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DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Francesco Carletti

Reise um die Welt 1594

Erlebnisse
eines Kaufmanns aus Florenz

Mit 21 zeitgenössischen Abbildungen

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INHALT

VORWORT

ERSTES BUCH: WESTINDIEN

ERSTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Abreise von Florenz nach Spanien und zu den Kapverdischen Inseln

ZWEITER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Ankauf von schwarzen Sklaven auf den Kapverdischen Inseln, Überführung nach Cartagena

DRITTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Verkauf der Sklaven in Cartagena, Weiterfahrt nach Panama

VIERTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Fahrt von Panama bis Peru, Eintreffen in der Stadt Lima

FÜNFTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Seefahrt von Peru nach Neu-Spanien, Ankunft in der Stadt Mexiko

SECHSTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Fahrt von Mexiko über Acapulco zu den Philippinen

ZWEITES BUCH: OSTINDIEN

ERSTER BERICHT ÜBER OSTINDIEN

Fahrt von den Philippinen-Inseln zu den japanischen Inseln

ZWEITER BERICHT ÜBER OSTINDIEN

Fahrt von Japan nach China, Aufenthalt im Königreich China

DRITTER BERICHT ÜBER OSTINDIEN

Fahrt von der Insel Macao in China nach Malakka und von dort nach Goa

VIERTER BERICHT ÜBER OSTINDIEN

Aufenthalt in Goa, Einschiffung nach Lissabon, Einzelheiten über Indien

FÜNFTER BERICHT DES ZWEITEN VORTRAGS ÜBER DEN OSTEN

Ereignisse auf der Fahrt mit der Bestimmung Lissabon, Ankunft in Seeland

SECHSTER UND LETZTER BERICHT ÜBER OSTINDIEN

Langer Aufenthalt und Prozess in Seeland, Rückkehr nach Florenz

VORWORT

»Wenn das Barometer Schlechtwetter verkündet, und wenn der Hufschlag der Pferde draußen auf dem Straßenpflaster wie Stahl erklingt«, so schrieb Emilio Cecchi in einer seiner klassischen Schriften, »wenn die Freunde telefonisch berichtet haben, dass sie mit Influenza im Bett liegen, wenn Schnee und Kälte das Haus belagern und mit dem knatternden Maschinengewehrfeuer der in der Asche des Ofens brutzelnden Kastanien bekämpft werden, dann weiß ich, wohin meine Hand in den Bücherregalen greift und welches Buch sie sucht, das mir nach dem Abendessen Gesellschaft leistet und das ich dann mit ins Bett nehme.

Ja, ich weiß dann genau, wonach meine Hand unfehlbar greifen wird: nach Marco Polo, nach den Briefen des Filippo Sassetti, nach den Berichten Carlettis, nach Robinson Crusoe, nach Vita, Abenteuern und Piratenstreichen des berühmten Kapitäns Singleton, nach Gordon Pym, nach Moby Dick oder nach der Schatzinsel

Cecchi kommt zu dem Schluss, wie durchaus erklärlich es sei, dass man an kalten und nebligen nordischen Abenden ganz besonders danach verlangt, Tropenklima und Tropenlandschaft vor dem geistigen Auge erstehen zu lassen. Deshalb habe auch die große Erzählung von Reisen und Abenteuern ihren Ursprung in den angelsächsischen Ländern und nicht bei den Italienern, die ihrerseits doch so viele große Reisen durchgeführt hätten.

Wer ist nun eigentlich dieser Carletti, der hier in so berühmter und verlockender Gesellschaft genannt wird? Er ist der Autor eines der schönsten Reisebücher unserer Literatur. Francesco Carletti (1573–1636), ein Kaufmann aus Florenz, brach im Jahr 1594 mit seinem Vater auf, um auf den Kapverdischen Inseln Sklaven zu kaufen, die er dann in Amerika wiederverkaufen wollte. Infolge der damals für den Handel bestehenden Bedingungen zog sich die Reise in die Länge. Man lief Panama, Peru und Mexiko an, weiter die Philippinen, Japan, Macao (wo Carlettis Vater starb) und schließlich Goa, von wo aus Carletti die Rückreise antrat. Bei St. Helena wurde das Schiff, auf dem er fuhr, von zwei holländischen Schiffen gekapert. Carletti gelang es, seine Waren nach Holland zu begleiten; dort bedurfte es dann eines drei Jahre währenden Prozesses, ehe man ihm einiges von seinem Besitz herausgab.

Im Jahr 1606 kehrte er, so gut wie mittellos, nach Florenz zurück. Dem Großherzog Ferdinand (de Medici – d. Übers.) erstattete er den Bericht, der diesem Buche zugrunde liegt. Die Reise Carlettis um die Welt war die erste oder doch eine der ersten, die nicht an Bord eines eigenen Schiffes, sondern mit den sich jeweils gerade bietenden Verkehrsmitteln durchgeführt wurde. Vor allem aber ist Carletti der erste Weltreisende und Schriftsteller, der weder vom Eifer des Entdeckers noch von religiöser Bekehrungssucht getrieben wurde. Sein Buch ist das Buch eines Kaufmanns, dessen Reise nur einem Zweck diente: dem Handel. Seine Berichte sind die eines Mannes der Praxis, der vor allem festhält und beschreibt, was ihn als Kaufmann interessierte. So erklärt sich auch das Fehlen von »Literarischem« und Moralisierendem in seinen Berichten. Dennoch erreicht er einen gewissen Grad von Poesie (seine eingehenden Beschreibungen exotischer Früchte gehören wohl zu den schönsten »Stillleben« der italienischen Prosa). Er verleiht auch einer vernunftgemäßen und lebensnahen Moral Ausdruck (Carletti rügt stets den Mangel an praktischem Sinn und eine unwirksame Anpassung der Mittel an bestehende Schwierigkeiten), einer Moral, die von natürlichen, menschlichen Gefühlen belebt wird (als Sklavenhändler ist er sich sehr wohl des Verwerflichen dieses Tuns bewusst). Mitten im Kampf um die Eroberung der Märkte hat er eine klare Vorstellung von der Natur der Beziehungen zwischen den europäischen Handelsländern und den alten Kulturen der Eingeborenen.

Seine Lieblingsstadt, der ideale Sitz für seinen Beruf, ist Lima, wo die Kaufleute auf Stapeln von Gold- und Silberbarren ruhen, wo jeder Flickschuster von kostbaren Schüsseln isst und wo sich jede Sklavin (zu Festtagen – d. Übers.) wie eine Königin herausputzt.

