Produziert mit Unterstützung der Stadt Wien, MA7 / Literaturförderung
und des Landes Vorarlberg
Futscher, Christian: Wer einsam ist in der großen Stadt.
Erzählungen / Christian Futscher
Wien: Czernin Verlag 2017
ISBN: 978-3-7076-0613-3
© 2017 Czernin Verlags GmbH, Wien
Lektorat: Florian Huber
Umschlaggestaltung: Inge Mayer
Satz: Burghard List
Autorenfoto: © Evi Hämmerle
Produktion: www.nakadake.at
ISBN E-Book: 978-3-7076-0613-3
ISBN Print: 978-3-7076-0614-0
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe
in Print- oder elektronischen Medien
An einem Morgen im »Korb«
Gelobtes Land Tellerrand
Wer einsam ist in der großen Stadt
Vom Leben in der großen Stadt
14 oder Schöne Aussichten
Sackhüpfen mit Vladimir
Der Herr Pepi
Lieber Provinzfuzi!
Lieber Exzedent
Der Schöpfer bedankt sich bei seinen Geschöpfen für ihre schöpferischen Leistungen
Der Nagelzwicker
In Feierlaune
Zwei Nachrufe
Weite und Freiheit
Aus dem Tagebuch eines verklemmten Bürgersöhnchens
Drumherum oder Sechs und Druck, Rockzipfel und Rollmops
Eine E-Mail an Andi von Mopedrock
Das Wunerkind
Frohes Schaffen
Tränen unter dem Weihnachtsbaum
Am Sand, Jänner 2003
Karin und die Schnäppchen
Mensch und Hund
Betreff: Waldgurken, Stadtflaschen
Im Schanigarten des Café Korb nehmen zwei Männer Platz. Es ist ein sonniger Sommermorgen, Uhrzeit ca. 8:15.
Der Ober tritt an den Tisch der beiden Männer: »Einen schönen guten Morgen, die Herren, was darf’s denn sein?«
Einer der beiden Männer: »Zwei große Bier, bitte!«
Der Ober: »Endlich eine vernünftige Bestellung!«
Die beiden Männer lachen, der Ober lacht, die Sonne lacht …
Bei den beiden Männern, die an diesem wunderschönen Morgen im Schanigarten des Café Korb Platz genommen haben, handelt es sich um Christus und Ronaldus. Christus arbeitet in einer Kirche als Aushilfsprediger, Ronaldus arbeitet in einem Fürstenhof als Hotel. Christus wartet sehnsüchtig auf das Kreuz, von dem er an den Tag steigen kann. Ronaldus spricht hingegen gern vom ewigen Ron, wohin alle Umwege führen.
Zum Wohl, es ist ein herrlicher Morgen, das wurde bereits angedeutet. Die Sonne leuchtet vom Himmel herunter und Christus und Ronaldus leuchten zum Himmel hinauf. Die Politik raucht, wer sich über Zigaretten unterhält, kann niemals schief gewickelt sein und in manchen Fürstenhöfen spielt es Granada, wenn zum Beispiel englische Musiker anwesend sind, die keine Berührungsängste haben, was Drogen aller Art anbelangt, und die den berühmten Spruch von William Blake im jungen Blut haben, der da lautet: »The road of excess leads to the palace of wisdom« (alter Hut). Davon kann Ronaldus ein Lied singen, er leuchtet heute besonders schön. Auch das Bier leuchtet besonders schön in der Morgensonne, das ist ein Punkt, der nicht außer Acht gelassen werden darf, da fahren Häuser drüber. Am Nebentisch sitzen ein paar junge Frauen, Christus meint: »Ich fühle mich wie ein Hahn im Korb: Kikeriki!«, die jungen Frauen nehmen keine Notiz von ihm, das ist ihm aber einerlei, denn für Gesprächsstoff ist reichlich gesorgt.
Wie arbeitet es sich als Hotel? Wie geht es einem, wenn die Rede stockt? Ist das Disparate dem Inkohärenten überlegen oder verhält es sich so, dass das beschwingte Schwadronieren in abseitige Sackgassen führt, in denen Hängematten hängen? Fragen über Fragen, die alle nicht beantwortet werden müssen und einfach so im Raum stehen.
