Jorge Amado
Tote See
Roman
Aus dem Brasilianischen Portugiesisch von Karin von Schweder-Schreiner
FISCHER E-Books
Mit einem Nachwort von Ana Maria Machado
Jorge Amado, am 10.8.1912 als Sohn eines Kakaoplantagenbesitzers im brasilianischen Bundesstaat Bahia geboren, wuchs in der Hafenstadt Ilhéus auf. Mit 12 schrieb er erste Kurzgeschichten, mit 15 arbeitete er für eine Zeitung, mit 18 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Er schrieb über 35 Bücher, wurde Kommunist, lebte im Exil in Buenos Aires, Prag und später viel in Paris. Heimgekehrt, konnte er auf Bücher in 49 Sprachen und 55 Ländern zurückblicken, er wurde Mitglied der Brasilianischen Akademie der Literatur, Samba-Schulen wurden nach ihm benannt. Am 6.8.2001 starb er an einem Herzinfarkt, seine Asche wurde unter seinem Mangobaum verstreut.
Karin von Schweder-Schreiner übersetzte u.a. Jorge Amado, Antonio Callado, Mia Couto, Rubem Fonseca, Milton Hatoum, Lídia Jorge und Moacyr Scliar. Sie wurde mit zahlreichen Übersetzungspreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Bremer Albatros-Preis für die Übersetzung des Werkes von Lídia Jorge.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Ein melancholisches Märchen von Sehnsucht und Heimat
Die Kanuschiffer von Bahia sterben jung, so ist es und so war es schon immer. Nur Livia, Bahias Schönste, kann sich nicht an die stürmischen Nächte am Strand gewöhnen, in denen sie bangend nach dem Segelschiff Ausschau hält, das ihren Manuel sicher aus den dunklen Fluten tragen soll. Jorge Amados Tote See ist eine melancholische Liebeserklärung an seine Heimat Brasilien und ein wahres Märchen vom Leben der Hafenbewohner von Bahia, die Tradition, Leid und Liebe an die tote See und aneinander fesseln. Ein Klassiker der brasilianischen Literatur- endlich in neuer Übersetzung.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die Originalausgabe erschien 1936 unter dem Titel Mar Morto bei Livraria José Olympio Editora in Rio de Janeiro.
© 2008, Grapiúna Produções Artísticas Ltd.
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Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2017S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114,
D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
Coverabbildung: Holger Pietsch/plainpicture
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490184-8
Dieser Roman aus Gamboa de Cima ist Matilde gewidmet.
Für Raquel de Queiroz, Érico Veríssimo und Álvaro Moreyra.
Nun will ich die Geschichten von den Kais in Bahia erzählen. Die alten Seeleute, die ihre Segel flicken, die Saveirofahrer, die tätowierten Schwarzen, die kleinen Gauner, sie alle kennen diese Geschichten und die Lieder. Ich habe sie in den Mondscheinnächten am Hafen bei der Markthalle, auf den Märkten, in den kleinen Häfen des Recôncavo, in der Nähe der mächtigen schwedischen Dampfer an den Brücken von Ilhéus gehört. Das Volk der Iemanjá hat viel zu erzählen.
Kommt und lauscht diesen Geschichten und Liedern. Kommt und lauscht der Geschichte von Guma und Lívia, es ist die Geschichte vom Leben und von der Liebe am Meer. Und wenn ihr sie nicht schön findet, so liegt es nicht daran, dass sie vielleicht von rauen Männern erzählt wird. Denn ihr hört sie aus dem Mund eines Mannes vom Festland, und einer vom Festland kann kaum die Seele eines Seemanns verstehen. Selbst wenn er die Geschichten und Lieder liebt und Dona Janaínas Feste mitfeiert, selbst dann kennt er nicht alle Geheimnisse des Meeres. Denn das Meer ist ein Mysterium, das selbst die alten Seeleute nicht verstehen.
Die Nacht kam zu früh. Die Männer hatten sie noch nicht erwartet, als sie in schweren Wolken über die Stadt hereinbrach. Die Laternen am Kai leuchteten noch nicht, im Farol das Estrelas warfen die Funzeln noch nicht ihren schwachen Schein auf die Schnapsgläser, viele Frachtsegler kreuzten noch auf dem Meer, als der Wind die Nacht mit schwarzen Wolken herantrieb.
Die Männer sahen einander fragend an. Sie blickten auf den blauen Ozean, woher mochte diese verfrühte Finsternis rühren? Es war doch dafür noch nicht Zeit. Dennoch zog sie, angekündigt vom kalten Wind der Abenddämmerung, mit Wolken beladen auf und verdunkelte die Sonne wie zu einem schrecklichen Wunder.
Die Dunkelheit kam an diesem Tag ohne musikalische Begrüßung. Die helle Stimme der Vesperglocken hallte nicht durch die Stadt. Noch war kein Schwarzer mit seiner Gitarre auf dem Strand am Kai erschienen. Keine Harmonika begrüßte die Nacht vom Bug eines Saveiro aus. Auch das monotone Trommeln der Candomblé- und Macumbazeremonien war noch nicht die steilen Gassen herabgerollt. Warum also war die Dunkelheit gekommen, hatte nicht auf die Musik gewartet, nicht auf die Ankündigung der Glocken, den Rhythmus der Gitarren und Harmonikas, das geheimnisvolle Trommeln der religiösen Instrumente? Warum war sie so vorzeitig, zur Unzeit eingetreten?
Es war eine ungewöhnliche, beängstigende Dunkelheit. Ja, denn den Männern stand Unruhe im Gesicht, und der Seemann, der einsam im Farol das Estrelas trank, lief zu seinem Boot, als könnte er es vor einem unvermeidbaren Unglück bewahren. Und die Frau, die am kleinen Kai beim Mercado auf den Saveiro wartete, der ihren Liebsten bringen sollte, begann zu zittern, nicht wegen des kalten Windes, nicht wegen des kalten Regens, sondern wegen einer Kälte, die aus ihrem liebenden Herzen aufstieg, voller Sorge angesichts der bedrohlichen Ankündigungen der Dunkelheit, die so plötzlich hereinbrach.
Denn die beiden, der Seemann und seine braunhäutige Frau, kannten das Meer und wussten sehr wohl, wenn die Dunkelheit vorzeitig kam, würden viele Männer im Meer sterben, Boote würden ihr Ziel nicht erreichen, verwitwete Frauen würden über den Köpfen ihrer kleinen Kinder weinen. Denn – das wussten sie – es war nicht die echte Nacht, die Nacht der Sterne und des Mondscheins, die Nacht der Musik und der Liebe. Die echte Nacht kam erst zur rechten Stunde, wenn die Glocken läuteten und am Kai ein Schwarzer zu seiner Gitarre ein sehnsüchtiges Lied sang. Diese Dunkelheit aber, die der Wind mit ihrer Wolkenlast herantrieb, war ein Unwetter, das Boote kentern ließ und die Männer tötete. So ein Unwetter ist eine unechte Nacht.
