Slavko Goldstein
1941 – Das Jahr, das nicht vergeht
Die Saat des Hasses auf dem Balkan
Aus dem Kroatischen
von Marica Bodrožic
FISCHER E-Books
Slavko Goldstein (1928–2017) war einer der wichtigsten Intellektuellen Kroatiens und des ehemaligen Jugoslawien. Nach dem Tod seines Vaters 1941 ging seine Mutter mit ihm und seinem Bruder zu den Partisanen, wo er mit 17 den Rang eines Leutnants erreichte. In Jugoslawien zählte Slavko Goldstein nach dem Krieg zu den bekanntesten Journalisten und Drehbuchschreibern und gründete den Verlag Novi Liber. In den 1980er Jahren war er Präsident der Jüdischen Gemeinde von Zagreb, 1989 gründete er die erste nichtkommunistische Partei Kroatiens.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Eine einzigartige Erzählung über eine der großen Tragödien des 20. Jahrhunderts
1941 besetzten die Deutschen das Königreich Jugoslawien, in Kroatien übernahm die faschistische Ustascha die Macht. Slavko Goldstein, einer der bekanntesten Intellektuellen im ehemaligen Jugoslawien, erzählt von diesen Wochen und Monaten, die er selbst als Vierzehnjähriger erlebt hat. Fesselnd beschreibt er die Dynamik der Gewalt auf dem Balkan, die 1941 in Gang gesetzt wurde, als die Ustascha-Regierung hunderttausende Menschen, vorrangig aus der serbischen Bevölkerung, ermordete.
Goldstein beschreibt die Ereignisse Tag für Tag, Woche für Woche, schildert die Schicksale zahlreicher Menschen, ob Täter oder Opfer, und versucht, ihre Motive zu verstehen, ohne vorschnell zu urteilen.
Die Gewalt von 1941 prägte die Region auch nach dem Krieg, als den Tätern im Geheimen der Prozess gemacht, aber in der Öffentlichkeit geschwiegen wurde. Der Hass entlud sich schließlich 1991 erneut in ungeahnter Brutalität. Slavko Goldstein macht diesen unheilvollen Kreislauf der Gewalt, der exemplarisch ist für viele ähnliche Konflikte, unmittelbar nachvollziehbar. Seine Erzählung ist getragen von einer zutiefst humanistischen Haltung, die zugleich deutlich macht, dass Gut und Böse in dieser Tragödie untrennbar miteinander verwoben sind.
Die Zeit des Nationalsozialismus
Eine Buchreihe
Begründet und bis 2011 herausgegeben von Walter H. Pehle
Die Herausgabe dieses Werks wurde gefördert durch TRADUKI, ein literarisches Netzwerk, dem das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, das Bundeskanzleramt der Republik Österreich, KulturKontakt Austria, das Goethe-Institut, die Slowenische Buchagentur JAK, das Ministerium für Kultur der Republik Kroatien, das Ressort Kultur der Regierung des Fürstentums Lichtenstein, die Kulturstiftung Liechtenstein, das Ministerium für Kultur der Republik Albanien, das Ministerium für Kultur und Information der Republik Serbien, das Ministerium für Kultur der Republik Rumänien und die S. Fischer Stiftung angehören.
Die Übersetzung wurde außerdem gefördert vom Ministerium für Kultur der Republik Kroatien.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die kroatische Originalausgabe ist 2007 unter dem Titel ›1941. Godina koja se vraća‹ bei Novi liber, Zagreb, erschienen.
© 2007 Slavko Goldstein
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403824-7
Anmerkung Übersetzerin: Ursprünglich einfache Turnvereine, die mehr und mehr einer Jugendmiliz mit vormilitärischem Erziehungsprogramm glichen.
Stanko Lasić, »Autobiografski zapisi« (»Autobiographische Notizen«), Zagreb 2000.
Anmerkung Übersetzerin: Als Frankisten bezeichnete man die Anhänger von Josip Frank (1844–1911), Begründer der extremen kroatischen Rechten, einer separatistischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Eugen Dido Kvaternik, »Sjećanja i zapazanja« (»Erinnerungen und Beobachtungen«), Zagreb 1995, S. 30. Anmerkung Übersetzerin: Eugen Dido Kvaternik war der Chef des Ustascha-Nachrichten- und Geheimdienstes sowie der Polizei, bis es zum Zerwürfnis mit Ante Pavelić im Herbst 1942 kam. Kvaternik unterstanden bis dahin die zweiundzwanzig Konzentrationslager des Landes, er trug maßgeblich die Verantwortung für die Terrormaßnahmen des Unabhängigen Staates Kroatien gegen Serben, Juden und Roma. Kvaternik starb 1962 bei einem Verkehrsunfall im argentinischen Exil.
Anmerkung Übersetzerin: Der Schriftsteller Miroslav Krleža (1893–1981) ist eine bedeutende Persönlichkeit des literarischen Lebens im 20. Jahrhundert. Er war von 1919 an Mitglied in der kommunistischen Partei, verließ diese aber in den 1930er Jahren wegen seiner liberalen Ansichten über Kunst und weil er Stalins Säuberungen politisch nicht unterstützen wollte. Während des Krieges weigerte er sich entschieden, mit den Ustasche zusammenzuarbeiten. Nach 1945 vertiefte er seine Freundschaft mit Tito, kooperierte mit der kommunistischen Regierung und schrieb seine wichtigsten literarischen Werke.
Milan Radeka, »Erinnerungen an 1941«, in: Jahrbuch, Zagreb 2000.
Anmerkung Übersetzerin: »Jugosokol« war ursprünglich ein mit den Pfadfindern vergleichbarer Turnverein, strukturierte sich aber um und avancierte zur Jugendmiliz mit vormilitärischem Erziehungsprogramm. Sokols gab es bereits in der Zwischenkriegszeit. Sowohl Serben als auch Kroaten hatten ihre eigenen Sokol-Gruppierungen, in denen in der Regel politische und kulturelle Themen der jeweiligen Ethnie betont wurden.
Radeka, Erinnerungen, S. 24f.
Anmerkung Übersetzerin: Mihajlo Mihajlov (1934–2010) war ein bekannter jugoslawischer Dissident. 1966 wurde er für dreieinhalb Jahre in Haft gesetzt, weil er einen Artikel über ein Dissidentenlager in der Sowjetunion geschrieben hatte, was in Jugoslawien »als Angriff auf die Reputation eines fremden Staates« gedeutet wurde und unter Strafe stand. Er wurde 1975 erneut wegen »Verbreitung feindlicher Propaganda« angeklagt und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, kam aber schon 1978 wieder frei. Er lehrte in Harvard, Yale und an der Ohio State University sowie der University of Virginia bis zu seiner Rückkehr nach Serbien im Jahr 2000.
