Buch
Elyse Gilbert, genannt Lucky, ist auf der Flucht – vor ihrer Vergangenheit und einem Mann, der ihr nach dem Leben trachtet. Völlig mittellos gelangt sie nach New York, wo sie auf eine Anzeige stößt, die ihre Rettung sein könnte. Eine Million Dollar für zehn Nächte mit dem mysteriösen Q, der sein Gesicht hinter einer Maske verbirgt. Um den einzigen Menschen zu schützen, der ihr am Herzen liegt, und um zu überleben, nimmt sie das unmoralische Angebot an. Q entführt Lucky in seine luxuriöse Villa und in eine dunkle Welt der Lust, nach der sie sich mit jeder weiteren Nacht mehr sehnt. Denn auch wenn die kalte Stimme hinter der Maske sie abstößt, berühren die gemeinsamen Stunden ihr Herz. Doch Lucky kann nicht ahnen, dass Q einer der reichsten Männer New Yorks ist und sie nur eine Figur in einem gefährlichen Rachespiel …
Autorin
Zara Cox schreibt seit ihrem dreizehnten Lebensjahr. »Mister Q« ist ihr erster Roman, der auch in Deutschland erscheint.
Zara Cox
Mister Q
Erotischer Roman
Aus dem Amerikanischen
von Karin Dufner


Teil Eins
Q
1
CASTING
April, 2015
Eigentlich müsste ich nicht hier sein. Völlig überflüssig.
Nicht schon wieder eine.
Ich habe jetzt mehr als genug Material. Ich sollte die Bombe platzen lassen.
Das sage ich mir inzwischen schon seit Monaten.
Mist, wem will ich denn etwas vormachen?
Genug wird nie genug sein. Er muss für seine Tat bezahlen, und zwar mit absolut allem, was ich ihm wegnehmen kann.
Außerdem habe ich die Eier zuzugeben, dass es zur Sucht geworden ist. Das Hinauszögern der Befriedigung gehört zum Spiel. Es wird zum Zwang. In meiner von Überdruss geprägten Welt, in der ich alles kriege, wenn ich nur mit dem Finger schnippe, lernt man riskante Kicks wie diesen zu schätzen.
In einem Wimpernschlag werden sie verflogen sein. So wie alles Angenehme in meinem Leben.
Ich schaue auf die Uhr.
17:58.
Ich stehe vom Sofa auf, gehe den breiten Flur entlang und trete in das leere Zimmer. Es ist nicht völlig leer, könnte es jedoch genauso gut sein. Seit ich die Wohnung vor sechs Monaten nach meiner Zeit in Boston und meiner Rückkehr nach New York erworben habe, habe ich mir die Mühe gespart, sie einzurichten. Es ist, als ahne mein Unbewusstes, dass ich sie nur für diesen einen Zweck brauche.
In der Mitte des Raums nehme ich die Fernbedienung vom Tisch und drücke auf »Power«. Drei Bildschirme erwachen zum Leben. Ich setze mich in den Ledersessel, den ich vorhin hier hingestellt habe. Drei Gesichter starren mir entgegen. Dunkelheit und verspiegeltes Glas bewirken, dass sie mich nicht so deutlich sehen können. Und selbst wenn, ich trage meine Maske. Schwarze Kleidung und Lederhandschuhe vervollständigen die Tarnung.
Anonymität ist der Schlüssel. Ich bin einfach zu bekannt, um mich zu zeigen. Zumindest im Moment. Wer weiß, was in einem oder zwei Monaten sein wird? Jeden Tag ringe ich um Beherrschung. Vielleicht wache ich morgen ja auf und beschließe, dass der Zeitpunkt da ist, nachzugeben und meinen Plan zu enthüllen.
Ich schäme mich nicht, weil ich diesen Weg beschreite, um mein Ziel zu erreichen. Weit gefehlt. Mich dabei selbst zu zerstören ist genau das, worauf ich hinauswill. Wenn ich fertig bin, soll nichts, aber auch gar nichts, übrig bleiben, was man erhalten oder wiedergutmachen kann.
Im Moment ist meine Rolle in der Öffentlichkeit unabdingbarer Bestandteil meines Masterplans. Und da ich bereits jede Menge Sünden auf mich geladen habe, habe ich keinerlei Skrupel, auch noch Eitelkeit hinzuzufügen. Ich gebe zu, dass ich mein anderes Leben liebe. Und meine Identität geheim zu halten erhöht den Kitzel zusätzlich.
Und mir geht es nur um den Kitzel. Ansonsten würde ich Gefahr laufen, vor der Zeit in einem dunklen Abgrund zu versinken. Dem Abgrund, an dessen Rand ich, nach den warnenden Worten meiner Psychotherapeutin zu urteilen, entlangbalanciere.
Sie hält es für eine Erleuchtung, dieses Informationsbröckchen, das sie mir vor drei Jahren in den Schoß geworfen hat. Wenn die nur wüsste. Schon seit ich fünfzehn bin, starre ich in diesen Abgrund, so lange, dass er mit mir verschmolzen ist. Wir sind eins. Unseren letzten Tanz haben wir noch nicht getanzt, aber das ist nur eine Frage der Zeit.
Ich bin achtundzwanzig.
Die dreißig werde ich nicht erleben.
Da das eine feststehende Tatsache ist, hole ich mir mein Vergnügen, wo ich kann.
