Liao Yiwu
Drei wertlose Visa und ein toter Reisepass
Meine lange Flucht aus China
Aus dem Chinesischen von
Brigitte Höhenrieder und
Hans Peter Hoffmann
FISCHER E-Books
Liao Yiwu, geboren 1958 in der Provinz Sichuan, wuchs als Kind in großer Armut auf. 1989 verfasste er das Gedicht ›Massaker‹, wofür er vier Jahre inhaftiert und schwer misshandelt wurde. 2007 wurde Liao Yiwu vom Unabhängigen Chinesischen PEN-Zentrum mit dem Preis »Freiheit zum Schreiben« ausgezeichnet, dessen Verleihung in letzter Minute verhindert wurde. 2009 erschien sein Buch »Fräulein Hallo und der Bauernkaiser«. 2011, als »Für ein Lied und hundert Lieder« in Deutschland erschien, gelang es Liao Yiwu, China zu verlassen. Seitdem lebt er in Berlin. 2012 erschien »Die Kugel und das Opium«, 2013 »Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch« 2014 »Gott ist rot« sowie 2016 sein erster Roman »Die Wiedergeburt der Ameisen«. Er wurde mit dem Geschwister-Scholl-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Brigitte Höhenrieder
Hans Peter Hoffmann, Professor für Sinologie, freier Autor und Übersetzer, lehrt und schreibt in Tübingen und Taipeh.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Der Friedenspreisträger Liao Yiwu über seine bewegende Vergangenheit in China und seine dramatische Flucht nach Deutschland
Es gibt Tage, die einem das ganze Leben über immer wieder in Erinnerung kommen. Bei Liao Yiwu gehört der 2. Juli 2011 zu diesen Tagen: als es ihm gelang, den Grenzfluss zwischen China und Vietnam zu überqueren. Nach vielen vergeblichen Versuchen der Flucht war das der entscheidende Schritt, der ihn letztendlich in sein Exil nach Deutschland führte. Die Geschichte seiner langen Flucht bildet den Rahmen seines neuen sprachgewaltigen Buches, in den er Erzählungen aus seiner Vergangenheit in China einbettet und geschickt miteinander verwebt. Ein bewegender Bericht und große Erzählkunst.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Jörg Steinmetz
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ISBN 978-3-10-490409-2
»Vierter Juni«: Am 3./4. Juni 1989 wurden friedliche Studentendemonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens (auch: Tiananmen-Platz) in Beijing von der Regierung Chinas gewaltsam durch Eingreifen des Militärs beendet. Die genaue Zahl der Toten ist unbekannt, die Presse berichtete aufgrund von Angaben des chinesischen Roten Kreuzes von über 2000 Toten und mehreren tausend Verletzten, Amnesty International gibt mehrere hundert bis mehrere tausend Tote an. Unter den toten Zivilisten waren neben StudentInnen auch viele SchülerInnen, ArbeiterInnen und andere BürgerInnen, die zum Teil die Demonstrationen unterstützten, zum Teil aber zufällig vor Ort waren. Viele TeilnehmerInnen und UnterstützerInnen der Demonstrationen wurden in der Folgezeit verhaftet, sofern es ihnen nicht gelang, rechtzeitig aus dem Land zu fliehen. Bis heute ist in China die Untersuchung dieses durch die Regierung unter Deng Xiaoping und dem Ministerpräsidenten Li Peng verordneten Massakers sowie das öffentliche Gedenken an die Toten verboten. Jedes Jahr werden in der Zeit vor dem Vierten Juni Überlebende des Massakers, Angehörige von Opfern und Dissidenten unter Druck gesetzt, sich nicht öffentlich zu äußern. Die Bezeichnung »Vierter Juni« verweist nicht nur auf das Massaker, sondern auf die gesamte Bewegung der Demonstrationen für Demokratie und Freiheit in Beijing und anderen Großstädten im Frühsommer 1989.
Renminbi (RMB) ist die offizielle chinesische Währung, deren größte Einheit der Yuan bzw. Kuai ist. Anfang Juli 2011, dem Zeitpunkt der Flucht Liaos entsprachen einem Euro knapp 10 Kuai/Yuan RMB.
Chinesisch-Vietnamesischer Krieg: Krieg zwischen China und Vietnam aufgrund von andauernden Grenzstreitigkeiten Februar bis März 1979.
Dong ist die vietnamesische Währung seit 1978. Im Juli 2011 entsprach ein Euro an die 30000 Vietnamesischen Dong.
Deng Xiaoping lebte 1904–1997 und regierte in der Volksrepublik China faktisch von 1979 bis zu seinem Tod Anfang 1997 als starker Mann. Er ist bekannt für seine marktorientierten Reformen im Land, die zu Chinas wirtschaftlichem Aufschwung führten, bei einer gleichbleibend harten Linie in politischen Fragen wie der alleinigen autoritären Herrschaft durch die Kommunistische Partei Chinas.
Wei Jingsheng, geb. 1950, war ein führender Aktivist der chinesischen Demokratiebewegung, hängte seine Forderung nach Demokratie unter anderem in Form einer Wandzeitung mit dem Titel »Die fünfte Modernisierung: Demokratie und anderes« als Ergänzung der »Vier Modernisierungen« Deng Xiaopings an die »Mauer der Demokratie« und war 18 Jahre in China inhaftiert. Heute lebt er in den USA und arbeitet dort weiter für ein demokratisches China.
Xu Wenli, geb. 1943, ist ebenfalls ein führender Kopf der Demokratiebewegung und Aktivist der »Mauer der Demokratie«, war in China 16 Jahre inhaftiert und lebt heute im Exil in den USA.
Die »Mauer der Demokratie« befindet sich in der Xidan-Straße in Beijing und war 1978/79 ein Zentrum der chinesischen Demokratiebewegung.
Teresa Teng lebte 1953–1995 und ist die vielleicht bekannteste taiwanische Pop-Sängerin in der VR China.
Der Staat Lu, in dem Konfuzius geboren ist, liegt heute in der Provinz Shandong.
»Kein größerer Schmerz als ein sterbend Herz«: Nach Zhuangzi (deutsch in der Übersetzung von Richard Wilhelm: Das wahre Buch vom Südlichen Blütenland), »Die Äußeren Kapitel«, Abschnitt: »Tian Zifang«, Worte des Konfuzius.