Radeka, Erinnerungen, S. 31.
Radeka, Erinnerungen, S. 34.
Radeka, Erinnerungen, S. 37f.
Anmerkung Übersetzerin: Ivan Šibl (1917–1989) war ein kroatischer Politiker, Literat und Partisan, der in Jugoslawien als Volksheld galt. Er war nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglied im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kroatiens und Generaldirektor der Radio- und Fernsehanstalt in Zagreb.
Anmerkung Übersetzerin: Karlo Štajner war ein jugoslawischer Kommunist, der 1936, als Stalins »Großer Terror« begann, verhaftet und in den Gulag nach Sibirien deportiert wurde. Er schrieb nach seiner Freilassung das Buch »700 Tage in Sibirien«, das großes Aufsehen erregte.
Radeka, Erinnerungen, S. 38.
Radeka, Erinnerungen, S. 48.
Diese und die Mehrzahl der allgemeinen Informationen über das Lager Danica entnehme ich der Arbeit von Dr. Zdravko Dizdar »Ljudski gubici logora ›Danica‹ kraj Koprivnice 1941–1942«, »Časopis za suvremenu povijest« br. 2, Zagreb 2002 (auch als »Human Losses at the ›Danica‹ Camp Near Koprivnica, 1941–1942«, in: Journal of Modern History 2, 2002). Während ich das hier niederschrieb, bereitete Dr. Dizdar ein Buch über das Lager Danica vor. Ich danke ihm, dass er mir in kollegialen Gesprächen geholfen hat, mein Wissen über das Lager zu vervollständigen.
Siehe vorige Anmerkung.
Anmerkung Übersetzerin: Das Zitat ist entnommen aus: Primo Levi: »Ist das ein Mensch?«, Übersetzung aus dem Italienischen von Heinz Riedt, dtv, München 2007.
Mein Vater war nicht gerade ein »reicher Jude«, auch wenn er, wie ich glaube, etwas Geld bei sich hatte. Ich erinnere mich gut daran, dass meine Mutter in dieser Zeit alles Mögliche veräußert hat, sie verkaufte das Mobiliar aus der Buchhandlung und verwendete für Vater auch das Geld aus dem Geschäft. Außerdem hatten uns unsere wohlhabenden Freunde Mia und Aleksandar Veličković damals angeboten, uns immer so viel Geld zu leihen, wie wir brauchten.
Đuro Zatezalo, »Radio sam svoj seljački i kovački posao – Svjedočanstvo genocida« (»Ich tat meine Arbeit als Bauer und als Schmied. Genozid-Zeugnisse«), Zagreb 2005, Seite 206.
Anmerkung Übersetzerin: Der 13. Juni ist ein wichtiger katholischer Feiertag in Kroatien, der Todestag des heiligen Antonius von Padua, der in Kroatien ein beliebter Heiliger ist und den man im ganzen Land liebkosend Ante nennt, was sich mit dem Vornamen des faschistischen Führers deckt.
Anmerkung Übersetzerin: Vinko Nikolić (1912–1997) war Mitglied der faschistischen Ustascha-Bewegung, ein Schriftsteller und Journalist, der nach dem Zweiten Weltkrieg in die Emigration nach Buenos Aires ging, wo viele Ustasche Zuflucht fanden. Von Argentinien aus betrieb Nikolić ungehindert faschistische Propaganda und gab mehrere nationalistische Zeitschriften heraus, die Titel trugen wie Für Gott und Kroatien und Kroatische Revue und die von der kroatischen Diaspora finanziell unterstützt wurden. 1991, als Jugoslawien auseinanderbrach, kehrte Nikolić nach Kroatien zurück.
Anmerkung Lektorat: Eine Organisation kroatischer Nationalisten im Ausland.
Das Dossier von Dr. Vladimir Židovec befindet sich im Kroatischen Staatsarchiv (MUP SRP 013.0.56) und enthält einen an die 330 Seiten langen autobiographischen Bericht mit dem Titel »Meine Teilnahme am politischen Leben«.
Dušan Lukač, »Ustanak u Bosanskj krajini« (»Aufstand in der bosnischen Krajinam«), Belgrad 1967, S. 60–62.
Kroatisches Staatsarchiv, Dossier Dizdar, MUP SRH, 013.0.3,64.
Peter Broucek, »Ein General im Zwielicht, Die Erinnerungen Glaises von Horstenau«, Wien 1988, S. 431. Glaise von Horstenau war ein hervorragend informierter Beobachter aller Vorkommnisse im NDH. Er gehörte einer Gruppe hoher deutscher Offiziere an, die sich für Mäßigung der terroristischen Ustascha-Methoden einsetzten. Sie argumentierten, diese Methoden könnten die ganze Region ins Wanken bringen und Deutschland zwingen, dort einige Divisionen an Streitkräften abzustellen, die sie dringend an anderen Fronten benötigten. Die aufschlussreichen Tagebuchnotizen und Memoiren über die NDH-Regierung sind im oben zitierten Buch abgedruckt. Die offiziellen Berichte und Dokumente sind auch im Buch von Vaso Kazimirović zusammengestellt: »NDH u svetlu nemačkih dokumenta i dnevninka Gleza fon Horstenau 1941–1945« (»NDH im Licht deutscher Dokumente und des Tagesbuchs von Glaise von Horstenau 1941–1945«), Belgrad 1987.
Gemäß der Zeitung Jutarnji list vom 30.7.2003 gibt es darüber eine Notiz im Dossier von Eugen Dido Kvaternik, das seit einem Beschluss des damaligen Präsidenten Néstor Carlos Kirchner im April 2003 im Staatsarchiv von Argentinien der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Židovec, II. Teil, Seite 59–60.
Über Kvaterniks missionarischen Eifer schrieb 1961 im Exil Dr. Branko Pešelj. Dido Kvaternik befreite Branko Pešelj, mit dem er schon seit Studentenzeiten befreundet gewesen war, am 21. April aus dem Gefängnis. Sie besprachen alles ungewohnt offen miteinander. Es war die Rede von einem »von den Serben bereinigten Terrain«, worauf sich Pešelj auch konkret bezieht, wenn er schreibt: »Ich konnte nicht an mich halten und musste ihm sagen, dass das zu nichts Gutem führen konnte und dass uns eine solche Politik eines Tages teuer zu stehen kommen würde, denn jetzt sei der Krieg noch nicht vorbei, niemand könne wissen, wer ihn am Ende gewinnen würde … Überraschenderweise blieb Kvaternik ruhig und antwortete: ›Ich weiß, dass du davon ausgehst und es erwartest, dass die Engländer den Krieg gewinnen werden. Und ich sehe es genauso wie du, auch ich denke, dass sie den Sieg davontragen werden, aber dann wird es keine Serben mehr in Kroatien geben. So gesehen muss, wer auch immer den Krieg gewinnt, die Situation so nehmen, wie er sie dann vorfindet.‹«
Das Tagebuch des verstorbenen Đoko Starčević befindet sich im Besitz seiner Familie, die mir Teile davon zur Verfügung stellte.
