Syndrom
  96. 8.2.4 Angelman-Syndrom
  97. 8.2.5 Prader-Willi-Syndrom
  98. 8.2.6 Smith-Magenis-Syndrom
  99. 8.2.7 Potocki-Lupski-Syndrom
  100. 8.2.8 Deletion 22q11.2
  101. 8.2.9 Mikrodeletion 22q13 (Phelan-McDermid-Syndrom)
  102. 8.2.10 Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
  103. 8.2.11 Seltenere Syndrome
  104. 8.2.12 Herausforderung und Chance einer frühen differenzierenden Diagnostik für Beratung und Interventionsplanung
  105. 8.3 Prä-, peri- und postnatale Risikofaktoren
  106. Angelika Enders
  107. 8.4 Neurometabolische Störungen
  108. Regina Ensenauer und Angelika Enders
  109. 8.4.1 Enzymdefekte mit Auswirkungen auf den Purin-/Pyrimidinstoffwechsel
  110. 8.4.2 Enzymdefekte mit Auswirkungen auf den Neurotransmitterstoffwechsel
  111. 8.4.3 Mitochondriopathien
  112. 8.4.4 Enzymdefekte mit Auswirkungen in anderen Stoffwechselwegen
  113. 8.5 Immunologische Erklärungsmodelle
  114. Angelika Enders
  115. C Diagnostische Einschätzung
  116. 9 Diagnostische Vorgehensweise
  117. 9.1 Autismusspezifische Instrumente
  118. Michele Noterdaeme
  119. 9.1.1 Einführung in die Diagnostik
  120. 9.1.2 Screeninginstrumente für Kleinkinder
  121. 9.1.3 Diagnostische Interviews
  122. 9.1.4 Beobachtungs- und Ratingskalen
  123. 9.1.5 Fragebögen
  124. 9.1.6 Zusammenfassung
  125. 9.2 Neuropädiatrische Diagnostik
  126. Angelika Enders
  127. 9.2.1 Anamnese
  128. 9.2.2 Klinisch-neurologische Untersuchung des Kindes
  129. 9.2.3 Indikation zu weiterführender Diagnostik
  130. 9.3 Genetische Diagnostik und Beratung
  131. Imma Rost
  132. 9.4 Neuropsychologische Diagnostik
  133. Christiane Bormann-Kischkel und Karolin Ullrich
  134. 9.4.1 Intelligenzdiagnostik
  135. 9.4.2 Sprachdiagnostik
  136. 9.4.3 Neuropsychologische Einschätzung
  137. 9.5 Diagnostik familiärer Belastungen
  138. Christiane Bormann-Kischkel und Karolin Ullrich
  139. 10 Differenzialdiagnostische Abgrenzung im Kindes- und Jugendalter
  140. Michele Noterdaeme
  141. 10.1 Sprachentwicklungsstörungen
  142. 10.2 Intellektuelle Beeinträchtigung (ICD-10 Intelligenzminderung)
  143. 10.3 Hyperkinetische Störungen – Störungen des Sozialverhaltens
  144. 10.4 Ticstörungen
  145. 10.5 Sinnesbeeinträchtigungen
  146. 10.6 Landau-Kleffner-Syndrom
  147. 10.7 Mutismus
  148. 10.8 Bindungsstörungen
  149. 10.9 Soziale Phobie und Depression
  150. 10.10 Zwangsstörungen
  151. D Therapeutische Verfahren
  152. 11 Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) und deren Bedeutung für die Therapie
  153. Hedwig Amorosa
  154. 12 Verhaltenstherapeutisch basierte Frühförderprogramme
  155. Christine M. Freitag und Monika Schneider
  156. 12.1 Lerntheoretische Grundlagen verhaltenstherapeutischer Ansätze
  157. 12.1.1 Klassische Konditionierung
  158. 12.1.2 Operante Konditionierung
  159. 12.1.3 Prinzipien des Lernens am Modell
  160. 12.2 Übergeordnete Verfahren lerntheoretischer Modelle
  161. 12.2.1 Horizontale Verhaltensanalyse anhand des SORKC-Schemas
  162. 12.2.2 Vertikale Verhaltensanalyse
  163. 12.3 Entwicklungspsychologische Aspekte
  164. 12.4 Spezifische lern- und verhaltenstherapeutische Methoden
  165. 12.4.1 Diskretes Lernformat
  166. 12.4.2 Natürliches Lernformat
  167. 12.5 Umfassende verhaltenstherapeutisch basierte Frühförderprogramme
  168. 12.5.1 Programme mit dem Schwerpunkt »diskretes Lernformat«
  169. 12.5.2 Programme mit dem Schwerpunkt »natürliches Lernformat«
  170. 12.5.3 Weiterentwicklungen
  171. 12.6 Zusammenfassung
  172. 13 Das TEACCH-Programm
  173. Rita Wagner
  174. 13.1 Was ist TEACCH?
  175. 13.2 Strukturierung und Visualisierung
  176. 13.2.1 Strukturierung des Raums
  177. 13.2.2 Strukturierung der Zeit
  178. 13.2.3 Strukturierung der Aufgabenstellung
  179. 13.2.4 Strukturierung von Material
  180. 13.3 Aufbau von Handlungskompetenzen und Alltagsfertigkeiten
  181. 13.3.1 Aufbau von Routinen als Strukturierungshilfen
  182. 13.3.2 Aufbau von Handlungskompetenz am Beispiel Kommunikation
  183. 14 Aufbau von Kommunikation und Sprache
  184. Hedwig Amorosa
  185. 14.1 Aufbau früher Formen der Kommunikation
  186. 14.1.1 Diskrete Lernformate
  187. 14.1.2 Natürliche Lernformate (NDBI)
  188. 14.2 Sprachaufbau
  189. 14.2.1 Training von Schlüsselverhalten
  190. 14.3 Einsatz unterstützter Kommunikation
  191. 14.4 Sprachverständnistherapie
  192. 14.4.1 Wortverständnis
  193. 14.4.2 Satzverständnis
  194. 14.4.3 Verständnis für Texte und längere Äußerungen
  195. 14.4.4 Übertragene Bedeutung
  196. 14.5 Behandlung der Störungen der Sprachverwendung
  197. 14.5.1 Nonverbale Anteile der Sprachverwendung
  198. 14.5.2 Gesprächsführung
  199. 14.5.3 Anpassen der Sprache an die Situation
  200. 15 Aufbau der sozialen Kompetenz
  201. Monica Biscaldi, Mirjam Paschke-Müller und Ulrich Schaller
  202. 15.1 Training der sozialen Kommunikation und Interaktion bei Kleinkindern mit sprachlicher und/oder intellektueller Beeinträchtigung
  203. 15.2 Training der sozialen Kompetenz von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter bei hochfunktionaler ASS
  204. 16 Sensorische und motorische Förderung
  205. Angelika Enders
  206. 16.1 Methoden mit Schwerpunkt sensorische Förderung