Xia Ji gilt als »Femme fatale« der Zeit. Sie war mehrfach verheiratet, mit verschiedenen Herrschern und anderen hohen Würdenträgern.
Das Chunqiu, die Frühlings- und Herbstannalen, sind eine Chronik des Staates Lu aus der sogenannten »Frühlings- und Herbstperiode« (722–481 v. Chr.), die Konfuzius zusammengestellt haben soll.
Liao Yiwu, Für ein Lied und hundert Lieder: Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen, Frankfurt am Main: S. Fischer, 2011.
Das Lunyu, im Allgemeinen ins Deutsche übersetzt als die Gespräche des Konfuzius.
Huai-Hai-Operation: 1948/49 eine der entscheidenden Operationen der kommunistischen Volksbefreiungsarmee, die letztlich zur Niederlage der Nationalarmee und der Nationalen Volkspartei (Guomindang / Kuomintang) unter Chiang Kai-shek in China führten und deren Flucht nach Taiwan einleiteten.
Putian in der Provinz Fujian: Die bezirksfreie Stadt wie die Provinz liegen im Osten Chinas auf der Höhe von Taiwan.
Der Kuroshio (japanisch, auf Deutsch »Schwarze Strömung«) ist eine warme Oberflächen-Meeresströmung im westlichen Pazifik. Der Name kommt von der Farbe des Wassers, das deutlich dunkler ist als das Umgebungswasser.
Die Insel Jinmen, auch Kinmen oder Quemoy, ist eine Insel nicht weit vom Festland Chinas, steht jedoch unter der Verwaltung Taiwans.
Chiang Ching-kuo, auch Jiang Jingguo, lebte 1910–1988 und war der Sohn von Chiang Kai-shek, ebenfalls Mitglied der Nationalpartei und 1978–1988 Präsident der Republik China auf Taiwan.
Chen Lifu lebte 1900–2001 und war ein führender Kopf der Nationalpartei und überzeugter Anti-Kommunist, ein enger Freund Chiang Kai-sheks.
Vater und Sohn Chiang: Chiang Kai-shek und sein Sohn Chiang Ching-kuo.
Die Dai- oder Tai-Völker zählen zu den 55 offiziell anerkannten ethnischen Minderheiten in China und leben vor allem in der Provinz Yunnan.
Sun Yat-sen, hochchinesisch Sun Zhongshan, lebte 1866–1925 und wurde 1912 der erste Präsident der Republik China, er war Mitbegründer der Nationalpartei.
Der Zweite Chinesisch-Japanische Krieg, der hier gemeint ist, dauerte vom 7. Juli 1937 bis zum 9. September 1945 und wurde durch den Angriff Japans auf Pearl Harbor als »Pazifikkrieg« Teil des Zweiten Weltkriegs. Im Zuge dieses Krieges mit China marschierten japanische Truppen in China ein und besetzten immer weitere Teile des Landes, bis Japan im Zweiten Weltkrieg kapitulieren musste. Das war auch das Ende des Chinesisch-Japanischen Kriegs.
Die Schlacht um Tai’erzhuang, vom 24. März bis zum 7. April 1938, war eine Schlacht zwischen der chinesischen Nationalarmee und japanischen Truppen nordöstlich der Stadt Xuzhou in der Provinz Jiangsu, welche die chinesischen Verteidiger gewinnen konnten. Das war ihr erster Sieg im Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg gegen die bis dahin als unbesiegbar geltenden japanischen Truppen.
Onkel Afanti ist der chinesische Name (abgeleitet von Efendi, die türkische Anrede für »Herr«) für Nasreddin, eine literarische Figur humoristischer Geschichten in türkisch-islamisch beeinflussten Regionen bis hin zu den Turkvölkern Zentralasiens und den Uiguren im Nordwesten Chinas.
Li Jieren, Schriftsteller und Übersetzer, lebte 1891–1962.
Die »Rechtsschutz«-Anwälte in China sehen ihre Aufgabe darin, chinesische Bürger gerade bei der Vertretung und Durchsetzung ihnen nach der Gesetzeslage bereits zustehender Rechte gegen die Willkür von Polizei und Staat zu unterstützen. Dadurch sind Rechtsschutz-Anwälte selbst häufig Verfolgung und Repressalien ausgesetzt. Teng Biao (geb. 1973), der in diesem Buch als Rechtsvertreter Liaos in Erscheinung tritt, gehört zu den bekanntesten unter diesen Anwälten und war bereits zweimal in Haft.
Charta 08: Eine Petition für Demokratie in China vom Dezember 2008, initiiert von Liu Xiaobo, dem späteren Friedensnobelpreisträger, der inzwischen am 13. Juli 2017 im Alter von 61 Jahren gestorben ist. Für die Charta 08 wurde Liu am 25. Dezember 2009 zu elf Jahren Gefängnis verurteilt und war bis zu seinem Tod inhaftiert. Außer Liu haben 302 weitere Intellektuelle dieses Manifest für mehr Demokratie in China unterschrieben.
Wu Zixu lebte im 5./6. Jh. v. Chr. und war ein einflussreicher Politiker des Reiches Wu, wohin er als Flüchtling aus dem Reich Chu gekommen war.
He Zhizhang lebte 659–744 während der Tang-Dynastie (618–907).
Zhao Ziyang lebte 1919–2005, er war ein Reformpolitiker der VR China, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas 1987–1989, wegen seiner gemäßigten und offenen Haltung gegenüber den Demonstrationen des »Vierten Juni 1989« auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Beijing stand er nach dem Massaker durch das Militär bis zu seinem Tod unter Hausarrest.
Die Sieben Weisen vom Bambushain waren sieben Dichter und Exzentriker, die gegen Ende der Wei-Dynastie (220–265) lebten, offenbar sehr viel tranken und vermutlich zumindest teilweise Kontakt miteinander hatten. Sie können als eine Art frühe Dissidenten gelten, da sie sich der ungeliebten Regierung auf unterschiedliche Weise verweigert haben sollen.
Li Da lebte 1890–1966.
Chen Duxiu lebte 1879–1942 und war ein bekannter führender Kommunist in China.
Zhang Guotao lebte 1897–1979 und war in den 20er und 30er Jahren ein führender chinesischer Kommunist, 1938 lief er zur Nationalpartei von Chiang Kai-shek über.
