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Ewald Becherer Adolf E. Schindler (Hrsg.)

Endometriose

Ganzheitlich verstehen und behandeln – Ein Ratgeber

3., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

 

 

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3., überarbeitete Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029839-2

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-029840-8

epub:   ISBN 978-3-17-029841-5

mobi:   ISBN 978-3-17-029842-2

 

 

Ein Wort zuvor

 

 

Die Endometriose ist eine rätselhafte Erkrankung, deren Ursache bis heute unbekannt ist. Sie zeigt vielfältige Erscheinungsformen und Verläufe. Gerade bei einer so vielschichtigen und oft chronischen Erkrankung ist es notwendig, ein individuell gestaltetes Therapiekonzept zu entwickeln.

In diesem Ratgeber haben wir für Sie ein einzigartig breites Spektrum der verschiedensten Sichtweisen und Behandlungsmöglichkeiten Ihrer Erkrankung zusammengeführt. Dabei war uns besonders wichtig, eine solide Brücke zu bauen zwischen der sogenannten Schulmedizin und den zahlreichen ergänzenden und alternativen Diagnose- und Therapieverfahren, die heute bei Endometriose erfolgreich eingesetzt werden können. Denn durch eine sorgfältige Auswahl und Kombination verschiedener Behandlungselemente und ein individuell auf die einzelne Patientin zugeschnittenes Therapiekonzept lassen sich unserer Erfahrung nach die besten Behandlungserfolge erzielen. Dieses Buch ist unser Plädoyer für eine ganzheitliche, am Wohlbefinden von Körper, Geist und Seele orientierte Medizin.

Das außergewöhnliche Projekt eines solch umfangreichen Ratgebers konnten wir nur durch die engagierte Mitarbeit der einzelnen Autoren verwirklichen, bei denen wir uns ganz herzlichen bedanken. Wir haben diese 3. Auflage erneut überarbeitet und ergänzt.

Mit diesem Buch möchten wir Sie darin unterstützen, Ihre eigene Erkrankung zu verstehen und eigene Behandlungswege zu finden, die Sie aus dem passiven und oft hilflosen Erdulden dieser Erkrankung herausführen. Die vielfältigen Informationen erlauben Ihnen, Ihre persönlichen Behandlungsziele zu definieren und aufbauend auf diesen individuell einzelne Therapieoptionen auszuwählen oder integrativ zu verbinden. Unser Anliegen ist es, Ihre Eigenkompetenz und Ihre Gesundheit zu stärken.

Titisee-Neustadt und Essen, im April 2017

Dr. med. Ewald Becherer und Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf E. Schindler

 

 

Die Herausgeber

 

 

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Dr. med. Ewald Becherer

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
Homöopathie, Naturheilverfahren

Praxis für Frauenheilkunde

Hauptstraße 30, 79822 Titisee-Neustadt

Telefon 07651–3000

E-Mail: mail@dr-becherer.de

www.dr-becherer.de

 

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Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf E. Schindler

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Ehemaliger Direktor des Zentrums für Frauenheilkunde des Universitätsklinikums Essen

Direktor des Instituts für Medizinische Forschung und Fortbildung

Hufelandstraße 55, 45147 Essen

E-Mail: adolf.schindler@uni-due.de

Unter Mitarbeit von

Dr. sc. hum. Karin Henke-Wendt

Diplom-Biologin und Wissenschaftsjournalistin

www.biomedpress.de
Wir bedanken uns für die wertvolle redaktionelle Unterstützung.

Zuschriften, Kritik und Anregungen sind uns willkommen.

Bitte richten Sie diese an Dr. med. Ewald Becherer: mail@dr-becherer.de

 

 

Inhalt

 

 

  1. Ein Wort zuvor
  2. Die Herausgeber
  3. Autorenverzeichnis
  4. 1 Die Darstellung der Erkrankung
  5. Prof. Dr. med. Uwe Andreas Ulrich
  6. 2 Die operative und medikamentöse Therapie der Endometriose
  7. Prof. Dr. med. Uwe Andreas Ulrich und Dr. med. Ewald Becherer
  8. 3 Die Therapie von chronischen Schmerzen
  9. Dr. med. Andreas Kopf
  10. 4 Alternative Therapien bei Endometriose aus wissenschaftlicher Sicht
  11. Prof. Dr. Karsten Münstedt
  12. 5 Neuraltherapie: Nervenbahnen beruhigen und Entzündungen hemmen
  13. Dr. med. Stefan Weinschenk
  14. 6 Physiotherapie: Heilsame Kräfte für den Körper
  15. Dr. med. Ewald Becherer und Peter Ringeisen
  16. 7 Osteopathie: Heilen mit den Händen
  17. Peter Ringeisen
  18. 8 Reflexzonentherapie am Fuß: Manuelle Behandlung mit individueller, tiefgreifender Wirkung
  19. Hanne Marquardt
  20. 9 Umweltfaktoren: Was Endometriose begünstigen kann
  21. Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
  22. 10 Ernährungstherapie: Mittel fürs Leben als genussvolle Medizin
  23. Tanja M. Schuster
  24. 11 Phytotherapie: Die heilenden Kräfte der Pflanzen
  25. Heide Fischer
  26. 12 Traditionelle Chinesische Medizin (TCM): Ein Erfahrungsschatz von Jahrtausenden
  27. Dr. med. Annemarie Schweizer-Arau
  28. 13 Homöopathie: Die Kraft der Potenzierung
  29. Dr. med. Ute Bullemer
  30. 14 Psychosomatik und Psychotherapie: Der Blick nach innen
  31. Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Mechthild Neises
  32. 15 Hypnotherapie, Kinesiologie, Energetische Psychologie und Quantenmedizin: Im Dialog mit dem Körper und dem Unbewussten
  33. Thomas Ternes
  34. 16 Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion: Mit Schmerzen gelassener umgehen
  35. Heike Born und Dr. med. Kai Born
  36. 17 Systemische Autoregulationstherapie: Hypnotherapie trifft Chinesische Medizin
  37. Dr. med. Annemarie Schweizer-Arau
  38. 18 Entspannung und Yoga: Körper und Seele ins Gleichgewicht bringen
  39. Christina Rautert
  40. 19 Lebenspflege: Gute Gewohnheiten, die ein gesundes Leben fördern
  41. Dr. med. Johannes Latzel
  42. 20 Möglichkeiten der Selbstheilung
  43. Joachim Faulstich
  44. 21 Methode Wildwuchs: Vertrauen Sie auf Ihre Selbstheilungskräfte
  45. Angelika Koppe
  46. 22 Rehabilitation: Medizinische und psychosoziale Hilfen bei Endometriose
  47. Dr. med. Claus Peter Cornelius und Dr. med. Christiane Niehues
  48. 23 Sozialmedizin: Welche Hilfen gibt es?
  49. Corinna Marina Diehl und Dr. med. Christina Kreiner-Diehl
  50. 24 Kinderwunsch und Fruchtbarkeit bei Endometriose
  51. Dr. med. Ewald Becherer und Privatdozentin Dr. med. Roxana M. Popovici
  52. 25 Ergänzende Möglichkeiten zum Wunschkind
  53. Birgit Zart
  54. 26 Den eigenen Weg finden
  55. Dr. med. Ewald Becherer
  56. Glossar: Mediziner-Latein
  57. Stichwortverzeichnis