»Ihr habt alle ein Manuskript vor euch. Wenn ich es sage, lest ihr laut vor. Du fängst an, Pandora.« Ich benutze einen Stimmverzerrer, da in meiner echten Stimme ein heiserer Unterton mitschwingt, der mich verraten könnte. Wegen meiner Position hatte ich schon öfter eine Kameralinse im Gesicht als Sex. Und das will etwas heißen.
Pandora – was ist denn das für ein beschisssener Prollname? – kichert. Als sie eifrig nickt, hüpfen ihre goldenen Locken. Ich unterdrücke ein gereiztes Knurren und setzte sie auf die »Vielleicht«-Liste.
»Darf ich mal fühlen, sagt er.« Wieder kichert sie.
Zehn Sekunden später landet sie unverrückbar auf der »Nein, verdammt«-Liste. Ich drücke auf die Gegensprechanlage. Sie wird hinausbegleitet, und ich wende mich dem nächsten Mädchen zu.
Die Rothaarige starrt in die Kamera. Sie schürzt die Lippen, frei nach dem Motto »Ich bin dazu geboren, dir einen zu blasen«. Ich muss zugeben, dass die Beleuchtung ihr mehr schmeichelt als ihrer Vorgängerin. Doch ihre Augen sind ein wenig zu groß. Zu grün.
Ich stelle die Kamera ein, um sie gründlicher zu mustern. »Welche Augenfarbe hast du? Und behaupte jetzt nicht, dass sie grün sind. Ich erkenne die Ränder deiner Kontaktlinsen.«
Sie errötet. »Äh … sie sind grau.«
Ich konsultiere die Aufzeichnungen auf meinem Tisch. »Und Missy ist dein echter Name?«
Sie nickt heftig.
»Hast du die Anweisungen gelesen?«
»Äh … ja«, antwortet sie. Der Satz verebbt im Ansatz einer Frage. Sie ist eindeutig nicht die Klügste.
»Und was steht da über Lügen?«
Der »Ich blas dir einen«-Ausdruck verfliegt. »Es sind doch nur Kontaktlinsen.« Als sie sich vorbeugt, wirft sie mit ihren Titten, Körbchengröße Doppel-D, fast die Kamera um. »Ich kann sie auch rausnehmen.«
»Nein, lass es. Dein Vorstellungsgespräch ist vorbei. Bitte geh jetzt«, befehle ich in meiner besten Normalostimme und drücke auf die Gegensprechanlage.
Laut eines Aspekts, auf dem meine Therapeutin ständig herumhackt, mag ich eine Schraube locker haben, doch Mama, Gott schenke ihrer reinen Seele Frieden, hat mich als Gentleman erzogen. Auch wenn Mama inzwischen Futter für die Würmer ist, heißt das noch lange nicht, dass ich ihr Andenken nicht mit einem Hauch von Höflichkeit ehren kann.
Missy schürzt wieder die Lippen und öffnet den Mund, als wolle sie um gut Wetter bitten. Doch der kräftige Wachmann, der gerade eintritt und ihr auf die Schulter tippt, überzeugt sie, dass Worte hier nichts mehr ausrichten können.
Ich wende mich dem letzten Bildschirm zu.
Sie hat den Blick gesenkt. Ihre Wimpern sind so lang, dass ich mich frage, ob ich wieder einer Blenderin aufgesessen bin. Seufzend betrachte ich den Rest ihres Gesichts. Kein Make-up oder fast keines, falls sie sich die Mühe gemacht hat. Ihre Lippen sind voll, und sie hat ein wenig Lipgloss aufgetragen. Auf der linken Gesichtshälfte, gleich über der Oberlippe, hat sie ein winziges Muttermal. Also echt.
Ich vergrößere das Bild und mustere den Rest, den ich sehen kann. Ihr graues T-Shirt ist so abgetragen, dass es beinahe fadenscheinig ist. Außerdem stehen ihre Schlüsselbeine ein bisschen zu stark hervor. Mit Unterernährung begeistert man die Massen nicht. Aber dieses Problem lässt sich leicht beheben.
Anders als der übrige Bestand, aus dem ich meine früheren Kandidatinnen ausgewählt habe, scheint sie nicht in BDSM-Clubs zu verkehren. Kurz frage ich mich, ob es meine sorgfältig platzierte Annonce war, die sie angelockt hat.
Ihre Brust unter dem T-Shirt hebt und senkt sich stetig. Doch der pochende Puls an ihrer Kehle verrät sie. Ich zoome den Puls heran. Die Haut darüber ist weich, ja, beinahe seidig und von zartem karamellblondem Flaum bedeckt.
Etwas an ihr sorgt dafür, dass ich an die Sesselkante rutsche. Mir gefällt ihre vorgespielte Ruhe. Die meisten Menschen fangen im grellen Licht eines Kamerascheinwerfers an zu zappeln.
Ich werfe einen Blick auf ihre Kurzbiografie. »Lucky.«
Langsam hebt sie den Kopf. Ihre Augenlider öffnen sich. Ihre Augen sind grünbraun mit einem natürlichen dunklen Rand um die Iris, der die Farbe betont. Ich kriege es zwar nicht ganz zu fassen, doch etwas an ihrem Augenausdruck weckt mein Interesse.
Verdammt, wenn ich ein Herz hätte, würde ich schwören, dass es einen Schlag ausgesetzt hat.
»Ist das dein echter Name?«
Sie zuckt die Achseln. »Könnte sein«, murmelt sie.