Zhou Fohai lebte 1897–1948, er hatte in Japan studiert und wurde dort zum Anhänger marxistischer Ideen. 1924 verließ er die Kommunistische Partei Chinas wieder und wechselte in die Nationalpartei. Den Krieg gegen Japan sah er später als sinnlos an und wurde mit einigen anderen chinesischen Politikern Teil einer sogenannten »Kollaborationsregierung« mit Japan.
Weibo ist ein chinesischer Internet-Dienst als Alternative zu Facebook und Twitter, die in China verboten sind.
»Kommunistische Banditen« ist ursprünglich ein Schimpfwort der chinesischen Nationalpartei für ihre Gegner in der Kommunistischen Partei aus der Zeit des chinesischen Bürgerkriegs um die Vorherrschaft in China.
Der Vierte Juni. Meine Zeugenaussage ist die Übersetzung des Originaltitels des Buches von Liao Yiwu über seine Zeit im Gefängnis wegen der Verbreitung seines Gedichts »Massaker« nach dem 4. Juni 1989. Auf Deutsch ist dieses Buch erschienen unter dem Titel Für ein Lied und hundert Lieder: Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen (siehe Anm. 14).
»Einem Heer von drei Armeen …«: Lunyu, Kap. IX/25, »Die Macht des Kleinsten« (Übersetzung Richard Wilhelm).
»In dürftiger Zeit zeigt sich, wer taugt, …«: Aus einem Gedicht (etwa »Lied der Rechtschaffenheit») von Wen Tianxiang (1236–1283) aus der Song-Dynastie (960–1279), der von den nach China vordringenden Mongolen gefangen genommen wurde, von ihnen eine Stellung angeboten bekam, diese aus Loyalitätsgefühlen gegenüber der chinesischen Song-Dynastie ablehnte, dafür ins Gefängnis geworfen und schließlich hingerichtet wurde.
Chinas Gesellschaft von unten: Die deutsche Ausgabe heißt mit vollem Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft von unten, Frankfurt am Main: S. Fischer, 2009. Der englische Titel des Buches lautet: The Corpse Walker: Real Life Stories, China from the Bottom Up, 2009.
Die Stinkende Nummer Neun war ein Schimpfwort in China für den Stand der Intellektuellen. Der Begriff stammt bereits aus der Zeit der Mongolenherrschaft in China (Yuan-Dynastie: 1279–1368), in der die unterworfenen Chinesen in zehn Schichten geordnet waren, deren neunter und vorletzter die konfuzianischen Gelehrten zwischen Prostituierten (8) und Bettlern (10) angehörten. Zur Zeit der Kulturrevolution wurden neun Kategorien von Gegnern der Revolution erstellt, wobei die Intellektuellen nun zur untersten, wieder neunten zählten. Als angebliche Gegner der Revolution wurden sie entsprechend grausam verfolgt und gedemütigt.
A Bing ist der Künstlername von Hua Yanjun, er lebte 1893–1950. Das Stück »Der Mond in zwei Quellen« stammt von 1939, es wurde komponiert und gespielt von A Bing selbst, heute ist es eines der bekanntesten Stücke für die zweisaitige chinesische Geige Erhu in China.
Cao Cao lebte 155–220, er war ein berühmter Staatsmann und General, gleichzeitig ein renommierter Dichter und Kalligraph, später Begründer des Reiches Wei. Die Drei Reiche waren die drei nebeneinander bestehenden Königreiche Wei im Norden, Wu im Süden und Shu Han im Westen, sie existierten 208–280 bzw. nach einer anderen historischen Einschätzung 220–280.
Die Qing-Dynastie regierte 1644–1911 und war die letzte Kaiser-Dynastie Chinas. Seit 1912 existiert die Republik China, die bis heute auf Taiwan fortbesteht.
Annan oder Annam ist eine alte Bezeichnung Chinas für Vietnam, sie bedeutet »Befriedeter Süden«.
Odysseus Elytis, ein griechischer Dichter, lebte 1911–1996.
Jiang Taigong geht angeln, diese Redewendung geht auf eine chinesische Legende zurück, nach der Jiang Taigong, der im 11. Jh. v. Chr. lebte, auf sehr ungewöhnliche Weise angelte, nämlich mit einem geraden »Haken« an der Angel, und gerade deshalb erreichte, was er wollte: den König für sich gewinnen, der auf seine Angeltechnik aufmerksam wurde, von sich aus auf ihn zukam, in ihm im folgenden Gespräch einen klugen Mann erkannte und ihm eine Stellung am Hof anbot.
Liao Yiwu, Gott ist rot. Geschichten aus dem Untergrund – Verfolgte Christen in China, Frankfurt am Main: S. Fischer, 2014.
Die Operation Zeisig war eine von Hongkong aus organisierte Hilfsaktion nach dem Vierten Juni 1989, um es von der chinesischen Regierung verfolgten Teilnehmern und Unterstützern der Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu ermöglichen, China zu verlassen. Die Aktion lief bis 1997 und rettete über 400 Dissidenten das Leben bzw. die Freiheit, indem diese in westliche Länder entkommen konnten.
»Wo ich heut Nacht vom Rausch erwacht’ …« ist eine Gedichtzeile des Song-Dichters Liu Yong (987–1053).
Die Tang-Dynastie regierte 618–907.
Die Tianlongbabu Filmstadt ist ein Filmstudio, in dem eine bekannte chinesische TV-Serie gedreht wurde, die Verfilmung eines bekannten Martial Arts Romans von Jin Yong (englischer Titel: Demi-Gods and Semi-Devils oder näher am chinesischen Original: Eight Books of the Heavenly Dragon). Heute ist die Filmstadt eine der attraktivsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Dali.
Zeit der Republik in der Volksrepublik China war 1912–1949, auf Taiwan 1912 bis heute.
»Hai«, wie jeweils die letzte Silbe in den Namen der Seen Erhai und Lashihai lautet, bedeutet »Meer«.
Hu Yaobang lebte 1915–1989, er war ein chinesischer Politiker der Kommunistischen Partei Chinas, der jedoch Verständnis für die Demokratiebestrebungen im China der 80er Jahre zeigte. Sein Tod im April 1989 gilt allgemein als Auslöser für die Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens.
Reden Dengs auf seiner Reise in den Süden: Anfang des Jahres 1992 reiste Deng Xiaoping in den Süden Chinas, in die Städte Guangzhou, Shenzhen und Shanghai, um in verschiedenen Reden weitere Reformen in Richtung »Sozialistische Marktwirtschaft« anzumahnen. Er öffnete die Wirtschaft des Landes damit Richtung Kapitalismus und freiem Handel.