Der Regen prasselte wütend und fegte über den Kai, wühlte den Strand auf, rüttelte an den vertäuten Booten, brachte die Elemente in Aufruhr und trieb alle in die Flucht, die auf die Ankunft des Überseedampfers warteten. Ein Schauermann sagte zu seinem Kollegen, es werde ein Unwetter geben. Wie ein seltsames Ungeheuer bewegte sich ein Kran mit Lastenballen durch Regen und Wind. Erbarmungslos peitschte der Regen die schwarzen Schauerleute. Der Wind raste pfeifend vorbei, riss dies und das um, machte den Frauen Angst. Der Regen verschleierte alles, trübte sogar den Menschen die Sicht. Nur die Kräne bewegten sich schwarz. Ein Saveiro kenterte, zwei Männer stürzten ins Wasser. Der eine war jung und kräftig. Vielleicht hat er in seiner letzten Stunde einen Namen geflüstert. Ein Fluch war es gewiss nicht, denn es klang liebevoll in dem Sturm.
Der Wind entriss dem Saveiro das Segel und trug es wie die Nachricht von einer Tragödie an den Kai. Die Brandung bäumte sich auf, die Brecher schlugen auf die Steine des Kais. Die Einbäume im Lenha-Hafen schaukelten wild, und die Kanufahrer beschlossen, an diesem Abend nicht mehr in die kleinen Häfen im Recôncavo zurückzukehren. Das Segel des gekenterten Saveiro fiel auf den Wellenbrecher, dann erloschen die Laternen sämtlicher Saveiros. Frauen sprachen das Totengebet, die Männer starrten hinaus auf das Meer.
Der schwarze Rufino vor seinem Schnapsglas lachte nicht mehr. Bei diesem Unwetter würde Esmeralda nicht kommen.
Die Lichter flammten auf. Aber sie waren schwach und flackerten. Die Männer, die auf den Überseedampfer warteten, sahen nichts mehr. Sie hatten in den Lagerhallen Zuflucht gesucht und konnten kaum die Umrisse der Kräne und die Gestalten der Lastenträger erkennen, die gebückt durch den Regen liefen. Doch das Schiff, auf das sie warteten, mit dem Freunde, Eltern und Geschwister, vielleicht gar Bräute eintreffen sollten, konnten sie nicht sehen. Auch den Mann, der in der dritten Klasse weinte, sahen sie nicht. Dem Mann, der über das Meer gekommen war, in der dritten Klasse eines Loggers, der zwanzig Häfen angelaufen hatte, rann der Regen über das Gesicht, vermischt mit seinen Tränen, die Erinnerung an die Funzeln in seinem Dorf verschmolz mit den schummrigen Lichtern der vom Unwetter heimgesuchten Stadt.
Der Seemann Mestre Manuel, der die See am besten kannte, entschied, an diesem Abend nicht mit seinem Saveiro auszulaufen. Die Liebe ist süß in Sturmnächten, und Maria Claras Haut schmeckte nach Meer.
Die Lichter am alten Fort waren erloschen. Ebenso die Laternen der Saveiros. Dann fiel in der Stadt der Strom aus. Auch die Kräne blieben stehen, und die Schauerleute verschwanden in den Lagerhallen. Guma auf seinem Saveiro Valente sah, wie die Lichter erloschen, und bekam Angst. Er hielt das Ruder fest in der Hand, sein Boot hatte Schlagseite. Die Leute, die auf den Überseedampfer gewartet hatten, fuhren in Autos zu belebteren Vierteln davon. Nur ein Mann blieb zurück. Er schüttelte einem anderen, der vom Dampfer an Land ging, die Hand:
»Alles in Ordnung?«
»Ja, klar.« Der andere lächelte.
Der, der gewartet hatte, winkte ein Auto heran; sie fuhren schweigend davon. Sicherlich warteten ihre Freunde schon.
Der Mann aus der dritten Klasse betrachtete die Stadt mit ihren fremden Bräuchen, ihrer fremden Sprache. Er drückte seine fast leere Brieftasche an die Brust und machte sich mit seinem Gepäck über die nächste steile Gasse auf den Weg. Der Kai leerte sich.
Nur Lívia, schlank, das feine Haar vom Regen am Gesicht klebend, stand noch am Saveiro-Anleger und schaute aufs Meer. Sie hörte Maria Claras Liebesstöhnen. Doch ihre Gedanken und ihre Blicke galten dem Meer. Der Wind rüttelte an ihr wie an einem Schilfrohr, der Regen peitschte ihr Gesicht, ihre Beine und Hände. Aber sie harrte aus, stand vornübergebeugt, den Blick in die Dunkelheit gerichtet, in der Hoffnung, sie könne in dem Unwetter die rote Laterne des Valente entdecken, die in die sternlose Nacht leuchtete und Gumas Ankunft ankündigte.
Schlagartig, so schnell, wie es gekommen war, verzog sich das Unwetter auf andere Meere, um andere Schiffe zu versenken. Lívia hörte Maria Claras Stöhnen. Doch waren es nicht mehr spitze Schreie vor Lust und Schmerz, Schreie eines verletzten Tieres, die gleichsam herausfordernd durch das Unwetter gellten. Nun, da sich die echte Nacht, die Nacht der Liebe und der Musik, der Sterne und des Mondes, über die Stadt, den Hafen, das Meer legte, war die Liebe auf Mestre Manuels Saveiro sanft und ruhig. Maria Claras Stöhnen klang eher wie freudiges Schluchzen, fast wie ein Flüstern, wie ein Lied. Lívia wandte den Blick für einen Moment von der ruhigen See ab und lauschte dem Stöhnen. Bald würde Guma kommen, sein Valente würde über die Bucht segeln, sie könnte Guma in ihre braunen Arme schließen, und sie würden vor Liebe stöhnen. Das Unwetter war vorüber, sie hatte keine Angst mehr. Bald schon würde sie die rote Laterne des Saveiro in der Dunkelheit über dem Meer leuchten sehen. Kleine Wellen schlugen an den Kai, die Saveiros schaukelten sanft. In der Ferne funkelten die Lichter auf dem nassen Asphalt der Stadt. Menschen, die keine Eile und keine Angst mehr hatten, gingen in Gruppen zum großen Aufzug. Lívia wandte sich wieder dem Meer zu. Seit acht Tagen hatte sie Guma nicht gesehen. Sie war in dem alten Häuschen am Kai geblieben. Dieses Mal hatte sie ihn nicht begleitet auf dem immer neuen Abenteuer, der Fahrt durch die Bucht und den ruhigen Fluss. Wäre sie bei Ausbruch des Unwetters an Bord des Saveiro gewesen, wäre es besser gewesen. Er hätte um ihr Leben gefürchtet, doch Lívia hätte keine Angst gehabt, weil sie bei ihm gewesen wäre, er kannte alle Wege auf dem Meer, seine Augen glichen Laternen, seine Hände hatten das Ruder fest im Griff. Bestimmt kam er bald. Vom Unwetter bis auf die Haut nass, mit seinen Muskeln und seinem Lachen, Lívias Namen und einen Pfeil auf den Arm tätowiert, Geschichten erzählend. Sie lächelte. Ihr schlanker brauner Körper wandte sich ganz Maria Claras Stöhnen zu. Es war stockfinster am Kai, auf den Saveiros blinkte hier und da eine Laterne, aber Manuels Saveiro, von dem das Stöhnen kam, konnte sie deutlich sehen. Da lag er, am Kai vertäut, und schaukelte auf den Wellen. Dort liebten ein Mann und eine Frau sich, und ihr Stöhnen drang bis zu Lívia. Nachher, schon recht bald, würde sie selbst im Bug eines Saveiro liegen und Gumas kräftigen Körper an sich pressen, sein dunkles Haar küssen, den Geruch vom Meer an seinem Körper spüren, so knapp dem Unwetter entronnen, in seinen Augen noch den Hauch des Todes sehen. Und ihr Liebesstöhnen würde süßer als Maria Claras sein, denn in ihm würden das lange Warten und die Angst mitschwingen, die sie gelitten hatte. Maria Clara würde innehalten und auf Lívias Melodie aus Schluchzen und Jauchzen horchen, die von ihren Lippen strömen wird, wenn Guma sie in seine vom Meer noch nassen Armen schließen und an sich drücken wird.