 

 

Autorenverzeichnis

 

 

Dr. med. Ewald Becherer

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Homöopathie, Naturheilverfahren

Praxis für Frauenheilkunde

Hauptstraße 30, 79822 Titisee-Neustadt

www.dr-becherer.de

Heike Born

Diplom-Psychologin

Praxis für psychologische Psychotherapie

Bahnhofstraße 27–33, 65185 Wiesbaden

www.born-psychotherapie.de

Dr. med. Kai Born

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Praxis für psychologische Psychotherapie

Bahnhofstraße 27–33, 65185 Wiesbaden

www.born-psychotherapie.de

Dr. med. Ute Bullemer

Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Homöopathie

Lindwurmstraße 10, 80337 München

Dr. med. Claus-Peter Cornelius

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Physikalische Therapie und Balneologie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen

Rehabilitationsklinik für Orthopädie und Gynäkologie, Chefarzt Gynäkologie

Kurpromenade 3, 06905 Bad Schmiedeberg

www.eisenmoorbad.de

Corinna Marina Diehl

Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,

Ärztliches Qualitätsmanagement, Suchtmedizinische Grundversorgung

Kartäuserstraße 24, 61352 Bad Homburg

Joachim Faulstich

Autor und Regisseur wissenschaftlicher Fernsehdokumentationen, Buchautor

Kanalweg 1 1/10, 61118 Bad Vilbel

www.joachim-faulstich.de

Heide Fischer

Ärztin

Praxis für Frauen-Naturheilkunde

Gerberau 26, 79098 Freiburg

www.frauen-naturheilkunde.de

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard

Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Naturheilverfahren, Umweltmedizin

Albert Überle Straße 11, 69120 Heidelberg

www.netzwerk-frauengesundheit.com

Dr. med. Andreas Kopf

Facharzt für Anästhesiologie, Schmerz- und Palliativmedizin

Klinik für Anästhesiologie m. S. operative Intensivmedizin

Campus Benjamin Franklin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin

www.anaesthesie.charite.de

Angelika Koppe

Gründerin der Methode Wildwuchs

12307 Berlin-Lichtenrade

www.angelikakoppe.de, www.methode-wildwuchs.com

Dr. med. Christina Kreiner-Diehl

Fachärztin für Innere Medizin, Fachärztin für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Notfallmedizin, Naturheilverfahren

Steige 4, 69429 Waldbrunn

Dr. med. Johannes Latzel

Facharzt für Allgemeinmedizin, MBSR-Lehrer

Hartkirchweg 69b, 79111 Freiburg

www.tanzmitderstille.de

Hanne Marquardt

Heilpraktikerin, Begründerin der Reflexzonentherapie am Fuß

Ausbildungszentrum Hanne-Marquardt-Fußreflex

Prof.-Domagk-Weg 15, 78126 Königsfeld-Burgberg

www.fussreflex.de, www.verlaghannemarquardt.de

Prof. Dr. Karsten Münstedt

Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Spezielle Operative Gynäkologie, Geburtshilfe und Perinatalmedizin, gynäkologische Onkologie

Chefarzt der Frauenklinik Offenburg

Ebertplatz 12, 77654 Offenburg

www.ortenau-klinikum.de

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Mechthild Neises

Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Zusatzbezeichnung Psychotherapie

Univ.-Professorin der Medizinischen Hochschule Hannover

Privatpraxis für Psychotherapie in Aachen und Hergenrath/Belgien

Lemierser Berg 119, 52074 Aachen

www.ploeger-neises.com

Dr. med. Christiane Niehues

Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Sozialmedizin

Deutsche Rentenversicherung Bund

Ruhrstraße 2, 10704 Berlin

www.deutsche-rentenversicherung.de

Privatdozentin Dr. med. Roxana Popovici

Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin

kïz) kinderwunsch im zentrum

Bayerstraße 3, 80335 München

www.kiiz.de

Christina Rautert

Diplom-Psychologin, Hypnosetherapie, Entspannungsverfahren, Yoga-Lehrerin

Schmerz- und Palliativzentrum im MEDICUM Facharztzentrum

Langenbeckplatz 2, 65189 Wiesbaden

www.schmerzzentrum-wiesbaden.de

Peter Ringeisen

Physiotherapeut, Osteopath, Heilpraktiker

Perimedikum Ringeisen – Zentrum für Gesundheit

Hauptstraße 45, 55246 Mainz-Kostheim

www.perimedikum-ringeisen.de

Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf E. Schindler

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Direktor des Instituts für Medizinische Forschung und Fortbildung

Universitätsklinikum Essen

Hufelandstraße 55, 45122 Essen

www.endometriose-sef.de

Tanja M. Schuster

Bachelor of Arts Ernährungsberatung

Praxis für Ernährungsheilkunde

Hauptstraße 30, 79822 Titisee-Neustadt

www.tanja-schuster.de

Dr. med. Annemarie Schweizer-Arau

Ärztin für Psychotherapie, Traditionell Chinesische Medizin, Homöopathie

Herrnstraße 7, 86911 Dießen am Ammersee

www.sart.de

Thomas Ternes

Diplom-Psychologe, Hypnotherapeut, Heilpraktiker

Praxis für Hypnose, Psychosomatik und Ganzheitliche Medizin

Schlüterstraße 44, 20146 Hamburg-Rotherbaum

www.praxis-ternes.de, www.ihr-heilpraktiker-hamburg.de

Prof. Dr. med. Uwe Andreas Ulrich

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Schwerpunkte: Gynäkologische Onkologie, laparoskopische Chirurgie, Endometriose, Kinder- und Jugendgynäkologie

Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Gynäkologisches Krebszentrum, Endometriosezentrum, Martin-Luther-Krankenhaus

Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Caspar-Theyß-Straße 27–31, 14193 Berlin

www.pgdiakonie.de/martin-luther-krankenhaus/

Dr. med. Stefan Weinschenk

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Naturheilverfahren, Neuraltherapie

Bahnhofplatz 8, 76137 Karlsruhe

www.biogyn.de

Birgit Zart

Heilpraktikerin

Mozartallee 10, 14612 Falkensee

www.kinderwunschhilfe.de, www.die-fruchtbarkeitsmassage.de

 

 

1          Die Darstellung der Erkrankung

Prof. Dr. med. Uwe Andreas Ulrich, Frauenarzt, Schwerpunkte: Gynäkologische Onkologie, operative Therapie der Endometriose

Definition

Unter »Endometriose« versteht man das Vorkommen von gebärmutterschleimhautähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle. Der Begriff wird (wie auch der Fachbegriff für Gebärmutterschleimhaut: Endometrium) von den griechischen Wörtern für innen (ενδoν) und Gebärmutter (µητρα) hergeleitet. Dieses gebärmutterschleimhautähnliche Gewebe befindet sich sozusagen an »falscher Stelle«, denn nur innerhalb der Gebärmutterhöhle kann es der ihm zugedachten Aufgabe nachkommen, dem frühen Embryo die Einnistung zu ermöglichen.

Bevor wir uns detailliert mit der Endometriose beschäftigen, erscheint es für das Verständnis der Abläufe von Vorteil, einen Abriss der Anatomie und Funktion der weiblichen Beckenorgane zu geben.

Die Anatomie des weiblichen Beckens

Die Organe im weiblichen Becken gehen eine enge räumliche Beziehung ein, weshalb organspezifische gynäkologische Erkrankungen nicht selten die Nachbarorgane in Mitleidenschaft ziehen. Zentral im Becken sitzt die Gebärmutter, davor – eng anliegend – die Blase und hinter ihr der Enddarm. Genau dort, zwischen Enddarm und Hinterwand des Gebärmutterhalses, befindet sich die tiefste Stelle des Bauchraumes, der sog. Douglas’sche Raum. Die Gebärmutter hat eine birnenähnliche Form, wobei der dickere Teil dem Gebärmutterkörper und der schlanke Teil dem Gebärmutterhals entspricht. Sie ist mit verschiedenen Bändern im Becken befestigt. Je zwei Bänder geben Halt in Richtung Kreuzbein sowie in Richtung Leistenkanal. Der Gebärmutterkörper beherbergt die Gebärmutterhöhle, die innen mit der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ausgekleidet ist. Diese Schleimhaut besteht aus zwei Schichten: einer oberflächlichen (der Functionalis), die während der Blutung verloren geht, und einer tieferen (der Basalis), aus der sich die neue Schleimhaut speist. Die Gebärmutterwand besteht zum größten Teil aus Muskulatur, wodurch sie die Fähigkeit hat, sich zusammenzuziehen, und ist außen, wie alle Genitalorgane im Becken, mit Bauchfell überzogen. Dieses Bauchfell bedeckt auch die Beckenwände und einen großen Teil des Enddarmes. Es handelt sich dabei um eine hauchdünne Gewebeschicht.

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Abbildung 1.1: Die weiblichen Geschlechtsorgane

Der Gebärmutterhals mündet in die Scheide; über ihn fließt das Menstrualblut aus dem Gebärmutterkörper nach außen. Die Scheidenhinterwand und die Vorderwand des tieferen Enddarms sind eng miteinander verbunden, sie werden nur durch eine schmale, feine Bindegewebeschicht getrennt, dem Septum rectovaginale. Bei der Ausbreitung der Endometriose spielt diese Schicht eine besondere Rolle.

Zu beiden Seiten der Gebärmutter befinden sich je ein Eierstock und ein Eileiter. Der Eileiter stellt sich als eine schlanke, etwa 0,5 cm messende Röhre dar, die in der Gebärmutterhöhle entspringt und am Ende trichterförmig erweitert ist, um damit die gesprungene Eizelle aus dem Eierstock auffangen zu können. (Der Eileiter macht mit seiner Form seinem lateinischen Namen – Tuba – alle Ehre). Die Vereinigung von Eizelle und Spermium findet im Eileiter statt, und die befruchtete Eizelle – bzw. der frühe Embryo – wandert im Eileiter in die Gebärmutterhöhle, um sich dort einzunisten. Mit der Gebärmutter und dem jeweiligen Eileiter innig verbunden stellen sich die Eierstöcke als weißliche ellipsoide Gebilde von 2,5 bis 4 cm Größe dar. Sie erfüllen eine Doppelfunktion: zum einen stellen sie die Eizellen für die Fortpflanzung bereit, zum anderen produzieren sie als Drüse die weiblichen Sexualhormone (die Östrogene und das Progesteron – das Gelbkörperhormon).

Entlang der Beckenwände und unterhalb des Bauchfells verlaufen wichtige Nerven und Blutgefäße. Um sie herum finden sich Lymphknoten und – sozusagen als »Kitt« – lockeres Bindegewebe.

Der menstruelle Zyklus

Das Reproduktionssystem der Frau unterliegt einem etwa vierwöchentlichen Zyklus. Nach außen erkennbar wird das durch die Regelblutung. Aber das ist, wenn man so will, nur der sichtbare Ausdruck einer Reihe von Ereignissen, die mit faszinierender Präzision ablaufen.