Die Menglong-Lyrik, auch Obskure Lyrik, ist eine hermetische und moderne Form der Poesie, die von den späten 70er bis Mitte der 80er Jahre in China von großer Bedeutung war. Wichtige Vertreter dieser Lyrik wie Bei Dao, Yang Lian und Gu Cheng haben in den 80er Jahren China aufgrund von Aktionen gegen ihre Art zu schreiben, wie die »Kampagne gegen geistige Verschmutzung«, verlassen.
Liu Shaoqi lebte 1898–1969, war ein führender Kommunist, starb jedoch als ein Opfer der Kulturrevolution.
Laozi und Han Feizi: Chinesische Philosophen des 6./5. bzw. 3. Jahrhunderts v. Chr., Laozi gilt als Begründer des Daoismus, Han Fei oder Han Feizi des Legalismus.
Die Zhou-Dynastie unterteilt sich in eine Westliche, ca. 11. Jh. bis 770 v. Chr., und eine Östliche Zhou-Dynastie, 770–256 v. Chr.
Der Hangu-Pass war ein strategisch wichtiger Pass an der Ostgrenze des Staates Qin zur Zeit der Streitenden Reiche (475–221 v. Chr.) und während der Östlichen Zhou-Dynastie, er liegt heute in der Provinz Henan.
Das Zitat »Von allen Enden der Welt …« heißt korrekt: »Von allen Enden der Welt sind wir zusammengekommen für das gemeinsame revolutionäre Ziel.«
Li Houzhu lebte ca. 937–978, er war der letzte Herrscher der Südlichen Tang (Regierungszeit 961–975) und ein bekannter Dichter. Er wurde vom ersten Kaiser der Song-Dynastie (960–1279) abgelöst, kam in Gefangenschaft und schrieb dort viele seiner Gedichte.
Liu Binyan lebte 1925–2005, er war Journalist und Romanschriftsteller, zunächst Kommunist, unter Mao Zedong jedoch wurde er 1957 zum Rechtsabweichler abgestempelt und war in der Folge Dissident. 1988 ging er an die Harvard University in Amerika und musste wegen des Vierten Juni 1989 im Exil bleiben.
Die Wei-Dynastie regierte 220–265, die Jin-Dynastie anschließend 265–420.
Ruan Ji lebte 210–263 während der Wei-Dynastie, war Dichter und einer der »Sieben Weisen vom Bambushain« (siehe Anm. 34).
Kong Rong lebte 153–208, er war ein Beamter und Dichter zur Zeit der Drei Reiche. Ihn ließ sein politischer Rivale Cao Cao (siehe Anm. 47) hinrichten.
Xi Kang lebte 223–262 im Reich Wei, er war Dichter, Philosoph und Musiker, mit 39 Jahren wurde er hingerichtet.
Chen Tuan lebte wohl im 9./10 Jahrhundert, die genauen Daten sind unklar, ein legendärer daoistischer Weiser. Er heißt auch der »Schlafende Unsterbliche« und seine Schlaffähigkeit soll in daoistischen Übungen begründet liegen.
Das Lichtfest, in chinesischer Umschrift »Qingming-Fest«, ist ein ähnliches Fest wie Allerheiligen, aber Anfang April, die Gräber der Vorfahren werden aufgeräumt und neu geschmückt, zudem werden den Ahnen Opfergaben dargebracht und man betet zu ihnen.
»Bevor du in die Grube fährst, …«: Diese Zeilen stammen aus dem Gedicht »Tragen« von Liu Xiaobo, »für meine Frau in ihrer Bedrängnis«, geschrieben an seinem Geburtstag am 28. Dezember 1996. Das vollständige Gedicht ist abgedruckt in Liu Xiaobo: Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass. Ausgewählte Schriften und Gedichte, hg. v. Tienchi Martin-Liao und Liu Xia, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2011, S. 317.
»Märchen« bzw. auf Englisch »Fairytale« hieß das Kunstprojekt von Ai Weiwei anlässlich der Documenta 12 im Jahr 2007.
Das Daodejing, bekannt auch unter älteren Umschriften wie Tao Te King, ist eine berühmte klassische Schrift Chinas, die von dem daoistischen Weisen Laozi stammen soll, und gilt als einer der grundlegenden Texte des Daoismus. Entstehungsgeschichte und Autorenschaft sind tatsächlich bisher unklar. »Dao« steht für etwas wie »den Weg«, »das Prinzip«, »de« beinhaltet eine praktischere Bedeutung wie etwa »Tugend, Moral«, »Jing« bezeichnet einen »Klassiker«.
Hua Guofeng lebte 1921–2008, ein kommunistischer Politiker, der 1976 Mao Zedong als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas nachfolgte.
Jiang Qing lebte 1914–1991, sie war Maos vierte Frau und Kopf der sogenannten »Viererbande« vom linksradikalen Flügel der Kommunistischen Partei Chinas, die in der Kulturrevolution eine führende Rolle spielte, nach Maos Tod und dem Ende der Kulturrevolution wurden Jiang Qing und der »Viererbande« alle negativen Auswüchse der Kulturrevolution zur Last gelegt, so dass Mao selbst eine reine Weste behalten konnte.
Für die öffentlichen Erklärung Westerwelles siehe die Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 1.3.2010 »Westerwelle bedauert Ausreiseverbot für chinesischen Schriftsteller Liao Yiwu«, www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2010/100301LiaoYiwu.html (abgerufen am 12.4.2017).
König Wen von Zhou lebte 12./11. Jh. v. Chr. und regierte wohl in der ersten Hälfte des 11. Jhs. Er gilt als weiser Herrscher im konfuzianischen Sinne, der sich fähige Männer für die Regierung suchte. Dennoch war er eine Weile aus politischen Gründen in Gefangenschaft und soll nach einer Überlieferung in dieser Zeit die 64 Hexagramme des Buches der Wandlungen geschaffen und mit Erklärungen versehen haben.
Aufs Land verschickte gebildete Jugendliche waren junge Menschen, die beginnend in den 1950er Jahren bis in die 1970er Jahre aus den Städten aufs Land gingen, häufig unter Zwang, um dort zu arbeiten und zu leben und die Landwirtschaft insbesondere in armen und abgelegenen Regionen zu unterstützen. Die Mehrheit von ihnen hatte eine Schulausbildung der Grundstufe oder auch bis zur höheren Schule, wenige hatten eine Universität besucht.