Ein Saveirofahrer kommt vorbei und wünscht Lívia einen guten Abend. Etwas weiter sehen sich Männer das Segel des gekenterten Saveiro an. Es liegt sehr weiß und zerfetzt am Kai. Einige Männer sind schon mit einem Saveiro hinausgefahren, um die Toten zu bergen. Doch Lívia denkt an Guma, der bald kommt, und an die Liebe, die sie erwartet. Sie wird noch glücklicher sein als Maria Clara, die nicht warten, keine Angst ertragen musste.
»Weißt du, wer umgekommen ist, Lívia?«
Sie erschrickt. Aber das Segel stammt nicht vom Valente. Das Segel ihres Saveiro ist viel größer, und es würde auch nicht so zerreißen. Lívia dreht sich um und fragt Rufino:
»Nein, wer?«
»Raimundo und sein Sohn. Kurz vor der Stadt sind sie gekentert … So ein furchtbarer Sturm.«
Heute Nacht – denkt Lívia – wird es für Judith in ihrer Hütte keine Liebe geben, auch nicht auf dem Saveiro von ihrem Mann. Auch Raimundos Sohn Jacques ist tot. Sie will nachher zu Judith gehen. Nachdem Guma gekommen ist, nachdem sie ihre Sehnsucht gestillt, sich geliebt haben. Rufino blickt zum aufgehenden Mond:
»Sie sind schon los, die Toten bergen.«
»Weiß Judith es schon?«
»Ich gehe zu ihr …«
Lívia sieht den schwarzen Rufino an. Er ist riesengroß und riecht nach Schnaps. Er hat getrunken, bestimmt im Farol das Estrelas. Warum starrt er auf den Vollmond, der über dem Meer aufsteigt und alles mit einem Silberband überzieht? Maria Clara schluchzt noch immer vor Liebe. Judith wird heute Nacht keine Liebe erleben. Lívia wird lieben, wenn Guma, vom Regen durchnässt, nach Meer riechend, zurückkommt. Wie schön ist das Meer, wenn der Mond alles mit seinem weißen Licht übergießt! Rufino steht reglos da. Vom alten Fort weht Musik herüber. Einer singt zur Harmonika:
Die Nacht gehört der Liebe …
Die kräftige Stimme eines Schwarzen. Rufino schaut zum Mond. Vielleicht denkt auch er, dass Judith in dieser Nacht keine Liebe erleben wird. Nie mehr … ihr Mann ist im Meer gestorben.
Komm ans Meer mich lieben, der Mond scheint so hell …
Lívia fragt Rufino:
»Lebt Judith noch mit ihrer Mutter zusammen?«
»Nein. Die Mutter hat sich nach Cachoeira abgesetzt …«
Er hat das unbeholfen gesagt, während er auf den Mond starrte. Ein Schwarzer singt beim alten Fort, doch sein Lied wird Judith nicht trösten. Rufino streckt die Hand aus:
»Dann will ich mal …«
»Ich komm später auch hin …«
Rufino geht ein paar Schritte, bleibt stehen:
»Traurig, so was … Nicht so einfach zu sagen … Dass er tot ist …«
Er kratzt sich am Kopf. Lívia ist bedrückt. Judith wird nie mehr lieben. Nie mehr wird sie auf dem Meer lieben, wenn der Mond scheint. Für sie wird die Nacht nicht mehr der Liebe gehören, sondern den Tränen. Rufino streckt ihr die Hände entgegen:
»Komm mit, Lívia. Du kannst es ihr sagen …«
Aber die Liebe erwartet sie, bald kommt Guma mit seinem Valente, gleich wird die rote Laterne auftauchen, und bald darauf werden ihre Körper sich aneinanderpressen. Schon bald wird er unter dem Lichtstrahl hindurchfahren, den der Mond auf das Meer wirft. Die Liebe erwartet sie, Lívia kann nicht gehen. An diesem Tag, nach dieser Angst, dem Gedanken, Guma könnte ertrinken, sehnt Lívia sich nach Liebe, nach Freude, nach dem Stöhnen der Lust. Sie kann nicht zu Judith gehen, die nie mehr lieben wird, und mit ihr weinen.
»Ich warte auf Guma, Rufino.«
Denkt der Schwarze jetzt womöglich schlecht von ihr? Aber Guma muss doch jeden Moment kommen. Sie sagt:
»Ich komme nach …«
Rufino winkt ab:
»Na, dann gute Nacht.«
»Bis nachher …«
Rufino geht unentschlossen ein paar Schritte. Er blickt zum Mond, hört den Mann singen:
Komm ans Meer mich lieben, der Mond scheint so hell …
Er dreht sich zu Lívia um:
»Wusstest du, dass sie schwanger ist?«
»Judith?«
»Ja.«
Rufino geht weiter. Er blickt noch immer zum Mond. Vom alten Fort klingt es herüber:
Die Nacht gehört der Liebe …
Maria Clara schluchzt und lacht in den Armen ihres Mannes. Lívia läuft hinter Rufino her, seine Gestalt ist noch zu sehen, sie ruft:
»Ich komme mit.«
Sie gehen weiter. Lívia blickt noch lange zurück zum Meer. Ist die Laterne, die dort in der Ferne leuchtet, nicht vielleicht die Laterne des Valente?
Judith ist Mulattin. Ihr Leib wölbt sich schon unter dem Kattunkleid. Alle schweigen. Der schwarze Rufino knetet die Hände, er weiß nicht, wo er sie lassen soll, ängstlich blickt er die anderen an. Lívia geht ganz im Trösten auf, ihre Hände halten Judiths Kopf. Inzwischen sind andere dazugekommen. Sie haben ihr Beileid ausgesprochen und warten nun im Wohnzimmer in der Runde, dass die Männer, die hinausgefahren sind, die Toten bringen. Von Judith ist immer wieder ein Schluchzer zu hören, Lívia streichelt sie liebevoll. Dann erscheinen Mestre Manuel und Maria Clara, sie mit dunklen Ringen um die Augen.