In seinem Stil aber schwelgt Carletti nicht im Genuss des Wunderbaren: Auch das Seltsame, das Ungeheuerliche und das Grausame wird auf ein abgewogenes Maß gebracht. In dem anschaulichen Bild, das er uns von Japan entwirft, sind Martern und Krieg das unveränderliche Bild einer durch Gewalt beherrschten Gesellschaft. Carlettis scharfer und ungetrübter Blick ist es, der ihn in unseren Augen zu einem der besten wissenschaftlichen Prosaisten des sechzehnten Jahrhunderts macht. Dennoch lag den bisherigen Ausgaben ein von der Florentiner Crusca-Akademie revidierter Text zugrunde, in dem vieles von der Eigenart Carlettis verlorenging. Gianfranco Silvestro hat jetzt als erster einen Text hergestellt, der dem des in Verlust geratenen Originals am nächsten kommen dürfte.

ERSTES BUCH: WESTINDIEN

ERSTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Schildert die Abreise von Florenz nach Spanien und von dort nach den Kapverdischen Inseln, sowie einige frühere Begebenheiten.

Ich habe, Durchlauchtigster Fürst, zugleich mit meiner ganzen Habe auch alle Schriften und Notizen verloren, in denen ich die von mir durchgeführte Reise um die Welt beschrieben hatte. Das ist der Grund dafür, dass ich Eurer Hoheit nicht mit der gleichen eingehenden Genauigkeit über jede Einzelheit berichten kann, die ich in den von mir erwähnten Aufzeichnungen beobachtet und festgelegt hatte. Ich kann also nur das berichten, was mir – trotz dem mir widerfahrenen Unheil – im Gedächtnis geblieben ist. Das aber werde ich jetzt nach bestem Wissen nochmals überdenken und mir dabei nur jene Dinge in Erinnerung rufen, die ich auf meinen Reisen getan und gesehen habe, ebenso wie alles, was mir widerfahren ist, bis ich in die Stadt Florenz zurückkehrte, wo ich mich heute, am 12. Juli 1606, bei Eurer Durchlauchtigster Hoheit befinde.

Zunächst möchte ich, Durchlauchtigste Hoheit, damit beginnen, dass ich am 20. Mai des Jahres nach unserer Erlösung 1591 – ich war damals achtzehn Jahre alt – die Stadt Florenz verließ, um mich nach Spanien zu begeben. Das geschah in Begleitung und im Dienste von Nicolò Parenti, eines Florentiner Kaufmanns. Wir gingen in Livorno an Bord einer Galeone des Pietro Paolo Vassallo aus Genua. Nach zwanzigtägiger günstiger Seefahrt kamen wir in Alicante an, von wo aus wir auf dem Landweg nach Sevilla fuhren. In dieser in der Provinz Andalusien gelegenen Stadt wollte Parenti sich niederlassen, während ich – auf Anordnung meines Vaters – in seinen Diensten stand, um bei ihm den Kaufmannsberuf zu erlernen. Ich blieb in Sevilla, bis 1593 mein Vater, Antonio Carletti, von Florenz her ebenfalls dort eintraf. Nach gründlicher Überlegung beschloss er, mich nach Cabo Verde zu schicken, das heißt nach den Kapverdischen Inseln, die man sonst auch die Hesperiden nennt. Auf den Inseln sollte ich schwarze Sklaven kaufen, diese dann nach Westindien bringen und sie dort wieder verkaufen.

Nachdem ich alles, was für eine solche Reise und ein solches Geschäft erforderlich ist, geregelt hatte und gerade die Ausreise antreten wollte, entstanden derartige Schwierigkeiten, dass sich mein Vater entschloss, gleichfalls an der Fahrt teilzunehmen. Denn eigentlich war es ja seine Absicht gewesen, dass ich allein fahren sollte.

Solche Reisen und die Schifffahrt nach Indien dürfen nämlich nur von Angehörigen der spanischen Nation durchgeführt werden. Wir – als Italiener und Ausländer – liefen Gefahr, unser ganzes Hab und Gut, das wir in ein solches Geschäft steckten, zu verlieren, wenn es jemals bekannt werden sollte, dass die Ware unser Eigentum war. Um diese Hindernisse zu beseitigen, ordnete mein Vater an, dass alles im Namen einer dritten Person abgewickelt werden sollte. Diese dritte Person war die Ehefrau des Cesare Baroncini, Pisanerin von Herkunft, aber in Sevilla verheiratet. Sie gab mir Prokura und die Vollmacht, dieses Geschäft als ihr Agent durchzuführen. Insgeheim wurden andere Papiere ausgestellt, die den wahren Sachverhalt klarlegten.

Zur Durchführung unserer Reise mieteten wir ein kleines Schiff von etwas mehr als 400 Tonnen, das uns völlig zur Verfügung stand. Nachdem wir durch die in Sevilla ansässige Vertragsfirma für Westindien die Segelanweisung erhalten hatten, begab ich mich, unter Wahrung aller Förmlichkeiten, mit meinem Vater an Bord. Er aber musste das heimlich tun, weil er keine Lizenz für die Überfahrt nach Indien hatte. Ich selbst ließ mich anheuern und in die Mannschaftsliste eintragen.

Nachdem dann am 8. Januar des Jahres 1594 Beamte des Königs die auf dem Schiff befindlichen Personen überprüft hatten, liefen wir aus dem Hafen Sanlucar de Barrameda aus. Dieser Hafen ist an der Mündung des Betis-Flusses gelegen, der im Allgemeinen Guadalquivir genannt wird. Der Name bedeutet in maurischer Sprache »Großer Fluss«. Nachdem wir die Segel gesetzt hatten, nahmen wir – allein und ohne Geleitschutz – Kurs auf die Kapverdischen Inseln.

Nach neunzehntägiger Seefahrt kamen zunächst die »Glücklichen Inseln« in Sicht, die man auch die Canarias nennt. Es sind sieben Inseln, die folgende Namen tragen: Lanzarote, Fuerteventura, La Gomera, Ferro, La Gran Canaria, Teneriffa und La Palma. Sie alle haben eine spanische Bevölkerung und befinden sich auch in spanischem Besitz. Auf den Inseln baut man sehr viel Wein an, und außerdem betreibt man dort viel Viehzucht.

Vor dem afrikanischen Festland hatten wir uns, auf der Höhe des Kap Bianco, etwa vier Stunden lang aufgehalten und in einer Tiefe von sechs bis sieben Ellen sehr große und gute Fische von rosa Farbe gefangen, die von den Spaniern pagros (Meerbrassen – d. Übers.) genannt werden. Dann setzten wir unsere Fahrt fort und erreichten die Kapverdischen Inseln, wo wir in den Hafen der Insel São Thiago einliefen. Von den größeren Inseln, deren es sechs gibt, kam zuerst jene mit dem Namen Sal in Sicht. Dann folgte Bõa Vista. Nahe bei São Thiago liegen die Inseln Maio, Fogo und Viana. Eine Gruppe von vier weiteren Inseln, die zwischen dem 17. und 18. Grad nördlich des Äquators gelegen sind, führen die Namen: São Antão, São Vicente, São Nicolão und Santa Luzia.

