Annika Dick
Lovely Skye
Ein Frühling in Balnodren
R o m a n c e
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Annika Dick
»Lovely Skye: Ein Frühling in Balnodren«
Teil 3 der Lovely-Skye-Trilogie
Bisher erschienen:
Annika Dick
»Lovely Skye: Ein Sommer in Balnodren«
Teil 1 der Lovely-Skye-Trilogie
Annika Dick
»Lovely Skye: Ein Herbst in Balnodren«
Teil 2 der Lovely-Skye-Trilogie
Deutsche Erstveröffentlichung
1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
2016 Annika Dick
Lektorat & Satz: KopfKino-Verlag
Covergestaltung: coverandbooks / Rica Aitzetmüller
Umschlagmotiv: Gelner Tivadar & Yen Hung / Shutterstock
KopfKino-Verlag
Thomas Dellenbusch
Gluckstr. 10
D-40724 Hilden
www.MeinKopfKino.de
KopfKino, das sind berührende, nachdenkliche oder auch spannende Geschichten in Spielfilmlänge. Ihre ungefähre Lesezeit liegt zwischen 60 und 180 Minuten.
Sie eignen sich daher wunderbar für all die vielen kleinen zeitlichen Zwischenräume, die das Leben hat: für die Reisezeit in Bahn, Bus, Auto oder Flugzeug, für die Stunden in Wartezimmern, für den Aufenthalt beim Friseur, im Café, während der Dialyse, für den Nachmittag im Freibad oder am Strand, vor dem Schlafengehen oder einfach so für zwischendurch, um circa zwei Stunden unterhaltsam zu füllen.
Da ihre Lesezeit ungefähr der Länge eines Spielfilms entspricht, eignen sie sich auch hervorragend, um sie sich gegenseitig vorzulesen und den Fernseher einmal ausgeschaltet zu lassen. Lassen Sie sich von Fernseher und Leinwand nicht das ganze Vergnügen abnehmen.
Genießen Sie Ihren eigenen Film auf der größten Kinoleinwand der Welt: Ihrer Fantasie!
Jede Erzählung ist als eBook und als Hörbuch erhältlich, viele auch als Taschenbuch.
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Annika Dick
Lovely Skye
Ein Frühling in Balnodren
R o m a n c e
»Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Ihre Sitze ein, richten Sie die Rückenlehne auf und schnallen sich an. Wir bitten Sie außerdem, die Blenden der Fenster hochzufahren, wir leiten in Kürze den Sinkflug auf den Glasgow International Airport ein.«
Amy atmete tief durch. Bis jetzt hatte sie sich geweigert, die Blende ihres Fensters zu öffnen. Sie schob sie hoch und wandte sich Maddox zu, der den sechsstündigen Flug von New York nach Glasgow gänzlich verschlafen hatte. Amy beneidete ihren Verlobten um die Fähigkeit, überall schlafen zu können. Das brachte der Job als Footballprofi wohl mit sich, weil man jedes Wochenende unterwegs war. Busfahrten und Flugreisen quer durch die USA gehörten zur Tagesordnung. Sie selbst konnte die letzten sechs Stunden kein Auge zumachen. Sie hatte stattdessen versucht, sich mit den Filmen abzulenken, die die Fluggesellschaft als Unterhaltungsprogramm für den Transatlantikflug anbot. Wirklich gelungen war es ihr jedoch nicht.
Ihren Umzug in die Staaten, vor fünf Jahren ohne einen Blick zurück, bereute sie keinen Tag. Der amerikanische Traum erfüllte sich für sie. »Amy W.«, mittlerweile eine Modemarke in der Szene, die kurz davorstand, die internationalen Laufstege zu erobern. Sie hatte sogar schon einen festen Platz auf der New York Fashion Week. Mailand sollte nächstes Jahr folgen.
Es war ein hartes Stück Arbeit, diesen Traum wahr werden zu lassen. Ihre Heimat empfand Amy als Blockade, als Behinderung bei der Erfüllung ihres Traumes. Nun dorthin zurückzukehren, wenn auch nur für wenige Tage, fühlte sich so an, als gäbe sie sich geschlagen. Amy wusste natürlich, dass das Unsinn war. Sie verkörperte eine aufstrebende Jungdesignerin, die drei Schauspielerinnen zur Oscarverleihung vor einem Monat einkleiden durfte. Sie führte sich das wieder und wieder vor Augen. Trotzdem dachte sie an ihre Klassenkameraden. Hörte auch jetzt noch deren Lachen, beim Erzählen ihres Wunsches, Modedesignerin in den USA zu werden.