Nichts erinnert mehr an das Unwetter. Maria Clara stöhnt kein Liebestöhnen mehr. Denn Judith weint, Judith ist jetzt Witwe, die Männer warten auf zwei Tote. Zu gern würde Rufino verschwinden, davonlaufen, zu den Freuden in Esmeraldas Armen flüchten. Die traurige Stimmung, Judiths Schmerz nimmt ihn mit, er weiß nicht, wohin mit seinen Händen, und er weiß, dass es ihn noch mehr mitnehmen wird, wenn sie den Toten hereintragen und Judith ein letztes Mal den Mann sieht, der sie geliebt, ihr ein Kind gemacht, ihren Körper besessen hat.
Lívia, ja, sie ist tapfer. So ist sie noch schöner. Wer hätte nicht gern Lívia zur Frau und möchte von ihr beweint werden, sollte er im Meer umkommen? In dieser Stunde ist sie wie eine Schwester von Judith.
Bestimmt möchte auch sie davonlaufen, am Kai auf Guma warten, für eine Nacht unter den Sternen. Judiths Schmerz lässt sie alle mitleiden, und Maria Clara denkt, dass vielleicht eines Tages ihr Manuel in einer Unwetternacht draußen bleibt und dass Lívia dann nicht länger auf Guma wartet, sondern ihr die Nachricht bringt. Sie drückt Manuels Arm fest an sich, er fragt:
»Was ist?«
Aber sie weint, und Manuel fragt nicht weiter. Jemand hat eine Flasche Cachaça gebracht. Lívia führt Judith ins Schlafzimmer. Maria Clara folgt ihnen, sie löst nun Lívia ab und weint mit der Witwe, weint um sich selbst.
Lívia kommt ins Wohnzimmer zurück. Die Männer unterhalten sich leise, sprechen über das Unwetter, über den Vater und den Sohn, die in dieser Nacht umgekommen sind. Ein Schwarzer sagt:
»Der Alte war ein guter Kerl … Mutig für drei …«
Ein anderer setzt zu einer Geschichte an:
»Der Sturm im Juni, wisst ihr noch? Da hat Raimundo …«
Einer öffnet die Cachaçaflasche. Lívia geht zwischen ihnen hindurch und stellt sich in die Tür. Sie hört das ruhige Meeresrauschen, das immer gleiche, tagaus, tagein gleiche Rauschen. Guma kommt bestimmt bald, und sicherlich wird er sie hier bei Judith suchen. In der Dunkelheit am Kai sieht sie die Segel der Saveiros. Und plötzlich überkommt sie die gleiche Befürchtung wie zuvor Maria Clara. Und wenn man ihr eines Nachts die Nachricht überbrächte, dass Guma am Meeresgrund liege und der Valente ziellos, steuerlos, ohne Ruder auf dem Wasser treibe? Da erst kann sie Judiths ganzen Schmerz nachempfinden, fühlt sie sich wirklich wie ihre und auch Maria Claras Schwester, wie die Schwester aller Seemannsfrauen, die das gleiche Schicksal vereint: in einer Unwetternacht darauf warten, dass man ihnen die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbringt.
Aus dem Schlafzimmer dringen Judiths Schluchzer. Sie trägt ein Kind im Leib. Eines Tages wird sie womöglich auch noch den Tod dieses Sohnes im Meer beweinen. Im Wohnzimmer sagt einer der Männer:
»Fünf hat er gerettet … Es war eine Nacht wie Weltuntergang … In der Nacht damals haben viele die Herrin der Meere gesehen. Raimundo …«
Im Schlafzimmer weint Judith. Es ist ihrer aller Schicksal. Für die Männer vom Hafen gibt es im Leben nur einen Weg: den Weg aufs Meer. Und sie schlagen ihn ein, es ist ihr Schicksal. Das Meer beherrscht sie alle. Vom Meer kommt all ihre Freude und all ihr Leid, denn das Meer ist ein Geheimnis, das selbst die ältesten Seeleute nicht enträtseln können, auch nicht die alten Saveirofahrer, die nicht mehr hinausfahren und nur noch Netze flicken und Geschichten erzählen. Wer hat je das Geheimnis des Meeres entziffert? Vom Meer kommt die Musik, vom Meer kommt die Liebe und der Tod. Und ist der Mond nicht über dem Meer am schönsten? Das Meer ist unberechenbar. Und unberechenbar ist auch das Leben der Saveirofahrer. Wer von ihnen kennt einen Lebensabend wie die Männer vom Land, die ihre Enkel verwöhnen und ihre Familien mittags und abends zum Essen versammeln? Keiner von ihnen hat einen so festen Schritt wie die Männer vom Land. Von jedem liegt etwas auf dem Meeresgrund: ein Sohn, ein Bruder, ein Arm, ein gekenterter Saveiro, ein vom Sturm zerfetztes Segel. Aber gibt es einen unter ihnen, der nicht in den Nächten am Kai Liebeslieder singen kann? Der nicht mal wild, mal zärtlich lieben kann? Denn wenn sie singen und lieben, könnte es immer das letzte Mal sein. Wenn sie sich von ihrer Frau verabschieden, tun sie es nicht mit einem flüchtigen Kuss, so wie die Männer vom Land, die zur Arbeit gehen. Sie sagen sich lange Lebwohl, winken, als wollten ihre Hände noch etwas rufen.
Lívia sieht die Männer die steile Gasse heraufkommen. Sie bewegen sich in zwei Gruppen. Im Schein der Laternen wirkt die traurige Prozession gespenstisch. Als ahnte sie, dass die Männer gleich eintreffen, wird Judiths Schluchzen heftiger. Es genügt, die Männer mit bloßem Kopf zu sehen, um zu wissen, dass sie die Toten bringen. Vater und Sohn sind gemeinsam in dem Unwetter gestorben. Sicherlich hat der eine versucht, den anderen zu retten, und so sind sie beide im Meer umgekommen. Vom alten Fort, vom Kai, von den Saveiros, von irgendwo weit her, ganz im Hintergrund, klingt ein Lied des Trostes herüber, den Toten zum Geleit:
Süß ist der Tod im Meer …
Lívia weint. Sie drückt Judith mitfühlend an ihre Brust, aber sie weint auch, sie weint in der Gewissheit, dass auch für sie der Tag kommen wird und für Maria Clara und all die anderen Frauen. Das Lied klingt über den Kai hinweg zu ihnen:
Süß ist der Tod im Meer …
Auch dass nun Guma, der die Leichen geborgen hat und mit dem Trauerzug eintrifft, bei ihr ist, kann Lívias Herz nicht trösten.
Nur das Lied, das von irgendwoher kommt (vielleicht kommt es wirklich vom alten Fort) und vom süßen Tod im Meer erzählt, erinnert daran, dass Judiths Mann tot ist. Die Leichen werden jetzt im Wohnzimmer aufgebahrt, Judith wird weinend neben ihrem Mann knien, die anderen stehen um sie herum, Maria Clara mit ihrer Angst, auch Manuel könnte eines Tages ertrinken.