  207. 16.1.1 Sensorische Integrationstherapie
  208. 16.1.2 Affolter-Modell®
  209. 16.2 Methoden und Konzepte mit Schwerpunkt motorische Förderung
  210. 16.2.1 Bobath-Konzept
  211. 16.2.2 Castillo Morales-Konzept
  212. 16.2.3 Rhythmus- und roboterunterstütze Interventionen
  213. 17 Eltern- und familienbezogene Maßnahmen
  214. Ulrike Fröhlich und Christiane Bormann-Kischkel
  215. 17.1 Training Autismus, Sprache Kommunikation (TASK)
  216. 17.2 Improving Parents as Communication Teachers (ImPACT)
  217. 18 Psychopharmakologische Behandlung bei Kindern und Jugendlichen
  218. Luise Poustka
  219. 18.1 Atypische Neuroleptika
  220. 18.1.1 Risperidon
  221. 18.1.2 Aripiprazol
  222. 18.1.3 Andere
  223. 18.1.4 Nebenwirkungen
  224. 18.2 Stimulanzien und andere Stoffgruppen zur Behandlung von Hyperaktivität
  225. 18.2.1 Methylphenidat (MPH)
  226. 18.2.2 Atomoxetin
  227. 18.2.3 Andere
  228. 18.3 Antidepressiva
  229. 18.4 Stimmungsstabilisatoren
  230. 18.5 Melatonin und andere Stoffgruppen zur Therapie von Schlafstörungen
  231. 18.6 Neuere Behandlungsansätze: Oxytocin, Cycloserin & Co.
  232. 18.7 Konklusion und Ausblick
  233. 19 Kontroverse Verfahren
  234. Hedwig Amorosa
  235. 19.1 Gestützte Kommunikation (»Facilitated Communication«)
  236. 19.2 Biologisch begründete Therapien
  237. 19.3 Heilpädagogisch/psychologisch begründete Therapien
  238. E Schulische Bildung
  239. 20 Modelle schulischer Rahmenbedingungen
  240. Karolin Ullrich
  241. 21 Gestaltung von Schule und Unterricht
  242. 21.1 Autismus und Schulbesuch
  243. Rita Wagner
  244. 21.2 Autismusspezifische Förderdiagnostik
  245. Karolin Ullrich
  246. 21.2.1 Einsatz von Beobachtungsbögen
  247. 21.2.2 Einsatz partnerschaftlicher Gespräche
  248. 21.2.3 Einsatz von Testverfahren
  249. 21.3 Autismusspezifische Förderplanung
  250. Rita Wagner
  251. 21.4 Autismus und Didaktik
  252. Rita Wagner
  253. 21.5 Schulische Interventionen und Beratung
  254. Annette Werner-Frommelt
  255. 21.5.1 Schulische Interventionen
  256. 21.5.2 Schulische Beratung
  257. 22 Nachteilsausgleich
  258. Annette Werner-Frommelt
  259. 22.1 Fachliche Kompetenz
  260. 22.2 Mündliche Unterrichtsbeiträge
  261. 22.3 Zeitzuschlag
  262. 22.4 Auszeiten, Rückzugsräume
  263. 22.5 Auf die einzelnen Unterrichtsfächer bezogene Hilfen
  264. 22.5.1 Mathematik, Naturwissenschaften
  265. 22.5.2 Deutsch
  266. 22.5.3 Sport
  267. 22.6 Nachteilsausgleich bei Leistungsfeststellungen
  268. 23 Schulbegleitung/Inklusionshelfer
  269. Annette Werner-Frommelt
  270. 23.1 Aufgaben
  271. 23.2 Beantragung
  272. 23.3 Multiprofessionelle Kooperation und Elternarbeit
  273. 23.4 Unbefriedigende Studienlage
  274. F Erwachsenenalter
  275. 24 Kernsymptome
  276. Matthias Dose
  277. 24.1 Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation
  278. 24.2 Repetitive Verhaltensweisen und eingeschränkte Interessen
  279. 24.3 Unterschiede zu Kindern und Jugendlichen
  280. 25 Diagnostik
  281. Matthias Dose
  282. 25.1 Konsentierte Empfehlungen zur Diagnostik bei Erwachsenen
  283. 25.1.1 Durchführung der Diagnostik bei Erwachsenen
  284. 25.1.2 Fallbeispiele
  285. 25.1.3 Selbsttest-Diagnosen
  286. 25.2 Schwierigkeiten der Diagnostik bei Erwachsenen
  287. 25.3 Komorbiditäten
  288. 25.3.1 Komorbide Störungen (Überblick)
  289. 25.3.2 Komorbide psychische Störungen im Erwachsenenalter
  290. 25.3.3 Körperlich-neurologische Komorbidität im Erwachsenenalter
  291. 25.4 Differenzialdiagnosen
  292. 25.4.1 Sprachentwicklungsverzögerung oder Sprachstörung
  293. 25.4.2 Intelligenzminderung, globale Entwicklungsverzögerung
  294. 25.4.3 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
  295. 25.4.4 Emotionale und Angststörungen
  296. 25.4.5 Affektive Störungen
  297. 25.4.6 Störungen des Sozialverhaltens
  298. 25.4.7 Persönlichkeitsstörungen
  299. 25.4.8 Zwanghafte Persönlichkeitsstörung und Zwangsstörung (ICD-10 F60.5 und F42)
  300. 25.4.9 Psychotische Störungen
  301. 26 Berufsausbildung, Hochschule, Arbeit
  302. Matthias Dose
  303. 26.1 Hochschule
  304. 26.2 Berufsausbildung und Arbeit
  305. 27 Wohnen, Beziehung und Partnerschaft
  306. Matthias Dose
  307. 28 Fahrerlaubnis/Führerschein
  308. Matthias Dose
  309. 29 Therapie für Erwachsene
  310. Matthias Dose
  311. 29.1 Psychotherapeutische Therapie für Erwachsene
  312. 29.1.1 FASTER
  313. 29.1.2 GATE
  314. 29.2 Medikamentöse Behandlung
  315. 29.2.1 Störungsspezifische medikamentöse Therapie
  316. 29.2.2 Syndromorientierte bzw. symptomatische medikamentöse Therapie
  317. 29.3 Pragmatische Therapie
  318. G Versorgungsnetz
  319. 30 Sozialrechtliche Zuordnung
  320. Edith Greil
  321. 31 Sozialpädiatrische Zentren, Kinder- und Jugendpsychiatrische Einrichtungen und Frühförderstellen
  322. Edith Greil
  323. 32 Autismus-Therapiezentren und Autismus-Beratungsstellen
  324. Edith Greil
  325. 33 Elternselbsthilfe und Selbsthilfe für Menschen mit Autismus
  326. Edith Greil
  327. 34 Links zu fachlichen und praktischen Informationen (ohne Wertung)
  328. Edith Greil
  329. Anhang
  330. Beobachtungsbogen KOALA
  331. Beobachtungsbogen EUKALYPTUS
  332. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
  333. Stichwortverzeichnis