Der Bericht von Kasche über Lorkovićs Intervention wird von Jozo Tomasevich in seinem Maßstäbe setzenden Werk »War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945«, Stanford University Press 2001, S. 398, thematisiert. Als Quelle gibt der Autor eine Dokumentation des deutschen Außenministeriums im Dritten Reich an, die sich als Mikrofilm im Nationalarchiv der USA befindet und unter der Nr. T-120, Rolle 5787 Fr. E301, 722 abgelegt ist.
Für den 27. April wurden ihm noch zwei Kroaten und ein Serbe namentlich genannt, die an dem Tag getötet worden waren.
Bis heute ist nicht geklärt, wer die Mörder der Familie Mravunac waren. Die einen sind sicher, es habe sich um einen Mord aus Habgier gehandelt, aber niemand kann etwas über die Identität der Mörder sagen. Die anderen gehen von einem politisch motivierten Verbrechen aus – womit der Bezug zu den Serben aus dem Kordun im Raum steht. Eine dritte Version gründet auf der Annahme, der Familienmord sei eine geplante Provokation einiger Ustasche aus Karlovac gewesen. Sie hätten, heißt es, das Verbrechen begangen, um einen triftigen Grund für eine Vergeltungsmaßnahme zu haben. Kurz darauf erfolgte tatsächlich eine Massenhinrichtung der Serben in der Region Kordun. Bis heute führen die Menschen, die in dieser Gegend leben, polemische Diskussionen über den Vorfall, doch ob Historiker oder Memoirenschreiber – keiner hat konkrete Beweise. Nach Einsicht einiger Dokumente, nach all den Gesprächen, die ich mit den Leuten aus der Gegend von Veljun und Hrvatski Blagaj geführt habe (vor allem mit dem Ermittlungsrichter Nikola Lasić und seinem Stellvertreter Milan Stilinović sowie der Tochter Milka, die überlebt hat), gehe ich davon aus, dass es zwei, drei Mörder waren, die der Familie Mravunac die Kehlen durchgeschnitten haben. Ihre Motive ähneln denen von Räubern und Dieben. Ich kenne aber die Ustasche, ebenso wie die Tschetniks, die in der Gegend so manche Untat begangen haben, und es gibt einige Aspekte, die eine Verschwörung plausibel erscheinen lassen. Doch Verschwörungstheorien stehen immer auf tönernen Füßen.
Erstmals schrieb ich über das Verbrechen in Hrvatski Blagaj als Beitrag im Buch »Okrug Karlovac 1941« (»Der Bezirk Karlovac 1941«), Zagreb 1965, S. 42–45. Ich hatte nur unvollständige, einfache Dokumente zur Verfügung und stützte mich v.a. auf eine Aussage, die – wie ich später erfuhr – unter Druck erfolgt und daher unzuverlässig war. Die Reaktionen auf dieses Buch ermutigten mich, mit den Menschen in Veljun und Blagaj zu sprechen und nach weiteren Dokumenten zu forschen. Das Ergebnis war eine zehnteilige Reihe von Artikeln über Veljun und Blagaj in Politika. Während der Vorbereitung dieses Buches erhielt ich Zugang zu jüngst erschlossenen, umfangreicheren Dokumenten im Kroatischen Nationalarchiv, so dass ich meine Zahlen damit abgleichen, sie erweitern und korrigieren konnte. Auf Basis der gewissenhaften Forschungen meines Freundes Tomo Zalac begann ich, die Zahl der auf dem Friedhof begrabenen Toten (520) anzuzweifeln. In diesem Kapitel nenne ich eine Zahl, die mir realistischer erscheint, aber sie ist noch immer mit Vorsicht zu genießen.
Juraj Rebok, »Sjecanja« (»Erinnerungen«), in: Marulic 2 und 3, Split 2000, S. 118f.
Über die Morde an den Glinaer Serben ist viel geschrieben worden. Die aussagekräftigsten Fakten wurden von Duro Roksandić zusammengetragen, in »Ustaški zločini u glinskom kotaru od 1941 do 1945, Zbornik Glilna«, Glina 1988, S. 283–304, und im Artikel »Glina 13 May 1941 – U povodu 60. Godišnjice ustaškog zločina«, in: Ljetopis 6 (2001). Ich habe auch die in der vorigen Anmerkung zitierten Erinnerungen von Juraj Rebok berücksichtigt, das einzige Zeugnis eines Ustascha über das Verbrechen. Reboks Beschreibungen sind sehr rudimentär, aber sie bestätigen die grundlegenden Fakten. Er versucht, seine persönliche Verantwortung zu mindern und die Opferzahlen herunterzuspielen, aber ich denke, einige der Einzelheiten sind glaubwürdig und bieten eine interessante Ergänzung des Gesamtbildes.
Marulić 6 (1991). Diese Krankheit, die den Verstand umwölkt und das Bewusstsein blockiert und die ich in diesem Buch bereits als Fetischismus des Staates bezeichnet habe, hat die Autorin auch in ihren späteren Jahren nicht losgelassen. Trotz ihrer eindeutigen Kritik an der Ustascha-Führung für ihre politische Angepasstheit, den genozidalen Terror und den Verrat durch das Abtreten von kroatischen Gebieten zeigte sie sich in Artikeln in Marulić von 1991 und 2000 immer noch sehr stolz darauf, dass sie so eifrig bei der Errichtung des Ustascha-Staates geholfen hatte. 2005 las ich in der Zeitung, dass sie eine Gruppe von Einwohnern Zadars zum Gefängnis in Glina geführt hatte, wo sie General Mirko Norac besuchten und ihm ihre Sympathie bekundeten. Er war zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden wegen des Genozids an den Serben der Stadt Gospić während des Kroatien-Krieges 1991–1995.
Vlado Singer, der im Frühling und im Sommer 1941 Chef des Ustascha-Geheimdienstes war, war naiv genug zu glauben, trotz seiner jüdischen Herkunft seinen hohen Posten innerhalb der Ustascha-Führung auf Dauer behalten zu können. Pavelić erließ jedoch schließlich einen Haftbefehl gegen Singer mit der Begründung, dieser habe sich für einen kommunistischen Freund verwendet. In Wirklichkeit versuchte Pavelić damals, bei Heinrich Himmler und seinen SS-Repräsentanten in Kroatien einen guten Eindruck zu machen, die mit einem Juden nichts zu tun haben wollten. Singer verbrachte etwas mehr als ein Jahr in einer speziellen Mission im Konzentrationslager Jasenovac. Von dort schickte er an Pavelić, immer noch in seiner Naivität gefangen, geheime Berichte über Vladko Maček, der sich im Lager in einer ähnlichen Situation wie er selbst befand. Schließlich ordnete Pavelić Ende 1942 an, Singer zu töten. Ohne zu zögern, übernahm Maks Luburić diese Aufgabe – er soll ihn mit einem Messer umgebracht haben.