Doch warum nun, da die Liebe sie erwartet, an so etwas, an Tod und Leid denken? Denn nun befinden sie sich im Bug des Valente, Lívia liegt auf den Planken genau unter dem eingeholten Segel und schaut ihrem Mann zu, der in aller Ruhe seine Pfeife raucht. Warum an den Tod denken, an Männer, die gegen Wogen kämpfen, wenn ihr Mann, dem Unwetter entkommen, bei ihr ist und seine Pfeife raucht, die doch der schönste Stern über diesem Meer ist? Aber Lívia denkt daran. Sie ist traurig, weil er nicht zu ihr kommt und sie in seine tätowierten Arme schließt. Sie wartet, die Hände unter dem Kopf, die Brüste halb entblößt unter dem Kleid, das der nun sanfte Abendwind anhebt und flattern lässt. Und der Saveiro schaukelt leise.
Lívia wartet, die Erwartung macht sie schön, sie ist die schönste Frau im Hafen und auf den Saveiros. Kein anderer Saveirofahrer hat so eine Frau. Das sagen alle, und alle lächeln sie an. Alle würden sie gern in ihren muskulösen Armen halten. Doch sie gehört einzig Guma, ihn hat sie in der Kirche Mont Serrat geheiratet, wo die Fischer, die Einbaumführer und die Saveirofahrer heiraten. Selbst Seeleute, die auf riesigen Dampfern ferne Meere befahren, lassen sich in der Kirche Mont Serrat trauen, in ihrer Kirche, die von hoch oben auf dem Hügel über das Meer blickt. Dort haben Guma und sie sich trauen lassen, und seitdem haben sie in den Nächten am Kai, den Zimmern des Farol das Estrelas, auf dem Strand, am Meer sich geliebt und ihre Körper im Mondlicht vereinigt.
Doch heute, nachdem sie so lange im Unwetter gewartet hat, ihn so begehrt, weil sie so sehr um ihn gebangt hat, heute raucht er, ohne einen Gedanken an sie. Deshalb denkt sie zurück an Judith, die nie mehr lieben, die jede Nacht nur Tränen weinen wird. Lívia sieht sie vor sich: Judith hatte sich neben ihren Mann geworfen. Sie hatte sein Gesicht angeschaut, dieses Gesicht, das keine Regung mehr zeigte, nicht mehr lächelte, ein Gesicht, das schon unter den Wellen gelegen, das schon Iemanjá, die Meeresgöttin, gesehen hatte.
Lívia denkt voller Zorn an Iemanjá. Sie ist die Meeresgöttin, die Herrin der Meere und deshalb von allen Männern, die auf das Meer hinausfahren, gefürchtet und geliebt. Sie straft. Nie zeigt sie sich den Männern, immer erst dann, wenn sie im Meer sterben. Wer im Sturm umkommt, zählt zu ihren Auserwählten. Und jene, die umkommen, weil sie einen anderen retten wollen, diese ziehen mit ihr über alle Meere, wie ein Schiff, das jeden Hafen anläuft. Deren Leichen werden nie gefunden, denn sie begleiten Iemanjá. Schon viele haben sich lachend ins Meer gestürzt, um die Meeresgöttin zu sehen, und sind nie wieder aufgetaucht. Könnte es sein, dass sie mit ihnen allen da unten auf dem Meeresgrund schläft? Lívia denkt voller Zorn an sie. Zu dieser Stunde hat Iemanjá den Vater und den Sohn bei sich, die im Unwetter ertrunken sind, und womöglich streiten die beiden um sie, obwohl sie zu Lebzeiten so gute Freunde waren. Im Todeskampf wollte der Vater noch den Sohn retten. Als Guma sie fand, hielt der Vater den Sohn am Hemd fest. Als Freunde waren sie gestorben, doch nun, wer weiß, womöglich streiten sie sich wegen Iemanjá, der Herrin des Meeres, der Frau, die sich nur den Toten zeigt, Raimundo hat das Messer gezogen, die Männer haben es nicht in seinem Gürtel gefunden, weil er es mitgenommen hat. Vielleicht kämpfen sie am Meeresgrund darum, wer mit Iemanjá über die Meere ziehen, die Städte auf der anderen Seite der Welt sehen darf. Judith, die weint, Judith, die ein Kind im Leib hat, Judith, die sich mit harter Arbeit aufreiben wird, die nie wieder einen Mann lieben wird, Judith ist schon vergessen, weil die Meeresgöttin blond ist, langes Haar hat und nackt unter den Wellen wandelt, einzig in ihr Haar gehüllt, und das sieht man, wenn der Mond über dem Meer steht.
Die Männer vom Festland (aber was wissen die schon?) sagen, das seien die Mondstrahlen auf dem Wasser. Doch die Seeleute, die Saveirofahrer, die Fischer lachen über die Leute vom Land, die haben ja keine Ahnung. Sie wissen genau, dass es das Haar der Meeresgöttin ist, weil Iemanjá erscheint, um den Vollmond zu sehen. Es ist Iemanjá, die den Mond sehen will. Deshalb schauen die Männer in mondhellen Nächten so gern auf das silberne Meer. Denn sie wissen, dass die Meeresgöttin da ist. Die Schwarzen spielen Gitarre, Harmonika, trommeln und singen. Das ist ihr Geschenk für die Herrin des Meeres. Andere rauchen ihre Pfeife, um Iemanjá den Weg zu leuchten. Alle lieben sie und vergessen sogar ihre Frauen, wenn die Meeresgöttin ihr Haar über dem Meer ausbreitet.
So auch Guma, der auf die silbrigen Wellenkämme schaut und dem Lied des Schwarzen lauscht, das zum Sterben einlädt. Er besingt den süßen Tod im Meer, weil er zur Meeresgöttin führt, der schönsten aller Frauen der ganzen Welt. Guma ist vom Anblick ihres Haars gebannt, er hat vergessen, dass Lívia dort liegt, mit einladenden Brüsten, Lívia, die so sehnsüchtig auf diese Liebesstunde gewartet, die erlebt hat, wie das Unwetter alles zerstört, Saveiros zum Kentern gebracht, Männern ihr Leben genommen hat, Lívia, die so furchtbare Angst gelitten hat. Wie gern möchte Lívia ihn in ihren Armen halten, seine Lippen küssen, erahnen, ob er Angst hatte, als die Lichter erloschen, ihn an sich drücken und spüren, ob er nass ist vom Meer. Doch jetzt denkt er nicht an Lívia, er denkt nur an Iemanjá, die Herrin des Meeres. Womöglich beneidet er sogar Vater und Sohn, die im Unwetter ihr Leben verloren haben und nun durch die weite Welt ziehen werden, die nur die Matrosen der großen Schiffe kennen. Lívia ist voller Hass, am liebsten würde sie weinen, dem Meer den Rücken kehren und weit wegziehen.
Ein Saveiro fährt vorbei. Lívia stützt sich auf einen Arm, damit sie besser sehen kann. Einer ruft Guma zu:
»Guten Abend, Guma.«
Guma winkt:
»Gute Fahrt!«
Lívia blickt zu ihm. Eine Wolke hat sich vor den Mond geschoben, Iemanjá ist verschwunden, Guma legt seine Pfeife weg und lächelt. Lívia kuschelt sich schon vor Lust zusammen, spürt schon seine Arme. Guma sagt:
»Wo singt der wohl?«
»Weiß nicht. Ich glaube, auf dem Fort.«
»Schönes Lied.«
»Judith, die Ärmste …«
Guma blickt aufs Meer.