 

Vorwort

 

 

Anfang der 1940er Jahre schreibt Leo Kanner (1943): »The outstanding, ›pathognomonic‹ fundamental disorder is the children’s inability to relate themselves in the ordinary way to people and situations from the beginning of life.« Damit erfasste er eines der wesentlichen Probleme von Menschen mit autistischen Störungen.

Ein Jahr später, 1944, publiziert Hans Asperger seine Habilitationsschrift und stellt fest: »Längst ist die Frage entschieden, dass auch psychopathologische Zustände konstitutionell verankert und darum auch vererbbar sind, freilich auch, dass es eine eitle Hoffnung ist, einen klaren einfachen Erbgang aufzuweisen: diese Zustände sind ja zweifellos polymer, also an mehrere Erbeinheiten gebunden.« Er postuliert somit die heute unumstrittene neurobiologisch-genetische Pathogenese der Störung.

Heutzutage werden Autismus-Spektrum-Störungen in der neuesten Auflage des Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) in der übergreifenden Kategorie »neurobiologische Entwicklungsstörungen« klassifiziert. Die Unterteilung in Subkategorien wie frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom oder atypischer Autismus wird aufgehoben. Neben den Autismus-Spektrum-Störungen werden in dieser Metakategorie u. a. auch die intellektuelle Beeinträchtigung, die Sprachstörungen und die Aufmerksamkeits-und Aktivitätsstörungen klassifiziert. Zwischen diesen verschiedenen Störungsbildern besteht eine große phänomenologische Überlappung. Sie sind wesentliche komorbid auftretende Störungen bei Menschen mit einer autistischen Störung.

Die langjährige Arbeit mit Menschen mit autistischen Störungen und ihren Familien bildet die Basis für die in diesem Buch zusammengefassten Erkenntnisse. Bewusst haben wir versucht, die Brücke zu schlagen zwischen den Erfahrungen von Kollegen aus dem Bereich der Entwicklungsneurologie und -psychologie, der Neuropädiatrie, der Sonderpädagogik, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Erwachsenenpsychiatrie. So hoffen wir, mithilfe des entstandenen Werkes dazu beizutragen, dass wir weiter voneinander lernen und im gegenseitigen Austausch zu einem komplexeren Verständnis für diagnostische und therapeutische Vorgehensweisen zu Gunsten von Menschen mit autistischen Störungen beitragen können.

Ein solches Buch ist auf kritische Leser und Leserinnen angewiesen. Für Ergänzungen und Hinweise, die dem Buch in Zukunft konzeptionell zugutekommen können, sind wir dankbar.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren für die verlässliche, sorgfältige, umfassende und kompetente Erarbeitung ihrer Themenbereiche. Es ist uns ein besonderes Bedürfnis, uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Betroffenen und deren Familien zu bedanken, die uns stets Vertrauen entgegengebracht und es dadurch ermöglicht haben, dieses Buch auch mit Bildern ihrer Kinder zu illustrieren.

Dass es gelungen ist, trotz der beruflichen Belastung ein Buch zu planen und fertigzustellen, ist dem Verständnis und der Unterstützung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und im Besonderen der Toleranz unserer Partner und Familien zu verdanken.

Dem Kohlhammer Verlag danken wir für das Verlegen des Buches und seinen Lektorinnen, Frau Döring und Frau Bach, für die kompetente Unterstützung bei der Gestaltung und Fertigstellung des Werkes.

 

Juni 2017

 

 

Michele Noterdaeme

Karolin Ullrich

Angelika Enders

 

 

 

 

A          Phänomenologie

 

1          Historischer Überblick

Hedwig Amorosa

 

Typischerweise wird in einem historischen Rückblick zum autistischen Syndrom damit begonnen, dass Kanner 1943 den »early infantile autism» und Asperger 1944 »die autistische Psychopathie» unabhängig voneinander zum ersten Mal beschrieben haben. Da Kanner in den USA lebte und Asperger in Wien, ging man davon aus, dass sie während des Zweiten Weltkrieges keine Kenntnis von der Publikation des anderen hatten und somit unabhängig voneinander die Kindergruppe beschrieben und mit dem Namen »autistisch« bezeichnet haben, im Rückgriff auf Bleuler, der diesen Begriff für ein Symptom der Schizophrenie geprägt hatte. In Übersicht 1.1 und 1.2 sind die wesentlichen Symptome, die von Asperger bzw. Kanner beschrieben wurden, zusammengestellt.

Vor den Veröffentlichungen von Kanner 1943 und Asperger 1944 gab es bereits Beschreibungen von Kindern, die heute die Diagnose einer autistischen Störung rechtfertigen (Wing 1997). Insbesondere die Artikel von Ssucharewa (1926) und von Asperger (1938) machen deutlich, dass der Begriff »autistisch« auf kindliche Störungen angewandt wurde (Schirmer 2002; Lyons & Fitzgerald 2007).