Hermann Neubacher, »Sonderauftrag Südost 1940–1945«, Göttingen 1956, S. 18 und 31.
Radeka, Erinnerungen, S. 43.
Nationalarchiv Split, Sammlung des Bezirks des NDH in Dalmatien, Box 4.
Der Schriftsteller Ervin Sinko lebte als jüdischer Emigrant zu jener Zeit in Drvar. In seinen Tagebucheinträgen vom 3., 8. und 13. Juli beschreibt er die Ankunft der Flüchtlingskolonnen in Drvar und den Eindruck, den dies bei der lokalen Bevölkerung machte. Siehe »Dvrarski dnevnik« (»Drvar-Tagebuch«), Bd. 19, Zagreb 1987, S. 470f.
So schreibt es jedenfalls Jakov Blažević in seinem Buch »Prva godina narodnooslobodilačkog rata« (»Das erste Jahr des Volksbefreiungskrieges«), Karlovac 1971, S. 663.
Ivan Nikšić, »Spomenici o župi Slunjksoj« (»Zeugnisse aus dem Bezirk Slunj«), Zagreb, Jahrbuch 2007, S. 575–577. Niksic und seine »Zeugnisse« werden ausführlicher in Kapitel 16 besprochen.
Židovec, Meine Teilnahme am politischen Leben, S. 24–36.
Anmerkung Lektorat: Deutsch im Original. Der Kulturbund war ein Verein der in Kroatien lebenden Deutschen und Deutschstämmigen.
Elias Canetti, Masse und Macht, Kapitel »Zerstörungssucht« (erster Passus), Frankfurt am Main 1989, S. 14.
Die Passagen aus den deutschen Berichten sind zitiert nach Vasa Kazimirović, »NDH u svetlu nemačkih dokumenta i dnevnika Gleza von Horstenau 1941–1945« (»Der NDH im Licht deutscher Dokumente und des Tagebuchs des Generals Glaise von Horstenau 1941–1944«), Belgrad 1987. (Anmerkung Lektorat: Laut Slavko Goldstein stammen sie teilweise auch aus Peter Broucek, »Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau«, Wien 1988, doch konnten die entsprechenden Zitate dort nicht gefunden werden. Sie wurden daher aus dem Kroatischen übersetzt.)
Anmerkung Lektorat: Slavko Goldstein schreibt für die Zeit nach 1945 meist von der Jugoslawischen Armee – offiziell hieß sie Jugoslawische Volksarmee (JNA) bzw. zwischen 1945 und 1949 Nationale Volksbefreiungsarmee.
Am 6. Dezember 1946 trat dann das von uns antizipierte Gesetz über die »Nationalisierung des Privateigentums« in Kraft. Mit der vorab abgewickelten Schenkung waren wir einer neuerlichen Enteignung unserer Buchhandlung zuvorgekommen.
Für die meisten von Kuhns Kollegen – allesamt Zagreber Anwälte jüdischer Religion – war die Freilassung von kurzer Dauer. Sie waren so naiv zu glauben, nun sei alles vorbei. Als bald darauf eine neue Verhaftungswelle erfolgte, fand man sie alle in ihren Häusern vor und deportierte sie direkt in die Lager nach Pag, ins Velebit-Gebirge oder nach Jasenovac. Nur einige wenige konnten sich in die von den Italienern besetzte Zone retten.
Nachträglich und auf indirektem Wege erfuhren wir, warum Mutter und unsere Jaga mit einigen anderen Frauen aus Karlovac ausgerechnet am 14. Juli, dem Tag der Französischen Revolution, verhaftet worden waren. Eine detaillierte Benachrichtigung Nr. 1 (Obvjesni broj 1) über die »Ausschreitungen der Kommunisten und der Tschetniks« vom 6. August 1941 beginnt mit den folgenden Worten: »Um den 10. Juli herum begannen einige englische Radiosender, die Nachricht zu verbreiten, am 14. Juli käme es zu einem Aufstand in allen Ländern, die sich im Krieg gegen die Achsenmächte befinden.« Obwohl ein so grundsätzliches Aufbegehren in Europa überhaupt nicht geplant war, wollte der Zufall es, dass die Inhaftierten im Lager Kerestinac in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli die Wärter entwaffnen und aus dem Lager fliehen konnten. Das wird der Grund für die übereilten Verhaftungen gewesen sein, die auch meine Mutter und Jaga trafen. Jaga hatte zudem noch ein anderes Problem. Mit den am 30. April 1941 erlassenen Rassengesetzen war es zum Schutz des arischen Blutes und der Ehre des kroatischen Volkes weiblichen Personen unter 45 Jahren mit »arischen Wurzeln« untersagt, einer Beschäftigung in jüdischen Haushalten nachzugehen, was Jaga komplett ignoriert hatte.
Siehe Seite 201.
Ivo Goldstein, »Holokaust u Zagrebu«, Novi Liber, Zagreb 2001.
Ilija Jakovljević, »Konclogor na Savi« (»Konzentrationslager am Fluss Sava«), Zagreb 1999.
HDA, USIKS 337/41.
Zitiert in Jakovjlević 1999.
Nach dem Erscheinen der kroatischen Ausgabe meines Buches im Februar 2007 publizierte Đuro Zatezalo seine kompletten Forschungen in »Jadovno – Kompleks Ustaških logora«, Belgrad 2007. Hier beziehe ich mich auf die vor 2007 in diversen Zeitungen und Zeitschriften publizierten vorläufigen Ergebnisse seiner Arbeit.
HDA, Kroatisches Nationalarchiv Karlovac, Akte Jadovno.
Franjo Zdunić Lav, »Kotar Gospić i kotar Perušić u Narodnooslobodilačkom ratu 1941 – 1945« (»Der Landkreis Gospić und der Landkreis Perušić im Volksbefreiungskrieg 1941–1945«), Karlovac 1989, S. 195f.
Lav 1989, S. 168–200.