Die Frühlings- und Herbstperiode ist nach den Reichsannalen des Staates Lu benannt (siehe auch Anm. 13), aus dem auch Konfuzius stammte, und bezeichnet konkret die Jahre 722–481 v. Chr., sie liegt damit in der Zeit der Östlichen Zhou-Dynastie (siehe Anm. 64), in der die Macht des »Himmelssohns der Zhou« allmählich abnahm und einzelne Reiche erstarkten.
»Aufruf zu einer weltweiten Lesung«: Der Text folgt hier dem deutschen Aufruf, wie er unter http://www.worldwide-reading.com/archiv/weltweite-lesung-fuer-liao-yiwu-und-in-erinnerung-an-das-massaker-am-tian2019anmen-platz-am-4.-juni-2010/aufruf (Abruf am 1.5.2017) publiziert ist. Abweichungen des chinesischen Textes bei Liao blieben unberücksichtigt.
Der Tang-Kaiser Xuanzong lebte 685–762 und regierte 712–756.
Die Tang-Dynastie bestand 618–907, die Song-Dynastie 960–1279 und die mongolische Yuan-Dynastie 1279–1368.
Yao soll etwa im 24./23. Jh. v. Chr. gelebt haben, er ist einer von fünf legendären Herrschern. Sein Nachfolger als Herrscher soll Shun gewesen sein, der aus einfachen Verhältnissen kam. Beide Herrscher haben nach der Überlieferung nicht ihre eigenen Nachfahren als Nachfolger eingesetzt, sondern jeweils Untertanen, die ihnen als die fähigsten für das Amt des Herrschers erschienen.
»Das Dao, das man nennen kann, …« ist der berühmte Anfang des chinesischen Klassikers Daodejing (siehe Anm. 77).
»Die acht Unsterblichen« sind daoistische Heilige, Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten, aus der chinesischen Mythologie. Nach der Legende überquerten sie das Meer ohne ein Schiff, stattdessen verfügte jeder von ihnen neben seinen besonderen Fähigkeiten über ein spezielles Requisit, das jedoch eigentlich nicht zur Überquerung eines Gewässers dient: beispielsweise ein magisches Schwert, ein Fächer oder eine Flöte.
Lü Dongbin wurde gegen Ende des 8. Jhs., während der Tang-Dynastie, geboren und ist einer der »Acht Unsterblichen«, seine besonderen Requisiten sind ein Fliegenwedel und das magische Schwert. Der Kranich steht für langes Leben und Glück, wegen seines leichten, hohen Flugs gilt er als Verbindung zwischen Himmel und Erde. Auf seinem Rücken gelangen »Unsterbliche« ins Paradies.
Qiu Chuji lebte 1148–1227 und war der fünfte Patriarch des Quanzhen-Daoismus.
Wang Chongyang lebte 1113–1170, er begründete als daoistischer Mönch in seinen letzten Lebensjahren den synkretistischen Quanzhen-Daoismus und Qiu Chuji war einer seiner Schüler.
Kaiser Qianlong regierte während der Qing-Dynastie (siehe Anm. 48) von 1735–1796.
Hexagramm »Gu«: In der Übersetzung der 64 Hexagramme des Buchs der Wandlungen heißt es über dieses Hexagramm mit dem Namen »Gu, Die Arbeit am Verdorbenen«: »Das chinesische Zeichen Gu stellt eine Schüssel dar, in deren Inhalt Würmer wachsen. Das bedeutet das Verdorbene […]«. Da dieses »Verdorbene« als Aufgabe im Raum steht, wieder beseitigt werden zu müssen, ist die »Bedeutung des Zeichens nicht einfach das Verdorbene, sondern das Verdorbene als Aufgabe, die Arbeit am Verdorbenen.« Vgl. I Ging. Text und Materialien, aus dem Chinesischen übersetzt von Richard Wilhelm, 14. Aufl. (Diederichs Gelbe Reihe), Köln: Diederichs, 1987, S. 85.
Klang eines Holzfisches: Der Holzfisch ist ein teilweise ausgehöhltes Holzschlaginstrument für religiöse Zeremonien, es kann z.B. als Begleitinstrument bei Rezitationen dienen oder Beginn und Ende einer Meditation anzeigen.
Ein Liang sind 50 Gramm.
»Zweiter Besuch im Palast«, chinesisch »Er gong jin«, ist der Titel eines berühmten und sehr populären Stücks der traditionellen Beijingoper.
Wang Bo lebte 649/650–676, war also ein Dichter der frühen Tang-Dynastie, er starb bereits im Alter von etwa 26 Jahren, wie es heißt, ertrank er auf einer Reise nach Vietnam, um seinen Vater dort zu besuchen. Vietnam war damals ein Vasallenstaat des Tang-Reiches. (Vgl. auch noch später im Text.)
Manjushri ist einer von drei großen Bodhisattvas im Buddhismus, er verkörpert Lernen und Weisheit, der Legende nach soll er ein Schüler des Buddha Shakyamuni gewesen sein.
Du Fu lebte 712–770 und zählt mit Li Bai zu den wichtigsten Dichtern der Tang-Dynastie.
»Sous le pont Mirabeau coule la Seine …« ist aus einem Gedicht von Apollinaire, »Le Pont Mirabeau«, in: Alcools, 1913.
Der Boxeraufstand war 1899–1901 ein chinesischer Widerstandskampf gegen die Besetzung des Landes durch die europäischen Mächte England, Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien sowie durch die USA, Russland und Japan, insgesamt acht Länder, der jedoch scheiterte. Die Aufständischen waren in traditioneller Kampfkunst ausgebildet und gingen schlecht bewaffnet gegen die Besatzungsmächte vor. Deshalb erhielten sie von den Besatzungsmächten die Bezeichnung »Boxer«. Selbst nannten sie sich etwa »Kämpfer für Gerechtigkeit und Frieden«.
Zao Wou-Ki lebte 1920/21–2013 und war ein französisch-chinesischer Maler. Er ging 1947 nach Paris und wurde in den 60er Jahren in Frankreich eingebürgert. In den 80er Jahren fand seine Malerei in China Anerkennung. Er verbindet in seinen Gemälden traditionelle chinesische Tuschemalerei mit moderner abstrakter Malerei.