Ronaldus hat oft mit nicht uninteressanten Zeitgenossen zu tun, die da heißen Element of Crime, Tocotronic, Rocko Schamoni, aber auch Babyshambles und so weiter. Ronaldus hat große Pläne, die hat Christus auch, nur ist bei beiden oft schon Sense, bevor noch das Gras gewachsen ist. Sie lachen und sie trinken, sie sagen: Wir machen eh alles richtig, weil wer kann schon hier und jetzt um diese Zeit Nein, wir stecken unsere Köpfe nicht in die Arbeit … Sollen wir in irgendeiner Form eine Vorreiterrolle übernehmen? Schau, da geht der Nationalratsabgeordnete Soundso, der blaue Koffer!, sagt Christus, und Ronaldus, der sich viel besser auskennt in den Niederungen der heimischen Politik, korrigiert: der schwarzblaue! Und dann setzt sich für ein paar Minuten eine gute Freundin von Ronaldus dazu, das Bier wird erneuert, von der nahe gelegenen Kirche kommen die Glocken des Läutens angeschwirrt wie die Liebe der Pfeile in die Herzen der Bierdackel, wuff, wuff, natürlich mit e, nicht mit a, also deckel. Christus hat wie immer seine eigenen dabei. Schau, schau, sagt er zu Ronaldus, hier habe ich den Bierdeckel von meinem lieben Bildhauerfreund Holzschnitzer Uwe Schlonski aus dem Norden oben, sieh mal das Bild, und sieh mal, was da hinten draufsteht: »So vergehen die Tage in Schönheit.« Auf einem zweiten Bierdeckel steht: »Die Desperados sind müde«, und auf einem dritten: »Fernet wär nett.« Ronaldus findet das alles sehr schön, es jauchzt ihm das Herz aus dem Mund, Christus holt drei große Nägel aus seiner Hose und jongliert damit. Der Herr Ober wiederholt sich: »Endlich eine vernünftige Bestellung!« Ronaldus und Christus mussten beim ersten Mal lachen, beim zweiten Mal müssen sie denken, der gute Mann ist womöglich ein armer Mann, der auf die reinigende Kraft des Wassers setzen sollte, um nicht unterzugehen. Aber der Herr Ober ist gut drauf, er hat sich gar nicht wiederholt, da hat sich nur jemand einen schlechten Scherz erlaubt, denn in Wahrheit hat er das Jonglieren kommentiert mit den Worten: »Endlich ein vernünftiger Frühsport!« – Das Kreuz im eigenen Auge soll den Balkon nicht ersetzen und nie und nimmer darf man die Kirche mit dem Bad ausschütten. Am Vormittag gehen die Uhren eben anders. Apropos Uhren, sagt entweder Christus oder Ronaldus, man kann die Gegenwart zwar nicht festhalten, aber vollstopfen kann man sie, damit sie nur noch langsam vorwärts kommt und nicht so schnell vergeht …
»Hol mich der Teufel, wenn das nicht Christus und Ronaldus sind!«, hören Christus und Ronaldus eine Stimme, die ihnen nicht unbekannt ist.
»Pepitus!«, ruft Christus.
»Pepitus!«, ruft Ronaldus.
Und dann geht’s dahin.
Ich sag Ihnen was:
Wenn wir unter uns bleiben, kann uns nix passieren, aber wenn die anderen, wenn die alle, dann gnade uns Gott.
Das sind keine Flüchtlinge, das sind Deserteure, die drücken sich vor Verantwortung, die haben keinen Anstand, so schaut’s aus.
Das ist ein Wahnsinn, wohin soll das führen, die kommen hierher, haben keine Ahnung, dann vergewaltigen sie unsere Frauen, aber wir sollen für sie zahlen.
Gestern hat einer gesagt, er sieht das nicht ein, das hab ich auch schon gesagt, das ist so was von eindeutig, ich könnte Ihnen Sachen erzählen, aber wer hört schon auf mich.
Wenn ich was zu sagen hätte, ich würde die alle zurück, es kann mir doch keiner erzählen, dass die nicht, die wollen doch nur, das verstehe ich nicht.
Man sollte ausreisen und wieder einreisen, dann würde es einem gut gehen, dann ist für alles gesorgt, aber wir sind eben zu blöd dazu, naiv und leichtgläubig.
