Die Bestatterin Angela Fournes ist mit dem Tod vertraut wie kaum jemand sonst. Als Dreizehnjährige erlebte sie den unnatürlichen Umgang mit Verstorbenen, als ihr Vater in den USA starb. Sieben Jahre später begleitete sie ihre sterbende Mutter in der Schweiz auf deren letztem Weg. Als Sterbebegleiterin und Bestatterin lernte sie, wieviel Angst verloren geht, wenn man über den Tod spricht. Ehrlich, einfühlsam und mit einer überraschenden Leichtigkeit erzählt sie jetzt, was in anderen Kulturen mit Verstorbenen geschieht, was in den einzelnen Stadien des Sterbens und kurz danach passiert und wie sie Sterbende und ihre Angehörigen über den Moment des Todes hinaus begleitet.
ANGELA FOURNES
ANNETTE BOPP
Eine Bestatterin hilft – denen, die gehen,
und denen, die bleiben
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Originalausgabe 10/2018
Copyright © 2018 by Ludwig Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Text’up Lilian Kura, Starnberg (www.textup.de)
Umschlaggestaltung: Eisele Grafik Design unter Verwendung eines Motives von: Shutterstock Images LLC
Satz: Leingärtner, Nabburg
e-ISBN: 978-3-641-21296-4
V001
www.Ludwig-Verlag.de
ZU DIESEM BUCH
WIE ICH BESTATTERIN WURDE
Eltern, Kindheit und Jugend
Mexiko
Schulzeit und zurück in die USA
Vaters Bestattung
Noch einmal Mexiko
In Deutschland
Der Tod meiner Mutter
Lehr- und Wanderjahre
Am Priesterseminar
In Peru
Auf der Suche
Endlich angekommen
»Bestatter sein ist ein Übungsweg«
GUT VORBEREITET SEIN
Die physische Vorbereitung auf das Sterben
Die letzten Dinge ordnen
Dokumente vorbereiten
Eine Bestattungsverfügung erstellen
Den digitalen Nachlass regeln
Die seelische Vorbereitung auf das Sterben
Das Lassen üben
Die geistige Vorbereitung auf das Sterben
Den Schatten begegnen
Die Parallelen von Geburt und Tod
»Einen würdigen Umgang ermöglichen«
DEN TOD LEBEN
Versorgen, Waschen, Ankleiden
Das Waschen
Das Ankleiden
Alter Brauch neu entdeckt: das Aufbahren
»Es war eine ganz wunderbare Erfahrung«
Den Sarg bemalen und schmücken
Den Toten in den Sarg betten und aussegnen
Lebens- und Abschiedsfeier, Beisetzung
Den Sarg oder die Urne bestatten
»Ich bin froh, so begleitet worden zu sein«
Sollen Kinder dabei sein?
Geschichten zum Vorlesen für Kinder und Erwachsene
»Die Kinder waren ständig mit dabei«
Das Nachtreffen nach 40 Tagen
»Wir leben weiterhin zusammen, nur auf andere Art«
Mit den Verstorbenen leben
Das Café Tod
Die zwei Seiten des Todes
ANHANG
Checklisten
Zum Vorlesen und Vortragen
Nützliche Internetadressen
Weiterführende Literatur
Quellenverzeichnis der zitierten Textstellen
ZU DIESEM BUCH
»Ich möchte dem Tod seine menschliche Seite zurückgeben«
Der Tod ist für mich das Natürlichste von der Welt. Statt als absolutes Ende empfinde ich ihn als Tor zu einer Verwandlung unseres Seins – danach geht es in einer anderen Dimension weiter.
Früher gehörte der Tod viel stärker zum Alltag. Gestorben wurde meist zu Hause, im Kreis der Großfamilie, auch in Anwesenheit der Kinder. Zusammen wusch man den Leichnam, zog ihn an und bahrte ihn für einige Tage auf. Freunde und Verwandte kamen, um sich zu verabschieden; während der Totenwache wurde die Familie von Nachbarn mit Essen und Trinken versorgt. Später hob man gemeinsam das Grab aus und schaufelte es wieder zu.