Die Insel São Thiago, auf der wir landeten, liegt 16 Grad nördlich der Äquatorlinie. Sie ist etwa 1500 Meilen von Spanien und 300 Meilen von Cabo Verde auf dem afrikanischen Festland entfernt. Auf dieser Insel gibt es eine kleine Stadt, die »Name Gottes« heißt (heutige Hauptstadt: Praia – d. Übers.). Ihr nicht sehr großer Hafen liegt im Süden der Insel. Die Stadt hat ihren Bischof, und die etwa 50 Häuser werden von verheirateten Portugiesen bewohnt. Sie haben entweder weiße Frauen aus Portugal oder schwarze aus Afrika. Andere wieder leben mit Mulattinnen, also mit Frauen, die von einem Weißen und einer Mohrin – wir sagen wohl richtiger: einer Schwarzen – abstammen. Die Portugiesen ziehen die schwarzen Frauen ihren portugiesischen vor, denn für sie ist es eine erwiesene Tatsache, dass der Umgang mit den Schwarzen viel weniger nachteilig und dabei unterhaltsamer ist. Die Portugiesen sagen, dass diese Frauen eine viel regere und gesündere Natur haben. In diesem Klima können Europäer kaum eine Stunde lang frisch und lebhaft bleiben (Im Originaltext steht statt »lebhaft«: »gesund«. Das schlechte Klima der Kapverdischen Inseln ist bekannt, trotzdem wirkt Carlettis Behauptung übertrieben. Eine unglückliche Formulierung bei der Rekonstruktion des Originaltextes? – d. Übers.). Man hat den Eindruck, dass sich portugiesische Männer und Frauen gleichsam taumelnd durch die Straßen bewegen – fast bei jedem Schritt scheinen sie zu stolpern. Dabei haben sie eine ganz blasse – richtiger gesagt: eine gelbe – Gesichtsfarbe, sodass sie eher tot als lebendig aussehen. Am schlimmsten ist es während der Regenzeit, die vier Monate hintereinander anhält. Sie beginnt Anfang Mai und dauert bis Ende August. Während dieser Zeit verlassen die Portugiesen die Stadt, um auf dem Land oder in den höher gelegenen Teilen der Insel zu leben, wo sie ihre Villen haben. Dort genießen sie die frische, kühle Luft und den Schatten der Palmen. Die Palmen tragen Früchte von der Größe eines Männerkopfes. Die Früchte nennt man dort cochos oder einfach »indische Nüsse«.

Auch die Früchte einer anderen Pflanze sind schmackhaft und erfrischend. Diese hat sehr grüne Blätter, und jedes von ihnen ist so groß, dass eine Person darunter Schatten finden kann. Die Pflanze trägt Früchte, die etwa die Länge einer Handfläche – zuweilen auch weniger – haben. Man nennt sie hier badanas. Die Früchte haben die Dicke einer Gurke und eine glatte Schale, die man so wie bei unserer einheimischen Feige abzieht. Sie sind aber größer und fester. Das Innere wird gegessen. Es hat ein süßes Aroma und ist angenehm für die Zähne – fast wie eine sehr reife Melone, aber trockener und ohne Saft. Man isst die Früchte auch geröstet oder über glühenden Kohlen bereitet, so wie Birnen, und dann gießt man etwas Weißwein darüber, was einen sehr herzhaften Geschmack gibt. Wenn diese Frucht grün ist, röstet man sie, nachdem man zuvor die Schale abgezogen hat. Während man sie roh – des bitteren Geschmacks wegen – nicht genießen kann, mundet sie nach dem Rösten so gut, dass man sie anstelle von Brot verwendet. Schließlich kann man aus dieser Frucht auch verschiedene Speisen bereiten, so wie das die Kastilier in Westindien tun, wo man die gleichen Früchte platanos nennt. Die Portugiesen in Ostindien nennen sie figos, und es gibt ihrer eine ungeheure Anzahl von Sorten – darunter so kleine, dass man sie mit einem Bissen verzehren kann.

In der Regenzeit wird sehr viel gefischt, denn es gibt in den Flüssen und Bächen mancherlei Fischarten, und besonders reichlich natürlich in der See. Man muss die Fische aber sofort nach dem Fang essen oder einsalzen, denn sobald sie auch nur eine Stunde aus dem Wasser sind, kann man sie wegen der Unbilden des Wetters und der großen Hitze nicht aufbewahren. Vor allem darf man Fische, die bei Nacht gefangen werden, nicht dem Mondlicht aussetzen, denn dann verderben sie sofort derart, dass man sie zu nichts mehr verwenden kann – es sei denn, dass man sie den schwarzen Sklaven überlässt, die solche Fische ebenso gern essen wie wir die frischen. Der verdorbene Fisch hat einen kräftigeren Geschmack, und gerade das lieben die Schwarzen. So halten sie es mit allen in Fäulnis oder in Verwesung übergegangenen Lebensmitteln, ganz gleich, ob sie von ihnen mitten auf der Straße oder an schmutzigen Orten gefunden werden. In Wahrheit aber werden dadurch viele Krankheiten verursacht, und deshalb versucht man, die Schwarzen am Genuss dieser verdorbenen Abfälle zu hindern.

Im Übrigen vertreibt man sich die Zeit mit der Jagd auf verschiedene Tiere. Insbesondere werden viele jener Hühner gefangen, die man hier Guinea-Hühner und bei uns afrikanische Hühner nennt. Sie sind ebenso gut wie schön, denn ihr schwarzes Gefieder ist überall mit weißen runden Flecken gesprenkelt. Sie bieten einen prachtvollen Anblick und sind köstlich im Geschmack.

Vor allem aber gibt es auf diesen Inseln große Mengen von wilden Ziegen – besonders auf der Insel Fogo, die ihren Namen von einem Vulkan hat, der ständig Feuer speit. Das Ziegenfleisch wird eingesalzen und dann von Schiffen – sogenannten Karavellen die aus Portugal, von den Kanarischen Inseln und Madeira kommen, abgeholt. Diese Schiffe bringen Vorräte an Getreide, Weinen, Gemüse und getrockneten Früchten heran. Sie tauschen ihre Güter gegen das gepökelte Ziegenfleisch dieser Inseln ein, das sie dann zu den Einwohnern der Insel São Thomé bringen, die unterhalb des Äquators gelegen ist. Auch nach Brasilien und anderen Gegenden Amerikas bringen sie Ziegenfleisch. Auf all diesen Inseln gibt es auch viele Katzen, aus denen man das zibetto (stark riechendes Parfüm aus Drüsenabsonderungen der Zibetkatze – d. Übers.) bereitet, das recht gut ist.