Anti-Konfuzius-und-Lin-Biao-Kampagne: Lin Biao lebte 1907–1971 und war ein hochrangiger Politiker der Kommunistischen Partei Chinas, zeitweise galt er als designierter Nachfolger Mao Zedongs. 1971 kam er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, angeblich hatte er einen Staatsstreich geplant. Lin wurde deshalb von der Kommunistischen Partei zum Verräter erklärt, obwohl bis heute unklar ist, was eigentlich passiert war, 1973 wurde er posthum von der Partei ausgeschlossen und 1974 begann eine Kampagne gegen Lin Biao und Konfuzius, die bis zum Ende der Kulturrevolution 1976 andauerte und sich gegen alle möglichen angeblichen Gegner der Partei und Maos richtete.
Liao Yiwu, Die Kugel und das Opium. Leben und Tod am Platz des Himmlischen Friedens, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2012.
Tao Yuanming lebte 365/372–427 in der Östlichen Jin-Dynastie (317–420) und ist ein berühmter chinesischer Dichter. Er hatte Posten in verschiedenen Regierungen inne, war aber von seinem Arbeitsumfeld so abgestoßen, dass er sich schließlich von allen Ämtern auf sein Landgut zurückzog, sich dort mit Freunden umgab und sich ganz auf die Dichtung konzentrierte.
Die »Mütter des Tiananmen« ist eine Gruppierung, die nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 von Eltern, Verwandten und Freunden der Opfer gegründet wurde. Geleitet wird sie von Ding Zilin, einer emeritierten Professorin, deren Sohn, noch Schüler, damals erschossen wurde. Sie kämpfen für die Untersuchung und eine Neubewertung des Massakers, für das Recht, öffentlich um die Opfer zu trauern, und sie betreiben Aufklärungsarbeit zu den Ereignissen. Für ihr Engagement werden sie selbst von der chinesischen Regierung nach wie vor schikaniert, abgehört und stehen immer wieder unter Hausarrest, insbesondere in der Zeit vor dem Vierten Juni jedes Jahres seit 1989.
»Die Aufmerksamkeit des Einzelnen verwandelt sich in eine allgemeine Ächtung von Unterdrückung, Hass und Gewalt«: Dieses Zitat findet sich so nicht in der Nobelpreisrede von Elie Wiesel, auch nicht in der Begründung des Komitees.
»Walden oder Leben in den Wäldern«: Ein Buch von Henry David Thoreau (1817–1862), 1854 erschienen, über ein Leben als Aussteiger, das zu einem Klassiker alternativer Lebensweisen wurde.
Die Kangxi-Ära der Qing-Dynastie war unter dem Qing-Kaiser Kangxi 1661–1722, einem der bekanntesten chinesischen Herrscher.
Dharamsala ist der Sitz der Exilregierung Tibets in Indien.
Die Ming-Dynastie regierte 1368–1644.
Cao Xueqin, geb. zwischen 1715 und 1724 und gest. 1763 oder 1764, lebte in der Qing-Dynastie, war Schriftsteller und ist der Autor des wahrscheinlich berühmtesten chinesischen Romans Der Traum der roten Kammer.
Der Erste Kaiser von China, Qin Shihuang, lebte 259–210 v. Chr., er gründete die Qin-Dynastie (221–207 v. Chr.), die erste Dynastie des chinesischen Kaiserreichs, und regierte 247–210 v. Chr. 213 v. Chr. ließ er alle Bücher, derer man habhaft wurde, verbrennen, um konkurrierende Denkschulen und Lehrmeinungen zu vernichten, und als über 450 Gelehrte deshalb protestieren, ließ er sie hinrichten.
Die Übersetzung folgt hier der Erinnerung Liao Yiwus und übernimmt nicht die Version aus Lettre.
Der Huanghe, der Gelbe Fluss, gilt als Wiege der chinesischen Zivilisation, auch die Fernsehserie »Flusselegie«, die 1988 ausgestrahlt und sehr populär wurde, bezieht sich in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der stagnierenden chinesischen Kultur auf diesen Fluss.
»Fliegender General« lautete der Spitzname des Generals Li Guang aus der Westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.), der bis 119 v. Chr. lebte, der Tag seiner Geburt ist unbekannt.
»Der Edle gibt für den Freund das Leben hin, …«: Diese zwei Verse stammen aus Tao Yuanmings »Ode an Jing Ke«, den Attentäter, der im 3. Jh. v. Chr. den ersten chinesischen Kaiser Qin Shihuang töten wollte, aber scheiterte. Der chinesische Film »Der Kaiser und sein Attentäter« von 1999 hat diese Geschichte zur Grundlage.
Zhu De lebte 1886–1976, war ein kommunistischer Führer und über viele Jahre Oberkommandierender der Volksbefreiungsarmee.
»Meister Hong Yi«, eig. Li Shutong, lebte 1880–1942 und war Maler, Kalligraph und Lehrer für Kunst, 1918 wurde er buddhistischer Mönch, schrieb weiter kunstvolle Kalligraphien in einem sehr einfachen Stil und wurde berühmt als »Meister Hong Yi«.
»Der Hof für die Pachteinnahme« besteht aus über einhundert lebensgroßen Skulpturen und wurde 1965 von Künstlern der Hochschule der Künste Sichuan auf dem ehemaligen Anwesen des Großgrundbesitzers Liu Wencai (1887–1949) errichtet. »Der Hof« wurde zu einem Musterkunstwerk der Kulturrevolution, da er an verschiedenen Stationen voller Grausamkeit und Demütigung eine gnadenlose Ausbeutung der Landbevölkerung durch einen reichen Grundbesitzer vor der Machtübernahme der Kommunisten darstellt.
Du Mu lebte 803–852.
Die deutsche Übersetzung dieses Gesprächs über »Die Totenrufer« findet sich in Liao Yiwu, Fräulein Hallo und der Bauernkaiser, S. 60–79.
The Corpse Walker. Real Life Stories: China from the Bottom up, erstmals erschienen 2008 bei Pantheon, Random House, entspricht in weiten Teilen dem deutschen Buch Fräulein Hallo und der Bauernkaiser.
Wang Wei lebte 701–761.
Ai Qing, chinesischer Dichter, Maler und Kommunist, lebte 1910–1996.