Verdammt. Schon wieder eine Lügnerin. »Wenn man das nächste Bond-Girl werden will, wirkt die geheimnisvolle Tour vielleicht sexy. Aber hier nützt sie dir nichts. Sag mir deinen wahren Namen. Oder geh.«
»Nein.« Ihre Stimme klingt rauchig und erotisch und lenkt mich einen Moment ab, bevor ich ihre Antwort registriere.
»Nein?«
»Bei allem Respekt, doch Sie verstecken sich hinter einer Kamera und geben Befehle. Ich verstehe, dass Sie bei diesem kleinen Spiel alle Trümpfe in der Hand haben. Doch ich werde Ihnen meine nicht gleich am Anfang zeigen. Was den Sinn und Zweck dieses Vorstellungsgesprächs angeht, heiße ich Lucky. Auch wenn dieser Name nicht in meiner Geburtsurkunde steht, höre ich darauf, seit ich fünfzehn bin. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«
Oh … fuck, sieh an. Überrascht und amüsiert stelle ich fest, dass ich beinahe schmunzeln muss.
Ich streiche mir mit dem behandschuhten Finger über den Mund, hin- und hergerissen, ob ich ihr ihre Frechheit durchgehen lassen oder sie rausschmeißen soll.
Ja, sie fasziniert mich. Und die Daten, die ich brauche, werde ich schon aus ihr herausholen, bevor sie auf der gestrichelten Linie unterschreibt, falls es so weit kommen sollte. Allerdings muss sie bei diesem Job unwidersprochen meinen Befehlen gehorchen.
»Steh auf. Entfern dich von der Kamera, bis du an der Wand bist.«
Lucky erhebt sich anstandslos, was mich ein wenig versöhnlicher stimmt. Sie schiebt den Stuhl beiseite und weicht langsam zurück. Der Saum ihres weiten T-Shirts endet an einer ausgewaschenen Jeans. Noch ehe sie voll vor der Kamera steht, erhasche ich einen ersten Blick auf ihre Stundenglasfigur und ihre zierliche Gestalt. Sie ist ein Pin-up-Girl aus den Fünfzigern in billigen Kleidern. Ihre Brüste sind voll, wenn auch nicht ganz Körbchengröße Doppel-D. Oberschenkel und Waden sind so wohlgeformt, dass sie auf der Straße Vollbremsungen auslösen würden. Ihr natürlich goldbrauner Teint weist darauf hin, dass sie vermutlich aus dem Mittleren Westen stammt.
Sie hat das Potenzial, die Männer aus den Socken zu hauen – nach einigen nahrhaften Mahlzeiten natürlich. Im Moment ist sie zu schlank. Allerdings habe ich in meinem verkommenen Leben schon genug gesehen und getan, um zu wissen, dass nicht ihr Körper die Attraktion sein wird, sondern ihr Blick. Die Geheimnisse und Schatten, die sie mit aller Mühe zu verbergen versucht und die sie fast bei lebendigem Leibe auffressen.
Eigentlich sind mir diese Geheimnisse scheißegal. Aber die Vorstellung, sie zu ficken und meine Spielchen mit ihr zu treiben, lässt eine zerstörerische Flamme in mir emporzüngeln.
»Dreh dich um und lass deine Haare herunter.«
Kurz zucken ihre Finger an ihren Seiten, bevor sie sich zur Wand wendet. Eine Hand hebt sich und zupft an dem Band, das den lockeren Knoten oben auf ihrem Kopf zusammenhält.
Eine karamellfarbene und goldene Mähne fällt ihr über den Rücken. Ihre Wellen sind dicht genug, um meine Hände zu verschlucken, und reichen ihr bis über die Taille. Die zulaufenden Enden streifen den Ansatz ihres makellos geformten Hinterns.
Nachdem ich sie eine Weile beobachtet habe, spreche ich mit verstellter Stimme ins Mikrofon. »Hast du irgendwelche auffälligen Muttermale, von denen ich wissen sollte, Lucky?«
Die Frage kommt an. Kurz verspannt sich ihr Rücken, ehe sie sich zwingt, locker zu werden. »Ja.«
»Wo?«
»Oben am Oberschenkel«, erwidert sie.
»Zeig es mir«, entgegne ich, obwohl ich es eigentlich nicht zu sehen brauche. Meine sorgfältig ausgewählten Maskenbildnerinnen können jedes störende Muttermal überschminken.
Langsam dreht sie sich um. Ich rechne damit, dass sie den Blick senkt oder zumindest ein wenig Verlegenheit an den Tag legt. Doch sie sieht direkt in die Kamera, während ihre Finger an den Knöpfen ihrer Jeans nesteln. Der Reißverschluss öffnet sich, und sie schiebt sich den Stoff über die Hüften. Ihr weißes Unterhöschen aus Baumwolle ist schlicht und gelinde gesagt abtörnend. Dennoch wandern meine Augen zu dem anliegenden Stoff, der ihre Schamlippen bedeckt.
Ich bemerke auch, wie sich ihr Busch leicht darunter abzeichnet.
Ich rutsche in meinem Sessel herum, berühre jedoch nicht die Erektion, die in meiner Hose zum Leben erwacht. Sich selbst einen runterzuholen ist Zeitverschwendung. Entweder ficke ich oder nicht. So einfach ist das.
Sie lässt die Jeans auf Kniehöhe sinken und dreht das rechte Bein nach außen. Der rote Kreis an der Innenseite ihres Oberschenkels ist so auffällig, dass er überschminkt werden muss. Ich merke es mir.
