Für Torsten, Anna und Jakob
Wenn man sein Gewissen dressiert,
so küsst es uns zugleich, indem es beißt.
Friedrich Nietzsche
Trotz ihrer Unruhe fällt ihr der Mann auf, der sich einige Stuhlreihen vor ihr umgedreht hat und sie anstarrt, er beschirmt sogar die Augen mit der Hand. April tut so, als bemerke sie ihn nicht, sie hält ihn für den Hausverwalter, sein Anzug wirkt schäbig, er dreht einen Schlüsselbund auf dem Zeigefinger. Vielleicht ist er ein Dichter, keine Ahnung. Weit auseinanderliegende Augen in einem Kindergesicht – er sieht einfach nicht weg. April betrachtet ihre gebräunten Beine, zu dünn, überlegt sie, und was sie hier macht und wie sie hier wieder rauskommt, an diesem schönen Tag. Sie stellt sich vor, sie säße in einem Garten. Stattdessen ist sie in einer großen Galerie auf der Reeperbahn und soll Texte aus ihrer Untergrundmappe vorlesen. Das Motto des heutigen Abends: Kunst als Medizin. Sie ist die Jüngste unter den Vortragenden, es kostet sie Mühe, sich ihre Schüchternheit nicht anmerken zu lassen. Neben ihr Julius, gerade elf geworden, der mit geschlossenen Augen Bob Dylan auf seinem neuen Walkman hört. Nachdem April gelesen hat, fragt ein älterer Herr, warum sie, hübsch und jung, so schreckliche Sachen schreibe. Der Hausverwalter mit dem Kindergesicht steht auf und weist ihn barsch zurecht.
Als sie später das Restaurant nebenan betritt, sitzt er schon neben ihrem Sohn und hat seine Kopfhörer auf. Sie geht zu einem anderen Tisch, trinkt ein Glas Wein, verliert ihre Schüchternheit, redet mit einem Assistenzarzt, der sie an eine Romanfigur erinnert, aber welche, fällt ihr nicht ein. Doch dann kommt der Mann mit dem Kindergesicht, fordert ihren Gesprächspartner mit einer Handbewegung auf, sich zu erheben, und nimmt wie selbstverständlich dessen Platz ein. Was für ein aufgeblasener Fatzke, denkt sie, während er sich vorstellt – Ludwig, Chirurg – und beginnt, Fragen zu stellen. Verärgert von seinem Auftreten, antwortet sie knapp und mit unterdrücktem Groll: Ihr Lieblingsschriftsteller sei Beckett.
Herr im Himmel, sagt Ludwig, Beckett sei auch sein Liebling, er habe ihn erst kürzlich besucht und könne, wann immer April wolle, ein Treffen für sie arrangieren.
Beckett ist keine Touristenattraktion, antwortet sie, unsicher, ob er es ernst meint oder nur einen Scherz mit ihr macht.
Ludwig scheint vorsichtiger zu werden, wägt seine Worte ab, fragt sie nach ihrer Arbeit, bewundert ihren Mut, das sei doch sicher schwierig gewesen, sagt er, Untergrundmappen in der DDR herauszugeben. Sie erklärt ihm, dass es eher Langeweile war als ein politisches Gewissen, selbst ihre Ausreise vor ein paar Jahren war der klappernden Öde geschuldet. Er bewundert sie erneut, diesmal für ihre Bescheidenheit. Er zeigt sich erstaunt über die Auswahl der Bücher, die sie gelesen hat, teilt ihre Begeisterung für Sizilien, die brandenburgischen Landschaften, überhaupt mag er den ganzen Osten. Sein rostrotes Haar ist am Ansatz gelichtet, die Sommersprossen auf seiner linken Hand ähneln einem Fischschwarm, er trägt einen Siegelring am kleinen Finger. Als sie sich verabschieden, hat sie seine Adresse, Telefonnummer und die Einladung angenommen, am nächsten Nachmittag mit ihm im Café Einstein einen Espresso zu trinken, er sei ohnehin in Berlin.
Anderntags ruft ihr Freund an, der sie unbedingt treffen will. Sie vergisst, Ludwig abzusagen. Mit ihrem Freund ist das so eine Sache – April weiß, dass die Beziehung am Ende ist, schafft es aber nicht, ihn zu verlassen.
