Foto: © Linda Lee Bukowski
Die Lokale waren um diese Zeit schon geschlossen, in die Stadt war es eine lange Fahrt. Auf mein Zimmer konnte ich ihn nicht mitnehmen, also musste ich’s bei Millie versuchen. Die hatte immer eine Menge zu essen da. Auf jeden Fall hatte sie immer Käse.
Ich hatte recht. Sie machte uns Käsebrote und Kaffee. Die Katze kannte mich und sprang mir auf den Schoß.
Ich setzte sie wieder auf den Boden.
»Schauen Sie mal, Mr Burnett«, sagte ich.
»Gib Pfötchen!«, befahl ich der Katze. »Pfötchen!«
Die Katze rührte sich nicht.
»Komisch, sonst macht sie das immer«, sagte ich. »Pfötchen!«
Ich musste daran denken, wie Shipkey Mr Burnett erzählt hatte, dass ich mit Vögeln rede.
»Komm schon! Gib Pfötchen!«
Langsam kam ich mir ziemlich dämlich vor.
»Na los! Pfötchen!«
Ich beugte mich ganz dicht neben ihren Kopf und gab noch einmal alles.
»Gib Pfötchen!«
Die Katze rührte sich nicht.
Ich setzte mich wieder und griff nach dem Käsebrot.
»Katzen sind eigen, Mr Burnett. Da weiß man nie. Millie, leg Tschaikowskis Sechste für Mr Burnett auf.«
Wir lauschten der Musik. Millie kam zu mir und setzte sich auf meinen Schoß. Sie trug nur ein Negligé. Sie lehnte sich an mich. Ich legte das Sandwich zur Seite.
»Achten Sie«, sagte ich zu Mr Burnett, »auf den Abschnitt, der das Marschmotiv in die Sinfonie einführt. Meiner Meinung nach eins der schönsten Motive der Musikgeschichte. Abgesehen von der Kraft und Schönheit ist die Struktur einfach perfekt. Man spürt den Kopf dahinter.«
Die Katze sprang dem Mann mit dem Kinnbart auf den Schoß. Millie drückte ihre Wange an meine, legte mir eine Hand auf die Brust. »Wo hast du gesteckt, Baby Boy? Hast Millie gefehlt, weißt du.«
Die Platte ging zu Ende, und der Mann mit dem Kinnbart nahm das Tier vom Schoß, stand auf und drehte sie um. Besser, er hätte die zweite Platte aus dem Album genommen. So würde der Höhepunkt viel zu früh kommen. Aber ich sagte nichts, und wir hörten den Rest.
»Wie fanden Sie’s?«, fragte ich.
»Gut! Sehr gut!«
Die Katze saß zu seinen Füßen.
»Pfötchen! Gib Pfötchen!«, sagte er zu ihr.
Die Katze gab Pfötchen.
»Schauen Sie«, sagte er. »Mir gibt sie Pfötchen.«
»Pfötchen!«
Die Katze machte eine Rolle.
»Nein, Pfötchen! Gib Pfötchen!«
Die Katze rührte sich nicht.
Er beugte sich hinab ans Ohr der Katze.
»Pfötchen!«
Die Katze streckte ihm die Pfote mitten in den Kinnbart.
»Haben Sie gesehen? Sie gibt mir Pfötchen!« Mr Burnett schien zufrieden.
Millie drückte sich an mich. »Küss mich, Baby Boy«, sagte sie. »Küss mich.«
»Nein.«
»Mein Gott, was hat dich’n geritten, Baby Boy? Angefressen? Irgendwas is heute mit dir, das seh ich doch. Millie kannst du’s doch sagen. Millie würd alles für dich tun, Baby Boy, weißt du doch. Was is los? Hm?«
»Jetzt lasse ich die Katze eine Rolle machen«, verkündete Mr Burnett.
Millie schlang die Arme um mich und sah mir von oben in die Augen. Tieftraurig sah sie aus und mütterlich und sie roch nach Käse. »Erzähl Millie, was dir an die Nieren geht, Baby Boy.«
»Rolle!«, befahl Mr Burnett der Katze.
Die Katze rührte sich nicht.
»Also«, sagte ich zu Millie. »Siehst du den Mann da?«
»Klar seh ich den.«
»Das ist Whit Burnett.«
»Und wer is das?«
»Der von der Zeitschrift. Dem ich meine Storys schicke.«
»Du meinst der, der dir immer diese kleinen Briefchen schickt?«
»Absagen, Millie.«
»Der ist gemein. Den mag ich nicht.«
»Rolle!«, befahl Mr Burnett der Katze. Die Katze machte eine Rolle. »Schauen Sie!«, rief er. »Sie hat’s gemacht! Die würde ich gern kaufen! Großartig ist die!«