»Danke, Lucky, du kannst dich wieder anziehen.«
Kurz malt sich Überraschung auf ihrem Gesicht, doch sie ordnet ihre Kleidung. Dann fallen ihre Hände wieder seitlich an den Körper.
»Es ist Zeit für die Probeaufnahmen. Streich deine Haare zur Seite und komm näher. Leg deine Hände flach auf den Tisch und beug dich vor, aber setz dich nicht.«
Sie befolgt meine Anweisungen buchstabengetreu. Ich stelle die Kamera so ein, dass sie auf ihr Gesicht gerichtet ist.
»Bist du bereit?«
Sie nickt fast unmerklich.
»Du bist gerade in eine Bar gekommen. Du kennst mich nicht. Aber du siehst mich. Ich bin der Typ, der mit einem Bourbon in der Ecke sitzt. Und ich sehe dich. Alles von dir. Jede Fantasie, die du je hattest. Ich will es dir besorgen. Du hast mich gefunden, Lucky, den Typen, der sich mehr danach sehnt, dich zu ficken, als nach seinem nächsten Atemzug. Siehst du mich.«
Ihre Nasenlöcher beben leicht. »Ja.«
»Gut. Schau in die Kamera. Nicht zwinkern. Zeig mir, was ich sehen will. Überzeug mich davon, dass du es wert bist, gefickt zu werden. Überzeug mich davon, dass du es wert bist, für dich zu sterben.«
Ihre Augenlider senken sich, ihre Miene wird nachdenklich. Doch sie zwinkert weder, noch verliert sie die Konzentration. Langsam wandelt sich ihr Gesichtsausdruck von gleichgültig zu fasziniert. Ihre Augen gehen auf, und plötzlich ist sie eine grünäugige Sirene. Ihre Aufmerksamkeit ist voll da, ohne abzuschweifen. Ihre Lippen von der Farbe zerdrückter Rosenblätter öffnen sich, doch anders als erwartet, fährt sie sich nicht mit der Zunge darüber. Sie … atmet nur. Ein. Aus.
Sie schluckt, eine langsame Bewegung, die den Blick auf ihren Hals und dann tiefer zu ihren Brüsten lenkt. Wider Willen gebannt betrachte ich, wie sich ihre Brustwarzen unter dem dünnen Stoff ihres T-Shirts verhärten. Langsam krallen sich ihre Finger in das harte Holz, bis sich jeder Atemzug in eine lautlose Forderung verwandelt.
Ein … fick … aus … mich …
Ein. Fick.
Aus. Mich.
Ich rühre mich nicht, obwohl es mir in den Fingern juckt und meine Muskeln von einer Ruhelosigkeit brennen, die ich schon lange nicht mehr gespürt habe.
Ich beobachte, wie sie die Kamera im Griff hat. Ihr Körper ist lüstern angespannt. Ihre Augen weiten sich, weil sie blinzeln muss, doch sie tut es nicht.
Sie verharrt reglos und mit geballten Fäusten und atmet einfach nur Sex. Ihre Augen werden feucht, und eine Träne rinnt ihr die Wange hinunter. Der Anblick ist seltsam befreiend, ein winziger Höhepunkt.
Ich lehne mich im Sessel zurück. »Das war recht überzeugend. Du darfst dich setzen, Lucky.«
Sie blinzelt heftig, bevor sie auf den Stuhl sinkt. Ein kurzes Wischen, und die Träne hat es nie gegeben. Ebenso wenig wie den Fick des Jahrhunderts, den ihr Gesicht gerade noch versprochen hat.
Ihre schauspielerischen Fähigkeiten sind beachtlich. Kurz bin ich nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist. Sie sollte besser nicht zu talentiert sein. Ich schiebe den Gedanken beiseite und lese weiter ihre Akte.
»Du gibst ein Motel als deine Adresse an?«
Ich kenne die Adresse in Queens zwar nicht, doch die Motelkette ist als unterste Schublade verschrien. Ohne mir meinen Widerwillen anmerken zu lassen, warte ich auf ihre Antwort.
»Ich bin erst seit Kurzem in der Stadt. Ich habe noch keinen festen Wohnsitz.«
Die Geheimnisse in ihren Augen, die abgetragenen Kleider, die zerzausten Haare und die unrasierte Möse erzählen allmählich ihre eigene Geschichte. Auch wenn sie den Mut hat, mir Widerworte zu geben und damit einen Job mit einem Spitzenverdienst zu riskieren, ist sie auch verzweifelt.
Die Frage lautet nur, wie verzweifelt.
»Bist du zurzeit irgendwo beschäftigt?«
Sie nickt. »Ich arbeite hin und wieder in einer Großküche. Aber ich kann mir freinehmen, wenn es nötig ist.«
»Also hättest du Zeit, falls ich dich haben will?«
Die Verzweiflung bricht sich Bahn, und ihre Augen blitzen ein wenig zornig. »Falls? Soll das heißen, dass ich das alles hier umsonst gemacht habe?«
Ihre Chuzpe bringt mich ein wenig zum Lachen. »Du hast doch nicht ernsthaft gedacht, dass du nach dreiminütigen Probeaufnahmen einfach so eine Million Dollar kriegst, oder?«
Die Wut verschwindet aus ihren Augen, obwohl sie kurz die Lippen zusammenpresst, ehe sie etwas erwidert. »Stimmt es also? Ist es kein Trick? Gibt es für diesen Job wirklich eine Million Dollar? Für … Sex?«, stößt sie hervor.