Im Jahr 1926 beschrieb Ssucharewa von der psychoneurologischen Kinderklinik in Moskau in einem Artikel der Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie sechs Jungen im Alter von zehn bis 13 Jahren mit der Diagnose »schizoide Psychopathie« im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Begriff des »Schizoiden« von Kretschmer. Die ausführliche Beschreibung der Fälle erlaubt eine gewisse diagnostische Einordnung. Fälle 1, 3, 4, 5 und 6 klingen wie Beschreibungen von Kindern mit einem Asperger-Syndrom. Als typisch wird eine motorische Ungeschicklichkeit bei den Kindern beschrieben. Alle Kinder sind intellektuell durchschnittlich oder überdurchschnittlich begabt, zeigen wenig oder gar kein Interesse am Spiel mit anderen Kindern, können sich schlecht in die Gruppe einordnen und zeigen wenig Interesse an anderen Menschen. Die Kinder sind musikalisch. Als ein Symptom aller Kinder wird eine »autistische Einstellung« beschrieben. »Alle Kinder dieser Gruppe halten sich abseits in dem Kindermilieu, passen sich nur schwer an dieses Milieu an und gehen in ihm niemals vollständig auf« (Ssucharewa 1926, S. 255; Manouilenko & Bejerot 2015).

Asperger beschrieb in einem Artikel von 1938 mit dem Titel »Das psychisch abnorme Kind« einen Jungen im Alter von siebeneinhalb Jahren. Zur diagnostischen Einordnung sagte er: »Innerhalb dieser wohl charakterisierten Gruppe von Kindern, die wir wegen der Einengung ihrer Beziehungen zur Umwelt, wegen der Beschränkung auf das eigene Selbst (autos) ›autistische Psychopathen‹ nennen, gibt es nun freilich wieder recht verschiedene, auch recht verschieden zu bewertende Menschen« (Asperger 1938, S. 1316). Man muss annehmen, dass dieser Artikel Kanner bekannt war, der die deutschsprachige Literatur kannte.

In seiner Habilitationsschrift, die 1944 veröffentlicht wurde, beschrieb Asperger dann eine Reihe von Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren, deren gemeinsames Merkmal in einer erheblichen Störung der Beziehung zu anderen Menschen und im sozialen Kontakt besteht. Es seien fast ausschließlich Jungen betroffen, die meist normal oder hochbegabt seien, einige haben zudem eine Sonderbegabung. Asperger beschreibt das Auftreten von auffälligen Persönlichkeiten in den Familien. Er geht von einer Vererbung aus. »Längst ist die Frage entschieden, dass auch psychopathologische Zustände konstitutionell verankert und darum auch vererbbar sind, freilich auch, dass es eine eitle Hoffnung ist, einen klaren einfachen Erbgang aufzuweisen: diese Zustände sind ja zweifellos polymer, also an mehrere Erbeinheiten gebunden« (Asperger 1944, S. 128).

 

Übersicht 1.1: Diagnostische Kriterien der autistischen Psychopathie nach Asperger 1944

•  Starke Störung der sozialen Anpassung

•  Schwierigkeiten, einfache praktische Fähigkeiten im Alltag zu erlernen

•  Auffälliges Blickverhalten

•  Wenig Mimik und Gestik

•  Stereotype Bewegungen

•  Sonderinteressen

•  Auffällige Sprache und Intonation

•  Störung der aktiven Aufmerksamkeit

•  Prinzenhaftes Aussehen

•  Motorische Ungeschicklichkeit

•  Konstanz der Symptomatik ab dem 2. Lebensjahr

•  Auffällige Persönlichkeiten in den Familien

Kurzer Lebenslauf – Hans Asperger (1906–1980)

 

1906

Geboren in Hausbrunn bei Wien

1925–1930

Studium der Medizin in Wien

1931

Promotion

1932

Leiter der heilpädagogischen Abteilung der Universitätskinderklinik in Wien

1938

Erster Artikel über ein Kind mit einer autistischen Psychopathie

1944

Habilitation mit der Arbeit über die autistische Psychopathie

1957

Vorstand der Universitätskinderklinik in Innsbruck

1962–1977

Professor für Pädiatrie und Leiter der Kinderklinik in Wien

1980

Verstorben im Alter von 75 Jahren in Wien

Trotz einer englischsprachigen Zusammenfassung der Beschreibungen Aspergers von van Krevelen und Kuipers 1962 wurde das Asperger-Syndrom erst allgemein bekannt, als Lorna Wing 1981 eine Zusammenfassung seiner Befunde in einer englischsprachigen Zeitschrift veröffentlichte. 1991 veröffentlichte Uta Frith in ihrem Buch »Autism and Asperger Syndrom« eine englische Übersetzung des Originaltextes.

Kanner, ein Kinderpsychiater aus Baltimore, beschrieb 1943 eine Gruppe von Kindern mit Auffälligkeiten im Kontakt mit anderen Menschen. »The outstanding, ›pathognomonic‹ fundamental disorder is the children’s inability to relate themselves in the ordinary way to people and situations from the beginning of life« (Kanner 1943, S. 242). Es handelte sich um eine Gruppe von elf Kindern (acht Jungen und drei Mädchen) im Alter bis zu elf Jahren. Er beschreibt die bis heute für die Diagnose wesentlichen Symptome: veränderte soziale Interaktion, auffällige Kommunikation, Stereotypien, eingeschränkte Interessen und Bestehen auf Gleichheit.

 

Übersicht 1.2: Diagnostische Kriterien des frühkindlichen Autismus nach Kanner 1943

•  Unfähigkeit, soziale Beziehungen aufzunehmen

•  Ausgeprägter sozialer Rückzug

•  Sprache wird nicht kommunikativ eingesetzt

•  Echolalie

•  Pronominale Umkehr

•  Bestehen auf Gleichheit

•  Zwanghaftigkeit

•  Monotone repetitive Handlungen

•  Gute Intelligenz

•  Gutes Gedächtnis

•  Intelligentes Aussehen

•  Symptomatik beginnt im ersten Lebensjahr

•  Aus Familien mit hohem Bildungsgrad

Kurzer Lebenslauf – Leo Kanner (1894–1981)

 

1894

Geboren in Klekotow, Galizien, damals Österreich-Ungarn

1906

Kam er nach Berlin

1913

Begann er sein Studium der Medizin in Berlin an der Charité. Während des 1. Weltkrieges war er Soldat in der österreichisch-ungarischen Armee und setzte nach dem Krieg sein Studium fort