Mirko Peršen geht in seinem Buch »Ustaški logiri« (»Die Ustascha-Lager«) von einer Opferzahl zwischen 15000 und 25000 im gesamten Lagerkomplex von Gospić aus, Đuro Zatezalo hingegen schätzt die Opfer auf mindestens 40000. Folgt man den Aussagen von Rubinić, die Ilija Jakovljević festgehalten hat, so hat die Kreisverwaltung von Gospić über alle Gefangenentransporte in Stara Gradiška genau Buch geführt, allein zwischen dem 18. Juni und dem 23. August 1941 wurden hier 28700 Menschen eingesperrt. In Anbetracht der Tatsache, dass Ende August schätzungsweise 3500 Gefangene aus Gospić auf andere Lager (Jastrebarsko, Jasenovac, Loborgrad) umverteilt und einige hundert Menschen (höchstens 500) wieder freigelassen wurden, kann man herleiten, dass im Lagerkomplex Gospić – Velebit – Pag mindestens 24000 in Haft gesetzte Menschen in dieser Zeit ermordet worden sind; die Hälfte davon dürfte in den Höhlen des Gebirges und im Lager Jadovno umgekommen sein.
Lav 1989, S. 191f.
Die Berichte zweier italienischer Desinfektionsgruppen sind in Gänze im italienischen Original und in kroatischer Übersetzung zu lesen bei Ante Zemljara, »Haron i sudbine« (»Charon und Schicksale«), erschienen 1988, S. 222–248.
Pavle M. Babc, »Velebitsko podgorje« (»Podgorje im Velebit-Gebirge«), Belgrad 1965 (CD-Ausgabe 2003).
Veco Holjevac, »Zapisi iz rodnoga grada« (»Notizen aus meiner Geburtsstadt«), Zagreb 1972.
Vgl. zu ihm S. 24f. u. 203.
Siehe S. 23.
Siehe S. 100.
Jakša Kušan, »Bitka za Novu Hrvatsku« (»Der Kampf für das Neue Kroatien«), Rijeka 2000.
Der Titel prvoborac (»erster Kämpfer«) war im Jugoslawien der Nachkriegszeit eine Ehre und mit zahlreichen Privilegien verbunden.
Wir sichteten gerade Materialien für das Buch »Okrug Karlovac 1941« (»Der Bezirk Karlovac im Jahr 1941«), das 1965 vom Institut za historiju radničkog pokreta herausgegeben wurde.
Abgedruckt in Zbornik Glina (Jahresschrift Glina), 1988, S. 225.
Milan Bekić, Ivo Butković, Slavko Goldstein (Hg.), »Okrug Karlovac 1941« (»Der Bezirk Karlovac im Jahr 1941«), Karlovac 1965, S. 79f.
Stanko Bjelajac in: Zbornik Glina, S. 226.
V. Židovec, »Moje sudjelovanje u političkom životu« (»Meine Teilhabe am politischen Leben«), S. 86.
Von den Dokumenten, die ich eingesehen habe, ist das hier vorliegende das einzige, in dem die Anwesenheit von Kvaternik in diesen Tagen im Kordun erwähnt wird. Aber um welchen Kvaternik handelt es sich? Ist Eugen, Slavko oder Ljubomir gemeint? Eugen Dido Kvaternik, der Architekt des Vernichtungsplans, war schon bei früheren »Säuberungen« und »Vergeltungsmaßnahmen« für einen Tag »im Feld« aufgetaucht – wie etwa in Grubišno Polje, Gudovac oder Grabovac Banski. Vielleicht war das auch am 31. Juli im Kordun der Fall, aber ich kann es nicht mit letzter Sicherheit sagen.
Đuro Zatezalo, »Radio sam svoj seljački i kovački posao« (»Ich habe meine Arbeit als Bauer und Schmied getan«), Zagreb 2005, S. 66–68.
Veco Holjevac, »Notizen aus meiner Geburtsstadt«. Đuro Zatezalo, Milan Romčević, Mirjana Peremin (Hg.), »Kotar Vojnić u narodnooslobodilačkom ratu« (»Der Bezirk Vojnić im Volksbefreiungskrieg«), Karlovac 1989.
Ivan Nikšić, »Spomenici o župi Slunjskoj« (»Zeugnisse aus dem Bezirk Slunj«).
Vgl. Kapitel 6, S. 125f.
Tatsächlich handelt es sich um Ventura Baljak, der 1932 am Aufstand von Velebit teilnahm und der als dreizehnter Ustascha im Emigranten-Lager in Italien eintraf.
Ivan Nikšić, »Spomenici o župi slunjskoj« (»Zeugnisse aus der Gemeinde Slunj«), S. 95–96.
Đuro Zatezalo, »Kotarevi Slunj i Veljun u narodnooslobodilačkoj borbi i socijalističkoj revoluciji« (»Die Bezirke Slunj und Veljun im Volksbefreiungskampf und in der Sozialistischen Revolution«), herausgegeben von Đuro Zatezalo, Karlovac 1988.
Abgedruckt in: »Zbornik dokumenata i podataka o NOB« (»Gesammelte Dokumente und Informationen aus dem Nationalen Befreiungskrieg«), Bd. 5, Buch 1, Belgrad 1979, S. 340–343.
Diese Angaben beruhen auf den Informationen des hervorragend informierten Gelehrten Augustin Juretić, der als junger Gemeindepfarrer von 1925 bis 1928 in Lađevac, Bezirk Slunj, tätig gewesen ist.
Siehe Čedomir Višnjić, »Kordunaski proces« (»Der Kordun-Prozess«), Zagreb 1997.
Siehe hierzu ausführlich Kapitel 19.
Milovan Đilas, »Wartime«, übers. aus dem Kroatischen von Michael B. Petrovich, New York 1977.
V. Maček, »Memoari« (»Memoiren«), Seite 170–172.
»Jasenovac – žrtve rata prema podacima Statističkog zavoda Jugoslavije« (»Jasenovac – Kriegsopfer nach den Angaben des Amtes für Statistik in Jugoslawien«), Zürich/Sarajewo 1992, S. 1079.
Dušan Korać, »Prkos u plamenu« (»Prkos in Flammen«), Zagreb 1989, S. 245.
Jedes in diesem Kapitel genannte Datum, das mir hilft den Verlauf der Ereignisse zu strukturieren, habe ich mit den damaligen Partisanen- und Gendarmerieberichten sowie dem oben erwähnten Buch von Dušan Koralić abgeglichen.
Anmerkung Lektorat: Sie war Teil der »Kroatischen Legion«, die aus kroatischen Soldaten bestand und unter dem Befehl deutscher Offiziere stand. – Anmerkung Slavko Goldstein: Joco Eremić gelang es nach dem Krieg, nach Kanada zu entkommen, wo er sich in den Kreisen der emigrierten Tschetniks engagierte – 2005 starb er dort in hohem Alter.
Wie Anmerkung 9 zu diesem Kapitel.