Heute ist all das ein Tabu, obwohl das Thema »würdiges Sterben« durch zahlreiche Bücher und Artikel langsam wieder eine Lobby bekommt. Der Tod selbst jedoch wird weiterhin verdrängt. Wer im Krankenhaus stirbt, den bringt das Personal schon nach zwei Stunden ins Kühlfach der Pathologie, von dort holt der Bestatter den Leichnam dann ab. Im Normalfall sehen die Angehörigen den Verstorbenen erst bei der Bestattungsfeier im Sarg wieder – oder gar nicht mehr. Alles, was bis dahin notwendig ist, verläuft ohne ihr Beisein. Das ist umso bedauerlicher, als Tote genau in dieser Zeit einen gravierenden Veränderungsprozess durchlaufen: Es dauert ungefähr drei Tage, bis sich Seele und Geist vollkommen aus dem Körper gelöst haben und lediglich eine leere Hülle zurückbleibt. Dieser Prozess wird den Hinterbliebenen vorenthalten, obwohl er enorm wichtig ist für einen guten Abschied und für die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Trauer wird eben nicht leichter verarbeitet, wenn man alles, was mit dem Verstorbenen zu tun hat, den Profis überlässt. Mehr noch: Man vergibt die einmalige Chance, einem geliebten Menschen einen allerletzten Liebesdienst zu erweisen – ebenso wie sich selbst.
Dieses Buch ist aus dem Anliegen heraus entstanden, dem Tod seine menschliche Seite zurückzugeben und ihn als Teil unseres Lebens zu verstehen. Es soll dazu ermutigen, die alte Tradition des Aufbahrens wieder neu zu beleben. Es soll aufzeigen, wie erfüllend es ist, die Begleitung eines Verstorbenen bis zur letzten Ruhe bewusst zu gestalten.
Ich habe dieses Buch nicht selbst geschrieben. Zum Glück konnte ich die Journalistin und Autorin Annette Bopp dafür begeistern, die sich schon in zwei Büchern intensiv mit dem Thema Sterben und Tod beschäftigt hat. Sie hat meine zunächst noch ungeordneten Gedanken und Geschichten in eine gut lesbare Form gebracht.
Wir hoffen beide, dass die Lektüre Sie inspiriert, künftig dem Tod einen Platz in Ihrem Leben zu geben – und einer neuen, menschlicheren Bestattungskultur eine Chance.
Berlin, im September 2018
Angela Fournes
»Den Tod als integralen Bestandteil des Lebens verstehen«
Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass mich ein Anruf von Angela Fournes aus Berlin erreichte: Ob ich mir vorstellen könne, mit ihr ein Buch über das Bestatten zu schreiben, über den würdigen Umgang mit einem Verstorbenen – vom Moment des Todes bis zur Trauerfeier und Beisetzung? Schon in den vergangenen Jahren hatte ich mich intensiv mit dem Thema Sterben und Tod befasst. Das Ergebnis waren zwei Bücher, die ich zusammen mit der Palliativkrankenschwester Dorothea Mihm geschrieben habe: Die sieben Geheimnisse guten Sterbens und Anleitung zum guten Sterben. Der Aspekt des Bestattens fehlte noch; er war in den bisherigen Werken nicht vorrangig.
Angelas Anfrage kam in einer Zeit, als mir Fakten aus dem Jahr 2013 wieder in die Finger kamen, die nicht nur für Sterben und Tod, sondern auch für die heikle Frage der Organspende relevant sind. Forscher hatten im Fachblatt Human Neurosciences neue Erkenntnisse zu den körperlichen Funktionen Sterbender publiziert, die bisher kaum Beachtung gefunden hatten. Sie sind das Ergebnis wissenschaftlich fundierter Messungen abseits jeder Esoterik:
• Das Gehirn stirbt nach dem Tod nicht gleich ab, sondern arbeitet noch mehr als zehn Minuten lang weiter. Nur wenige Minuten zuvor empfängt es letztmals wahre Salven von Elektrizität.
• Zeichnet man in dieser Zeit die Gehirnströme mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) auf, ist das Muster bei jedem Menschen unterschiedlich. Das bedeutet, jeder einzelne von uns macht auch nach dem offiziellen Eintritt des Todes noch individuelle Erfahrungen.
• Das Gedächtniszentrum ist weiterhin aktiv, auch wenn das restliche Hirn bereits tot ist. Es ist der letzte Teil des Gehirns, der erlischt. Unmittelbar bevor es seine Aktivität einstellt, schickt es noch einmal besonders emotionale Erinnerungen vor die Augen des bereits Gestorbenen.
• Noch zwei Tage nach dem Tod arbeiten mehr als tausend Gene in unserem Körper. Einige davon sind hochaktiv. Es sind Gene, die Entzündungen triggern, das Immunsystem anregen, Stress entgegenwirken und sogar das Krebswachstum fördern. Warum werden diese Gene ausgerechnet im bereits gestorbenen Körper wieder lebendig?