Monate später fällt die Mauer und Beckett ist tot. Sie schreibt Ludwig eine Karte und fragt ihn nach Becketts Todesstunde.
Ludwig schreibt ihr täglich, nennt sie sein Mädchen. Sechs Monate sind seit ihrer Postkarte vergangen. Er hat ihr eine Erstausgabe von »Warten auf Godot« mit Widmung des Autors geschenkt. Sie sitzen am Ufer der Spree, hoch über ihren Köpfen ein Schwarm Wildenten, die Flügelschläge lassen Ludwig kurz innehalten, bevor er ihr weiter vorliest, Geschichten von Truman Capote – April versucht ihn für Gedichte von Johannes Bobrowski zu begeistern. Später hält er ihre Hand, weißt du, sagt er, und dann weiß er nicht weiter.
Als Ludwig nach einem Flug aus Hongkong in Hamburg landet, setzt er sich sofort ins Auto, fährt nach Berlin, klingelt nachts an ihrer Tür und sagt: Ich will nie mehr ohne dich sein.
Aus Hamburg ruft er sie stündlich an, spielt ihr seine Lieblingssongs vor; es sind nicht ihre Songs. Als er ihr erzählt, dass er nicht mehr schlafen kann, nicht arbeiten, nur liebeskrank auf seinem Bett liege und an sie denke, ist sie geschmeichelt, aber auch erschrocken über sein Tempo. Einmal spät in der Nacht sagt sie: Ich bin todmüde, lass mich schlafen.
Warum überhaupt Ludwig, fragt ihr Freund Keller. Gestandene Männer sind doch nicht dein Beuteschema.
Er ist erwachsen, antwortet sie.
Was immer das bedeutet, sagt Keller.
Ihre erste gemeinsame Reise ist eine Fahrradtour durch Mecklenburg. Sie fahren auf staubigen Landstraßen, Kastanienalleen – über sich Dächer aus zartem Grün –, übernachten in Pensionen und Privatunterkünften. Aprils Eltern haben hier als Saisonkellner gearbeitet, sie kann noch immer die Gerüche abrufen oder Eidechsen vor sich sehen, die im papiertrocknen Gestrüpp rascheln, sie kann sich Melodien aus Tönen und Wörtern vergegenwärtigen, aus denen ein Sommertag entsteht, das fauchende Pfeifen einer Lokomotive. Doch es ist Ludwig, der überall Geschichtsspuren entdeckt, sich sicher ist, dass die Gespräche, die er zufällig belauscht, geheime Botschaften enthalten. Er referiert über Friedrich II., über Ferdinand Sauerbruch; die Hälfte der Charité war bei der Stasi, weiß er zu berichten. April begreift, dass ihm ihre Geschichte zu fremd und glanzlos vorkommt. Er muss sie ausschmücken, um sie für sich bedeutsam zu machen. Ludwig interessiert sich für Gott und die Welt, er zeigt auf Flugzeuge am Himmel und weiß ihr Ziel, sie diskutieren über Politik, Kunst, Religion, selbst beim Kartenspiel kennt er erstaunliche Tricks.
Sie fährt schneller, lässt ihn hinter sich, wartet auf den kaum befahrenen Alleen und träumt. Hier in dieser Landschaft ist sie wieder vierzehn, spinnenbeinig, ein Weberknecht. In »Brehms Tierleben« steht, dass Spinnen scheue und unstete Tiere sind, auch das passt zu ihr. Lange hat sie ihrer Mutter geglaubt, dass sie nie von jemandem begehrt werden würde – bestenfalls bekäme sie einen alten, kranken Mann ab, der sie nur deshalb ertrüge, weil sie ihn pflegte. Als sich Männer für sie zu interessieren begonnen hatten, war April misstrauisch geblieben, denn es konnte auch eine Falle sein, ein Irrtum. Nun ist sie dreißig und weiß immer noch nicht, was gut oder schlecht für sie ist. Sie kann es nicht fühlen. Ludwig fragt nach ihrem Leben und wünscht sich Antworten, die ihn erstaunen, aber nicht verstören sollen; das begreift sie intuitiv und hält sich daran.