Im Eierstock reift mit jedem neuen Zyklus ein Eibläschen (Follikel) heran, das eine Eizelle enthält. Östrogene werden parallel in wachsender Menge gebildet. Die Schleimhaut der Gebärmutter baut sich unter diesem Einfluss auf, d. h. sie nimmt an Dicke zu. Kommt es in der Zyklusmitte nach dem Eisprung zur Befruchtung und anschließend zu einer Schwangerschaft, erfährt der Körper der Frau das durch sehr frühe Signale aus dem Schwangerschaftsprodukt. Eines dieser Signale ist das sogenannte Choriongonadotropin (HCG), das seinerseits den Gelbkörper, der sich nach dem Eisprung aus dem geplatzten Eibläschen entwickelt hat, anfeuert, große Mengen an Östrogenen und Gelbkörperhormon zu produzieren. Beide Hormone sind für die Einnistung des Embryos und den Erhalt der jungen Schwangerschaft unerlässlich.

Bleibt eine Befruchtung aus, entsteht ebenfalls ein Gelbkörper, allerdings nur für etwa zwei Wochen. In dieser Phase wird vom Gelbkörper viel Gelbkörperhormon (= Gestagen) gebildet, das die zweite Zyklushälfte dominiert und die unter dem Östrogeneinfluss aufgebaute Gebärmutterschleimhaut gleichwohl auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet (in der Fachsprache Transformation = Umwandlung der Gebärmutterschleimhaut genannt). Wenn es zu keiner Schwangerschaft kommt, erlischt die Funktion des Gelbkörpers jedoch – und damit seine Hormonproduktion. Die Blutung setzt ein und ein neuer Zyklus beginnt. Die Gebärmutterschleimhaut nimmt unter dem Einfluss von Östrogenen also an Stärke zu und wird andererseits durch das Gelbkörperhormon in spezifischer Weise umgewandelt. Überwiegt im Zyklus der Östrogeneinfluss – z. B., wenn kein Eisprung eintritt, und sich deshalb kein Gelbkörper bildet –, können die Menstruationsblutungen durch die hoch aufgebaute Schleimhaut verzögert und stärker sein. Wenn die Gelbkörperhormonwirkung dominierte, wäre die Gebärmutterschleimhaut schmaler. Daran wollen uns wir uns bei der Erläuterung der Endometriose erinnern.

Nun ist die Feder für dieses präzise Uhrwerk aber nicht, wie man denken könnte, im Eierstock allein zu vermuten, sondern vor allem im Gehirn und der Hirnanhangsdrüse. Im Gehirn befindet sich eine Struktur (in der Fachsprache als Hypothalamus bezeichnet), die wie ein Pulsgeber arbeitet und damit, um in unserem Bild zu bleiben, die Uhr »aufzieht«. Die ausgesendeten Impulse bewirken in der anatomisch unmittelbar benachbarten Hirnanhangsdrüse die Ausschüttung von Hormonen, die ihrerseits den Eierstock zur Produktion seiner Hormone anregen. Wir sehen, dass das Ganze wie eine Übertragungskette funktioniert. Als Übertragungsmedien wirken jeweils Hormone. Für die Übermittlung des anregenden Pulses vom Hypothalamus zur Hirnanhangsdrüse steht das sog. Freisetzungshormon (englisch: gonadotropin-releasing hormone, GnRH) bereit, das nur lokal in einen eigenen kleinen Blutkreislauf gegeben wird, der praktisch an der Hirnanhangsdrüse endet. Dieses GnRH wird für uns noch einmal interessant werden, wenn wir in Kapitel 2 die medikamentöse Behandlung der Endometriose besprechen.

Die Hormone der Hirnanhangsdrüse werden, wie bei den Hormondrüsen allgemein üblich, direkt in die Blutbahn ausgeschüttet und gelangen so zu den Eierstöcken. Es sind das Follikelstimulierende Hormon (FSH), das den Follikel reifen lässt, und das Luteinisierende Hormon (LH), welches den Eisprung unmittelbar auslöst.

Die einzelnen Hormonstationen sind wie ein Regelkreis aufeinander abgestimmt. Wenn sich wenig Östrogen im Blut befindet, wird das mit einem feinen Fühlersystem vom Hypothalamus registriert und es erfolgt als Reaktion die erhöhte Abgabe von GnRH. Dies bewirkt in der Folge wiederum die vermehrte Ausschüttung von FSH aus der Hirnanhangsdrüse. Ist eine ausreichende Östrogenproduktion erreicht, werden die Stimulationshormone wieder zurückgenommen. In der Fachsprache wird das als eine Rückkopplung bezeichnet (engl.: feedback). Vielleicht kann man sich dieses Hormondrüsensystem wie ein Orchester denken. Stellen Sie sich vor, jeder Musiker (hier: die unterschiedlichen Drüsen) spielt so schnell oder langsam, wie es ihm gefällt. Man kann sich vorstellen, was dabei herauskommt. Ohne den Dirigenten, der den Takt angibt, würde das Musikstück (hier: der menstruelle Zyklus) wohl nicht synchron gemeistert werden. Der Hypothalamus wäre damit so etwas wie der Dirigent des Hormonsystems. Ganz ähnlich funktioniert das übrigens auch für die Schilddrüse und die Nebennierenrinde.

Damit die Hormone an dem jeweiligen Gewebe (also z. B. das FSH am Eierstock und die Östrogene an der Gebärmutterschleimhaut) ihre Wirkung entfalten können, sind spezielle »Andockstellen« notwendig, die man als Rezeptoren bezeichnet. An diesen Rezeptoren docken die Hormone an, damit sie ihre Botschaft überbringen können. Man hat diesen Zusammenhang oft mit einem Schloss und dem dazu passenden Schlüssel verglichen, wobei der Rezeptor dabei das Schloss und das Hormon der Schlüssel wäre. Ein Medikament, das ein Hormon ersetzen oder zumindest nachahmen soll, ist dann quasi ein »nachgefertigter« oder »Generalschlüssel«. Wenn er nicht passt, kann das Schloss nicht aufgeschlossen und die Botschaft nicht überbracht werden.

Die Menge an Rezeptoren im jeweiligen Gewebe ist von Individuum zu Individuum durchaus unterschiedlich und modifiziert die Wirkung von körpereigenen Hormonen oder hormonellen Medikamenten noch einmal auf dieser Ebene. Das erklärt, warum ein und dieselbe Hormonmenge bei verschiedenen Menschen unterschiedlich starke Effekte hervorrufen kann und warum Medikamente häufig individuell dosiert werden müssen.