»Baum auf dem Berg« ist Geschichte 20 im Teil »Die Äußeren Kapitel« des Buches Zhuangzi.
Qu Yuan lebte 340–278 v. Chr. und war Staatsmann und Dichter, er hat sich angeblich im Exil in einem Fluss ertränkt. Anlässlich seines Todes wird jedes Jahr in China im Mai oder Juni das Drachenbootfest gefeiert, unter anderem mit »Drachenbootrennen« auf Flüssen, zu Ehren der Boote, die versuchten, Qu Yuan vor dem Ertrinken zu retten, sowie mit »Zongzi« genannten klebrigen Reisklößen mit süßer oder salziger Füllung, eingewickelt in Bambus- bzw. Schilfblätter, da mit ihnen die Fische im Fluss gefüttert worden sein sollen, damit sie nicht Qu Yuan fraßen.
Jiang Kui lebte ca. 1155–1221 und war Dichter, Komponist und Kalligraph. Die Südliche Song bestand 1127–1279.
Die Zeit der Streitenden Reiche war 475–221 v. Chr.
»Die Sonne sinkt, wo bin ich zuhaus« ist die vorletzte Zeile aus dem Gedicht »Gelbe Kranichpagode« von Cui Hao, der ca. 704–750 lebte. Die Kranichpagode steht in Wuhan, Provinz Hubei, und wurde durch das Gedicht berühmt.
»Über-die-Brücke-Reisnudelsuppe« ist eine der bekanntesten Speisen aus Yunnan, die heiße Brühe mit einer Schicht Öl und die Einlagen für die Suppe werden getrennt voneinander serviert. Eine Geschichte zum Namen der Suppe lautet: Eine Frau brachte ihrem Mann, der für die kaiserlichen Prüfungen lernte, Suppe zum Essen über eine Brücke, die auf dem Weg jedoch jedes Mal kalt wurde und die Nudeln weich. Deshalb füllte sie einen Tontopf mit kochender Brühe und oben einer Schicht Öl, die die Brühe heiß hielt, die Einlagen brachte sie extra. Nach der Ankunft erst mischte sie beides.
Zhou Xuan lebte 1918–1957 und war Sängerin und Filmschauspielerin.
Butterfly, chin. Hudie, auch Hu Ruihua, lebte 1908–1989 und war ebenfalls Sängerin und Filmschauspielerin.
Ruan Lingyu lebte 1910–1935 und war eine bekannte Stummfilmschauspielerin und Sängerin.
Ming-Kaiser Wanli lebte 1563–1620 und regierte von 1572–1620.
»C’est là le train du monde …«: aus Anabase IV; auf Deutsch: »Das ist der Zug der Welt und ich kann nichts anderes sagen als: gut.«
Der Winter kommt früh
unsere Bäume verdorren
kein Nährstoff mehr, Göttern zu weih’n
so friert uns die Zeit übers Haar
grauen allmählichen Firn
rissig die Haut wie das Schildpatt der Felder
der Winter ist da
wir lieben den Schlaf
das Herz ist müd
das Blut ist müd
wir schlafen unter dem Schnee
in so einem Land
bleibt nur der Schlaf
Li Bifeng
Im Spätherbst 2011 kam aus China die Nachricht, dass Li Bifeng, Untergrunddichter und politischer Gefangener des »Vierten Juni«[1], unter dem Verdacht der Fluchthilfe für Liao Yiwu von den Behörden in China festgenommen worden ist, nach Verhören, die beinahe ein Jahr dauerten, wurde er schließlich aufgrund einer haltlosen Wirtschaftsanklage zu zehn Jahren verurteilt. Das ist seine dritte Umerziehung durch Arbeit mit einer Gesamthaftzeit von zweiundzwanzig Jahren.
Dieses Buch ist ihm gewidmet. Wenn es für die Nachwelt erhalten werden kann, wird man sich für immer an diese vom Schreiben besessene Ameise in ihrem dunklen Kerker erinnern.
Es gibt Tage, die ein Leben lang in Erinnerung bleiben.
Zum Beispiel der 11. Januar 1992 – ich saß nach wie vor im Untersuchungsgefängnis von Chongqing, der Wachmann ging wie immer auf dem Flur des zweiten Stocks hin und her, plötzlich, wie ein blitzendes Schwert, sauste ein heftiger Windzug herab. Ich zog den Kopf ein wie eine Schildkröte, spürte aber etwas auf meinem Schädel, eine Rote Spinne, erbsengroß, war vom Wind herabgeweht worden.
Ich nahm sie herunter, legte sie auf die Handfläche und flüsterte ihr gerade zu, wie sehr mir hier alles auf die Nerven geht, da öffnete sich donnernd das elektrische Eisentor, jemand rief »099«, ich ging raus auf den Hof, und das gut zehn Zentimeter dicke Außentor aus rostfreiem Stahl öffnete sich ebenfalls. Ich musste die alte Anklageschrift aushändigen und erhielt aus den Händen der Gefängnispolizei eine neue Anklageschrift. Die alte Anklageschrift hatte acht »in einem gesonderten Fall zu behandelnde« Angeklagte umfasst, jetzt war ich der einzige Angeklagte – das heißt, aus einer besonders großen konterrevolutionären Gruppe war auf einmal ein einfacher Einzelfall geworden. Ich war kein »Rädelsführer« mehr, und mein Strafmaß fiel nach dem »Strafrecht der Volksrepublik China« von über fünfzehn Jahren auf unter fünf.
Über die Rote Spinne heißt es im Gefängnis, sie bringt Glück und selbst Todeskandidaten würden, wenn sie eine finden, eine unerwartete Urteilsrevision bekommen. Der französische Philosoph Foucault hatte einmal gesagt, jeder sei eine Spinne im Netz der Staatsmacht, der er nicht entkommen könne.
Dann der 31. Januar 1994, an dem ich aufgrund eines Appells mehrerer internationaler Menschenrechtsorganisationen und des englischen Premierministers Major dreiundvierzig Tage vor der Zeit freigelassen wurde. Ich erklärte dem Gefängnis gegenüber immer wieder, ich wolle kein abgebrochener Student sein, ich wolle ein Diplom für mein vierjähriges Grundstudium an der Gefängnisuniversität, doch ich musste gehen.