Warme Luft im Rücken, setzt sie zum Endspurt an, lässt sich kurz vor dem nächsten Ort zurückfallen und wartet auf Ludwig. Ihm ist anzusehen, dass er die Nase voll hat von ihrem Tempo, den Schotterstraßen, dem schlechten Kaffee in den Gaststätten. Doch er versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Steht er vor ihr, atmet er schwungvoll aus und küsst sie. Während er sich vor Abneigung schüttelt, wenn sie an grau verputzten Einfamilienhäusern vorbeifahren, fühlt sie sich angezogen von dem Leben hinter diesen Fenstern, es scheint eine festgefügte Ordnung zu haben, einen Sinn, der nicht infrage gestellt werden muss. Ludwig hat ihr von seinen Eltern erzählt, die Millionen im Kohlehandel verdient haben, seine Mutter trage weiße lange Kleider und sein Vater züchte nebenbei Pferde. Es gibt den Bruder, über den er nur flüsternd spricht: ein hohes Tier bei der NATO. Ludwig trifft sich an geheimen Orten mit ihm, niemand dürfe wissen, wo er sich gerade aufhält, und sie solle ihn, um Gottes willen, niemals erwähnen, auch später, vor seinen Eltern nicht. April schwört, was nichts bedeutet, sie schwört seit ihrer Kindheit und erdet ab, indem sie die Finger hinter ihrem Rücken kreuzt.
Sie bringt Ludwig bei, Ringe zu rauchen, auf zwei Fingern zu pfeifen, er klaut aus dem Konsum eine Flasche Stonsdorfer, sie zeigt den Autofahrern ihren nackten Hintern. Er freut sich, wenn sie Portionen für Bauarbeiter verspeist und immer noch hungrig ist – noch nie hat sich jemand über ihren Hunger gefreut. Er sagt, sie bringe ihn zum Lachen, selbst wenn sie schlafe, ihre Daumen fest in den Fäusten verschlossen.
April und Julius wohnen in einer Erdgeschosswohnung mit Balkon und einem winzigen Vorgarten im Wedding. Sie arbeitet als Kellnerin, Putzfrau und Blumenverkäuferin. Sie versucht zu schreiben, hört bis in die frühen Morgenstunden Captain Beefheart, David Bowie, nicht selten kommt wegen der Lautstärke die Polizei. Sie telefoniert stundenlang mit ihrer Freundin Marie, obwohl sie nur drei Stockwerke über ihr wohnt. Nachts ziehen sie gemeinsam um die Häuser, treffen sich in einer Eckkneipe, von dort aus geht es in den Dschungel, ins Kumpelnest, in die Berlinbar. Maries Tochter übernachtet bei Julius, und wenn April frühmorgens nach Hause kommt, schlafen die Kinder auf der Couch vor dem Fernseher.
Es gibt Wochen und Monate, da ist sie eine verlässliche Mutter, die früh am Schreibtisch sitzt, nachmittags mit Julius Hausaufgaben macht, bis es sie wieder hinaustreibt – Schuldgefühle konkurrieren mit Sehnsüchten, die sich stets durchsetzen.
Sie arbeitet mit Keller ein letztes Mal ihr Manuskript durch. Ihr bester Freund ist Lektor in einem großen Verlag, er regt sich auf, wenn sie zu kitschig wird, einmal hat er eine Seite wütend durchgestrichen und Hausfrauenprosa mit zehn Ausrufezeichen an den Rand geschrieben. April hat Zweifel an ihren Worten: Warum soll jemand von A nach B gehen, warum jemand atmen? Sie kommt sich wie eine Hochstaplerin beim Schreiben vor. Doch Keller kann sie alles erzählen, so wie sie es sich selbst erzählen würde, nichts ist ihr vor ihm peinlich, seine Kindheit ähnelt ihrer, auch das verbindet sie.
Wenn sie daran denkt, dass sie bald ihr erstes Buch in den Händen halten wird, stellt sie sich die Gesichter ihrer Klassenkameraden von damals vor: Rippchen, Gerippe, Speiche hat ein Buch geschrieben? Der Gedanke daran freut sie. April hat ihrem Verleger von ihrer Kindheit erzählt, er wünscht sich, dass sie darüber schreibt. Sie findet diesen Einfall lächerlich, wer will schon etwas über ihr Leben lesen? Baum, ein Literaturkritiker, lädt sie zu Theaterpremieren ein, sie sehen Inszenierungen von Peter Stein, er empfiehlt ihr »Das große Heft« von Agota Kristof, das sie immer wieder liest und ihren Freunden schenkt.