Das Geschehen bei der Endometriose

Das Endometriosegewebe unterliegt ähnlich wie die eigentliche Gebärmutterschleimhaut – nur eben nicht an »richtiger« Stelle – den beschriebenen hormonellen Veränderungen während des weiblichen Menstruationszyklus: Es baut sich zyklisch auf und geht mit Einsetzen der Regelblutung ab. Ohne Kontakt zur Gebärmutterhöhle kann sich das Blut jedoch nicht nach außen entleeren und es staut sich an der entsprechenden Stelle. Als Folge können Entzündungen, Verwachsungen und Narben entstehen. Man kann sich gut vorstellen, dass solche Vorgänge im Körper der Frau auch in der Lage sind, unterschiedlich starke Beschwerden zu verursachen.

Die Endometrioseherde vermögen ein unterschiedliches Aussehen anzunehmen. Man unterscheidet »aktive« Herde, die oft rot oder weißlich (d. h. nicht pigmentiert) sind, von inaktiveren, bräunlich-schwärzlichen Herden. Aktive Endometrioseherde zeichnen sich durch einen höheren Gehalt an Entzündungszellen und eine üppigere Ausstattung mit Blutgefäßen aus und stellen wohl die Frühformen einer Endometriose dar; weniger aktive Herde können später auch in reizlose Narben übergehen. Östrogene stimulieren vorhandenes Endometriosegewebe in den meisten Fällen. Vielleicht erklärt eine variable Verteilung der Östrogenrezeptoren am Endometriosegewebe (s. o.) ein unterschiedliches Ansprechen auf eine hormonelle Therapie.

In der Sprechstunde hört man nicht selten die Frage, ob eine Endometriose bösartig werden kann. Zur Beruhigung muss man hierzu ganz klar sagen, dass die Entartung einer Endometriose (z. B. im Eierstock oder auch im Gewebe zwischen Darm und Scheide) eine wirkliche Rarität ist, die auch ein Spezialist nur selten zu sehen bekommt. Die Entstehung von Krebs der Gebärmutterschleimhaut an ihrem eigentlichen Platz, der Gebärmutterhöhle, ist im Vergleich dazu ungleich häufiger. Insofern wird eine Endometriose nicht entfernt, um einer Entartung vorzubeugen, wie man das gelegentlich hört. Gleichwohl ist Endometriosegewebe in der Lage, Organbarrieren zu überwinden und in Nachbargewebe- bzw. -organe hineinzuwachsen. Man nennt das Infiltration.

Theorien zur Entstehung der Endometriose

Wie kommt es nun, dass sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle ansiedelt, wo sie ja nicht hingehört? Zumindest konnte bisher hinter dem Phänomen Endometriose kein biologischer Sinn erkannt werden. Zwar gibt es einige Vorstellungen davon, aber bewiesen ist keine. Schon seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts konkurrieren zwei Erklärungsmodelle: die Verschleppungstheorie von Sampson und die Metaplasietheorie von Meyer.

Die Verschleppungs- oder Transplantationstheorie basiert auf der Vorstellung, dass Menstrualblut über den Eileiter retrograd – also rückwärts – in die Bauchhöhle gelangt und dabei lebensfähige Gebärmutterschleimhautinseln mitnimmt, die sich dann unter gewissen Bedingungen im Bauchfell des Beckens einnisten. Diese Theorie vermag z. B. eine diffus ausgebreitete Bauchfellendometriose durchaus gut zu erklären oder auch die Manifestation in einer Kaiserschnitt- oder Dammschnittnarbe. Aber wie kommen nach dieser Vorstellung Herde in die Lunge? Außerdem tritt die retrograde Menstruation bei vielen Frauen auf, ohne dass sich eine Endometriose entwickelt. Wahrscheinlich ist hierfür eine besondere Bereitschaft des »Wirtsgewebes« notwendig.

Als Metaplasie bezeichnet man den Ersatz eines reifen Gewebes durch ein anderes. Bei der Endometriose bedeutet dies, dass sich z. B. aus ortsständigem Bauchfell Gebärmutterschleimhaut bildet. Aber dieser Metaplasie müsste sinnvollerweise ein Reiz oder Signal vorausgehen, der das Bauchfell veranlasste, so etwas zu tun. Ein solcher Reiz konnte bisher nicht identifiziert werden.

Einige Wissenschaftler halten eine Synthese aus beiden Theorien für besser geeignet, die Endometrioseentstehung zu interpretieren, andere wiederum favorisieren Störungen des Immunsystems als notwendige Voraussetzung für die Einnistung der Herde. Auch die Verbreitung von Gebärmutterschleimhautfragmenten über Blut- und Lymphbahnen – ganz ähnlich wie bei bösartigen Geschwülsten – wird diskutiert.

Bei der Menstruation wird nur die oberflächliche Schleimhautschicht (die Functionalis) abgestoßen, nicht die tiefere Schicht (die Basalis). In einer aktuellen Anschauung (Theorie nach Leyendecker) wird davon ausgegangen, dass für die Entstehung einer Endometriose allerdings die Basalis in die Bauchhöhle verschleppt werden müsse, da nur sie das Potenzial besitze, neue Schleimhaut aufzubauen. Bei Frauen mit Endometriose komme es bereits sehr früh im Zyklus – noch während der Menstruation – zu außergewöhnlich starken retrograden Kontraktionswellen, die ansonsten biologisch nur zum Transport der Spermien in den Eileiter während der fruchtbaren Phase (Zyklusmitte) sinnvoll seien. Mit diesen retrograden Wellen gelange dann auch Basalis in den Bauchraum. Hier ergibt sich die Frage, warum diese außergewöhnlichen Kontraktionen der Gebärmutter, die dann später eine Endometriose zur Folge haben sollen, auftreten. Haben Frauen mit Endometriose häufig solche Kontraktionen oder führen letztere zu Endometriose? Eine vom Becken weit entfernte Endometriose lässt sich mit dieser Theorie ebenfalls nicht begründen.

Um es kurz zu machen: Die Ursache für die Entwicklung einer Endometriose ist trotz vieler Deutungsversuche wissenschaftlich noch nicht geklärt.