All das wurde von Nikola (Mika) Orečić festgehalten, der von Luburićs Ustasche, zusammen mit etwa zwanzig anderen Kroaten aus Lasinje und Umgebung, für Hilfsarbeiten angeheuert wurde, zu denen u.a. das Abdecken der in Gruben geworfenen hingerichteten Serben gehörte. Orečić verbrachte mit Luburićs Ustasche und den lokalen Gendarmen ungefähr eine Woche und bekam viel mit, er schrieb später alles auf, was er gehört und gesehen hatte. Sein Zeugnis ist nach meinem Dafürhalten sehr glaubwürdig. Seine Erinnerungen »Wie ich als Kroate den Ustascha-Terror und die Abschlachtung der Serben erlebte« sind in dem Werk »Svjedočenja učesnika NOB 1941/1942« (»Zeugnisse von am Volksbefreiungskrieg 1941/1942 Beteiligten«), Bd. 6, Belgrad 1975, veröffentlicht. Orečić war der wichtigste Verbindungsmann der Partisanen am Fluss Kupa und in seinem Heimatdorf Desni Štefanski.
Diese Angaben zu Pavelićs Inspektion in Kordun stammen von Ante Moškov (der sich 1947 in Zagreb Befragungen durch die UDBA stellen musste) und sind Berichten in der Ustascha-Presse und der Dokumentation der Partisanen entnommen.
Dušan Korać, »Prkos u plamenu«.
Abgedruckt in »Srpska strana rata« (»Die serbische Seite des Krieges«), Belgrad 1996, S. 639.
Die Territorialen Verteidigungskräfte waren ein eigener Teil der Streitkräfte des ehemaligen Jugoslawien. Sie waren als militärische Reserve vorgesehen, die im Fall eines Krieges irreguläre bzw. Guerilla-Operationen durchführen sollten, die stark auf den Erfahrungen des Partisanen-Kampfes im Zweiten Weltkrieg beruhten. Jede der jugoslawischen Teilrepubliken hatte ihre eigenen Territorialen Verteidigungskräfte.
Ich fühle mich an dieser Stelle dazu verpflichtet, auf zwei andere Generäle zu verweisen, die damals eine andere Einschätzung als Pekić und Jakšić hatten. Mein Freund Dr. Gojko Nikoliš, der Sohn des bereits erwähnten orthodoxen Priesters Mihajlo Nikoliš aus Sjeničak, der im Krieg der Chef des Medizinischen Korps der Partisanen war, gehörte zu den ersten Akademikern, die sich gegen die Mehrheit der Mitglieder und den Vorsitz der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste stellten, als diese damit anfingen, die aggressive Politik von Slobodan Milošević zu unterstützen. Als dann der offene Krieg gegen Kroatien seinen Lauf nahm, verließ Gojko Serbien und emigrierte nach Frankreich. 1994 erhielt ich einen Brief von ihm, in dem es heißt: »Für meine Leute in Belgrad bin ich ein Ustascha. Für deine Leute aus Zagreb bin ich ein Tschetnik. Was bleibt mir anderes übrig, als hier in Frankreich zu sterben?« Und der Montenegriner Veljko Kovačević, mein erster Partisanen-Kommandant, den ich kurze Zeit begleitet und für den ich als Kurier gearbeitet habe, konnte es nicht ertragen, dass seine JNA – die Jugoslawische Volksarmee – sein Gorski Kotar und sein Slawonien angriff. Er war damals schon schwerkrank und nahm sich 1993 in Belgrad das Leben. Man hat mir erzählt, dass er im Abschiedsbrief an seine Töchter genau diese beiden Faktoren hervorgehoben hat – eine unerträglich gewordene Krankheit und eine unerträglich gewordene Politik, die am Ende zum Krieg zwischen »seinen Leuten« und »seinen Leuten« führte.
Anmerkung Lektorat: Diese internationale Streitmacht wurde am 21. Februar 1992 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aufgestellt und in den serbischen Gebieten in Kroatien und Bosnien-Herzegowina stationiert.
»Srpska pobuna u Hrvatskoj 1991–1995«, Zagreb 2005, S. 384.
Nach dieser Aussage wurde Radovan Jović zu einigen internationalen Symposien, runden Tischen und anderen Veranstaltungen eingeladen, wo er immer wieder für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Kroaten und den Serben in Kroatien eintrat. Deshalb wurde er in Glina mehrmals zu informativen Gesprächen vorgeladen und von der Polizei verhört. Auch versuchte man, sein Haus mit Plastiksprengstoff in die Luft zu jagen. 1994 wurde er aus dem Dienst entlassen, verlor seine Immunität als Richter und musste einen Monat im Glinaer Gefängnis verbringen. Nach der Operation Oluja nahm ihn die kroatische Polizei fest und beschuldigte ihn der Spionage für die Republik Serbische Krajina. Von 1997 bis Ende 2003 arbeitete Jović als juristischer Berater bei der OSCE-Mission in Sisak, Petrinja und in Zagreb und war dann einer der internationalen Richter bei der UN-Mission im Kosovo. Als er sich 2004 für das Richteramt in Gvozd ins Spiel brachte, entschied man sich für einen Kandidaten mit einer deutlich geringeren Qualifikation. Er kandidierte noch einige Male für andere Richterämter, immer mit dem gleichen Ergebnis.
Anmerkung Übersetzerin: Die deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel »Ein Jahrhundert wird abgewählt«, enthält aber noch andere Texte.
Anmerkung Übersetzerin: Timothy Garton Ash, »Zeit der Freiheit. Aus den Zentren von Mitteleuropa«, aus dem Englischen von Susanne Hornfack u.a., dtv München 2001, Seite 199–202.
Anmerkung Lektorat: Die internationalen Helsinki-Komitees wurden nach der KSZE-Konferenz in Helsinki von 1978 in mehreren Ländern gegründet. Das kroatische Komitee wurde 1993 ins Leben gerufen.
Anmerkung Lektorat: Dies ist der Stand zum Zeitpunkt, als Slavko Goldstein diesen Text verfasst hat, also um 2007 herum.
Alojz Buljan, Franjo Horvat, »Žrtve Drugoga Svjetskog rata i poraća na području bivše općine Novska« (»Opfer des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit auf dem Gebiet des ehemaligen Bezirks Novska«), Novska 2006.
Ich habe dazu einen Artikel in dem Buch »Obitelj« (»Familie«) verfasst, das 1996 vom Kulturverein »Miroslav Šalom Freiberger« in unserem Verlag Novi Liber publiziert wurde. In der Liste der Opfer von Jasenovac fand ich dann Jahre später den Namen meiner Tante Alma Rosenberg, ihres Mannes Aco und ihres elfjährigen Sohnes Feliks aus Vinkovci, aber die Namen meines Großvaters, meiner Großmutter und meiner Tante Berta fand ich nicht.
Ebenfalls für das Buch »Obitelj« (»Familie«).