Weiter finden sich hier in großer Zahl jene Affen, die wir als Meerkatzen bezeichnen. Sie haben einen langen Schwanz und werden hierzulande von den Portugiesen bugios genannt. Man bringt ihnen das Tanzen und allerlei Spiele und Späße bei. Ich habe gesehen, dass einige von ihnen gelernt hatten, auf einer Ecke des Tisches zu stehen, während gegessen wurde. Sie hielten eine Kerze in der Pfote und leuchteten den Tafelnden. Dabei legten sie große Umsicht an den Tag, indem sie es zu vermeiden wussten, dass Wachstropfen auf das Tischtuch fielen oder dass sie irgendeinen anderen Fehler machten. Oft kam es vor, dass die Kerze so weit heruntergebrannt war, dass sich das Tier die Finger versengte. Dann nahm es die Kerze zunächst in die andere Hand, bis es sich auch diese versengte und darum schließlich die Kerze fallen ließ. Das geschah aber nur, wenn der Schmerz nicht mehr auszuhalten war. Und man hatte dann den Eindruck, als wollte das Tier durch Schütteln des Kopfes und Klappern mit den Zähnen erklären, warum es die Kerze fallen ließ. Dabei sind diese Äffchen so behutsam, dass sie den Kerzenstummel nicht auf den Tisch fallen lassen.

Für die gleichen Dienste verwendet man hier auch Sklaven, von denen je einer, völlig nackt, mit der Kerze in der Hand am Kopf- und Fußende des Tisches steht, während ihre Herren speisen und sich unterhalten. So dienen sie als Leuchter und erfüllen ihre Aufgabe wohl mindestens ebenso gut wie silberne Kerzenhalter.

Nun möchte ich noch etwas mehr über die verheirateten Männer sagen, das heißt, über die auf den Inseln lebenden Portugiesen: Es steht außer Zweifel, dass sie eine schwarze Frau aus diesem Land höher schätzen als eine weiße Frau aus Portugal. Man könnte fast meinen, der hiesige Himmel fordere und wünsche gleichsam, dass alles, was aus dem heimischen Land kommt, besser gefallen solle, als das Fremde. So lehrt die Erfahrung, dass sich jeder Portugiese, der keine Eingeborene zur Frau hat, sehr bald eine schwarze Konkubine beschafft. Schließlich ist dann die gegenseitige Zuneigung meist so groß, dass die Portugiesen die schwarzen Frauen heiraten und mit ihnen so glücklich leben, als gehörten sie der gleichen Nation wie sie selbst an. Und tatsächlich kann nicht bestritten werden, dass man unter den schwarzen Frauen viele antrifft, die an Tüchtigkeit, Auffassungsgabe, Gesichtsbildung, körperlicher Verfassung und Ebenmaß der Glieder – von der Farbe abgesehen – unsere europäischen Frauen bei Weitem übertreffen. Ich muss gestehen, dass auch ich diesem Zauber verfallen bin, denn einige Frauen waren in meinen Augen wirklich schön, und ihre schwarze Farbe wirkte keineswegs abstoßend auf mich. So gleicht man sich denen an, die Tag für Tag nichts anderes vor Augen haben. Die Gewohnheit macht es, dass ihnen das Andersartige nicht mehr seltsam vorkommt. Alle Weißen, die in Afrika, Cabo Verde, dem Kongo und Angola leben, werden das sicherlich ohne weiteres bestätigen – besonders aber die Bewohner dieser Inseln, zu denen auch viele Kaufleute und Durchreisende gehören, die in diesen Gebieten Handel treiben. Alle erkennen im Übrigen an, dass sie dem von Portugal eingesetzten Gouverneur Gehorsam schuldig sind, denn es handelt sich um ein Land, das jener Krone untersteht. Auf São Thiago gibt es – ebenso wie auf allen umliegenden Inseln – keine anderen Einwohner als Portugiesen, Schwarze und Mulatten. Letztere stammen von einer schwarzen Mutter und einem portugiesischen oder einem anderen weißen Vater ab.

Unter der großen Anzahl schwarzer Sklaven befinden sich auch freie, die sich als Kaufleute betätigen, einige sogar als Geistliche, und geweihte Priester, die berechtigt sind, die Heiligen Sakramente zu verabreichen (»Freie« Sklaven können nur Freigelassene sein. Oder sind freie Schwarze gemeint? – d. Übers.). Sie leben – ebenso wie ihr Bischof, der ein Portugiese ist – vom Kauf und Verkauf schwarzer Sklaven, die von portugiesischen Kaufleuten auf die Inseln gebracht werden. Kaufleute holen die Sklaven vom afrikanischen Festland, von Cabo Verde und Los Rios, das heißt also aus den Flussgebieten an der afrikanischen Küste, die das ganze Jahr über schiffbar sind. Es ist eine riesige, fast unermessliche Anzahl von Schwarzen, die sie gegen verschiedene Waren – besonders gegen Kleidungsstücke aus Baumwolle, die auf diesen Inseln wächst – einhandeln.

Mit Baumwollwaren und mit viel weißem Wein von den Kanarischen Inseln und Madeira beladen fahren ihre Schiffe, die etwa die Form von Fregatten haben, in die afrikanischen Stromgebiete und Häfen. Dort gehen die Kaufleute in Booten, die unter Segel fahren oder gerudert werden, an Land. (Originaltext offenbar verderbt: »Dort fahren sie mit Booten, die etwa die Form von Fregatten haben, an Land. Diese Schiffe können unter Segeln fahren und auch gerudert werden.« – d. Übers.). In all jenen Häfen gibt es den Portugiesen gehörige Faktoreien, die auf dem Tauschweg gegen Waren schwarze Sklaven einhandeln. Die Waren tauschen sie gegen Landesprodukte und weitere Sklaven ein, die entweder bei Kämpfen gefangengenommen oder von ihnen geraubt wurden. So wandern die Sklaven von Hand zu Hand, bis sie hier auf der Insel São Thiago dann an die Leute verkauft werden, die mit ihren Schiffen von Spanien herüberkommen und die Sklaven gegen bares Geld erwerben, um sie dann, mit einer Lizenz des Königs von Spanien, nach Westindien zu bringen. Wir unsererseits brachten einen Teil unseres Besitzes in Dublonen (Goldgulden) und einen Teil in Kreditbriefen mit, die uns Kaufleute in Lissabon ausgestellt hatten. Für die auf jene Kaufleute gezogenen Wechsel, gab man uns auf São Thiago Sklaven.