Die Erscheinungsformen der Endometriose

Verschiedene Gewebe und Organe im Bauch können von Endometriose befallen werden. Das betrifft in abnehmender Häufigkeit das Bauchfell, die Eierstöcke, die Scheide, die Muskelschicht der Gebärmutterwand, den Raum zwischen Scheide und Enddarmvorderwand, den Darm selbst, die Harnblase, den Bauchnabel, das Zwerchfell und sehr selten Gewebe außerhalb der Bauchhöhle (image Abb. 1.2). So finden sich als Raritäten auch Herde im Rippenfell (Pleura), in der Lunge oder in der Nasenschleimhaut. Wenn die Endometriose Symptome verursacht, kann aufgrund der Schmerzen zwar Rückschluss auf die zu vermutende anatomische Lokalisation gezogen werden, aber im Einzelfall treten die Beschwerden durch Nervenfortleitung auch an vom Herd recht entfernter Stelle auf.

Je nach ihrer Lokalisation nimmt die Endometriose vielfältige Formen mit den unterschiedlichsten Beschwerden an. Die Erscheinungsformen treten oft gemischt auf. Am häufigsten ist die Endometriose des Bauchfells. Die Herde befinden sich dabei vor allem an den Beckenwänden neben dem Eierstock, in den Bändern, die von der Gebärmutter zum Kreuzbein ziehen, dem Bauchfellüberzug der Blase oder im sogenannten Douglas’schen Raum. Eine Endometriose des Bauchfells kann mit Sicherheit nur durch eine Bauchspiegelung diagnostiziert werden, wobei man die Herde entfernt und anschließend der mikroskopischen Untersuchung zuführt.

Die Endometriose der Eierstöcke zeigt sich häufig in der Bildung von Zysten. Das sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die mit einer bestimmten Zellschicht ausgekleidet sind. In diesem Falle besteht die Zellschicht aus Endometriosegewebe. Weil nun das in den Zysten gestaute ältere Menstrualblut mit der Zeit eine bräunliche Farbe annimmt, werden diese Endometriosezysten auch als »Schokoladenzysten« bezeichnet. Sie können durch die wiederkehrenden Einblutungen bis zu zwölf Zentimeter groß werden.

Endometriose kann sich auch in tieferen Strukturen des kleinen Beckens, vor allem in der Trennschicht zwischen Scheide und Enddarm oder im oberen Gewölbe der Scheide, befinden. Der Enddarm und andere Strukturen wie z. B. der Harnleiter oder die Blase können dabei verwachsen und von der Endometriose durchsetzt werden. Man nennt sie dann tiefe infiltrierende Endometriose (TIE). Im fortgeschrittenen Stadium der TIE sind die Grenzen zwischen den Organen teilweise völlig aufgehoben, ihre anatomische

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Abbildung 1.2: Verschiedene Lokalisationsmöglichkeiten von Endometrioseherden

Integrität damit zerstört und ihre Funktion eingeschränkt oder sogar unmöglich gemacht. Darm und Harnleiter können dabei so verengt sein, dass der Transport von Stuhl und Urin nicht mehr regelrecht gewährleistet ist, was beim Harnleiter einen gefürchteten Harnaufstau in der Niere nach sich ziehen kann. Die Fortpflanzung ist durch eine solche Organdestruktion der Eierstöcke und Eileiter häufig kompromittiert. Auf diese schwere Form der Endometriose gehen wir im Kapitel zur Therapie noch einmal ausführlich ein.

Bei der sog. Adenomyose infiltriert die Endometriose die Muskelschicht der Gebärmutterwand. Dies kann sich in äußerst heftigen Beschwerden vor und während der Regelblutung, in verstärkten Regelblutungen und ungewollter Kinderlosigkeit äußern. Allerdings findet man zufällig bei vielen Frauen, denen aus anderen Gründen die Gebärmutter entfernt wurde, eine Adenomyose anlässlich der mikroskopischen, pathologischen Untersuchung, sodass sich diese besondere Form der Endometriose dann in Abwesenheit von Beschwerden und ohne Sterilität als Befund – und nicht als Erkrankung – festhalten lässt.

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Abbildung 1.3: Ultraschallbild einer Endometriosezyste

Seltenere Erscheinungsformen

Nicht so selten befindet sich Endometriose in der Nabelgrube, was durch dort lokalisierte zyklusabhängige Schmerzen, einen entsprechenden knotigen Befund oder durch Blutungen aus dem Nabel auffallen kann. Auch in alten Narben, z. B. nach einem Kaiserschnitt oder nach Dammschnitt im Zusammenhang mit einer Entbindung, kann sich Endometriose bilden. Gelegentlich sieht man sie bei der gynäkologischen Untersuchung am Gebärmutterhals.

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Abbildung 1.4: Typisches Bild einer sog. Schokoladenzyste

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Abbildung 1.5: Komplettes Ausschälen der Endometriosezyste

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Abbildung 1.6: Unauffälliger Befund der rechten Beckenwand bei einer Bauchspiegelung

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Abbildung 1.7: Endometriose der rechten Beckenwand zwischen Harnleiter und Rektum

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Abbildung 1.8: Kleiner oberflächlicher Endometrioseherd im Dickdarm (colon sigmoideum)

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Abbildung 1.9: Endometrioseinfiltration des Blasenbauchfells, die recht tief in das darunterliegende Gewebe reicht

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Abbildung 1.10: Endometriose der linken Beckenwand und des linken Eileiters

Typische Beschwerden bei Endometriose (Symptome)

Kardinalsymptom ist die schmerzhafte Regelblutung (Dysmenorrhoe). Die Blutung kann verstärkt oder verlängert sein. Daneben sind alle zyklusabhängigen Bauchschmerzen verdächtig auf eine Endometriose. Von vielen Patientinnen werden Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) oder auch beim Stuhlgang (Dyschezie) angegeben. Das erscheint besonders verständlich, wenn das Septum rectovaginale, die zum Kreuzbein ziehenden Bänder oder die Rektumvorderwand infiltriert sind. Aber auch ohne diesen Befall geben viele Frauen mit Bauchfellendometriose diese Beschwerden an.

Der Stuhlgang selbst ist bei Darmbefall u. U. unregelmäßig; auch die Konsistenz zwischen geformt und eher flüssig kann wechseln. Weiterhin finden sich Blähungen und schmerzhafte Darmkontraktionen (Tenesmen). Bei Blasenbefall kann das Wasserlassen schmerzhaft sein (Dysurie), daneben berichten viele Frauen mit Blasenendometriose über häufigeren Harndrang. Zyklische Blutbeimengungen zum Stuhl oder Urin sind auf eine Endometriose verdächtig, bei Darmendometriose aber viel seltener als angenommen. Bei Manifestationen im Nabel oder am Zwerchfell können die Beschwerden streng lokalisiert, aber auch ganz untypisch sein. Die Stärke der Schmerzen ist bei der Endometriose so unterschiedlich wie die Variabilität der Erkrankung selbst. Neben den Schmerzen sind viele Frauen mit Endometriose von ungewollter Kinderlosigkeit (Sterilität) betroffen.