Die vierte Anti-Partisanen-Offensive, von den Partisanen als vierte Feindes-Offensive, manchmal auch als Schlacht von Neretva bezeichnet, war ein gemeinsamer Angriff der Achsenmächte Anfang 1943 gegen die Partisanen in ganz Jugoslawien.
Als Weiße Garden bezeichneten die Partisanen antikommunistische, paramilitärische Gruppen, die in Slowenien nach der Invasion der Deutschen gebildet worden waren.
Die Angaben über Bleiburg und den Kreuzweg stammen aus: Jozo Tomasevich, »War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945« (Schlusskapitel); Franci Strle, »Velike finale na Koroškem«, Ljubljana 1977; Milan Basta, »Rat je završen 7 dana kasnije«, Zagreb 1977; Roman Ljeljak, »Teharske žive rane«, Ljubljana 1990; Sammlung mit Dokumenten »Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944–1946«, herausgegeben von Zdravko Dizdar, Vladimir Geiger, Milan Pojić und Mate Rupić; »Otvoreni dossier Bleiburg« einer Gruppe von Autoren, herausgegeben von Marko Grčić, 2. Auflage, Zagreb 1990; »Bleiburška tragedija hrvatskog naroda«, herausgegeben von Vinko Nikolić, Zagreb 1993; Jera Vendušek Starič, »Kako su komunisti osvojili vlast 1944–1946«, Zagreb 2006; Josip Jurčević, »Bleiburg«, Zagreb 2005; Simo Dubajić, »Kočevski rog«, Ljetopis SKD Prosvjeta, Zagreb 2007. Hinzu kommen die Referate, die beim Symposium »Bleiburg i Križni put 1945« im Juni 2006 gehalten wurden, das die Vereinigung antifaschistischer Kämpfer Kroatiens organisierte – das Buch zum Symposium ist Anfang 2007 erschienen; Dokumente aus dem militärhistorischen Archiv in Belgrad, die mir von dem inzwischen verstorbenen Jure Bilić zur Verfügung gestellt wurden; viele Erinnerungen Einzelner, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind, und persönliche Gespräche, die ich mit Betroffenen geführt habe.
Das bestätigt auch Milovan Đilas auf den letzten Seiten seiner Erinnerungen: »Wartime« (Originaltitel »Der Krieg der Partisanen«), aus dem Kroatischen übersetzt von Michael B. Petrovich, New York 1977, S. 449.
Milovan Đilas, »Conversations with Stalin«, aus dem Kroatischen übersetzt von Michael B. Petrovich, New York 1962. Dt. Ausgabe: »Gespräche mit Stalin«, aus dem Amerikanischen übersetzt von Hermann Junius, Stuttgart/Hamburg 1963.
Mein Bruder Danko, der nach dem Krieg im Gedenken an unseren Vater den Vornamen Ivin annahm, hat 1965 zur Vorbereitung auf seine Doktorarbeit am damaligen Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung Kroatiens eine historiographische Analyse dieses Plenums verfasst. Seine kritische Haltung wurde als abweichlerisch eingestuft, und sein Text konnte nicht in Zagreb publiziert werden, deshalb erschien er erst 1968 in einer deutschen Übersetzung im schweizerischen Ost-Institut in Bern als Broschur von 85 Seiten.
So Ausstellungen der EXAT-Gruppe und des Künstlers Stančić-Vaništa sowie die Austellung »Die amerikanische Erfahrung« von Murti.
Charles Dickens, »Eine Geschichte aus zwei Städten«, aus dem Englischen von Carl Kolb, Insel Verlag, Frankfurt am Main, 2011
Abgedruckt in der Tageszeitung Vjesnik vom 17. Mai 1945.
Siehe »Partizanska i komunistićka represija i zloćni u Hrvatskoj 1944–1946« (»Kommunistische Repressionen und Verbrechen in Kroatien 1944–1946«, wie Anm. 49), Dokumente, S. 94-96.
Ich habe mich selbst davon überzeugt, dass Milutin Košarić die Wahrheit sagte. Nachdem ich den im Buch »Partizanska i komunistićka represija« (wie Anm. 49) abgedruckten Bericht des Justizministeriums vom 18. September 1945 gelesen habe, ist mir deutlich geworden, dass die dreißig vom Gericht in Karlovac erlassenen Urteile verglichen mit anderen dieser Gerichte tatsächlich zu den niedrigsten Urteilsquoten zählen.
Time present and time past
Are both perhaps present in time future,
And time future contained in time past.
… involved with past and future
Only through time time is conquered.
T.S. Eliot Four Quartets
Zeit Gegenwart und Zeit Vergangenheit
Sind vielleicht beide in Zeit Zukunft gegenwärtig,
Und Zeit Zukunft enthalten in Vergangenheit.
… verwoben mit Vergangenheit und Zukunft.
Nur durch die Zeit lässt sich Zeit überwinden.
T. S. Eliot Vier Quartette
Ich war ein neugieriger, nicht allzu großer Junge und musste auf ein Gatter klettern, um über die Menschenmenge hinwegsehen zu können. Der Tag zuvor war ein Donnerstag gewesen, der 10. April 1941, der Himmel war dunkel bestirnt, ein wenig Neuschnee war gefallen, der rasch auf den Straßen von Karlovac schmolz. Über Nacht klarte der Himmel auf. Der Karfreitag badete im Sonnenlicht des Frühlings, auf den Dächern, an den Fenstern und Balkonen flatterte die kroatische Trikolore. In der Banija-Straße drängten sich die Menschen in einem langgezogenen Spalier aneinander, um den Einzug der deutschen Soldaten in die Stadt zu feiern. Die Kinder schwenkten Papierfähnchen. Die Menschenmenge skandierte freudig: »Ganz ohne Krieg haben wir einen eigenen Staat bekommen!«
Der erste deutsche Panzer hielt vor der improvisierten Tribüne an der Ecke Banija-/Kolodvorska-Straße. Neben der Tribüne stand die Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr und spielte Militärmärsche. Die heißwangigen Redner sprachen ihre Willkommensgrüße. Ich konnte sie nicht gut hören, weil die Lautsprecher schlecht abgestimmt waren. Gemeinsam mit meinen Freunden Tonček Strzalkowski und Bogdan Lasić hatte ich vom Gatter einen guten Überblick. Wir konnten alles genau sehen. Unsere Neugierde war zwar gestillt, aber wir waren froh, nicht in der Masse aufzugehen, deren Glück wir an diesem Tag kein bisschen teilten.