»Ja, wirklich … Sie wird es verdammt schwer haben. Und dann noch mit einem Kind im Bauch …«
Er wird ernst, wirft einen kurzen Blick auf Lívia. Schön ist sie, wie sie sich so darbietet. Ihre Hände sind für harte Arbeit nicht gemacht. Wenn er auf dem Meer bliebe, müsste sie einem anderen gehören, um leben zu können. Ihre Hände sind für harte Arbeit nicht gemacht. Dieser Gedanke weckt in ihm dumpfe Wut. Lívias Brüste zeichnen sich unter dem Kleid ab. Alle im Hafen begehren sie. Alle möchten sie besitzen, denn sie ist die Schönste. Was, wenn auch er zu Iemanjá gehen müsste? Am liebsten würde er sie auf der Stelle töten, damit sie niemals einem anderen gehört.
»Und wenn ich eines Tages über Bord gehe und Futter für die Fische werde?« Er lacht gezwungen.
Wieder klingt der Gesang des Schwarzen durch die Dunkelheit.
Süß ist der Tod im Meer …
»Gehst du dann auch schuften? Oder suchst du dir einen anderen?«
Lívia weint, sie hat Angst. Auch sie fürchtet den Tag, an dem ihr Mann auf den Meeresgrund sinkt, nie mehr zurückkehrt, weil er mit Iemanjá, der Herrin des Meeres, der Meeresgöttin, zu anderen Meeren und Ländern ziehen wird. Sie steht auf und legt Guma die Arme um den Hals.
»Heute habe ich Angst gehabt. Ich habe am Kai auf dich gewartet. Hatte das Gefühl, du kämst nie zurück.«
Ja, er weiß, wie sehnsüchtig Lívia gewartet, wie sehr sie sich geängstigt hat. Er kommt in ihre Arme, zur Liebe. In der Ferne singt ein Mann:
Süß ist der Tod im Meer …
Und nun schimmert nicht mehr das Haar der Herrin des Meeres, das Haar Iemanjás im Mondlicht. Lívias Liebesseufzer haben das Lied des Schwarzen verstummen lassen, die Seufzer der Frau, die alle am Kai begehren und die nun im Bug des Saveiro Valente ihren Mann so inbrünstig liebt, wie sie um ihn gebangt hat und immer noch bangt.
Die Unwetterstürme sind inzwischen weit weg, die Sturzbäche aus den Wolken der unechten Nacht ergießen sich jetzt über andere Häfen. Iemanjá ist mit anderen Toten in anderen Gefilden unterwegs. Das Meer ist jetzt sanft und friedlich. Das Meer ist der Freund der Saveirofahrer. Denn ist das Meer nicht für sie alle ihre Straße, ihr Weg, ihr Zuhause? Lieben sie sich nicht auf dem Meer, im Bug ihrer Saveiros, und zeugen dort ihre Kinder?
Ja, Guma liebt das Meer, und auch Lívia liebt es. In einer solchen Nacht ist das Meer schön, blau, grenzenlos blau, ein Spiegel der Sterne, voller Laternen der Saveiros, voller glimmender Glut in den Tabakspfeifen, voller Liebesseufzer und Flüstern.
Das Meer ist ein Freund, das Meer ist ein liebevoller Freund für alle, die auf ihm leben. Und Lívia atmet den Geruch des Meeres auf Gumas Haut ein. Der Saveiro Valente schaukelt wie eine Hängematte.
Eine so kräftige, so klangvolle Stimme übertönt alle anderen Geräusche der Nacht. Vom alten Fort her kommt sie und erklingt über der Stadt und dem Meer. Nicht, was sie verkündet, berührt die Herzen. Es ist die sanfte, melancholische Melodie, die alle Gespräche dämpft, ganz leise werden lässt. Dabei heißt es in diesem alten Lied, unselig ist die Frau, die sich mit einem Seemann einlässt. Kein gutes Los erwartet sie, Unglück ist ihr Schicksal. Nie werden die Tränen in ihren Augen trocknen, und schon früh wird ihr Blick den Glanz verlieren, weil er so oft aufs Meer gerichtet war und auf das Nahen eines Segels gewartet hat. Die Stimme des Schwarzen klingt durch die Nacht.
Der alte Francisco kennt das Lied und das weite Sternenzelt, das sich im Meer spiegelt. Wofür sonst hätte er vierzig Jahre auf einem Saveiro verbracht? Doch kennt er nicht nur die Sterne. Nein, auch die Landspitzen, die Biegungen, die Wasserarme der Bucht und des Rio Paraguaçu, sämtliche Häfen an diesen Küsten und alle Lieder, die dort gesungen werden. Die Menschen, die an diesem Flussabschnitt und Hafen leben, sind seine Freunde, und man erzählt sich sogar, dass in einer Nacht, als er die ganze Mannschaft eines Fischerbootes gerettet hat, Iemanjá ihm zur Belohnung ihre Gestalt gezeigt habe. Wenn die Sprache darauf kommt (und jeder junge Saveirofahrer fragt den alten Francisco, ob es wahr ist), lächelt er nur und sagt:
»Auf dieser Welt wird viel geredet, mein Junge.«
Und so weiß niemand, ob es stimmt oder nicht. Es könnte durchaus wahr sein. Iemanjá ist launisch, und wenn es einen gab, der verdient hatte, sie zu sehen und sie zu lieben, dann war es der alte Francisco, der schon wer weiß wie lange im Hafen lebte. Doch besser noch als alle Landspitzen, alle Reisenden, alle Wasserarme kennt er die Geschichten der Gewässer, die Geschichten von den Janaína-Festen, von den Unwettern und den versunkenen Schiffen. Gibt es irgendeine Geschichte, die der alte Francisco nicht kennt?
Wenn es Abend wird, kommt er aus seinem Häuschen und geht an den Kai. Er läuft über den Schlick auf dem Zement, watet ins Wasser und klettert auf den Bug eines Saveiro. Dann wollen alle von ihm Geschichten über Ereignisse und Erlebnisse hören. Niemand kennt so viele Geschichten wie er.
Heute lebt er vom Segelflicken und von dem, was sein Neffe Guma ihm gibt. Es gab eine Zeit, da besaß er drei Saveiros, doch die haben die Unwetterstürme bezwungen. Den alten Francisco aber konnten sie nicht bezwingen. Er ist immer in seinen Hafen zurückgekehrt, und die Namen seiner drei Saveiros hat er sich auf den rechten Arm tätowieren lassen, zusammen mit dem Namen seines Bruders, den ihm die Stürme auch genommen haben. Vielleicht lässt er sich irgendwann auch Gumas Namen tätowieren, sollte es Iemanjá eines Tages in den Sinn kommen, seinen Neffen zu lieben. Darüber kann der alte Francisco nur lachen. Es ist ihnen doch bestimmt, im Meer zu kentern. Er ist nur deshalb nicht auch draußen geblieben, weil Janaina ihn nicht wollte, er sollte sie zwar sehen, aber am Leben bleiben, damit er mit den jungen Leuten reden, ihnen Heilmethoden vermitteln und Geschichten erzählen konnte. Aber was nützt es, dass er so überlebt hat, Segel flickt, nach seinem Neffen Ausschau hält, zu nichts mehr taugt, nicht mehr hinausfahren kann, weil seine Arme zu schwach geworden sind und seine Augen in der Dunkelheit nichts mehr erkennen? Es wäre besser, er wäre mit der Estrela da Manhã untergegangen, seinem schnellsten Saveiro, der in der Johannisnacht gesunken ist. Jetzt sieht er die anderen hinausfahren und bleibt zurück. Er hält ein Auge auf Lívia, zittert bei Unwetter wie eine Frau und hilft die Toten zu beerdigen. Vor langer Zeit ist er zum letzten Mal über die Bucht gefahren, die Hand am Ruder, den Blick in die dunkle Weite gerichtet, den Wind im Gesicht, so segelte er auf seinem Saveiro dahin, von der fernen Melodie begleitet.