»Meinst du, ich würde es zugeben, wenn es ein Trick wäre? Wie lautete der Anzeigentext?«
»Eine Million hemmungslose Gründe, es zu wagen.
Eine Million Chancen, ewig ausgesorgt zu haben.
Eine Million, um Lüste auszuleben.
Hast du den Mut, dich einfach hinzugeben?
Für einen Zahltag, den du nie vergessen wirst.«
Dass sie sich wortwörtlich daran erinnert, ist ein weiterer Hinweis für ihre Bedrängnis.
Schweigend warte ich darauf, dass sie fortfährt.
»Nehmen wir einmal an, dass es kein Trick ist. Wie funktioniert es dann genau?«
»Wenn du die nächsten Prüfungen bestehst und ich entscheide, dass du passt, kriegst du den Auftrag. Für jeden Auftritt bekommst du hunderttausend Dollar.«
»Also … zehn Auftritte. Über welchen Zeitraum?«
»Hängt davon ab, wie viele Aufnahmen nötig sind. Etwa zwischen drei Wochen und einem Monat. Aber ich sollte dich warnen. Es ist harte Arbeit, Lucky. Falls du glaubst, du könntest dich zurücklehnen und im Kopf die amerikanische Nationalhymne aufsagen, vergiss es lieber.«
Ihre Finger klopfen auf den Tisch, das erste Zeichen von Nervosität, das sie sich anmerken lässt. »Ich … ich muss doch nichts … Fieses machen, oder?«
»Definiere ›fies‹.«
»Es geht doch nur um normalen Sex. Keine anderen Körperausscheidungen? Denn das wäre bei mir ein klares Nein.«
Wieder zuckt es um meinen Mund. »In den Auftritten spielen weder Natursekt noch Fäkalien oder Perversionen eine Rolle.«
Ihre Finger hören auf zu klopfen. »Okay.« Abwartend blickt sie direkt in die Kamera. »Und wann bekomme ich Bescheid?«
Ich höre die kaum verhohlene Dringlichkeit und streiche mir mit dem Finger über die Lippen. »Bald. Ich melde mich innerhalb der nächsten Woche.« Keine Ahnung, warum ich mit ihr spielen will. Doch ich habe das Gefühl, dass es mir einen weiteren heiß ersehnten Kick geben wird, wenn ich sie auf Trab halte.
Als sie den Mund öffnet, unterbreche ich sie. »Auf Wiedersehen, Lucky.«
Ein flüchtiger Gedanke über den Ursprung ihres Namens wird zerquetscht und vergessen. Ich drücke auf die Gegensprechanlage, damit der Wachmann sie hinausbegleitet, und verlasse den Raum.
Wenige Minuten später fahre ich in meinem Arbeitszimmer den Computer auf dem Schreibtisch hoch und aktiviere den verschlüsselten Server, den ich brauche. Nachdem ich die Anwendung geöffnet habe, loggen sich kurz darauf die Mitglieder meines exklusiven Herrenclubs ein.
Meine Mail ist kurz und bündig.
Nächste Q-Produktion erscheint am 20.03.2015.
Auf zehn Mitglieder beschränkt.
Versteigerung beginnt in fünfzehn Minuten.
Ich starte den Countdown, stehe auf und schenke mir einen Bourbon ein. Mit dem ersten Schluck spüle ich die beiden rezeptpflichtigen Tabletten hinunter, die angeblich verhindern sollen, dass ich austicke. Dann schlendere ich zur Fensterfront und schaue auf den für Midtown typischen Verkehrsstau hinunter. Dieses Penthouse mittleren Niveaus ist eines von vielen, die ich in diesem Gebäude und überall in New York besitze.
Offiziell wohne ich nicht hier. Ich nutze das Apartment nur, wenn Stimmungsschwankungen und Druck verlangen, dass ich ein wenig Abstand zur Villa meiner Familie in der Upper West Side gewinne. Nie würde ich lange wegbleiben. Denn ich habe mich damit abgefunden, dass meine Familie mich nie in Ruhe lassen wird.
Ich weiß eben, was ich weiß. Deshalb haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, mich an der kurzen Leine zu halten. Doch mit über dreihundert Immobilien in meinem persönlichen Portfolio und noch einigen Tausend mehr unter der Verwaltung des Familienunternehmens habe ich viele Möglichkeiten, mich zu verdrücken, wenn die Dämonen heulen.
Und heute ist das Penthouse in Midtown mein vorübergehender Rückzugsort.
Als meine Zeitschaltuhr mich piepsend darauf hinweist, dass mir noch eine Minute bleibt, drehe ich mich um.
Ich setze mich an den Schreibtisch und schalte den Stimmverzerrer ein. Als die Uhr bei null angelangt ist, betätige ich die Maus. »Gentlemen, fangen Sie an zu bieten.«
Ich habe den Satz noch kaum beendet, als die ersten fünf Gebote auf dem Bildschirm erscheinen. Sechzig Sekunden später ist eine Gesamtsumme von einer Viertelmillion Dollar erreicht. Ich lehne die Fingerspitzen aneinander und wünsche, ich könnte mehr Begeisterung aufbringen. Das Geld bedeutet mir nichts. Das hat es noch nie. Das Endspiel ist es, das mir einen Kick gibt.