Diese Erkenntnisse und nicht zuletzt die Erforschung von Nahtoderlebnissen stellen uns unweigerlich vor eine entscheidende Frage: Ist vor diesem Hintergrund der Hirntod als Definition für den Todeszeitpunkt noch zu rechtfertigen? Mehr noch: Lässt sich die heute übliche Praxis im Umgang mit Verstorbenen noch aufrechterhalten? In Krankenhäusern schieben wir sie kurzerhand ins Kühlfach, in Pflegeheimen und anderswo lassen wir sie möglichst schnell vom Bestatter abholen, der sie wiederum in irgendeinen Kühlraum verfrachtet. Ist dieses Vorgehen vertretbar, wenn doch der Körper noch ein bis zwei Tage nach seinem Tod ganz offensichtlich bestimmte Funktionen aufweist, auch wenn diese bereits im Ersterben begriffen sind? Was tun wir ihm damit an?
Nein, ich möchte nicht, dass mit mir so umgegangen wird. Ich möchte die Möglichkeit haben, in Ruhe mein Leben – im wahrsten Sinne des Wortes – auszuhauchen, möglichst im Kreise meiner Lieben, zu Hause. Deshalb habe ich inzwischen genau verfügt, wie mit mir umgegangen werden soll, wenn es zu Ende geht. Und ich kann nur hoffen, dass diese Wünsche dann so umgesetzt werden können.
Es ist wichtig, dass wir schon zu Lebzeiten auf diese Fragen aufmerksam werden und nicht erst, wenn der Tod unmittelbar bevorsteht. Natürlich erfordert das etwas Mut. Deshalb habe ich es sehr begrüßt, dass nun ein Buch über die Möglichkeiten entstehen sollte, Verstorbenen anders zu begegnen: menschlich, liebevoll, angstfrei.
Schon mehrfach durfte ich miterleben, wie Menschen nach ihrem Tod aufgebahrt wurden – und empfand es ausnahmslos als eine schöne, sinnvolle und würdige Tradition. Es wurde geweint und gelacht am Totenbett, Lustiges und Nachdenkliches miteinander geteilt. Man fühlte sich miteinander und mit dem Verstorbenen verbunden, und das Leben bekam damit eine neue, noch lebendigere Dimension. Leider ist es aber immer noch keine Selbstverständlichkeit, Menschen zu Hause sterben zu lassen. Noch viel seltener werden sie dort aufgebahrt. Die meisten Hinterbliebenen wissen gar nicht, dass das möglich ist, oder sie haben Angst vor dem Umgang mit einem Leichnam. Es ist allerdings höchste Zeit, dass wir den Tod endlich als integralen Bestandteil des Lebens verstehen lernen.
Mit Trauerfeiern habe ich sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, gute wie schlechte. Angesichts der allgegenwärtigen Berührungsängste schien es mir mehr als drängend, das Thema aus der Schmuddelecke zu holen und ein Modell zu entwickeln, wie man besser mit Sterben und Tod umgehen kann. Angela Fournes steht für eine besondere, heutzutage noch wenig verbreitete Kultur: als professionelle Außenstehende die Angehörigen und auch den Verstorbenen selbst durch diese wichtige Phase zu begleiten.
Und so ließ ich mir von ihr berichten, wie sie dabei vorgeht, welche Motive sie bewegen und wie sie überhaupt dazu kam, Bestatterin zu werden. Ich habe alles bewusst so aufgeschrieben, wie sie es mir erzählt hat, in ihren eigenen Worten, weil ich wollte, dass es so authentisch bleibt, wie Angela nun einmal ist. Das Bestatten ist ihr Herzensthema. Ich war nur das Instrument dafür, ihre Erfahrungen zu Papier zu bringen.
Zusätzlich habe ich mit Menschen gesprochen, die mit dieser besonderen Art des Bestattens eigene tiefgreifende Erfahrungen gemacht haben. Sie sind die besten Zeugen dafür, wie bereichernd und heilsam der direkte, unverstellte Umgang mit einem Toten sein kann. Die Protokolle dieser sehr persönlichen Geschichten finden Sie über das ganze Buch verteilt.
Wenn es dazu beiträgt, dass mehr Menschen den Mut finden, den Tod in ihrer Lebens- und Gedankenwelt willkommen zu heißen und dadurch anders mit Verstorbenen umzugehen – dann hat dieses Buch sein Ziel erreicht.
Hamburg, im September 2018
Annette Bopp