Heute singt auch ein Schwarzer. Er besingt das traurige Los der Seemannsfrauen. Der alte Francisco lächelt. Seine Frau hat er schon begraben, es war das Herz, hat der Arzt gesagt. Ganz plötzlich ist sie gestorben, in einer Nacht, als er aus einem Unwetter nach Hause kam. Sie hatte sich ihm in die Arme geworfen, und als ihm auffiel, dass sie sich nicht mehr bewegte, war sie schon tot. Sie war vor Freude darüber gestorben, dass er zurückgekehrt war, der Arzt sagte, es war das Herz. In jener Nacht draußen geblieben war Frederico, Gumas Vater. Seine Leiche wurde nie gefunden, denn er war umgekommen, als er Francisco rettete, und so war er mit Iemanjá in andere, wunderschöne Gefilde gezogen. Sein Bruder und seine Frau, in ein und derselben Nacht. Dann hatte er Guma auf seinem Saveiro großgezogen, auf dem Meer, damit er lernte, furchtlos zu sein. Eines Tages erschien Gumas Mutter, die niemand kannte, und verlangte nach dem Jungen:
»Sind Sie Seu Francisco?«
»Ja, das bin ich, Dona, zu Ihren Diensten.«
»Sie kennen mich nicht …«
»Nein, ich erkenne Sie nicht, nein, nein …« Er fasste sich an die Stirn, rief sich alte Bekannte in Erinnerung. »Nein, kann mich nicht erinnern, tut mir leid.«
»Aber Frederico, der hat mich sehr gut gekannt …«
»Das mag schon sein, der ist ja viel auf den Dampfern von der Bahiana unterwegs gewesen. Woher kennt er Sie?«
»Aus Aracajú, Seu Francisco. Eines Tages ist er da gelandet, sein Schiff hatte ein Riesenloch in der Bordwand. Ein Wunder, dass sie es überhaupt bis dahin geschafft haben.«
»Jetzt weiß ich wieder, das war die Maraú. Eine schlimme Fahrt war das, Frederico hat’s mir erzählt. Da hat er Sie kennengelernt?«
»Das Schiff lag einen Monat da. Er hat mir schöne Augen gemacht.«
»Er war schon immer hinter den Frauen her.«
Sie lachte und zeigte ihre schlechten Zähne.
»Er hat mir viel erzählt, dass er mich mitnimmt, mir ein Haus einrichtet, mir Kleider kauft und für Essen sorgt. Sie wissen schon …«
Der alte Francisco winkte ab. Sie standen am Kai, und in der Markthalle nebenan wurden Apfelsinen und Ananas verkauft. Sie setzten sich auf Kisten. Die Frau sprach weiter:
»Er hat mich nur rumgekriegt, weil er gesagt hat, dass er nicht mit dem Schiff zurückfährt. Als dann aber das Loch geflickt war, wollte er davon nichts mehr hören, ist an Bord gegangen und hat sich gerade noch verabschiedet.«
»Ich sage nicht, dass es richtig war, Dona, nein, das nicht. Er war mein Bruder, aber …«
Sie unterbrach ihn:
»Ich behaupte ja nicht, dass er ein schlechter Mensch war. Er war mein Schicksal, und ich hätte mich auch mit ihm eingelassen, wenn ich gewusst hätte, dass er undankbar ist. Ich war richtig verknallt in ihn.«
Sie sah den alten Francisco an. Er überlegte, warum sie wohl nach so vielen Jahren gekommen war. Vielleicht wollte sie Geld, aber ihm ging es gerade schlecht, er konnte ihr nichts geben, Frederico war immer hinter den Frauen her gewesen …
»Er hat gesagt, er schickt einen, der mich holen soll. Hat er Sie geschickt, Senhor?« Sie lachte. »Das hat er mit mir gemacht. Als der Bauch dicker wurde, musste ich spucken, meine Mutter wurde wütend. Mein Vater war ein anständiger Mann, als er das erfuhr, ist er mit einem Messer auf mich los. Eigentlich wollte er nur wissen, wer es war, damit er ihn erledigen konnte. Das Messer hat mich blöd erwischt. Bis heute hab ich die Narbe hier überm Knie.«
Warum zeigte sie ihm ihre Schenkel? Francisco würde nie etwas mit einer Frau von seinem Bruder anfangen, das wäre ungehörig und konnte Unglück bringen.
»Ich stand mutterseelenallein da. Eine Familie, Verwandte von meinem Paten, hat mir Arbeit gegeben. Eines Tages, ich habe gerade bei Tisch serviert, da fingen die Wehen an.«
Nun verstand Senhor Francisco:
»Guma?«
»Ja, das war Gumercindo. Den Namen hat mein Pate ihm gegeben. So heißt er selbst. Ich hab mir ein bisschen Geld besorgt und das Kind zu Frederico gebracht. Der hatte schon eine andere, er hat den Jungen behalten, aber von mir wollte er nichts mehr wissen.«
Wieder schwiegen sie. Francisco lauerte nur darauf zu erfahren, was sie eigentlich wollte. Geld hatte er keins. Mit der Frau von seinem Bruder schlafen, nein, so was machte er nicht.
»Und dann bin ich eben hiergeblieben, hab mich geschämt zurückzugehen. Unsereins ist arm, aber Scham kennen wir auch, stimmt doch, oder? Ich wollte nicht zu Hause anschaffen gehen … Mein Vater war ein angesehener Mann, meinen Bruder hat er sogar Medizin studieren lassen. Später bin ich durch die Gegend gezogen. Schon so lange her …«
Sie streckte die Hand aus und blickte zu den Saveiros. Von der Markthalle waren Gespräche, Diskussionen und Gelächter zu hören.