Meine Gedanken wandern zurück zu Lucky. Wenn ich ihre geschickte Heimlichtuerei näher betrachte, muss ich zugeben, dass sie Potenzial hat.
Ich will mich mit einem Skalpell über ihre Geheimnisse hermachen, sie ausbluten lassen und mir die Hände mit diesem Blut beschmieren. Außerdem will ich sie ficken, bis ihr Körper den Geist aufgibt. Im Moment bin ich nicht sicher, was ich mehr will.
Deshalb konzentriere ich mich auf die Summen auf dem Bildschirm, die immer höher werden.
Eine halbe Million. Eine Million. Anderthalb Millionen.
Mein Telefon piepst zwei Mal. Ich greife danach und lese die beiden Terminerinnerungen auf dem Display.
19:00 – Dr. Nathanson. Meine Therapeutin.
21:00 – Abendessen mit Maxwell.
Ich bestätige den ersten Termin und lösche den zweiten.
Ein Essen mit Maxwell abzusagen wird mir eine ganze Wagenladung Ärger einhandeln. Niemand sagt ein Abendessen mit Maxwell Blackwood ab. Zuerst einmal deshalb, weil er einer der mächtigsten Männer des Landes ist.
Außerdem ist er mein Vater.
Ja, ich heiße Quinn Blackwood und bin Erbe des Blackwood-Vermögens und zudem das einzige Kind von Maxwell Blackwood und Adele Blackwood (verstorben). Meine Familie besitzt eine atemberaubende Menge von Immobilien an der Ostküste der Vereinigten Staaten und auch ein paar Liegenschaften im Westen. Wenn man den Erbsenzählern glauben kann, bin nur ich allein sechsundzwanzig Milliarden Dollar schwer.
Allerdings ist mein einziges Lebensziel, mit meinem Vater in der Hölle zu ringen. Schon seit ich fünfzehn bin. Deshalb ignoriere ich sein Kommando und beobachte, wie die Nachzügler zurückbleiben und nur noch die zehn höchsten Gebote übrig sind. Die Auktion steuert auf ihr Ende zu, und nach nur einer halben Stunde bin ich knapp zwei Millionen Dollar reicher.
Als ich den Namen des höchsten Bieters erkenne, grinse ich hämisch. Ihm zusätzlich zu allem anderen auch noch das Geld abzunehmen ist auf düstere Weise befriedigend.
Nach der Versteigerung schließe ich die App und rufe eine andere Liste auf. Dutzende Webseiten von Hilfsorganisationen mit Fotos verhungernder Kinder füllen meinen Bildschirm. Wenige Minuten später sind fünfzig dieser Organisationen die dankbaren Empfänger von zwei Millionen Dollar.
Ich mag Quinn Blackwood sein, gelegentlicher Konsument von verschreibungspflichtigen Medikamenten, um die Dämonen in Schach zu halten. Außerdem im Nebenberuf Q, Pornostar für einen exklusiven Kreis, der für meine Arbeit Millionen hinblättert.
Vielleicht sogar ein durchgeknalltes Arschloch, das ernsthafte Probleme mit seinem Daddy hat.
Aber mangelnde Großzügigkeit kann mir niemand vorwerfen.
2
VOR DEM DREH
»Wie geht es dir heute, Quinn?«
Ich seufze auf. »Ich zahle dir hunderttausend Dollar, wenn du versprichst, bei unseren Sitzungen nicht mehr diese Frage zu stellen.«
Adriana Nathanson mustert mich eine ganze Minute lang schweigend über den Rand ihrer rechteckigen Brille hinweg. Für eine Frau Mitte vierzig sieht sie gut aus und könnte sogar für eine blonde und blauäugige sexy MILF durchgehen, obwohl ich Vorboten einer beginnenden Botox-Sucht wahrnehme. »Warum soll ich diese Frage nicht stellen?«
»Weil wir beide wissen, dass alles, was ich antworte, eine Lüge wäre.«
»Ich habe einen Vorschlag: Weshalb versuchst du es nicht ausnahmsweise mit der Wahrheit?«
»Ich habe auch einen Vorschlag: Fuck off, Dr. Nathanson.« Mein Puls wird kaum schneller. Allerdings schwingt in meinem Ton eine Gehässigkeit mit, die mich selbst überrascht.
»Ich dachte, wir wären über die Feindseligkeitsphase hinweg und würden Fortschritte machen, Quinn.«
»Wirklich?«, hake ich ohne eine Spur von Interesse nach. »Und wie kommst du darauf?«
»Weil du seit über einem Jahr keine Anzeichen mehr dafür gezeigt hast.« Sie notiert sich etwas.
Ich schweige.
Nach einer Weile blickt sie auf. »Quinn?«
»Doctor?«
»Ist seit unserer letzten Sitzung etwas geschehen? Du wirkst … aufgebracht.«
Ich knacke laut mit den Fingerknöcheln. »Nein, bin ich nicht.«
Wir starren einander an. Dieses Spiel haben wir schon Tausende von Malen gespielt.
»Wie ist es mit den Albträumen?«
Zwischen meinen Schulterblättern zuckt es. Eins muss man ihr lassen. Sie hat ihre Geistesblitze. Allerdings nicht viele, sonst würde ich sie nicht schon seit zehn Jahren aufsuchen, obwohl es offiziell für meinen Zustand keine Heilung gibt.