Tiefer Befall entlang oder in der Nähe von Nervenstrukturen (Plexus sacralis) löst im Einzelfall Schmerzsensationen aus, die wegen des Ausstrahlens in den Oberschenkel, das Kreuzbein und die Wirbelsäule an eine »orthopädische Ursache« denken lassen und gelegentlich lange Zeit dafür gehalten werden. Überhaupt hält sich die Endometriose gern in der Umgebung von Nerven auf (oder es sprossen kleine Nerven in die Herde ein?), was vielleicht das häufigste Endometriosesymptom – den Schmerz – verständlicher erscheinen lässt.

Verlauf der Endometriose

Der Verlauf der symptomatischen Endometriose ist von Fall zu Fall äußerst verschieden. Sie wird meistens schleichend beginnen und selten akut. Wir wissen viel zu wenig über den genauen zeitlichen Verlauf, denn wenn die Erkrankung anlässlich einer Bauchspiegelung festgestellt wird, gehen ja oft viele Jahre mit entsprechenden Beschwerden voraus, und retrospektiv ist es unmöglich, den Beginn zu datieren. Die Endometriose ist bei der einen Patientin bereits im Pubertätsalter präsent – sie berichtet dann, dass die Schmerzen bereits mit der ersten Periodenblutung (Menarche) bestanden (sog. primäre Dysmenorrhoe), eine andere Betroffene bekommt die Symptome vielleicht erst nach der Geburt des zweiten Kindes im Alter von über 30.

Nicht nur zwischen einzelnen Betroffenen ist der Verlauf der Erkrankung sehr variabel, auch bei derselben Patientin sind unterschiedliche Phasen nicht selten. In der Wahrnehmung vieler Frauen ist die Endometriose zwangsläufig ein schicksalhaftes, chronisches Übel – und leider trifft diese Charakteristik oft zu. Aber es gibt »Pausen« und auch die spontane Besserung der Symptome. Vielen Patientinnen kann glücklicherweise eine anhaltende symptomarme und auch -freie Zeit unter entsprechender medikamentöser Behandlung ermöglicht werden, obwohl die Herde noch vorhanden sind. Der Charakter der Beschwerden ändert sich gelegentlich mit der Zeit; die anfangs meistens vorhandene Zyklizität kann einer zyklusunabhängigen Symptomatik als Ausdruck der Chronifizierung der Schmerzen weichen. In dieser Situation sind endometriosespezifische Therapieansätze u. U. nicht mehr so wirkungsvoll.

Insgesamt muss bei bis zu zwei Dritteln aller Betroffenen mit dem Wiederauftreten der Endometriose trotz Operation und medikamentöser Therapie gerechnet werden. Ob die Endometriose tatsächlich immer eine progressive, d. h., fortschreitende Erkrankung ist, wird kontrovers diskutiert, wobei nur wenige Experten diese Fragestellung wissenschaftlich untersucht haben. In einer italienischen Studie wurden vor einigen Jahren Patientinnen mit TIE lediglich beobachtet. Es kam in nur knapp zehn Prozent zu einem Fortschreiten der Endometriose. Unabhängig davon gehört die symptomatische Endometriose zu den chronischen Erkrankungen. Viele Frauen müssen über Jahre mit »ihrer« Endometriose leben.

Bisher haben wir bewusst von der symptomatischen Endometriose gesprochen. Man schätzt aber, dass etwa die Hälfte der Frauen mit Endometriosebefall keine Beschwerden aufweist (ein solcher Befall kann z. B. Zufallsbefund anlässlich einer anderer Gründe wegen durchgeführten Laparoskopie sein). Wir haben für diese Beobachtung keine wissenschaftliche Erklärung. Es gibt auch keine Beziehung zwischen dem Ausmaß der Endometriose und der Stärke der Beschwerden. Eine Frau mit fortgeschrittener TIE, vielleicht sogar mit Darmbefall, ist u. U. völlig beschwerdefrei, während bei einer anderen Patientin mit nur wenigen kleinen Herden im Bauchfell eine schwere Symptomatik bestehen kann. Das berührt die für das Verständnis der Endometriose zentrale Frage, wann von einer Erkrankung im Wortsinne und wann eher von einem Befund gesprochen werden sollte. Für die Therapie – insbesondere wenn eine Operation ansteht – ist die Beantwortung dieser Frage essenziell.

Die Diagnostik der Endometriose

Richtungsweisend ist zunächst einmal die genaue Erhebung der Krankengeschichte durch den Arzt. Unter Umständen kann dabei ein Schmerztagebuch hilfreich sein. Die Art der Schmerzen und die Situationen, in denen sie auftreten, sollten genau analysiert werden. Als nächstes kann die gynäkologische Untersuchung wichtige Hinweise geben. Eine Endometriose in der Scheide – dann meistens im hinteren Scheidengewölbe – ist häufig sichtbar, Verhärtungen zwischen Gebärmutter oder Scheide und Darm können getastet werden und auch Schmerzen während der Untersuchung, z. B. beim Bewegen der Gebärmutter, können wichtige Hinweise liefern. Für den erfahrenen Arzt sind das Gespräch mit der Patientin und die körperliche vaginale und rektale Tastuntersuchung die entscheidenden diagnostischen Schritte insbesondere bei der Abklärung der schweren, tief infiltrierenden Endometriose vor der Laparoskopie. Alle anderen diagnostischen Maßnahmen, von der Kernspintomografie bis zur Darmspiegelung, treten dahinter zurück.