Die Kinder sind doch gar nicht echt, die tun nur so, das sind alles keine richtigen Kinder, die ertrinken auch nicht, alles miese Propaganda von denen, die verarschen uns nach Strich und Faden.
Die wollen nur ein Stück vom Kuchen, die wollen nur die Rosinen herauspicken, das kennt man doch, mit denen muss man, die sollte man, aber ich hab ja nichts zu sagen.
Wenn wir damals auch, also wir wären doch nicht mit so Booten, das ist doch lächerlich, warum fliegen die nicht, das zeigt doch, das sind alles Minderbemittelte, die brauchen wir nicht.
In einem Lieferwagen ersticken, das muss nicht sein, warum lassen die sich da hineinpferchen, können die sich nicht denken, das ist doch idiotisch.
Nein, die Kinder sind nicht echt, und das tote Kind am Strand war eine Lüge, damit wir weich werden, aber wir sind ja nicht blöd, mit der modernen Technik kann man heute alles Mögliche zeigen, was nicht stimmt, die blasen alles auf, damit wir dumm dastehen, wir werden belogen von oben bis unten, die wissen doch selber nicht mehr, was hinten und vorne ist, aber wir sollen es ausbaden, nein, irgendwann ist Schluss, da hört sich alles auf, jetzt muss endlich was geschehen.
Wenn wir jetzt nicht handeln, tragen wir morgen alle ein Kopftuch, die Frauen sieht man nicht mehr, die Männer haben keine Köpfe, überall kann was explodieren, die Mode ist schwarz, es gibt keine Schnitzel mehr und die Kühe sind heilig, wenn wir nicht aufpassen, wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen.
Die sind ja auch gegen den Wein, gegen den Alkohol, sogar gegen das Bier, wo soll denn das hinführen, das Rauchen ist auch schon überall verboten, das ist doch alles Scheiße.
Wenn die das Sagen haben, ist Schluss mit lustig, die wollen ja auch die Musik nicht, hab ich gehört, das ist doch pervers, Gräben zuschütten ist auch ein Schwachsinn, aufreißen und vergrößern muss man die, dass keiner drüber kommt.
Wehret den Anfängen, es muss Schluss sein mit dem ganzen Scheißdreck, was zu viel ist, ist zu viel, ich scheiß auf Willkommen, Allah Kadabra und den ganzen faulen Zauber, der Kalif von Kapstadt soll sich brausen gehen, aber echt.
Die sollen sich schleichen, die Stinkerten, Depperten, Wahnsinnigen, wer braucht die Trotteln, die Scheißkerle, die traumatisierten, mit ihrer beschissenen Religion, die uns ihren Scheißmanitu reindrücken wollen mit ihren Scheißmessern und Sehschlitzen, schleichts euch, depperte Schaspartie, raus aus dem Land, aber dalli, wir sind keine Empfängnisstation.
Jetzt rede ich, weil ich will nicht, dass meine Tochter vergewaltigt wird, dass mein Sohn ein Terrorist wird, dass meine Frau was weiß ich, ach was, jetzt ist Schluss mit vornehmer Zurückhaltung, ab morgen werden alle Fluchtwege zugeschissen, wenn’s nicht anders geht
Ich hab genug Scheiße in mir, um alle Fluchtwege zuzuscheißen, ich scheiß mich nichts mehr, ich scheiß euch alle zusammen, und ich scheiß alle Fluchtwege zu, dann ist eine Ruh, endlich, scheiß Politiker, scheiß Gutmenschen, scheiß Arschlöcher, verschissene.
Weil’s doch wahr ist, nein, ich lass mir den Mund nicht verbieten, ich rede wie ich will, die Wahrheit muss nun mal raus, das ist doch alles getürkt, das stimmt doch alles nicht, die wollen nur ein besseres Leben, die sollen ihre Heimat wiederaufbauen, die sollen bei sich zu Hause anpacken, anstatt bei uns die Hand aufhalten, die hält ja keiner aus, nix Grüß Gott, sondern Schleich di.
Die Schlepper sind nicht dumm, die verdienen sich eine goldene Nase, jeder muss schauen, wie er zurechtkommt, und wenn die so blöd sind, dass sie zahlen, aber uns zeigen sie die lange Nase, und wie die stinken müssen nach so einer langen Reise.