Ich lehne mich zurück und scheuere das Zucken am Ledersessel weg. »Die sind immer noch drei Stufen über Normalnull.«
»Daran ist nichts normal, Quinn. Erzähl mir von dem letzten.«
Das Zucken wird stärker. Ich schüttele es ab. »Kein Unterschied zu dem davor oder zum vorvorletzten.« Ganz gleich, was ich tue und wie laut ich auch schreie, stets stirbt sie am Ende.
Wieder schürzt sie die Lippen. »Es ist hilfreich, darüber zu reden.«
»Ich bin absolut sicher, dass das nicht so ist.«
Seufzend legt sie den Montblanc-Füller auf ihre Notizen, nimmt die Brille ab und fixiert mich mit einem Blick aus babyblauen Augen. »Dein Vater ist wieder in der Stadt. Hast du ihn schon gesehen?«
Ich erstarre. Das Zucken verschwindet schlagartig. Ich spüre ihn, bevor er sich zeigt. Den Abgrund. Er ist wie ein tödliches Virus, das sich durch mich hindurchfrisst. Im linken Handgelenk fängt es an. Es kriecht durch meine Adern und nistet sich in meinem Gehirn ein. Es ist nicht leicht, es in Schach zu halten, doch ich riskiere es. »Nein, habe ich nicht.«
»Und deine Stiefmutter?«
Ich grinse hämisch. »Das ist eine dumme Frage, Dr. Nathanson.«
Sie hat den Anstand, verlegen das Gesicht zu verziehen. Wir wissen beide, dass es meiner Stiefmutter verboten ist, mich ohne Anwesenheit meines Vaters zu treffen. Also …
»Wie geht es dir damit, dass er wieder da ist?«
»Eine halbe Million.«
»Du kannst mich nicht bestechen, damit ich dir keine Fragen stelle, Quinn.«
»Dann stell mir eben andere.«
Sie neigt den Kopf zur Seite. So, als ob ich sie tatsächlich verblüffen würde, obwohl das nicht stimmt. Sie weiß genau, was ich bin und was sich hinter dieser Farce von Höflichkeit verbirgt.
»Möchtest du nicht gesund werden?«
Wieder eine idiotische Frage. Wir starren einander weiter an. Sie schlägt ein paarmal die Beine übereinander.
»Ich habe heute in deinem Büro angerufen. Deine Assistentin sagte, du seist früher gegangen.«
»Ich höre keine Frage.«
Sie zuckt die Achseln. »Sonst verlässt du das Büro nie vor zehn Uhr.«
»Schon wieder keine Frage.«
»Da ich gerade in der Gegend war, dachte ich, wir könnten zusammen zu Mittag essen.«
»Warum?«
Sie lacht nervös auf, das erste Zeichen dafür, dass sie gleich die Beherrschung verliert. Sie ist so leicht durchschaubar, dass es langweilt. »Weshalb essen Menschen wohl zu Mittag?«
»Und was bringt dich auf die Idee, dass ich mit dir zu Mittag essen würde?«
»Weil es das ist, was normale Leute tun.« Sofort bemerkt sie ihren Ausrutscher und verzieht das Gesicht.
»Aber ich bin nicht normal, Dr. Nathanson. Bin ich nicht deshalb seit zehn Jahren jede Woche bei dir? Darf ich nicht aus diesem Grund in deinem Mund kommen, seit ich achtzehn bin?«
»Quinn …«
»Sind wir fertig, Doctor?«
»Es wäre wichtig, wenn du dich ein wenig mehr öffnen …«
»Sind. Wir. Fertig?«
»Für heute ja.«
»Beschissenen Dank. Kannst du mir einen Gefallen tun? Bitte spiel mir nicht länger vor, dass du alles über mich weißt. Du weißt nur, was ich dir in diesem Raum sage.« Wieder knacke ich mit den Knöcheln, eine scheußliche Angewohnheit, die ich einfach nicht loswerde. Ich warte, bis sie ihr in Leder gebundenes Notizbuch zugeklappt und es neben sich auf den Tisch gelegt hat. Als sich ihre blauen Augen auf mich richten, setze ich mich wieder und sehe sie an. »Aufstehen.« Sie gehorcht. »Dreh dich zur Tür um. Ist sie abgeschlossen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein.« Ihre professionelle Art ist verschwunden, und ihre Stimme zittert vor Aufregung. Kurz sehne ich mich nach einem Stück dieser Aufregung, aber was soll’s? Ich habe zehn angenehme Minuten vor mir.
»Gut. Ausziehen.«
Das korrekte schwarze Kostüm wird abgelegt. Gefolgt von der cremefarbenen Seidenbluse. Sie faltet die Sachen zusammen und richtet sich auf. Ich betrachte ihr akkurat hochgestecktes Haar, die goldene Schließe der Perlenkette in ihrem Nacken, die taubengraue Spitzenunterwäsche, die Strapse, die Pumps.
Meine Langeweile steigert sich.
»Umdrehen.«
Sie gehorcht. Sie hat gute Titten, was die Ansicht ihrer Vorderfront leicht verbessert. Ich mustere sie rein objektiv. Sie ist eine Schönheit, wenn auch ein wenig zu mager. Ihre Beine sind wohlgeformt, Hüften und Oberschenkel schlank und durchtrainiert. Als mein Blick zu ihrem Gesicht wandert, kann ich die unzähligen Gefühle lesen, die sich darin spiegeln. Keines davon geht mir ans Herz. Das schwarze Gift, das mich durchströmt, stumpft mich von innen heraus ab. Ich lehne den Kopf zurück und schließe die Augen.