Amy schüttelte diese Gedanken von sich und legte eine Hand auf Maddox‘ Oberarm.
»Wir sind da«, flüsterte sie, um die übrigen Passagiere nicht zu stören. So ganz war sie an das Leben der Reichen noch nicht gewöhnt. Bei ihrem ersten Flug erster Klasse wollte sie nicht unangenehm auffallen. Maddox murmelte etwas vor sich hin, während er ihre Hand zur Seite schob. Amy legte sie erneut auf Maddox‘ Arm und schüttelte ihn fester.
»Maddox, aufwachen! Wir landen jeden Moment«, sagte sie jetzt eindringlicher. Maddox blinzelte und sah an Amy vorbei aus dem Fenster. Das Flugzeug senkte bereits seine Nase. Amy ahnte, dass Maddox Glasgow unter ihnen schon sehen konnte.
Er streckte sich, bog den Kopf von links nach rechts, bis es knackte. Amy schüttelte sich. Sie hasste es, wenn er das tat.
Als sie kurz darauf das Flughafengebäude betraten, trennten sie sich für die Kontrolle, die Amy schneller hinter sich brachte als ihr Verlobter. Sie hatte zwar schon oft mit dem Gedanken gespielt, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen, konnte sich jedoch nicht dazu durchringen.
Sie saß mit ihrem Gepäck bereits in einem Café, als Maddox sie fand.
»Bloody Brits, man sollte meinen, die wissen, wen sie vor sich haben. Stattdessen überprüfen die mich wie einen gewöhnlichen Touristen.«
»Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber sie werden dich wirklich nicht erkannt haben. American Football ist hier nicht sehr verbreitet. Wärst du Rugby- oder Fußballspieler …«
»Weibersport«, schnaubte Maddox und ließ sich neben Amy auf einen Stuhl fallen. Amy hob ihre Kaffeetasse an die Lippen. Sie wies ihn nicht darauf hin, dass er in seinem Sport mehr Schutz am Körper trug, als Rugby- und Fußballspieler zusammen.
»So, wie lange ist es noch bis zu diesem Balkrotan?«
»Balnodren«, korrigierte Amy ihn automatisch. »Es dauert etwa fünfeinhalb Stunden mit dem Wagen.«
Maddox schloss für einen Moment die Augen.
»Du warst derjenige, der keinen Zwischenstopp beim Flug haben wollte, sonst hätten wir nach Inverness fliegen und von dort aus weiterfahren können. Dann blieben uns zwei Stunden Autofahrt erspart.«
»Aber dafür drei Stunden Aufenthalt in Amsterdam. Nein danke. Ich hoffe, Jones hat wenigstens einen anständigen Wagen bestellt. Wann ist er hier?«
Amy warf einen Blick auf ihre Uhr.
»Wir haben noch eine halbe Stunde.«
Sechs Stunden trennten sie von Balnodren, ihr Magen krampfte sich allein beim Gedanken daran zusammen.
»Ich bin hungrig«, erklärte Maddox und stand auf. Er sah Amy fragend an, diese schüttelte nur den Kopf. Sie wollte gar nicht an Essen denken. Noch fünf Stunden und neunundfünfzig Minuten. Die Ziffern ihrer Uhr starrten sie an.
***
Luke wuchtete die Kiste fangfrischer Fische aus dem Kofferraum. Fenella hielt ihm mit einem Fuß die Küchentür des Wilkinson Manor auf und winkte ihm zu. Luke nickte zur Begrüßung, er sah, dass sie ein Handy am Ohr hatte. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wollte sie diese Unterhaltung schnell beenden.
»Ja, Olivia, selbstverständlich. Ich …«
Luke hörte Fenella seufzen, während er die Kiste auf der Arbeitsfläche in der Küche abstellte. Über die Schulter warf er ihr einen raschen Blick zu und sah, dass Fenella mit den Augen rollte.