1919

Promotion in Berlin mit einer Arbeit über das Elektrokardiogramm

1920

Assistenzart an der 2. medizinischen Klinik der Charité

1924

Emigrierte er in die USA und arbeitete an einem Psychiatrischen Landeskrankenhaus. Dort hatte er viel Zeit zum Lesen und befasste sich intensiv mit der Literatur zu kinderpsychiatrischen Fragen

1928

Beginn einer Ausbildung bei dem berühmten Psychiater Adolf Meyer in Baltimore

1931

Eröffnete er dort die erste kinderpsychiatrische Abteilung in einer Kinderklinik der USA

1935

Erschien von ihm das erste Lehrbuch der Kinderpsychiatrie

1943

Beschrieb er elf Kinder mit frühkindlichem Autismus

1957

Wurde er zum Direktor für Kinderpsychiatrie ernannt

1959

Wurde er emeritiert, blieb aber weiter sehr aktiv im Fachgebiet tätig

1971

Gründung der Zeitschrift »Journal of Autism and Childhood Schizophrenia«

1981

Verstorben in Sykesville/Maryland im Alter von 86 Jahren

(Eisenberg 1981; Neumärker 2003)

Als Ursache geht er in dieser Arbeit davon aus, dass es sich um eine angeborene Störung im Bereich des affektiven Kontaktes handelt.

»We must, then, assume that these children have come into the world with innate inability to form the usual, biologically provided affective contact with people, just as other children come into the world with innate physical or intellectual handicaps. If this assumption is correct, a further study of our children may help to furnish concrete criteria regarding the still diffuse notions about the constitutional components of emotional reactivity. For here we seem to have pure-culture examples of inborn autistic disturbances of affective contact« (Kanner 1943, S. 250).

Kanner betont, dass die Kinder aus intellektuellen Familien kommen. Zusätzlich habe er in vielen Familien beobachtet, dass die emotionalen Beziehungen sehr kühl seien. »The question arises whether or to what extent this fact has contributed to the condition of the children. The children’s aloneness from the beginning of life makes it difficult to attribute the whole picture exclusively to the type of early parental relations with our children« (Kanner 1943, S. 250).

Sowohl Ssucharewa als auch Kanner und Asperger beschrieben die Störung als ein eigenes Krankheitsbild, das sich klar von der kindlichen Schizophrenie abhebt. Trotzdem wurde über längere Zeit der Begriff »Childhood Schizophrenia« z. B. von Lauretta Bender (1958) verwendet und ein Zusammenhang mit der Schizophrenie angenommen. In der neunten Revision der Klassifikation der Krankheiten (ICD-9) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die bis 1999 in Deutschland gültig war, wurde der frühkindliche Autismus erstmals aufgenommen und noch unter den »Anderen Psychosen« zusammen mit den »Schizophrenien« und den »Affektiven Psychosen« klassifiziert. Erst in der ICD-10 (Dilling et al. 1991), sind die autistischen Störungen als »Tiefgreifende Entwicklungsstörungen« mit den »Spezifischen Entwicklungsstörungen« zusammen als eigene Gruppe aufgeführt (Ousley & Cermak 2014).

Wie im Zitat von Kanner gezeigt wurde, nahm er eine angeborene Störung im affektiven Bereich als Ursache des frühkindlichen Autismus an. Sein Hinweis auf einen möglichen Einfluss des Umfeldes auf die Entwicklung des Kindes wurde von anderen Autoren dahin verändert, dass jetzt die alleinige Ursache der Störung in der gestörten Mutter-Kind-Interaktion gesehen wurde (Bettelheim 1967).

Seit den 1970er Jahren geht man wieder von biologischen Ursachen der Störung aus. Untersuchungen an Geschwistern, der Vergleich eineiiger und zweieiiger Zwillinge und molekulargenetische Untersuchungen in den letzten 30 Jahren sprechen für einen erheblichen Einfluss genetischer Faktoren auf die Ausbildung der Störung.

Seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts werden neuropsychologische Untersuchungen durchgeführt, um Funktionsstörungen zu beschreiben, die einerseits das auffällige Verhalten der Patienten erklären und andererseits spezifisch für den Autismus sind. Wesentliche Korrelate autistischen Verhaltens werden in Besonderheiten der Intelligenzstruktur, Störungen der Theory of Mind sowie einer schwachen zentralen Kohärenz gesehen (Poustka et al. 2004; Remschmidt 2008).

Neben dem frühkindlichen Autismus, den Kanner beschrieb, und der autistischen Psychopathie von Asperger, wurden zwei weitere Untergruppen zunächst dem Autismus zugerechnet, weil sie viele Gemeinsamkeiten im Verhalten zeigen: die »Heller’sche Demenz« und das »Rett-Syndrom«. Theodor Heller, ein Pädagoge aus Wien, beschrieb 1908 eine Gruppe von Kindern, die nach einer bis dahin unauffälligen Entwicklung plötzlich Fähigkeiten in der Sprache, aber auch in vielen anderen Bereichen verloren, ohne dass eine organische Ursache gefunden werden konnte. Nach der Regression zeigen die Kinder Verhaltensstörungen wie Kinder mit einem frühkindlichen Autismus. Das Syndrom wurde als »Desintegrative Störung des Kindesalters« unter den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen in ICD-10 und DSM-IV eingeordnet. In der ICD-11 bleibt die desintegrative Störung des Kindesalters eine Diagnose in der Gruppe der »Entwicklungsstörungen des Nervensystems«, im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen in der 5. Revision (DSM-5; Falkai & Wittchen 2015) wird diese Störung nicht mehr aufgeführt.

Im Jahr 1966 veröffentlichte der Wiener Sozialmediziner und Heilpädagoge Rett eine Beschreibung von 22 Mädchen, die sich zunächst unauffällig entwickelt hatten, dann aber durch Verlust der Sprache, autistische Verhaltensweisen, wringende Handbewegungen vor dem Körper, z. T. durch Hyperventilation, epileptische Anfälle und Gangstörungen auffielen. Das Syndrom wurde bekannter, nachdem eine schwedische Gruppe (Hagberg et al. 1983) das Störungsbild in englischer Sprache beschrieb. Inzwischen ist eine sporadische Genmutation auf dem X-Chromosom als Ursache nachgewiesen. In ICD-10 und DSM-IV bildet es eine Untergruppe der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. In der ICD-11 wird es unter den Syndromen mit einer Störung der Intelligenzentwicklung als wesentliches klinisches Symptom eingeordnet. Im DSM-5 soll es unter den molekulargenetischen Störungen eingeordnet werden.