»Vor drei Tagen erst bin ich aus Recife gekommen. Ich wollte sowieso mal den Kleinen sehen, dann hat mir ein Bekannter gesagt, dass Frederico vor zwei Jahren gestorben ist. Jetzt will ich meinen Sohn holen. Für ihn sorgen.«
Francisco hörte nichts mehr von dem Gelärm an der Markthalle. Er hörte nur, dass diese Frau behauptete, sie sei Gumas Mutter und wolle ihn holen. Er stritt nicht gern mit Frauen. Diskussionen mit einer Frau finden kein Ende, aber jetzt musste er diskutieren, denn er wollte Guma nicht hergeben, er machte sich doch schon so gut am Ruder des Saveiro und konnte mit seinen Kinderarmen schon einen Sack Maniokmehl tragen. Francisco war es gewohnt, mit rauen Männern vom Hafen zu streiten, kräftigen Saveirofahrern, die er beleidigen konnte, denn sie wussten sich zu verteidigen, und rutschte ihm mal ein Schimpfwort heraus, war es nicht schlimm. Aber mit einer Frau, und dann noch mit einer wie Gumas Mutter, parfümiert und im Seidenkleid, einen Sonnenschirm am Arm und einen Goldzahn im Mund, mit so einer konnte er nicht streiten. Wenn ihm ein falsches Wort herausrutschte, würde sie womöglich in Tränen ausbrechen, und er konnte eine Frau nicht weinen sehen. Außerdem hatte sich sein Bruder ihr gegenüber nicht ordentlich benommen. Aber können Seeleute denn ständig an die Frauen denken, die sie in den Häfen zurückgelassen haben? Und ist es nicht noch schlimmer, wenn sie heiraten und Witwen hinterlassen oder wenn die Frauen am Herzen sterben, wenn ihre Männer unversehrt aus dem Unwetter nach Hause kommen? Das ist doch viel schlimmer. Guma wird nicht heiraten. Er wird auf seinem Saveiro immer frei sein. Er wird zu Iemanjá gehen, wenn er es für richtig hält. Er wird sich von keinem Anker an Land halten lassen. Ein Mann, der auf dem Meer lebt, muss frei sein. Aber wenn diese Frau Guma mitnähme, was würde dann aus ihm? Er würde ein Tischler oder Maurer, vielleicht auch ein Doktor oder womöglich Priester im langen Kleid, wie eine Frau! Und die Wangen des alten Francisco würden rot vor Scham darüber, was aus seinem Neffen geworden ist, und ihm bliebe nichts anderes, als selbst eines Nachts zu Janaína ins Meer zu gehen. Nein, um nichts in der Welt wollte er zulassen, dass die Frau Guma mitnahm.
Sie wunderte sich schon über sein Schweigen. Von der Markthalle kamen Stimmen:
»Viel zu teuer, ist ja zum Fürchten …«
Und weiter weg erzählte einer:
»Dann knallten zwei Schüsse, und ich hab nur gesehen, wie einer wegrannte. Aber ein Mann ist ja ein Mann, also hab ich all meinen Mut zusammengenommen und bin auf ihn …«
Der alte Francisco lachte:
»Wissen Sie, was, Dona? Sie nehmen den Jungen nicht mit. Was wollen Sie denn mit ihm anfangen?«
Er sah die Frau an, wartete auf eine Reaktion. Aber seine Miene verriet, dass keine Macht der Welt ihn dazu bewegen könnte, Guma herzugeben. Die Frau machte eine unbestimmte Handbewegung und antwortete:
»Das weiß ich selbst nicht … Ich will ihn mitnehmen, weil er mein Sohn ist und keinen Vater hat. Das Leben als Dirne, Sie wissen ja … Heute hier, morgen da … Und wenn er hierbleibt, ergeht es ihm wie seinem Vater, irgendwann ertrinkt er …«
»Und wenn er mit Ihnen herumzieht, Dona?«
»Ich gebe ihn auf eine Schule, da lernt er lesen, wird vielleicht ein Doktor, so wie sein Onkel, mein Bruder … Aber ertrinken wird er nicht.«
»Wissen Sie, Dona, das Schicksal, das wird da oben bestimmt. Wenn er Janaína gehören soll, kann keine Gelehrtheit ihn davor bewahren. Wenn er hierbleibt, wird er ein richtiger Mann. Wenn Sie ihn mitnehmen, wird er ein Schwächling, wie die Typen in den Nachtklubs.«
»Das sagen Sie …«
»Wo wollen Sie denn das Geld hernehmen, damit er studieren kann? Mit Dirnen kenne ich mich aus – heute haben sie was, morgen haben sie nichts … Sie haben gesagt, mal sind Sie hier, mal da … Und der Sohn von einer Dirne, das ist schlimmer als ein Hund, das wissen Sie.«
Sie senkte den Kopf, denn sie wusste, dass er recht hatte. Wenn sie ihren Sohn mitnahm, wäre das für ihn die größte Demütigung, weil alle erfahren würden, dass seine Mutter eine Dirne war. Auf der Straße, in der Schule, ganz gleich, wo er war, nirgends würde er den Mund aufmachen dürfen, denn für ihn gab es die schlimmste Beleidigung. Von der Markthalle kam die Stimme des Mannes, der seine Geschichte erzählte:
»… da hab ich nur gesehen, wie das Messer blitzte, so eins zum Ausnehmen von Fisch. Ich hab den Ellbogen gehoben, ein Knie nach vorn. Eine üble Geschichte …«
(Es wäre viel besser, wenn er hierbliebe, dann könnte er lernen, wie man einen Saveiro von einem Hafen zum anderen steuert, er würde fremden Frauen Kinder machen, Männern gezückte Messer aus der Hand reißen, in den Kneipen trinken, sich Herzen auf den Arm tätowieren lassen, Unwetter überstehen und, wenn seine Stunde gekommen wäre, zu Janaína gehen. Hier würde ihn niemand nach seiner Mutter fragen.)
»Aber kann ich ihn manchmal besuchen?«
»Wann immer Sie Sehnsucht haben …« Jetzt tat sie Francisco leid. Jede Mutter, und wenn sie noch so schlecht ist, liebt ihre Kinder. Selbst eine Walkuh, die ja ein Tier ist und nicht denken kann, verteidigt ihre Jungen gegen die Fischer und stirbt sogar für sie.
»Sie können ihn gleich heute sehen, Dona. Er kommt am Abend mit dem Saveiro von Itaparica. Dann gehen wir hin …«
Sie sah ihn ängstlich an:
»Fährt er schon allein mit dem Saveiro?«
»Nur von Itaparica hierher. Damit er lernt. Und er macht es wirklich schon wie ein Mann.«
Nun strahlte ihr Gesicht vor Stolz. Ihr Sohn, erst elf Jahre alt, konnte schon einen Saveiro steuern, über die Bucht kreuzen, konnte schon als Mann durchgehen. Mit einer Kleinmädchenstimme, die aus tiefstem Herzen kam, fragte sie:
»Sieht er mir ähnlich?«
Der alte Francisco musterte die Frau. Sie war hübsch, trotz ihrer kariösen Zähne. Dafür hatte sie einen Goldzahn. Sie verströmte einen Duft, der so gar nicht zum Fischgeruch des Hafens passte. Ihr Mund war blutrot geschminkt, als hätte sie jemand gebissen. Ihre rundlichen Arme hingen seitlich am Körper. Obwohl das Leben ihr übel mitgespielt hatte, wirkte sie noch jung, niemand hätte sie für Gumas Mutter gehalten. Und doch verkaufte sie sich seit elf Jahren, traf Männer, schlief mit ihnen, wurde von vielen geschlagen. Trotz allem war sie verführerisch. Hätte sie nicht mit Frederico geschlafen …
»Ja, er ähnelt Ihnen. Er hat genau die gleichen Augen wie Sie. Und auch Ihre Nase …«