Man kann doch nicht alle integrieren, das ist doch ein Irrsinn, die stören nur den Unterricht, die haben in der Schule gar keinen Platz, dort geht es eh schon drunter und drüber, und Deutsch können sie auch nicht, die wollen uns unterwandern, damit wir alle zu ihrem komischen Gott beten, das ist doch lachhaft, lächerlich, ein schlechter Witz, die sind total verrückt, das weiß man doch, Köpfe abschneiden, Menschen verbrennen, die gehören alle weg.
Wir sind Christen, also ich nicht, ich bin ausgetreten aus dem Arschverein, aber bei uns gibt es doch die katholische Tradition, und obwohl mir die scheißegal ist, die soll bleiben, weil das ist unsere eigene Scheißtradition, ich will keine fremde Scheißtradition, nicht eine Moschee oder dieses Gsangl vom Turm, da würde ich auszucken, die Glocken gehören zu uns, das Bimbam, nicht dieser kranke Singsang, dagegen ist auch das Kikeriki im Dorf heilig Tag oder wie man sagt.
Wenn ich könnte, würde ich aufräumen, die verschmutzen doch das Stadtbild, das sieht doch ein Blinder, die gehören nicht hierher, es gibt welche, die sagen, es wird bunter, aber ich sag, es wird dunkler, sogar schwarz, was die Hautfarbe anbelangt.
Die wollen nichts hackeln, die hauen uns nur das Hackl ins Kreuz, die wollen Drogen verkaufen, unsere unschuldigen Kinder verführen, die kann man nicht integrieren, weil die wollen das nicht, die sind viel zu stolz dazu, ein Österreicher zu werden, und zu deppert.
Alle, die jetzt aufschreien: Weg mit den Grenzen, denen sollte man das Maul stopfen, wir werden ausgegrenzt, das ist überhaupt eine Ungerechtigkeit, weil wir die nicht alle über die Grenze lassen wollen, weil wir unsere Heimat lieben, die Gemütlichkeit und das alles, das geht einfach nicht, dass jeder Dahergelaufene, da werde ich echt ungemütlich, die Grenze muss dicht sein, wozu gibt es einen Grenzschutz, und der muss aufgestockt werden.
Ich bin für mehr Kontrolle, alles muss verschärft werden, weil die tanzen uns auf der Nase herum, und wir schauen durch die Finger, aber das sind nicht umsonst Ausländer, die gehören ins Ausland und dort sollen sie bleiben, wo kämen wir da hin, wenn alle Inländer ins Ausland gehen, das ist doch ein ungesundes Durcheinander.
Wer steigt schon in ein Flüchtlingsboot, wenn er nicht schwimmen kann, noch dazu mit Kindern, das sagt doch alles, die sind unverantwortlich, die wollen nur ein besseres Leben, die wollen wie die Made im Speck, und auf der faulen Haut liegen, dass das Meer gefährlich ist, weiß doch jeder Idiot.
Ich will nicht, dass meine Kinder so aufwachsen, ich hab zwar keine Kinder, aber man leidet eben mit, man ist ja kein Unmensch, der nur an sich denkt, nein, die Kinder sollen nicht so aufwachsen, dass sie womöglich in der Minderheit sind und nicht mehr Deutsch hören, sondern nur Ausländisch, die Sprache von denen klingt doch wie gerülpst, gefurzt, so abgehackt, also schön ist was anderes, wie kommen wir dazu, dass wir uns das anhören müssen.
Flüchtlingslager auf schönen Inseln sind auch eine Zumutung, die verbreiten dort schlechte Stimmung, verdrecken alles, versauen ganze Urlaubsparadiese, und wer will dann dort Urlaub machen, kein Schwein, eh klar, aber das ist den Herren Flüchtlingen wurscht, wenn ganze Inseln verarmen, wo die Bewohner vorher schon arm waren, da scheißen sie drauf, die sauberen Herren und Damen Flüchtlinge, und denken nur an sich.