1979 führten Wing und Gould eine epidemiologische Untersuchung durch, in der sie Kinder erfassten, die ein auffälliges Sozialverhalten zeigten. Sie beschrieben eine Gruppe von Kindern, die nicht dem typischen frühkindlichen Autismus zugerechnet werden konnten, die aber klinisch so auffällig waren, dass eine psychiatrische Diagnose gerechtfertigt erschien. Sie sprachen von einem autistischen Spektrum. Dies führte in den Klassifikationen zu der Untergruppe des atypischen Autismus in der ICD-10 und zum »Pervasive Developmental Disorder Not Otherwise Specified« (PDDNOS) in der 4. Revision der amerikanischen Klassifikation der psychischen Störungen, DSM-IV (Saß et al. 1996).

In der neuesten Klassifikation der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft, DSM-5 (Falkai & Wittchen 2014) von 2013, gibt es keine Unterteilung der Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) mehr. Die Störung wird unter die Entwicklungsstörungen des Nervensystems eingereiht. Ebenso wird es in der ICD-11 der WHO die Untergruppen frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom u. a. nicht mehr geben (Ousley & Cermak 2014).

Von Anfang an wurde die Therapie des frühkindlichen Autismus diskutiert. Die analytische, tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie, die aufgrund der Vorstellung einer Verursachung durch die Ablehnung des Kindes insbesondere durch die Mutter viel eingesetzt wurde, erwies sich schon früh als wenig Erfolg versprechend (Kanner & Eisenberg 1955; Rutter 1966).

Neben medikamentösen Behandlungen z. B. mit Haloperidol in geringer Dosierung, die systematisch untersucht wurden, wurden verhaltenstherapeutische Methoden seit dem Beginn der sechziger Jahre eingesetzt. Lovaas und Kollegen beschrieben 1973 Erfolge mit der Verhaltenstherapie bei 20 Kindern. In den Jahren ab 1980 wurden die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie in die Behandlung einbezogen und neue Therapien auch auf verhaltenstherapeutischer Basis wurden entwickelt, die diese Erkenntnisse berücksichtigen (Schreibman et al. 2015). Inzwischen wird die Verhaltenstherapie als ein entscheidender Bestandteil der Behandlung von Kindern mit ASS angesehen.

Zunehmend wurde versucht, die Probleme im sozialen Bereich therapeutisch anzugehen. Es wurden Einzel- und Gruppentrainings entwickelt, in denen es darum geht, die Wahrnehmung sozialer Situationen zu verbessern und angemessene Verhaltensweisen einzuüben. Die neuropsychologischen Befunde, insbesondere die Auffälligkeiten in der Entwicklung der Theory of Mind, führten zu Trainingsprogrammen, die darauf ausgerichtet sind, dass die Patienten Gefühlszustände anderer erschließen und dadurch angemessener im sozialen Bereich reagieren können. Diese Trainingsprogramme wurden für Patienten mit höheren kognitiven Fähigkeiten entwickelt.

»Treatment and Education of Autistic and Communication Handicapped Children« (TEACCH) ist ein Förder- und Behandlungsprogramm, das seit 1966 von Schoppler an der Universität von South Carolina entwickelt wurde und inzwischen weltweit eingesetzt wird. In diesem Programm geht es darum, die Situationen und Anweisungen so anzupassen, dass die Person mit einer Autismus-Spektrum-Störung möglichst selbstständig agieren kann. So werden z. B. viele visuelle Hilfen eingesetzt und die Aufgaben in kleine Schritte unterteilt, um eingeübt und zu größeren Einheiten zusammengefasst, selbstständig ausgeführt werden zu können.

In Deutschland beschäftigte sich die kinder- und jugendpsychiatrische Klinik an der Universität Marburg unter Prof. Stutte als erste mit Kindern mit frühkindlichem Autismus. Dort betreute Prof. Doris Weber Kinder mit autistischen Störungen aus vielen Teilen Deutschlands.

Mitte der 1960er Jahre begann ein Projekt der Kinderabteilung (Leiterin Dr. G. Bleek) des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München (Leiter Prof. Ploog) zum Einsatz der Verhaltenstherapie bei Kindern mit frühkindlichem Autismus in Anlehnung an das Vorgehen von Lovaas. Federführend war Dr. Gottwald, der bei Lovaas gearbeitet hatte.

1970 wurde von E. Crummenerl in Lüdenscheidt die Elternvereinigung »Hilfe für das autistische Kind« (jetzt Autismus Deutschland e. V.) gegründet, die inzwischen 49 Regionalverbände hat. Durch den Ausbau von Autismusambulanzen in verschiedenen Regionalverbänden, spezielle Wohneinrichtungen und ihre politische Arbeit hat die Elternvereinigung die Situation der Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung in Deutschland deutlich verbessert (Eckert 2007). Auch für die Betreuung und Beschulung autistischer Kinder in Deutschland war der Einsatz der Elternvereinigung entscheidend. Mit dem in Bremen von Cordes begonnenen Schulversuch für autistische Kinder konnte gezeigt werden, dass die Kinder in kleinen Gruppen, mit zusätzlicher Einzelförderung und einer verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Methodik erhebliche Fortschritte im Lernen machen können (Cordes 1980).

2008 wurde in Frankfurt die Wissenschaftliche Gesellschaft Autismus-Spektrum (WGAS) gegründet mit dem Ziel, die Forschung in diesem Bereich zu fördern.

 

Literatur

Asperger H (1938) Das psychisch abnorme Kind. Wiener Klinische Wochenschrift 51: 1314–1317.

Asperger H (1944) Die autistischen Psychopathien im Kindesalter. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 117: 76–136.

Bender L (1958) Emerging patterns in child psychiatry. Bull N Y Acad Med 34: 794–810.

Bettelheim B (1967) The empty fortress: infantile autism and the birth of the self. New York: The Free Press.

Cordes H (1980) Autistische Kinder in der Schule. Bremen: Hilfe für das Autistische Kind Bremen e. V.

Dilling H, Mombour W, Schmidt M (1991) Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10. Bern: Huber.