Bei der Diagnostik gynäkologischer Erkrankungen wird in der Regel eine Ultraschalluntersuchung mit einer speziellen vaginalen Sonde durchgeführt. Die häufigste Form der Endometriose – der Befall des Bauchfells – ist bei der Ultraschalluntersuchung allerdings nicht sichtbar. Endometriosezysten des Eierstocks lassen sich dagegen fast immer gut durch eine Ultraschalluntersuchung nachweisen, denn sie bieten ein typisches Erscheinungsbild, jedoch kommen auch andere Arten von Zysten oder selten auch Tumoren infrage. Deshalb kann auch hier die nach der Ultraschalluntersuchung geäußerte Verdachtsdiagnose nur durch eine Bauchspiegelung bestätigt werden. Auch eine Adenomyose kann bei entsprechender Ausprägung im Ultraschall dargestellt werden. Die Kernspintomografie liefert dafür ebenfalls gute Bilder. Dennoch ist es bei der Adenomyose in der Regel so, dass die definitive Diagnose sich nur an einer entfernten Gebärmutter bestätigen lässt. Zwar kann im Einzelfall durch Gewebeproben aus der Gebärmutter im Rahmen einer Bauchspiegelung die Adenomyose nachgewiesen werden, sollten dabei jedoch keine Endometrioseherde zur Darstellung kommen, ist der Befall an anderer Stelle nicht ausgeschlossen.

Abgesehen von schon bei der Untersuchung sichtbarer Endometriose im Scheidengewölbe oder im Nabel gilt die Bauchspiegelung (Laparoskopie) mit Gewebeprobe als die bisher einzige zuverlässige Methode für die Feststellung einer Endometriose. Beweisend ist letztlich der mikroskopische Befund.

Bei der Laparoskopie wird in Narkose zunächst durch einen kleinen Schnitt eine spezielle Kanüle in die Nabelgrube eingeführt und darüber Kohlendioxid in den Bauch geleitet, um die Bauchdecken anzuheben. Anschließend wird durch den Nabelzugang eine Gerätehülse und durch diese eine Optik mit einer Kamera in den Bauchraum gebracht. Der Operateur verfolgt das Geschehen auf einem Monitor (praktisch wie bei einer Direktübertragung). Dadurch können das Bauchfell, die Gebärmutter, die Eileiter und Eierstöcke, der Darm und alle weiteren im Bauchraum sichtbaren Strukturen genau betrachtet werden. Man hat weiterhin die Möglichkeit, auffällige Herde mit feinen Instrumenten über weitere kleine Hautschnitte im Unterbauch zu entfernen und zur feingeweblichen (histologischen) Begutachtung einzuschicken. Dieser mikroskopische Nachweis ist nicht zuletzt auch zur Abgrenzung von möglichen anderen Erkrankungen zu fordern, denn nicht alles, was wie Endometriose aussieht, ist auch tatsächlich diese. Umgekehrt gibt es auch Veränderungen des Bauchfells, die zunächst nicht typisch für eine Endometriose sind, sich unter dem Mikroskop dann aber doch als eine solche erweisen.

Mit dieser laparoskopischen Technik sind auch umfangreiche Operationen möglich. Insbesondere die Endometriosechirurgie ist durch diese Operationsmöglichkeit entwickelt und verbessert worden. Idealerweise schließt sich der laparoskopischen Diagnosestellung in derselben Narkose die operative Entfernung der Herde an. Besteht bei der Frau Kinderwunsch, kann man die laparoskopische Untersuchung bzw. Operation mit der Abklärung des Gebärmutterinnenraumes durch eine Hysteroskopie sowie die Prüfung der Eileiter auf Durchgängigkeit mit einem Farbstoff (sog. »Blauprobe«) verbinden.

Bislang steht noch keine Blutuntersuchung zur Verfügung, mit der eine Endometriose nachgewiesen oder die Ausdehnung der Erkrankung geschätzt werden könnte. Einige Forschergruppen arbeiten intensiv an der Entwicklung eines dafür geeigneten Tests, der die Bauchspiegelung zur Diagnostik (nicht zur Therapie) zunächst überflüssig machen könnte.

Andere mögliche Erkrankungen, die bei Unterbauchbeschwerden zu berücksichtigen sind

Nicht alle Unterbauchbeschwerden bei Frauen sind durch eine Endometriose bedingt. Insofern gilt es, alle erhobenen Befunde kritisch zu werten und auch andere Ursachen mit in das Kalkül zu ziehen. Wir hatten schon erwähnt, dass bei im Ultraschall auffälligen Zysten auch andere Erkrankungen infrage kommen. Gerade bei jungen Frauen sind Zysten festzuhalten, die im Lauf des Menstruationszyklus entstehen und sich spontan wieder zurückbilden (sog. funktionelle Zysten). Auch gut- und bösartige Unterbauchtumoren, die von den Eierstöcken ausgehen, sind im Einzelfall Ursache für Unterbauchschmerzen.

Bei akuten Unterbauchbeschwerden muss vor allem an entzündliche Veränderungen der Eileiter und Eierstöcke gedacht werden. Daneben sollten je nach Situation Verwachsungen (z. B. nach vorausgegangenen Operationen), eine Entzündung des Wurmfortsatzes des Blinddarmes, eine Eileiterschwangerschaft und weitere nicht-gynäkologische Ursachen Berücksichtigung finden. Im Zweifel muss eine Bauchspiegelung zur Klärung durchgeführt werden.

Bei chronischen Beschwerden, die hauptsächlich die Darm- oder Blasenfunktion betreffen, können eine Reihe von Erkrankungen vorliegen, die der Abklärung bedürfen, z. B. Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder das Reizdarmsyndrom, chronische Blasenentzündungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten (z. B. Lactoseintoleranz) u. a.

Auch psychosomatische Ursachen kommen für chronische Unterbauchschmerzen nicht selten infrage. So können sich seelische Konflikte wie Partnerschaftsprobleme oder unerfüllter Kinderwunsch durchaus in Unterbauchbeschwerden und -schmerzen äußern. Deshalb ist bei der Abklärung solcher Beschwerden im Einzelfall die Konsultation bei einem Urologen, Chirurgen, Gastroenterologen und auch psychosomatisch geschulten Ärzten hilfreich.

Eine Betrachtung chronischer Unterbauchbeschwerden – das gilt auch für die Endometriose – von nur einem Blickwinkel wird der komplexen Situation, in der sich die Frau häufig befindet, nicht gerecht. Arzt und Patientin werden gemeinsam zu einer befriedigenden Lösung des Problems finden, wenn sie eine umfassende Betrachtungsweise zulassen, die alle Aspekte – körperliche wie seelische – berücksichtigt.

Die Häufigkeit der Endometriose