»Ja, Olivia, ich weiß … Ja, natürlich. Ja, wird alles erledigt. Bis übermorgen.«
Fenella schien die Taste zum Beenden des Anrufs gar nicht schnell genug drücken zu können.
»Anspruchsvoller Gast?«, erkundigte sich Luke, als Fenella zu ihm trat und seinen Fang begutachtete.
»Schlimmer! Amys Hochzeitsplanerin. Sie hat mir extra dieses Handy besorgt, damit ich immer für sie erreichbar bin. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie das so wörtlich nehmen würde. Gestern klingelte sie mich um zwei Uhr in der Nacht aus dem Bett, weil sie die Speisekarte noch einmal mit mir durchgehen wollte! Glaube mir, ich mache drei Kreuze, wenn diese Hochzeit vorbei ist. So gern ich Amy auch habe, aber das ist die reinste Tortur!«
»Sie lebt jetzt ein extravagantes Leben, da muss man wohl solche Ansprüche stellen. Mich wundert nur, dass sie überhaupt hier heiraten will. Ich dachte, sie habe die Insel erfolgreich aus ihrem Gedächtnis verbannt.«
Luke hörte selbst, wie verbittert er klang und wandte hastig den Blick ab. Er wollte nicht das Mitleid in Fenellas Augen sehen, das sich bereits abzeichnete. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und ballte sie zu Fäusten.
»Ich nehme an, der Fisch ist in Ordnung? Dann setze ich ihn mit auf die Rechnung. Wir sehen uns.«
Er ließ Fenella keine Zeit zu antworten. Der Fisch war fangfrisch und genau der, den sie bestellt hatte. Jedes weitere Wort, das sie nun noch wechselten, würde sich doch nur um Amy drehen, und es gab nichts, worüber Luke weniger reden wollte. Er trat einen Stein weg, als er aus der Pensionsküche kam und sah zu, wie dieser haarscharf am Spiegel seines Wagens vorbei sauste. Es wunderte Luke, dass er ihn nicht getroffen hatte. Die sieben Jahre Unglück, die ein zerbrochener Spiegel versprach, wären die passende Krönung für seine augenblickliche Stimmung. »Reiß dich zusammen, Mann«, raunte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er wusste, dass er sich wie ein bockiges Kind benahm, doch das hinderte ihn nicht daran, sich so zu verhalten. Luke konnte es nicht mehr hören. Amy hier und Amy da. Seit Wochen gab es kein anderes Thema mehr in der Stadt. Vor fünf Jahren war Amy Wilkinson gegangen. Sie wollte nie wieder zurückkehren. Seitdem hatte er wenig von ihr gehört – oder über sie. Jetzt sprachen alle im Ort dauernd über sie.
Von ihrer aufstrebenden Designerkarriere, ihrem Superstarfreund und natürlich von der bevorstehenden Hochzeit. Für Lukes Geschmack konnte das Ereignis gar nicht schnell genug vorbei sein. Nicht, dass er glaubte, seine Laune würde sich danach verbessern. Er hatte Bilder des Football-Wunderknaben gesehen. Wenn Amy unbedingt diesen Gorilla heiraten wollte, sollte sie es eben tun. Aber dann wenigstens in irgendeiner hippen Location in New York und nicht in der kleinen Kirche von Balnodren.
Zum ersten Mal fühlte Luke sich durch seine Heimat beengt. Als er den Wagen vor seinem Elternhaus anhielt und den Schlüssel zog, wäre er am liebsten noch weitergefahren. Kurz überlegte er, genau das zu tun: Weiterzufahren. Bis Portree, danach über die Skye Bridge hinüber auf die britische Hauptinsel. Er hätte ganz Schottland und England durchqueren, durch den Eurotunnel nach Frankreich fahren können.
Luke stieg kopfschüttelnd aus. Er konnte noch so weit fahren, er würde seinem Schmerz nicht entkommen. Den würde er mitnehmen, wohin er auch fuhr.
»Ah, guten Morgen Luke, kommst du vom Manor?«
Luke schloss für einen Moment die Augen, zählte in Gedanken bis drei, ehe er sich zu seiner Nachbarin umdrehte.
»Guten Morgen, Hattie. Ja, Fen hat Fisch bestellt.«
»Oh, für die Hochzeitsgesellschaft?«