Eckert A (2007) Autismustherapie und die Rolle der Eltern im Wandel der Zeit – von einseitigen Schuldzuweisungen zur aktiven Kooperation. Autismus 64: 9–15.

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Falkai P, Wittchen H (Hrsg.) (2015) Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5. Göttingen: Hogrefe.

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Lyons V, Fitzgerald M (2007) Asperger (1906–1980) and Kanner (1894–1981) the two pioneers of autism. J Autism Dev Disord 37: 2022–2023.

Manouilenko I, Bejerot S (2015) Sukhareva – Prior to Asperger and Kanner. Nordic J psychiatry 69: 479–482.

Neumärker K (2003) Leo Kanner: his years in Berlin, 1906–1924. The roots of autistic disorder. Hist Psychiatry 14: 205–218.

Ousley O, Cermak T (2014) Autism Spectrum Disorder: Defining Dimensions and Subgroups. Curr Dev Disord Rep 1: 20–28.

Poustka F, Bölte S, Feineis-Matthews S, Schmötzer G (2004) Autistische Störungen. Göttingen: Hogrefe.

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Rett A (1966) Über ein eigenartiges hirnatrophisches Syndrom bei Hyperammonämie im Kindesalter. Wiener Medizinische Wochenschrift 118: 723–726.

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Schreibman L, Dawson G, Stahmer A, Landa R, Rogers S, McGee G et al. (2015) Naturalistic Developmental Behavioral Interventions: Empirically Validated Treatments for Autism Spectrum Disorders. J Autism Dev Disord 45: 2411–2428.

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Wing L, Gould J (1979) Severe impairment of social interaction and associated abnormalities in children: epidemiology and classification. J Autism Develop Dis 9: 11–29.

 

2          Klassifikation und Epidemiologie

Hedwig Amorosa

 

Die Klassifikation psychischer Störungen erfolgt nach zwei Systemen. Die »Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD)« wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben und umfasst alle medizinischen Fachbereiche. Die psychischen und Verhaltensstörungen werden im Kapitel V unter F00–F99 zusammengefasst (Dilling et al. 1999). Einflüsse und Vorstellungen aus der ganzen Welt mit ihren unterschiedlichen Kulturen müssen berücksichtigt werden. Die jeweils aktuelle ICD, zurzeit die ICD-10, ist in der ganzen Welt die offizielle Klassifikation für alle krankheitsbezogenen Dokumentationen.

Das »Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen (DSM)«, herausgegeben von der amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie (APA), beinhaltet nur psychische Störungen. DSM spiegelt wesentlich die amerikanische Sichtweise und die englischsprachige Forschungsliteratur wider (Falkai & Wittchen 2015). Auch in den USA ist die ICD die offizielle Klassifikation. Das DSM wird in vielen Ländern für die Forschung verwendet. Damit werden Studien besser vergleichbar. Zudem werden in amerikanischen wissenschaftlichen Zeitschriften im psychiatrischen Bereich nur Arbeiten angenommen, die DSM-Diagnosen verwenden.

Bei jeder Revision der Klassifikationen gibt es eine Arbeitsgruppe, die die Aufgabe hat, unnötige Unterschiede zwischen den Klassifikationen zu vermeiden. Es bestehen aber unterschiedliche Prinzipien zwischen WHO und APA bezüglich der »Beeinträchtigung (Impairment)«, die im DSM-5 gefordert, in der ICD aber unabhängig von der Diagnose kodiert wird. Auch der Umgang mit Komorbidität ist unterschiedlich. Zusätzlich ist Rutter (2011b) der Meinung, dass eine zu große Angleichung der beiden Klassifikationen aus finanziellen Gründen nicht erwünscht sei. Während die WHO die Klassifikationen unentgeltlich zur Verfügung stellt, verdient die APA damit sehr viel Geld.

Ergänzend zur ICD hat die WHO die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen herausgegeben (Hollenweger & Kraus de Camargo 2011). Sie dient zur Kodierung der Funktionsfähigkeit und Behinderung bei Problemen, die mit der Gesundheit zusammenhängen.

2.1       ICD-10 und ICD-11

Die 10. Revision der ICD (ICD-10) ist erstmals 1991 (Dilling et al. 1991) erschienen. Sie enthält neben dem Manual für den klinischen Gebrauch ein Manual mit Forschungskriterien. Diese Forschungskriterien sind enger gefasst als die Klinikkriterien, beschreiben die Symptome genauer und legen die Anzahl der Symptome fest, die erfüllt werden müssen, um die Diagnose stellen zu können. Eine Einteilung in Achsen gibt es nicht (Dilling et al. 1999).

In der ICD-10 werden die Störungen des autistischen Spektrums (ASS) unter dem Begriff »Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84)« bzw. »Pervasive Developmental Disorders« in die Gruppe der Entwicklungsstörungen im Kapitel F8 eingeordnet, zusammen mit den umschriebenen Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache, den umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten und der umschriebenen Entwicklungsstörung motorischer Funktionen. Die ICD-10 beschreibt die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen folgendermaßen:

»Diese Gruppe von Störungen ist durch qualitative Beeinträchtigungen in gegenseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern sowie durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten charakterisiert. Diese qualitativen Abweichungen sind in allen Situationen ein grundlegendes Funktionsmerkmal der betroffenen Person, variieren jedoch im Ausprägungsgrad« (Remschmidt et al. 2006, S. 21).

Wie aus der Definition zu ersehen ist, wird die Diagnose aufgrund des auffälligen Verhaltens gestellt. Bisher gibt es keine anderen Kriterien.

Für die Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde ein Multiaxiales Klassifikationssystem (MAS) von Remschmidt und Kollegen (2012, 6. Aufl.) auf der Grundlage der ICD-10 herausgegeben. Im MAS erfolgt eine Aufteilung in sechs Achsen:

•  Achse I: Klinisch-psychiatrisches Syndrom

•  Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen

•  Achse III: Intelligenzniveau

•  Achse IV: Körperliche Symptomatik

•  Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände

•  Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus

Im multiaxialen Klassifikationsschema (MAS) werden die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen auf der Achse I kodiert. Die Intelligenz wird auf der Achse 3 kodiert, während eine Kodierung der Sprachentwicklungsstörung auf der Achse 2 nicht erlaubt ist. Der Umgang mit komorbiden Störungen wie einer gleichzeitigen Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit oder einer Depression ist nicht klar geregelt. In der ICD-10 sind sie grundsätzlich möglich, sind aber nicht erwünscht und werden bei anderen Störungen, z. B. der hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens, durch eine kombinierte Diagnose ersetzt. Für die ASS gibt es solche Kombinationen nicht. Da es aber sehr wichtig ist, die komorbiden Störungen zu dokumentieren, da sie z. B. zu einer medikamentösen Behandlung führen können, muss man zu Haupt- und Nebendiagnosen greifen (Remschmidt & Kamp-Becker 2006).