Im letzten Sommer war sie zum ersten Mal in der Toscana gewesen, auf Einladung eines Stifters. Bei der Petrarca-Preisverleihung hatte sie den Dichter Jan Skácel kennengelernt, der ebenso wenig zum Small Talk fähig war wie sie. Was sollte sie auch auf die Frage, ob sie froh sei, endlich im Westen zu sein, antworten? Einmal, im Übergang zur blauen Stunde, hatten alle geschwiegen, und Skácel sagte: Jetzt reden die Dichter, und deutete auf die singenden Vögel in den Bäumen. Ihr Tischnachbar, ein kleiner, vitaler Mann, nahm während einer Vorspeise ihre Hand und sagte: Diese Hand soll nie wieder putzen; sobald er den Satz ausgesprochen hatte, stellte sie sich die Gesichter ihrer Freunde vor, wenn sie ihnen davon erzählen würde. Es war verwirrend, der ganze Pomp, die Schönheit der Städte und Landschaften – April empfand sich immer als Außenseiterin, egal, wo sie war.
Nun gibt es Ludwig und er ist in sie verliebt. Er kommt, sooft er kann, von Hamburg nach Berlin. April ist eine andere, wenn sie liebt. Noch fühlt sie sich sicher. Ludwigs Werben lässt sie gar nicht zum Luftholen kommen, macht sie übermütig. Sie traut sich sogar zu sagen: Lieb mich oder lieb mich nicht. Sie mag seinen Kindskopf, seine nie nachlassende Aufmerksamkeit. Mit Julius redet er über Fußball, in der Markthalle überzeugt er einen Verrückten davon, John Lennon zu sein, mit der Obstverkäuferin fachsimpelt er über die letzte Apfelernte. April mag auch sein geregeltes Einkommen; als er ihr vorschlägt, sie finanziell zu unterstützen – also keine Kneipenarbeit mehr –, ist sie einverstanden. Sie hört ihm gerne zu, wenn er von gelungenen Operationen erzählt, von Fehlschlägen, von Angstgefühlen und Euphorien. Er ist stolz darauf, Václav Havel zu kennen. Ob ihr der Name Tibor Klampár etwas sagt? Ein ungarischer Tischtennisspieler, in den Siebzigern der Weltbeste. Ludwig hat Fats Domino in New Orleans besucht, Derrida in Paris und Stephanos Geroulanos, einen berühmten griechischen Chirurgen, in Athen. Nun sitzt er also auf ihrem Balkon, und Marie zieht ohne April um die Häuser.
Ludwig ist kein Mann, der nächtelang tanzt oder seine Zeit im Freibad verbringt, er will kuscheln. Er sagt auch andere Worte, die sie nicht mag: super und shoppen. Er kann Gottfried Benn nicht ausstehen, weil der »nur so« expressionistische Gedichte geschrieben hat, und dass er Arzt war, ist ihm scheißegal. Ludwig schwitzt, trägt die falschen Klamotten, hat einen merkwürdigen Gang, trotzdem fühlt sie sich mit ihm auf eine Weise eingebunden ins Leben wie selten zuvor. Sie sind wie Kinder, denken sich komische Geschichten aus, rufen mit verstellten Stimmen fremde Leute an, versuchen in der Markthalle einen Hummer aus dem Bassin zu klauen; nach einem Gewitter sitzt sie nackt neben ihm im Kino. Es gibt eine alte Frau in ihrem Haus, die ständig herummeckert, Frau Ernste. Bevor Ludwig zu einer Tagung nach Tokio aufbricht, entfernt er ihr Türschild und schickt es ihr mit einem Brief.
Sehr verehrtes Frau Ernste!
Ich Ihnen persönlich schreibe, weil sehr großes Entsetzen heute hier. Bitte sehr!
Vergebung für schlechtes Gedeutsch. Viele, viele Danke. Heute geöffnet Tresor in meine große Firma. Geschreckt! In Tresor gefunden Türschild von Frau Ernste aus Berlin.