Ich will kein schlechtes Gewissen haben wegen denen, das wäre ja noch schöner, ich will mich nicht schlecht fühlen, wenn ich zu Hause mein Bier trinke und meine Serien sehe, die Flüchtlinge stören nur, das muss ihnen doch klar sein, die sind einfach rücksichtslos und respektieren keine Grenzen, das ist es, aber wir werden ausgegrenzt, weil wir für den sicheren Grenzschutz sind, das ist doch absurd und lächerlich, wenn es sein muss, sind wir auch für den Schießbefehl, weil wir sind keine Weicheier, die für den Kuschelkurs sind, das können wir uns nicht mehr leisten, das ganze Humanitätsgedudel, das schwule.
Das ganze Plastik im Meer, das ist doch auch von denen, das ist doch auf dem Mist von denen gewachsen, und wer nicht schwimmen kann, soll an Land bleiben oder den Bus oder den Zug nehmen, das kann doch nicht so schwer sein, Handys haben sie ja auch alle, können sie doch ein Taxi rufen, ein Sammeltaxi.
Die sogenannte Willkommenskultur, wenn ich das schon höre, da steigen mir die Grausbirnen auf, wer braucht die und wozu, da lass ich lieber einen Schas und zu dem sag ich dann: Herzlich willkommen, weil der verflüchtigt sich wenigstens gleich, aber diese Massen von Flüchtlingen nicht, die bleiben und stinken, die wollen von uns durchgefüttert werden, dabei ist das Bier auch schon wieder teurer geworden.
Mit Kultur kannst mich jagen, diese Wichtigtuer, Obergscheiten, Wichser, Hot Volley, Schickeriaschnösel, Studentenpack, die braucht niemand, die sollen in ihrem Biobezirk an ihrer Bioluft ersticken, wenn sie ihre Bionüsschen knabbern und an ihren Bioschleckern schlecken.
Ehrlich gesagt, sehe ich schwarz, ich sehe auch rot, die goldenen Zeiten sind vorbei, denn jetzt kommen sie wieder über das Meer, wir haben früher Schiffe versenken gespielt, heute werden Schiffe in den Hafen gesteuert, was heißt Schiffe, überladene Schlauchboote, das ist doch ein Witz, dass man die da alle drauflässt.
Nicht, dass ich für Schwule bin, die gehen mir schon auch am Arsch vorbei, aber deswegen die Schwulen von Hausdächern hinunterstoßen, dass sie unten die Straße versauen mit ihren aufgeplatzten Bäuchen, den Eingeweiden und dem Blut, das ist keine saubere Art, wie man das Problem löst.
Mir sind die hundewurscht, ich kann mich nicht um alle kümmern, ich hab genug damit zu tun, dass ich selber den Kopf über Wasser, mir schenkt auch keiner was, ich würde auch nichts annehmen, da hab ich meinen Stolz, ich würde mich schämen, fremde Menschen in einem fremden Land anzubetteln.
Sterben ist eine Möglichkeit, und nicht die schlechteste, das hört man nicht gern, aber so ist es, ein Freund von mir sagt, ihm ist das wurscht, wenn zum Beispiel die Bombe kommt, wenn die kommt, stellt er sich direkt darunter, dann ist er weg, und das war’s mit der ganzen Scheiße und man ist anderen keine Last.
Die Türken sind auch nicht blöd, ich hab gehört, die überlegen sich jetzt, an der Grenze Selbstschussanlagen aufzustellen, zuerst ertönt durch den Lautsprecher, dass man nicht näher kommen soll, und wenn man trotzdem näher kommt, dann beginnt die Anlage automatisch zu schießen, ohne mit der Wimper zu zucken, weil die hat keine Wimper, da ist sie dem Menschen überlegen, das nenne ich eine nüchterne Pflichterfüllung, das ist natürlich nichts für Weicheier, eh klar, aber die Zeit der Weicheier ist vorbei.
Mir schmeckt schon manchmal das Bier nicht mehr, das geht zu weit, das muss ich mir nicht bieten lassen, wir haben doch auch ein Recht auf unser Bier, auf unsere Gemütlichkeit, das ist doch ein Menschenrecht, ein österreichisches, das Menschenrecht auf Gemütlichkeit, das steht doch in der Verfassung.
Wie komm ich dazu, in der Pause von einem Fußballspiel einen Bericht über Flüchtlinge zu sehen, da vergeht einem ja alles, sollen sie die Wüstenmäuse bombardieren, wie kommen wir dazu, dass die alle zu uns kommen, wir sind doch nicht das gelobte Land, verdammt.