Für die Diagnose müssen Auffälligkeiten in drei Bereichen (image Tab. 2.1) vorliegen, dabei kann das Ausmaß der Störungen von Untergruppe zu Untergruppe verschieden ausgeprägt sein. Neben den Verhaltensauffälligkeiten ist eine Voraussetzung für die Diagnose einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung der Beginn in der Kindheit.

Tab. 2.1: ICD-10-Kriterien für die Autismus- Spektrum-Störungen

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Die Einteilung der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen in Untergruppen in der ICD-10 ist in Tabelle 2.2 dargestellt.

Tab. 2.2: Unterteilung der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen in der ICD-10

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Die Forschungskriterien der ICD-10 legen fest, wie viele Symptome aus jedem der drei vorher beschriebenen Bereiche vorhanden sein müssen, um die Diagnose stellen zu können. Die Klinikkriterien der ICD-10 und MAS geben eine Beschreibung der Symptome, legen aber die Anzahl der Symptome nicht fest.

Für die Diagnose der Untergruppe frühkindlicher Autismus bedeutet dies, dass ein charakteristisches Muster von Verhaltensauffälligkeiten in der sozialen Interaktion und in der Kommunikation vorhanden sein muss. Zusätzlich müssen stereotype Verhaltensmuster, eingeschränkte, sich wiederholende Interessen und Aktivitäten und Auffälligkeiten im Spiel bestehen. Entscheidend ist, dass sich die veränderte Entwicklung vor dem dritten Lebensjahr manifestiert. Die Bezeichnung »frühkindlich« bezieht sich auf diesen frühen Beginn. Die Diagnose »frühkindlicher Autismus« wird auch bei Erwachsenen gestellt, wenn sie die aufgeführten Kriterien erfüllen. Eine eindeutige Störung der Sprachentwicklung wird nicht gefordert, sondern eine Störung in der Kommunikation. Die Forschungskriterien der ICD-10 für den frühkindlichen Autismus sind in Übersicht 2.1 zusammengefasst.

Übersicht 2.1: Forschungskriterien für den frühkindlichen Autismus (F84.0) (nach Remschmidt et al. 2006)

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Neben den für die Diagnose entscheidenden Kernsymptomen bestehen bei den Patienten zusätzlich oft vielfältige Störungen wie Ess- und Schlafstörungen, Hypo- und Hypersensibilität in sensiblen Bereichen, Wutausbrüche, Aggressionen, Selbstverletzungen und Ängste.

Das Asperger-Syndrom ist wie der frühkindliche Autismus durch qualitative Veränderungen in der gegenseitigen sozialen Interaktion und durch eingeschränkte, stereotype, repetitive Verhaltensmuster, Ideen und Aktionen gekennzeichnet. Im Unterschied zum frühkindlichen Autismus wird gefordert, dass die kognitive Entwicklung altersgemäß ist und die frühe Sprachentwicklung altersgemäß war, d. h. dass das Kind mit zwei Jahren einzelne Worte und mit drei Jahren kommunikative Sätze gesprochen hat. Weiter sollen die Neugierde und die lebenspraktischen Fähigkeiten in den ersten drei Lebensjahren einer normalen kognitiven Entwicklung entsprochen haben. Die Meilensteine der motorischen Entwicklung können verzögert gewesen sein. Die Forschungskriterien der ICD-10 für das Asperger-Syndrom (F84.5) sind in Übersicht 2.2 zusammengefasst.

Übersicht 2.2: Die Forschungskriterien für das Asperger-Syndrom (F84.5) (nach Remschmidt et al. 2006)

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Die Kriterien von ICD-10 und DSM-IV entsprechen nicht den ursprünglichen Beschreibungen von Hans Asperger für die, wie er es nannte, »Autistische Psychopathie«. Daher haben einige Autoren für das Syndrom stärker an der Originalarbeit orientierte Kriterien erarbeitet (Mattila et al. 2007; Gillberg & Gillberg 1989; Szatmari et al. 1989). Dies hat dazu geführt, dass unterschiedliche Definitionen für das Asperger-Syndrom aufgestellt wurden, die den Vergleich von Studien zum Asperger-Syndrom erschwert.

Die Diagnose atypischer Autismus nach ICD-10 wird gestellt, wenn nicht alle Kriterien für den frühkindlichen Autismus erfüllt sind. Insbesondere geht es um den Beginn der Störung, der nicht vor dem dritten Lebensjahr liegt, oder Störungen in der Interaktion und Kommunikation zwar vorhanden sind, aber nicht in allen Bereichen die für den frühkindlichen Autismus erforderliche Anzahl von Symptomen erreicht wird. Die diagnostische Zuordnung ist oft nicht sicher zu treffen (Mahoney et al. 1998).

Beim Rett-Syndrom, das fast ausschließlich bei Mädchen auftritt, handelt es sich um eine inzwischen bei 80% der Erkrankten nachweisbare genetische Störung auf dem X-Chromosom. Es kommt zu einem Stillstand der bis dahin normalen Entwicklung zwischen dem 7. und 24. Lebensmonat und danach zu zunehmendem Verlust des Handgebrauchs, der Sprache und der Lokomotion. Die Kinder zeichnen sich durch charakteristische wringende Handbewegungen und eine Hyperventilation aus.

Die anderen desintegrativen Störungen des Kindesalters sind gekennzeichnet durch eine Phase einer eindeutig normalen Entwicklung bis zum dritten Lebensjahr, gefolgt von einem Abbau der erworbenen Fähigkeiten in der Sprache, im Spiel, im sozialen Kontakt und in lebenspraktischen Fertigkeiten innerhalb weniger Monate. Das klinische Bild ähnelt später dem des frühkindlichen Autismus in Kombination mit einer schweren geistigen Behinderung.