Über die erwähnten königlichen Lizenzen muss ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit sagen, dass man nicht so ohne weiteres Mohren – oder sagen wir: Schwarze – aus Afrika oder aus irgendeinem anderen Gebiet von Guinea holen kann, um sie an einen beliebigen Ort im spanischen Hoheitsgebiet zu bringen. Vielmehr muss man sich vorher Lizenzen von der Königlichen Kammer oder von denen, die sie in Unterpacht haben oder denen sie vom König geschenkt wurden, besorgen. Es gibt zwei Arten von Lizenzen. Die ersten werden »freie« und die anderen »Viertel« genannt. Wir kauften 80 der erstgenannten Lizenzen zu je 25 Scudos gegen Bargeld. Für jede Lizenz waren wir berechtigt, einen Sklaven von Cabo Verde – ich meine jetzt die Insel – mitzunehmen und diesen Sklaven, frei und ohne weitere Abgaben an die Krone von Kastilien – abgesehen von einigen geringen Spesen –, nach Indien zu transportieren. Das befreite uns aber nicht von der Gebühr, die an die Vermittler dieses Sklavengeschäfts zu entrichten ist, die ihrerseits der Krone von Portugal unterstehen. Auf den Kapverdischen Inseln sind für jeden aus dem Land geholten Sklaven 16 Scudos zu bezahlen. Soweit es sich um Lizenzen der anderen, der sogenannten »Viertel«-Art handelt, die nur halb so viel kosten wie die »freien«, muss man – nachdem man in Indien angekommen ist – dem König von Spanien als Zollabgabe den vierten Teil der Sklaven, die man lebend hinübergebracht hat, überlassen. Bringt man aber von der einen oder von der anderen Sorte mehr Lizenzen als Sklaven mit, so kann man die Lizenzen wieder verkaufen. Im umgekehrten Falle, wenn man also weniger Lizenzen als Sklaven hat, werden einem alle Sklaven, für die man keine Lizenz hat, ohne jede Gegenleistung fortgenommen.

Das wäre für heute das, was ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit aus dem Gedächtnis mitteilen kann. Morgen werde ich – sofern das genehm ist – über die Art und Weise berichten, in der wir auf den Kapverdischen Inseln verhandelten. Weiter werde ich über das Verfahren beim Ankauf der Sklaven und über unsere Abfahrt mit den Sklaven sowie über unsere Ankunft in der Stadt Cartagena in Indien berichten.

ZWEITER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Behandelt das Verfahren beim Ankauf von schwarzen Sklaven auf den Kapverdischen Inseln und deren Überführung nach Westindien in die Stadt Cartagena.

Gestern habe ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit versprochen, dass ich über unsere Verhandlungsart auf den Kapverdischen Inseln berichten würde.

Sobald wir an Land gegangen waren, mieteten wir ein Haus und machten bekannt, dass wir Sklaven kaufen wollten. Darauf veranlassten jene Portugiesen, die ihre Menschenware auf dem Land bei ihren Villen wie das Vieh in Hürden eingepfercht halten, dass die Schwarzen in die Stadt geführt und uns gezeigt werden sollten. Nachdem wir einige von ihnen gesehen und nach den Preisen gefragt hatten, stellten wir fest, dass es uns nicht gelingen würde, so große Gewinne zu erzielen, wie wir sie uns in Spanien auf dem Papier errechnet hatten. Das war darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage, infolge der großen Zahl der hier eingelaufenen Schiffe, sehr groß war. Alle wollten Sklaven für Indien erwerben, und das führte zu stark erhöhten Preisen. Während der Preis für einen Sklaven sonst 50 oder höchstens 60 Scudos betrug, mussten wir jetzt 100 Scudos für jeden bezahlen. Dabei durfte man sich noch glücklich preisen, wenn man überhaupt einige erwerben konnte, um sie nach drüben zu bringen. So standen wir vor der Wahl: Vogel friss oder stirb!

Wir kauften also 75 Sklaven zu dem genannten Preis. Zwei Drittel davon waren Männer und das letzte Drittel Frauen, und zwar alte und junge, große und kleine, bunt durcheinandergewürfelt. Das ist hierzulande so üblich – etwa so wie man bei uns eine Schafherde kauft. Natürlich überzeugt man sich davon, dass alle gesund und in guter Verfassung sind und keine körperlichen Mängel aufweisen. Dann lässt der Besitzer jeden Sklaven markieren – oder, um es genauer zu sagen: Er stempelt jeden mit seiner Marke ab, die aus Silber gefertigt ist und an der Flamme einer Talgkerze erhitzt wird. Mit dem Talg werden die betreffenden Körperstellen und das Siegel eingeschmiert. Die Marke wird auf der Brust, auf einem Arm oder auf dem Rücken angebracht, sodass man die Sklaven leicht unterscheiden kann. Die Erinnerung an diese Maßnahme, die ich auf Anordnung eines höheren Beamten ausführte, erfüllt mich mit Betrübnis und Gewissensbissen. Mir wird so etwas, Durchlauchtigster Herr, immer als eine unmenschliche Handlung erscheinen, die eines gläubigen und frommen Christen unwürdig ist.

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Eingeborene der Kapverdischen Inseln

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass hier Gewinn aus dem Handel mit Menschen gemacht wird, oder um es noch genauer zu sagen, aus menschlichem Fleisch und Blut. Das ist umso verwerflicher, da es sich um Getaufte handelt, die sich zwar in Hautfarbe und im Besitz irdischer Güter von uns unterscheiden, deren Seelen aber von dem gleichen Schöpfer geschaffen wurden, wie die unseren auch. Ich bitte Seine Göttliche Majestät um Verzeihung, obwohl Gott sehr wohl weiß, dass mein ganzes Wesen und meine Überzeugung solche Geschäfte stets verabscheut haben und daher solcher Verzeihung nicht bedürfen. Jeder soll es wissen, und ich bitte Eure Durchlauchtigste Hoheit davon überzeugt zu sein, dass mir dieses Geschäft keineswegs zugesagt hat. Jedenfalls aber haben wir uns dennoch damit befasst, und vielleicht haben wir alle dafür büßen müssen. Das wird am Ende meines zweiten Berichtes ersichtlich werden, den ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit über diese Reise und über alles, was uns in deren Verlauf widerfahren ist, erstatten werde.

Zu dem Sklavengeschäft möchte ich noch bemerken, dass wir die bereits erwähnten 75 schwarzen Männer und Frauen zum Preise von je 100 Scudos eingekauft hatten. Einige von ihnen kosteten uns aber – einschließlich aller Spesen – mehr als 170 Scudos. Zum Kaufpreis kamen nämlich hinzu: 25 Scudos für die königliche Lizenz, 16 Scudos für die Ausfuhrabgabe an die Kapverdischen Inseln und 21 Scudos für den Transport von dort nach Cartagena in Indien. Ferner kamen kleinere Spesen für den Lebensunterhalt und andere Dinge hinzu. Der Tod einiger Sklaven während der Überfahrt belastete das Geschäft noch zusätzlich.

Für je zehn meiner Sklaven bestimmte ich einen Schwarzen, der für diese Gruppe verantwortlich war. Natürlich suchte ich mir für diesen Posten möglichst kluge und umsichtige Leute aus. Dadurch glaubte ich eine gewisse Garantie dafür zu haben, dass meine Anordnungen bezüglich der Sklaven und besonders ihrer Ernährung auch durchgeführt wurden. Sie sollten zweimal am Tag eine bestimmte Sorte besonders nahrhafter Bohnen erhalten. Diese Bohnen wachsen dort, und man kocht sie einfach in Wasser, um sie dann mithilfe von Öl und Salz schmackhafter zu machen.