Mir ist das scheißegal, was die von mir denken, die trinken doch Kamelpisse, da sind die paar Kamele von Schönbrunn zu wenig, aber ich will nicht, dass bei unseren Bauern auf einmal Kamele statt Kühen im Stall stehen, obwohl ich keine Milch trinke, darum geht es nicht, wenn das wenigstens alles Vegetarier wären, aber das sind ja alles Fleischfresser, die fressen uns doch das ganze Fleisch auch noch weg, und blockieren alle Grillplätze, gibt eh schon zu wenig Grillplätze, und an der Fleischtheke muss man sich dann auch noch länger anstellen, wenn man die alle hereinlässt in unser noch schönes Land.
Wenn ich eine Frau wäre, Gott bewahre, würden mir die nicht einmal die Hand schütteln, so krank im Kopf sind die, da hört sich doch alles auf, das müssen sich unsere Frauen nicht bieten lassen, eine Unverschämtheit ist das.
Die stehen jetzt schon überall in den Ecken und zwischen den Marktständen, wenn ich einen sehe, belle ich, ich fange an zu bellen: wuff, wuff, wuff, da trauen sie sich nicht aus den Ecken heraus, geknurrt hab ich auch schon: grrr, grrr.
Wuff, das ist eine gute Methode: wuff, wuff, wuff, so kann man sich, wuff, das Gesindel vom Leib halten, grrr, grrrrrrrrr, wuff, ich gehe jetzt zu den Orten, wo sie sind, da stehen sie zum Beispiel Schlange auf dem Gehsteig vor irgendeinem Amt, wo sie was wollen, ich belle sie an: wuff, wuff, wuff, ich knurre sie an: grrr, grrr, grrrrrr, diese Sprache verstehen sie, da ist dann klar, was es geschlagen hat.
WUFF WUFF WUFF
GRRR GRRR GRRRRRRRR
WUFF WUFF WUFF WUFF WUFF
GRRRRRRR GRRRRRRRRR GRRRRRRRRRRRRR
WUFF WUFF WUFF WUFF WUFF WUFF WUFF WUFF
…
So hieß einer meiner besten Texte, der aber leider verloren gegangen ist. Ich habe ihn vor vielen Jahren geschrieben, seit etlichen Jahren nicht mehr in der Hand gehabt, in den letzten Jahren aber immer wieder an ihn gedacht. Ich habe ihn zwischendurch auch immer wieder gesucht, ich kann mich nicht erinnern, wann ich ihn zuletzt in der Hand hatte, fest steht nur, das ist lange her. Ich habe mir immer gedacht, ich warte auf den richtigen Moment, den idealen Zeitpunkt, um ihn zu überarbeiten, zu perfektionieren. Er war wirklich einer der besten Texte, die ich jemals geschrieben habe, ich kann mich kaum erinnern, was darin gestanden ist, aber ich kann mich gut erinnern, wie er entstanden ist, nämlich aus einem Guss. Ohne abzusetzen habe ich den Text geschrieben, es hat gesprudelt wie selten, viele Seiten lang, ein Satz nach dem anderen ist auf dem Papier gelandet aus luftigen Höhen, ich hatte damals noch eine alte Adler, eine mechanische Schreibmaschine – sie steht immer noch hier in der Wohnung, ich habe sie beim Umzug letztes Jahr nicht weggegeben. Seit Jahren nehme ich mir vor, ein neues Farbband für sie zu kaufen, falls es so etwas überhaupt noch gibt. Ich würde sehr gerne wieder einmal in die Tasten der Adler dreschen und ordentlich Krach schlagen mit ihr. Ja, manchmal habe ich eine große Sehnsucht nach der guten alten mechanischen Schreibmaschine, auf der ich begonnen habe zu schreiben, auf der ich so oft abgeschwirrt bin in luftige Höhen, weil das Schreiben war für mich immer auch ein Mir-Luft-machen. Ich habe auch Sehnsucht nach den altvertrauten, lange nicht mehr gehörten Geräuschen, die sie so machte, wenn man auf ihr schrieb. Gern hätte ich den Text Wer einsam ist in der großen StadtTrottelVolltrottel, Idiot, Vollidiot