Und dann kehrte ich in meinen Heimatort zurück, ließ mich scheiden und geriet in die Unterwelt. Die Zeit fliegt, die Dinge bleiben, die Menschen verändern sich, meine Augen wurden schwächer, aber immer wieder im Leben gibt es ein neues »und dann«.
Mein jüngstes »und dann« kam am 2. Juli 2011, als ich den Grenzfluss zwischen China und Vietnam überquerte.
Morgens um 9 Uhr 45 verließ ich das Hotel »Der Osten ist rot«. Gemäß der geheimen Verabredung war ich pünktlich um 10 Uhr an der Grenzkontrolle. Alles in allem waren da nur ein paar vereinzelte Reisende und hinter einem Schalter ein Fettsack mit Brille, der mir nach einem sekundenlangen tiefen Blick in die Augen, mir sträubten sich schon die Nackenhaare, endlich einen Stempel auf meinen Pass knallte. Als ich nach dem Sicherheitscheck mein Gepäck aufnahm, wurde ich puterrot und schwankte wie ein Betrunkener hin und her. Eine ganze Weile konnte ich nicht mehr richtig geradeaus gehen, in der Mitte der Großen Chinesisch-Vietnamesischen Brücke bekam ich weiche Knie und mein Bein knickte weg. Ich hielt mich am Geländer fest, stützte mich ab, Schweiß lief mir aus allen Poren. Die Ströme um meine Fußsohlen waren röter als Blut, wie ein Bajonett zog mir die Sonne nach Osten gehende Wunden. Auf einmal sah ich meine vor Jahren verstorbene Schwester mit ihrem langen Zopf und ihren großen Augen; dann meinen Vater, in jungen Jahren und in westlichem Anzug, im Alter mit Mütze; ich kniff die Augen zu, aus dem Wirbel von Erinnerungen an Schwester und Vater stiegen noch zwei Onkel mütterlicherseits auf. Den älteren von beiden, der im Krieg geflohen war, hatte ich niemals getroffen, er versteckte sich hinter dem jüngeren, der als Kriegsverbrecher ins Netz gegangen war, wie in diesem Augenblick der Mond hinter der Sonne – und die Sonne wurde in diesem Augenblick zur großen Sphinx vor der Cheops-Pyramide, riss ihr blutrünstiges Maul auf und stellte ihre Frage: »Am Morgen geht es auf vier Beinen, am Mittag auf zwei Beinen und am Abend auf dreien – was ist das?« Ich wusste es: ein Mensch, ein Lebewesen, das, solange es voranschreitet, auf viele Rätsel wie dieses aus alter Zeit trifft, aber selbst wenn du falsch antwortest und wegen der falschen Antwort rettungslos verloren bist, wird die Sphinx der Sage dich dennoch nicht fressen. Dreht man es jedoch um, würde aus demselben Rätsel ein »Am Morgen geht es auf drei Beinen, am Mittag geht es auf zwei Beinen, am Abend auf vieren« – unmöglich. Ich war jetzt dreiundfünfzig Jahre alt, unmöglich, noch einmal »umzukehren und sich anders zu besinnen«, weder der liebe Gott noch die Kommunistische Partei erlaubten mir, hier und jetzt noch mal »umzukehren«.
Im schweren Schatten der Sonne gingen die Verstorbenen dahin wie Schnee; ich folgte ihnen über die dreihundert Meter lange Brücke, erreichte die vietnamesische Grenzstation Lào Cai. Als ich aus dem Gebäude herauskam, stand ich immer noch ein wenig neben mir. Ich ging die Treppe hinunter und Liu, mein Helfer aus der Unterwelt, kam direkt auf mich zu.
»Und?«, fragte er.
»Alles gut«, antwortete ich.
Es war das zweite Mal, dass ich diesen Grenzfluss überquerte. Von der Panik ein wenig erholt, suchte ich mit Liu ein Straßencafé für einen typisch vietnamesischen, gefilterten Eiskaffee auf. Ich schaute mich in alle Richtungen um, grub, ohne Zeit zu verlieren, aus den Tiefen meiner Reisetasche mehrere Bündel Renminbi[2] heraus und zählte sie sorgfältig durch. Liu nahm sie in Empfang und setzte das Zählen fort. Als das Geschäft dann augenscheinlich zu beider Zufriedenheit abgeschlossen war, sagte ich lachend: »In Ihrem Metier lässt sich wirklich leicht Geld verdienen.«
Liu sagte: »Ja, Scheiße, von wegen leicht. Von den vierzigtausend Yuan hier will der Dickwanst, der Sie über die Grenze gelassen hat, dreißigtausend, bleiben zehntausend, die gehen noch einmal durch zwei. Da kann man nichts machen, mein lieber Schlammbeißer, im Schlamm und im Wasser, da geht eins ins andere, und ein bisschen was braucht man ja auch zum Leben.«
»Dieser fette Kerl ist aber ganz schön gierig.«
»Er ist beim Staat und geht ein ziemliches Risiko ein.«
»Das Risiko, mich durchzulassen, kann doch unmöglich so groß sein?!«
»Nicht ganz so groß wie bei Drogen und Schmuggel.«
»Wow, das lässt der auch alles durch?«
»Mit Geld geht alles. Gib dem Dickwanst eine Million und er lässt dir jeden Mörder durch.«
»Und wenn was schiefgeht?«
»Wird er vermutlich auf einen anderen Posten versetzt, bekommt einen Vermerk, wird abserviert, schlimmstenfalls sitzt er ein Jahr im Knast. Aber wenn man über Nacht reich werden kann, ist das auch zwei Jahre Knast wert.«
»Gar nicht so schlecht die Korruption, Korruption macht mutig«, staunte ich anerkennend. »Der Vorsitzende Mao sagte, die Geschichte wird von mutigen Helden gemacht.«
»Ohne Korruption keine Freiheit«. Liu schaute auf, fixierte mich ein paar Sekunden und stopfte die zweimal gezählten Geldscheine in seine Armeetasche, »ich verstehe, was Sie meinen«.
Ich wurde unbeschreiblich traurig und fischte noch mal zweihundert Kuai für ihn heraus, doch Liu sagte rasch: »In der Unterwelt gelten Regeln der Unterwelt, bezahlt wird, was vereinbart ist.« Daraufhin stand ich auf und dankte ihm wie ein Gelehrter in früherer Zeit, ich verbeugte mich mit den Händen vor der Brust: »Den Dank für ein Leben kann niemand je geben.«