Bis zur Einschiffung brachte ich die Sklaven in zwei Räumen unter, die streng voneinander getrennt waren. In einen Raum kamen die Männer, und in den anderen die Frauen. Sie bewegten sich völlig nackt und ohne jede Bekleidung, außer der ihnen von der Natur geschenkten Haut. Ein Fetzen Baumwolle, Leder, Fell, Lumpen oder Blätter von Bäumen genügen ihnen, um jenen Körperteil zu verdecken, der uns infolge der Erbsünde schamhafter erscheint als die anderen. Aber viele von ihnen – Männer sowohl als Frauen – machten sich keine solche Mühe, sei es nun aus Not, Einfalt oder Unfähigkeit, und zeigten sich so, wie die Natur sie geschaffen hatte. Sie bemerkten es gar nicht, dass die anderen gewisse Körperteile aus Scham verdeckten.

Viele Männer aber legten ein besonderes Feingefühl an den Tag, indem sie sich das Glied mit einem Band oder mit aus Pflanzenfasern gefertigten Fäden zwischen den Schenkeln nach hinten zogen. Dadurch verbargen sie es, und man konnte kaum sagen, ob es sich um Männer oder Frauen handelte. Andere versteckten das Glied im Horn eines kleineren Tieres oder in einer Seemuschel. Wieder andere verhängten das Glied derart mit Ringen aus Knochen oder geflochtenem Gras, dass es unsichtbar und sogar verziert war. Viele bemalten – richtiger gesagt: beschmierten – es auch mit einer Mixtur, sodass es rot, gelb oder grün aussah. Auf solche und ähnliche Weise versuchten sie jene Teile zu bekleiden, die andere unter ihnen, ohne weitere Umstände, einfach unbedeckt ließen.

Meine oben erwähnte Fürsorge für unsere Sklaven konnte ich allerdings nur kurze Zeit hindurch ausüben. Ich wurde nämlich von einem heftigen Fieber befallen, das entweder durch die ungewohnten Anstrengungen oder durch die ganz andere Luft in diesem mörderischen Klima hervorgerufen wurde. Sicher waren es die Unbilden dieser für mich ungewohnten Witterung, deren Auswirkungen ich bisher nicht gekannt hatte. Ich war noch nie dem seltsamen Einfluss der heißen Zone ausgesetzt gewesen. Die übermäßige Hitze ist für den Fremden sehr schädlich, während sie für den Eingeborenen – wie das in allen Ländern der Fall zu sein pflegt – durchaus erträglich und sogar gesund ist.

Durch das Fieber war ich ans Bett gefesselt. Hätte die Einschiffung während meiner Erkrankung erfolgen müssen, würde ich jetzt vermutlich in jener Erde ruhen. Immerhin habe ich dort sehr viel Blut lassen müssen, denn man hat mich eine Woche lang jeden Tag zur Ader gelassen. Einer solchen Behandlung musste ich mich zum ersten Mal in meinem Leben unterziehen, aber geholfen hat sie mir nicht.

Als dann die Zeit gekommen war, zu der ich mit meinen Sklaven die Ausreise nach Indien antreten musste, war ich noch recht krank. Deshalb musste ich zwei Portugiesen mit der Sorge um unsere Schwarzen betrauen. Diese Männer gingen an Bord des von uns gecharterten Schiffes. Dort brachten sie die männlichen Sklaven unter Deck, wo sie in einem Schiffsraum so dicht zusammengepfercht waren, dass sie sich nur mit Mühe von einer auf die andere Seite drehen konnten. Die Frauen verteilten sich über das ganze Deck, wo sie sich, so gut es gehen wollte, einrichteten. Alle bekamen einmal am Tag so viel zu essen, wie sie haben wollten. Die Nahrung bestand aus einem in Wasser gekochten Hirsebrei, wie er in jenen Ländern üblich ist, und der mit Öl und Salz zubereitet wird. Morgens gab man ihnen zum Frühstück eine Handvoll Samenkörner, die dem Anis in unreifem Zustand ähneln, aber nicht dessen Geschmack haben. Nach dem Mittagessen gab es dann zu trinken, wobei die Sklaven den Mund in einen großen Kübel steckten. Jeder trank so viel wie er, ohne Atem zu holen, fassen konnte. Wenn am Abend jemand etwas vom Mittagessen aufgespart hatte, verteilte er das unter die zehn Sklaven seiner Gruppe.

Nachdem wir alles, was für eine solche Reise erforderlich ist, an Bord gebracht hatten, verließen wir am 19. April 1594 die Insel São Thiago. Wir fuhren in Begleitung eines anderen Schiffes, das ebenfalls schwarze Sklaven an Bord hatte. Dabei lagen wir auf Westkurs fast immer auf der gleichen Höhe zwischen 14 und 15 Grad nördlicher Breite. In günstiger Fahrt überquerten wir diesen Seeraum des Ozeans, bis wir nach 3000 Meilen in Cartagena eintrafen. Diese Stadt Indiens liegt an der Küste des allgemein als terra ferma bezeichneten Festlandes. Sie ist zwischen dem zehnten und elften Grad nördlicher Breite gelegen und besitzt einen sehr schönen Hafen. Zuvor hatten wir die Inseln gesichtet, die von den Spaniern Antilias genannt werden und die dem Festland vorgelagert sind. Sie sind in großer Menge über das Meer verstreut und so von der Natur angeordnet, dass man unwillkürlich den Eindruck bekommt, sie seien dort als Schutz und Bollwerk für die schier unglaublichen Schätze und Reichtümer aufgebaut, die in der ganzen Neuen Welt so viele Jahrhunderte hindurch für uns verborgen waren.

Mit knapper Not entgingen wir auf dieser Fahrt dem Untergang. Das uns begleitende Schiff rammte nämlich – sei es infolge der Unachtsamkeit oder der Unfähigkeit des Matrosen, der dort gerade am Ruder stand – unser kleines Schiff. Das geschah nachts, während wir mit vollen Segeln fuhren. Da das andere Schiff viel größer und schwerer als das unsere war, befanden wir uns in größter Gefahr. Gott aber hatte Mitleid mit uns und verhütete ein größeres Unheil. Nur der Überwasserteil unserer Bordwand wurde an einer Stelle aufgerissen und ein Segel, die sogenannte levadera (Lateinsegel – d. Übers.) wurde mitsamt der Rahe fortgerissen. Bis zu jenem Tag hatte ich schwer unter dem Fieber zu leiden, das wohl ein wenig zurückgegangen, aber nie ganz gewichen war. Von dieser Stunde an war ich davon befreit. Ich glaube, dass dies eine Folge der starken Erregung und der Furcht war, die ja immer mit derartigen Vorkommnissen verbunden sind. Unsere Rettung war wirklich ein Wunder, das wohl dem Umstand zuzuschreiben ist, dass unser kleines Schiff nur leicht beladen war. Deshalb gab es dem Anprall nach. Beim Zusammenstoß schien es kentern zu wollen, und man hatte den Eindruck, als würde es vollkommen zertrümmert werden und dann sinken.