Unser Schulkamerad Lončarić, der drei, vier Jahre älter war als ich und den wir beim Fußballspielen Lonac, Topf, nannten, marschierte mit einem Gewehr im Arm durch die Menge. Er trug jetzt eine Mütze mit Abzeichen und war offensichtlich stolz darauf, einer von denen zu sein, die hier für Ordnung sorgten. Auch Herr Livadić paradierte beflissen mit einem Gewehr im Arm umher, wie irgendein Oberstleutnant in einer kroatischen Heimwehr-Uniform mit einer frisch angenähten Kokarde. Eigentlich hieß er Leitner und war ein vor kurzem zum Katholizismus konvertierter Jude und der Besitzer eines Eisenwarenladens, der sich unweit unseres Hauses auf dem Korso befand. Flink hatte er sich den neuen politischen Gegebenheiten angepasst, aber das konnte sein Leben nicht retten. Da er von Geburt an Jude war, wurde er noch im gleichen Jahr in das Konzentrationslager Jadovno deportiert. Als ich nach oben schaute, glaubte ich einen kurzen Augenblick lang im ersten Stock Smiljka Kozomarić hinter einem Vorhang am Fenster gesehen zu haben. Sie war genauso alt wie ich. Noch letzten Sommer hatte ich sie beim Baden am Fluss Korana, als sie ihre sich entwickelnden weiblichen Rundungen Sonne und Wasser zur Schau stellte, schamhaft und voller Sehnsucht betrachtet. Ihr Vater war ein wohlhabender Händler aus Karlovac, ein Unterstützer serbischer Kulturvereine und der Jugoslawischen Sokol,[1] Smiljka hatte also ebenfalls keinen Anlass, sich zu freuen – weder über die Ankunft der Deutschen noch über die Ausrufung des Unabhängigen Staates Kroatien und diesen ganzen Glücksrummel unter ihrem Fenster.
Ein junger deutscher Soldat (vielleicht war er auch Offizier), der bis zur Hüfte in der Panzerluke steckte und sich geradezu entspannt die Willkommensreden in einer ihm fremden Sprache anhörte, schielte, so kam es mir jedenfalls aus der Ferne vor, heimlich auf seine Uhr. Sechzig Jahre später erzählte mir mein Freund Vaništa, damals hätten ihn das jugendlich schöne Gesicht dieses Soldaten und seine feine Erscheinung auf jenem riesigen hässlichen Panzer sehr überrascht.
Die deutschen Militärs bahnten sich ihren Weg durch die Menschenmenge in Richtung Banija-Brücke, marschierten in Karlovac ein und verteilten sich allmählich in der Stadt. Als wir nach Hause gingen, sagte Bogdan niedergeschlagen: »Bei diesem Militär ist Widerstand sinnlos.« Noch immer stand er unter dem Eindruck der deutschen Panzer. Bogdan war ein glühender Verehrer der Jungen Jugoslawischen Kommunisten. Drei Jahre später wurde er bei den Partisanen Anführer einer Kompanie in der Žumberak-Brigade.
In den nächsten Tagen sahen wir von unseren Fenstern aus die deutschen motorisierten Einheiten kommen und gehen. Sie marschierten vor dem örtlichen Kulturzentrum Zorin Dom auf und ab, als wären sie jederzeit einsatzbereit. Gepanzerte Kleinlastwagen zogen Artillerie mit Gewehrläufen hinter sich her, die länger waren als die Wagen selbst. Die Jugoslawisch-Königliche-Armee, die bei diesem Aufmarsch der motorisierten deutschen Vorhut in sich zusammengefallen war, hatte ebenfalls Geschütze, aber diese wurden von Ochsen gezogen. In der nahe gelegenen Stadt Glina, so hat es ein Historiker aus dieser Gegend festgehalten, stellte eine solche mit Ochsen ausgestattete Artilleriedivision ihre Zelte auf und übernachtete in den Gärten und im Stadtpark. Als am nächsten Morgen die deutschen Panzer durch Glina donnerten, lösten sich die Stellungen der königlichen Artillerie eilig auf. Die von ihnen zurückgelassenen hungrigen und durstigen Ochsen zogen traurig blökend durch die Straßen und Parks.
Vier Jahre später strömten erneut auf beiden Seiten der Banija-Straße glückliche Menschen in langen Reihen in die Stadt. Das war am späten Abend des 8. Mai 1945. Der Krieg war zu Ende. Durch diesen lärmenden Menschenkordon kehrte die Karlovac-Stoßtrupp-Brigade nach Hause zurück. An der Ecke der Kolodvorska- und Banija-Straße stellte sich wieder eine Blaskapelle auf, vielleicht sogar genau jene, die schon vor vier Jahren beschwingte Märsche gespielt hatte. Die Menschen in der Menge schwenkten kleine Flaggen, begrüßten laut und freudig die Soldaten. Die bemühten sich, ihre Reihen ordentlich gerade zu halten, hätten sich aber am liebsten selbst zu den Städtern gesellt, denn sie kamen aus dem Krieg zu ihren Familien und in ihre Häuser zurück.
An der Ecke der Kolodvorska- und Banija-Straße stand dieses Mal keine Tribüne. Wir Rückkehrer wurden an der zerstörten Brücke empfangen. Die Redner habe ich von dort weder gesehen noch gehört, weil ich weit entfernt in den hinteren Reihen unserer Brigade stand, im 4. Bataillon. Vor dem Hotel Evropa
Wo gehst du hin?
Ich gehe mit den Jungs spielen.
Spielen?
Mein Vater sah mich erstaunt an, ich sah, dass er Bedenken hatte.
Ja, in Ordnung, du kannst gehen. Komm aber nicht zu spät zum Mittagessen.
Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir an diesem Morgen wirklich auf der Promenade miteinander gespielt haben. Oder ob wir nur in kindlicher Neugier umhergestromert sind, um uns die deutschen Panzer anzusehen. Sie wirkten wie große Ungeheuer auf uns, so etwas hatten wir bisher nur in der Kinowochenschau von Fox Movietone gesehen. Die deutschen Soldaten redeten unbekümmert miteinander, schlürften irgendetwas aus Blechbüchsen, witzelten und rauchten. Stanko Lasić, der mit mir in Karlovac zur Schule ging und heute ein bekannter Literaturhistoriker ist, beobachtete sie damals am gleichen Ort und zur gleichen Zeit wie meine Freunde und ich. Er schreibt darüber in seinen autobiographischen Aufzeichnungen:[2]
Na, was sagt ihr? Wohin geht es jetzt für uns weiter?
In die Türkei.
Davon kann keine Rede sein. Es geht nach Russland!
Der siegesgewisse Unteroffizier war sich seiner Sache sicher, so, als wüsste er mehr als die anderen und hätte nur bisher nicht darüber sprechen dürfen.
Aber die Türkei würde uns besser zupasskommen, wir wären doch sofort am Suezkanal, hätten dann die Spanier vor Augen in Gibraltar, das Mittelmeer wäre uns schon sicher. Und auch das irakische Erdöl. Persien. Bis nach Indien könnten wir kommen.
Wir werden Russland angreifen, du wirst es sehen.
[3]