Woher? Warum? Ist sehr schlimm, wer Türschild stiehlt, weil Name in Japan sein heilig. Name alles. Bitte Frau Ernste uns nicht verfluchen. Bin sehr reich und alle tot, aber studiert in Berlin. Nie nix verstanden, aber gute bockige Wurst an Halle gern verspeist. Möchte mich Frau Ernste hier besuchen? Scheißreich, aber anständig.
Verbeugung vor ihnen.
Glück! Glück!
Ihr Shiro Sho
Frau Ernste erscheint schon bald mit weißen Söckchen und neuer Frisur auf der Straße, und auch wenn ihr die Anstrengung anzusehen ist: Sie lächelt.
Ludwig schreibt April, dass er ein Kind mit ihr will. Er verziert seine Briefe mit Zeichnungen und Ausrufezeichen für seine Wünsche. Sie soll den Stamm des Rotdorns küssen, einen Wellensittich aus dem Zoogeschäft befreien. Er sät Sonnenblumenkerne in ihrem Vorgarten aus, wirft Münzen in den Brunnen, schenkt ihr winzige Diamanten in einem Samtbeutel. Das alles Zeichen für ihr zukünftiges Kind. Wenn sie miteinander schlafen, sieht er ihr in die Augen, als wolle er mit ihr verschmelzen, aber mehr noch, als müsse er sich in der Spiegelung vergewissern, dass er überhaupt existiert. Er scheint sich selbst ganz und gar unvertraut. Auch sie ist sich unvertraut. Gibt es die Möglichkeit, dass zwei Unvertraute miteinander vertraut werden?
April fühlt sich alt und zugleich auf Probe für das wirkliche Leben. Für Ludwig ist höchstens der Tod eine feststehende Größe. Er glaubt nicht an Gott und war doch fasziniert von der Nahtoderfahrung eines Patienten, der ihm nach einer stundenlangen OP detailgenau den Hergang schildern konnte. Ludwig saugt jede verwertbare Information auf, es ist beinahe unmöglich, seinem Enthusiasmus zu entgehen.
Als sie ihm im Spaß sagt, sie hätte lieber einen richtigen Kerl, einen Bauarbeiter, der sich schmutzig macht, quittiert er diese kleine Unverschämtheit, indem er auf ihren Ausflügen alle fünfzig Kilometer das Auto parkt, den Ölstand prüft und sich dabei die Hände einschmiert. April weiß nicht, ob er wirklich glaubt, dass sie ihn nicht durchschauen würde: Er zeigt ihr seine dreckigen Hände und lacht. Sie sind ein Liebespaar. April lacht, wenn er lacht, und er ist traurig, wenn sie es ist. Ludwig versucht, ihr Autofahren beizubringen, doch schon nach wenigen Versuchen hält sie den abgerissenen Schaltknauf in der Hand. Er geht mit ihr wandern, obwohl er es hasst, zeigt ihr Pilze mit der Wirkung von LSD, er hat einige Drogen ausprobiert; Ludwig kann Routine nicht ausstehen. Während einer Reise nach Wien wird sie von einer Wespe gestochen, ihr rechter Fuß schwillt auf Elefantenfußgröße an, er gibt ihr eine Spritze, die sie zwei Tage im Hotel durchschlafen lässt. Abends sitzt er an ihrem Bett, und auch wenn sie nicht ganz wach ist, hört sie doch seine Stimme, die ihr zärtlich flüsternd von seinen Erlebnissen berichtet; von der langweiligen Ärztetagung, einem Friedhofsbesuch, wo er eine Zigarre auf das Grab des berühmten Chirurgen Theodor Billroth gelegt hat, mit Grüßen von April. Er ist von allem entzückt, was sie tut, selbst der Wespenstich erscheint ihm einzigartig und so, als habe sie ihn gewollt. April ist überwältigt, für kurze Momente glaubt sie sogar, es würde ihr zustehen, dieses Glück.
Wenn Julius vor ihr steht und versucht, ein kleiner tapferer Krieger zu sein, sieht sie nur seine Wut und die Traurigkeit darüber, dass sie es nicht schafft, so für ihn da zu sein, wie er es sich wünscht. Seine Art zu sprechen, seine Mimik ähnelt immer mehr der seines Vaters. Sie ist froh, wenn Julius die Ferien bei ihm verbringt.
April