Wie ich schon sagte, verlief der Rest unserer Fahrt gut. Es war aber recht betrüblich, mit ansehen zu müssen, wie fast jeden Tag ein Sklave über Bord geworfen wurde. Viele Sklaven starben an roter Ruhr. Diese Krankheit wurde durch bestimmte Fische hervorgerufen, die sie unzureichend gekocht oder gar ganz roh verzehrten. Solche Fische fingen wir in unglaublichen Mengen während der ganzen Überfahrt bis zu den Antillen-Inseln. Die Fische verursachten uns den erwähnten Schaden, erleichterten uns aber andererseits doch in hohem Maße das Leben. Das Fischen bot uns viel Abwechslung, zumal es sich ohne besondere Schwierigkeiten durchführen ließ. Es war fast so, als schwömmen die Fische Tag und Nacht wie in einem Bassin neben uns her. Wir benutzten Draggen (kleine dreizackige Harpunen – d. Übers.), während das Schiff fuhr und die Fische immer an seiner Seite blieben. Nachts sah man die Fische zwischen Schiff und Bugwelle leuchten, und die Matrosen standen an der Bordwand oder kletterten auf die Lateinrahen der Masten. Wie sie da mit ihren Draggen die Fische aufspießten, glichen sie lauter Neptunen.

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Mittelamerika – Ausschnitt einer Karte von 1592

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Noch leichter ließen sich die Fische mit einem großen Haken fangen, der an einer starken Leine hing und an dem zwei Leinwandfetzen befestigt waren, die wie zwei kleine Flügel aussahen. Das tat man, um auf diese Weise eine gewisse Fischart vorzutäuschen, die die Größe einer Handfläche hat. Sie werden »fliegende Fische« genannt, weil sie mithilfe ihrer »Flügel« eine Weile über Wasser bleiben und dabei etwa Fledermäusen gleichen. Sie suchen sich vor den großen Fischen, die wir fingen, zu retten, indem sie in großen Schwärmen auffliegen. Dabei legen sie jedes Mal 40 bis 50 Schritte dicht über dem Wasser zurück, um dann wieder unterzutauchen. Oft aber fallen sie bei dieser Flucht über Wasser den großen Seevögeln zur Beute. In dem Wasser zwischen Bordwand und Bugwelle werden sie hartnäckig von den großen Fischen verfolgt. Die Haken ähneln den fliegenden Fischen, wenn sie in Ruhestellung wieder ins Wasser fallen, so sehr, dass die großen Fische sofort anbeißen, um sie zu verschlingen. Dabei bleiben sie aber an unseren Haken hängen, und man kann sie in beliebiger Menge fangen.

Das alles geschah, während das Schiff gute Fahrt voraus machte. So fingen wir oft 300 oder 400 oder noch mehr Fische am Tag. Die beste Zeit dafür ist morgens und abends, denn dann sind die großen Fische besonders hinter den fliegenden Fischen her.

Unter den großen Fischen wurde ein regelrechtes Blutbad angerichtet, denn viele fingen die Matrosen nur zum Zeitvertreib, um sie dann wieder in die See zu werfen. Manche Leute markierten ihren Fang, damit sie ihn später wiedererkennen konnten. Es kam oft vor, dass ein und derselbe Fisch zweimal gefangen wurde. Jeder Fisch wiegt etwa 30 bis 40 Pfund, und die Spanier nennen sie dorados (Goldbrassen). Dies sind die besten Fische, und sie haben Schuppen, die wie Gold glänzen. Es sind Plattfische, die länger als dick sind, und sie schwimmen außerordentlich schnell.

Dann gibt es noch zwei andere Fischarten, die den Thunfischen ähneln. Sie haben rundliche Form, keine Schuppen und außer dem Rückgrat keine Gräten. Die besten und größten unter ihnen werden albacoras, die anderen bonitos genannt. Diese Fischarten sind aber nicht besonders bekömmlich, weil sie sehr blutreich sind. Wenn man sie isst, erzeugen sie Krätze und rote Ruhr. Bei allen handelt es sich um Fischarten, die niemals in Küstengewässern auftauchen, sondern stets in der offenen, tiefen und warmen See zwischen den beiden Wendekreisen bleiben. Sie schwimmen in so großen Schwärmen, dass man es oft erleben kann, wie die Luft von fliegenden und die See von schwimmenden Fischen erfüllt ist.

Sobald die Fische ein Schiff antreffen, schließen sie sich ihm an und begleiten es – und wenn es noch soviel Fahrt macht. Flauten und ruhige See schätzen sie gar nicht. Ihr natürlicher Instinkt lässt sie immer den Wind suchen. Erst wenn sie die Nähe von Land wittern, trennen sie sich von dem Schiff. Sobald sie kehrtmachen, ist das ein Zeichen für den Seemann, dass er sich in der Nähe von Land befindet oder aber, dass eine Windstille bevorsteht.

Die Fische nehmen – ebenso wie die Schiffe – den Wind von achtern. Dadurch unterscheiden sie sich von den Fischen, die man als Delphine bezeichnet. Diese schwimmen stets gegen den Wind und strecken ihr Maul, das dem der Schweine ähnelt, aus dem Wasser, als wollten sie den Wind so recht genießen. Die Seeleute behaupten, dass die Fische deshalb gern jedem Schiff folgen, dem sie auf hoher See begegnen, weil sie es für einen großen Fisch halten. Sie hoffen es als Schutz gegen jene Fische benutzen zu können, die größer als sie selbst sind und sie zu fressen versuchen. Dabei schwimmen sie, um sich in Sicherheit zu bringen, bald an der einen und dann wieder an der anderen Seite neben dem Schiff her. Ob diese Beobachtungen stimmen, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls aber habe ich oft gesehen, wie sich ein Sardinenschwarm vor anderen Fischen rettete, indem der ganze Schwarm das Schiff umkreiste.

Wie dem auch sei, es ist jetzt an der Zeit, dass ich, mit Eurer Durchlauchtigsten Hoheit gütiger Erlaubnis, meinen heutigen Bericht abschließe. Morgen werde ich, wenn ich keine andere Weisung erhalte, darüber berichten, wie wir mit unseren Sklaven in der Stadt Cartagena an Land gingen, wie wir die Sklaven verkauften und wie wir jene Stadt verließen. Ich werde ferner berichten, was alles geschah, bis wir – über die Stadt Nombre de Dios – die Stadt Panama erreichten, die an der Küste des südlichen Meeres, das auch der Pazifik genannt wird, gelegen ist.

DRITTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

Behandelt das, was in Cartagena geschah, den Verkauf der Sklaven, die Abfahrt von dort bis zur Ankunft in Panama, einer am Südmeer gelegenen Stadt, sowie viele andere Einzelheiten.

In meinem gestrigen Bericht habe ich angekündigt, Eure Durchlauchtigste Hoheit von unserer Ankunft in Cartagena und von dem, was dann dort geschah, zu unterrichten. Nachdem wir im Hafen vor Anker gegangen waren, begaben sich viele sogleich an Land. Mein Vater tat das heimlich, während ich als der mit der Durchführung des Geschäfts Beauftragte an Bord blieb, um zunächst den Besuch der Inspektoren abzuwarten, die nach dem dortigen Brauch jedes einlaufende Schiff zuerst einmal untersuchen. Dabei erfuhren sie, dass wir mit schwarzen Sklaven von Cabo Verde kamen. Sofort ordneten sie an, dass ich von Bord müsse, um an Land gebracht und dort ins Gefängnis gesteckt zu werden. Die Spanier sind außerordentlich erfindungsreich, wenn es sich darum handelt, Methoden auszuklügeln, mit denen sich Geld verdienen lässt. Deshalb beschuldigte man mich, viele Sklaven ohne die Lizenz Seiner Majestät mitgebracht zu haben.

Ich blieb indessen nur drei Tage im Gefängnis. Dann trafen mit der aus Spanien kommenden Flotte Briefe ein. Diese Briefe waren zu unserer Entlastung von dem hochverehrten Don Pietro Medici an den Gouverneur der Stadt gerichtet. Diesen Posten bekleidete zu der Zeit Don Pedro Bravo de Acuña, ein Ritter des Johanniterordens von Malta. Die Briefe wurden Seiner Exzellenz vorgelegt, und er ordnete sofort meine Freilassung an, weil ich ohne Verschulden festgehalten wurde.

Ich hatte nämlich zwölf Lizenzen mehr für schwarze Sklaven, als benötigt wurden. Fünf Lizenzen waren noch von den 80 übrig, die ich auf den Kapverdischen Inseln erstanden hatte, denn ich hatte nur 75 Sklaven an Bord genommen. Die anderen sieben Lizenzen waren für die Sklaven bestimmt gewesen, die mir unterwegs gestorben waren. In Cartagena brachten wir nur noch die überlebenden 68 Sklaven an Land. Von diesen befanden sich allerdings einige in ziemlich schlechter Verfassung – entweder krank oder halb tot. Wir versuchten, diese Leute wieder gesundzupflegen, und ich muss gestehen, dass wir das nicht in erster Linie aus Mitleid taten. Wir bangten vielmehr um das in die Sklaven gesteckte Geld. Die Erhaltung der Sklaven wurde uns allerdings durch den in Cartagena herrschenden Mangel an geeigneten Lebensmitteln sehr erschwert. Wir fanden zu jener Zeit nichts außer etwas cazzabe (Kassawa – ein aus Maniokmehl gefertigtes Brot – d. Übers.) vor. Damit konnten wir sie nur sehr dürftig ernähren, denn es ist eine wenig schmackhafte und wohl die schlechteste Nahrung, die man im westlichen Indien kennt.

Die cazzabe wird von der spanischen Insel Santo Domingo hierhergebracht. Sie wird aus bestimmten Wurzeln hergestellt, deren Saft giftig sein soll. Wenn man sie aber kocht und dann zubereitet, sind sie der Gesundheit zuträglich. Zerreibt man die gleichen Wurzeln in der Art wie man Zuckerrohr zerreibt, so kann man das Mark kochen. Daraus fertigt man dann eine Art von Keksen oder beliebig lange Streifen, die aber nur einen Finger dick sind. Das Ganze wird über dem Feuer gut ausgetrocknet, und man isst es anstelle von Brot. Man sollte aber stets ein erfrischendes und angenehmes Getränk bereit haben, weil es eine sehr trockene und raue Masse ist, die leicht in der Kehle steckenbleibt, sodass man das Gefühl hat, ersticken zu müssen. Unsere Sklaven bekamen ihre Portionen in Kalbsbrühe aufgeweicht, in der es wie Mehlbrei oder Polenta auseinanderfällt und somit gut zu essen ist.

So suchten wir unsere Sklaven wiederherzustellen oder in gutem körperlichem Zustand zu erhalten, aber das Wetter und die Jahreszeit waren dafür nicht besonders günstig. In jenem Klima herrschte damals nämlich gerade die Regenzeit, die sehr ungesund ist. Wir allerdings fanden es recht angenehm, dass die übermäßige Hitze infolge des Regens etwas gemildert wurde. Denn gerade zu jener Zeit fallen die Sonnenstrahlen fast senkrecht herunter, sodass man in der Mittagszeit keinen Schatten wirft, weil er unter den Füßen verschwindet.

Die göttliche Vorsehung und die vernünftige Regelung der Natur sorgen aber dafür, dass es trotzdem möglich ist, in jenen Ländern zu leben. Wenn dem nicht so wäre, würden jene alten Philosophen recht behalten, die behaupteten, dass die heiße Zone durch die übermäßige Hitze ganz ausgebrannt und alles Guten bar ist, sodass sie unbewohnbar sei. Genau das Gegenteil trifft zu. Viele dieser Länder sind stark bevölkert und liefern eine Fülle aller für den Lebensunterhalt notwendigen Voraussetzungen. Es gibt nämlich reichlich Regen- und Schneewasser und riesige Flüsse, auch frische Wiesen, die das ganze Jahr über grün sind; und es gibt Wälder mit Bäumen von kaum glaubhafter Größe. Darunter befinden sich viele Baumarten, die von den unseren völlig verschieden sind und während des ganzen Jahres grüne Blätter tragen. Auch an fruchttragenden Bäumen herrscht kein Mangel. Da dort stets Sommer oder Frühling ist und da es weder Winter noch sonst eine raue Jahreszeit gibt, bringen sie ununterbrochen Blüten und Früchte hervor.

Aus den größeren Bäumen stellen die Eingeborenen Boote her, die aus jeweils einem Stück bestehen und die von den Indianern canoee genannt werden. Jedes Boot kann zwölf bis 15 Fässer Wein fassen.

In diesem Land war ich zum ersten Mal zwischen dem Äquator und der Sonne. Wenn sich die Sonne im Wendekreis des Krebses befand, wurde mein Schatten nach der Seite geworfen, die wir Süd (mezzogiorno – d. Übers.) nennen. In unserer Hemisphäre ist das Gegenteil der Fall, denn der Schatten fällt immer in nördlicher Richtung (tramontana – d. Übers.).