»Den Rest ausziehen und herkommen«, befehle ich.
Einen halben Meter vor mir bleibt sie stehen.
Ihr Moschusgeruch verrät mir, wie erregt sie ist. Sie ist feucht und geil. Schade, dass ich nicht in der Stimmung bin, sie zu ficken. Ich lasse die Hände mit den Handflächen nach unten neben meine Oberschenkel sinken.
Das ist die unausgesprochene Erlaubnis, die sie braucht, um auf die Knie zu fallen. Sie zerrt an meinem Gürtel und knöpft mir die Hose auf. Kühle Hände greifen in meine Unterhose und holen mich heraus. Ich höre, wie sie scharf nach Luft schnappt, bevor ihre gierigen Lippen sich um meine schlaffe Eichel schließen. Speichel landet auf meinem Schwanz, und diensteifrige Hände fangen an, mich zu reiben. Das Muskelgedächtnis meldet sich.
Der Funke ist da, allerdings jämmerlich und zu vernachlässigen.
Ich öffne die Augen und starre an die weiße Decke. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ihr Kopf schneller und schneller auf und nieder wippt, damit ich das Interesse nicht verliere. Ich zähle die Deckenstrahler und senke dann den Blick, um die echten Meisterwerke und zahlreichen Plagiate zu bewundern, die die Wände zieren. Geistesabwesend zähle ich auch sie. Zwölf beeindruckende Beispiele.
Adriana Nathanson hat Stil.
Allerdings lassen ihre Fähigkeiten im Schwanzlutschen zunehmend nach.
Ich seufze laut auf. Sie wippt schneller. Eine Hand kriecht über meine Bauchmuskeln und meine Brust hinauf.
»Nein.«
Sie befasst sich wieder mit meinem Schwanz.
Ich seufze noch einmal.
Ich kriege von einer Therapeutin, die tausend Dollar die Stunde verlangt und die berühmteste in New York ist, einen geblasen. Dabei ist sie splitterfasernackt, und ihre Bürotür ist nicht abgeschlossen. Abhängig davon, wer zufällig hereinschneit, könnte sie ihre Zulassung verlieren. Eigentlich sollte ich scharf sein.
Doch stattdessen fällt mir der mühsam erweckte Ständer zusammen.
Als ich sie gerade wegschieben will, habe ich ein anderes Gesicht vor Augen.
Lucky.
Mein Schwanz erwacht wieder zum Leben. Adriana stöhnt und keucht vor Glück, als ich in ihrem Mund dicker werde. Meine Augen schließen sich, und das Bild wird schärfer. Das Platinblond wird von karamellfarbenen Locken abgelöst. Ein abgetragenes T-Shirt ersetzt die Perlen. Volle, rosige Lippen umfangen meinen Schwanz, und eine Zunge zuckt. Zähne fahren spielerisch über meine große Vene. Ich bewege die Hüften. Sie nimmt mich tiefer in den Mund, bis ich hinten an ihre Kehle stoße. Als sie ein langes, sonores Knurren von sich gibt, vibriert sie an meiner Eichel.
Wieder schnappt sie nach Luft. Der Schleier, der meine Langeweile verdeckt, schlägt Wellen und will sich heben. Meergrüne Augen blicken mich an, während sie mich verschlingt.
Ihre Hand schleicht sich über meine Bauchmuskeln die Brust hinauf.
Ich reiße die Augen auf.
Adriana.
»Nein«, zische ich wieder. Enttäuschung verdüstert mir die Stimmung.
Ihre Hand kehrt zu meinem Schwanz zurück. Sie versucht, mich ganz in sich aufzunehmen. Ich bin zu groß für sie. Von ihrem Würgen wird mir übel.
»Hör auf.«
Erschrecken malt sich in ihrem Blick. Mein erschlaffender Schwanz rutscht ihr feucht und schwer aus dem Mund.
»Quinn, stimmt etwas nicht …?«
»Runter von mir, verdammt.«
Sie besitzt tatsächlich die Frechheit, gekränkt zu wirken. Ihr schnelles Blinzeln, das unterdrückte Tränen vortäuschen soll, sorgt dafür, dass mein Mund abfällig zu zucken beginnt. Man muss ihr zugutehalten, dass sie sich ohne Widerspruch zurückzieht.
Ich verstaue meinen Schwanz und schließe meine Hose. Während ich aufstehe und meinen Gürtel zumache, schlüpft sie hastig in ihre Kleider.
»Nächste Woche um die gleiche Zeit?«, frage ich höhnisch.
Sie hält inne. »Ich kann dich später in dieser Woche dazwischenschieben, falls du möchtest.«
Ich weiß, warum sie mir das anbietet. Mein Vater ist in der Stadt. Außerdem könnte sich die seltene Chance ergeben, dass ich sie ficke. »Ich möchte nicht.«
Betroffenheit versucht, ihre gebotoxte Stirn zu bewegen. »Quinn, ich bin wirklich besorgt um dich«, murmelt sie.
Ich lache. Es ist ein echtes Lachen aus dem Bauch heraus, das mein Gesicht teilt. Leider dauert es nicht lang, denn der leere Abgrund saugt es auf. »Du bist besorgt um mich?« Die Vernunft ist nur noch eine bröckelige Fassade. Ich muss hier raus. Sofort. Ihr Nicken lässt mich innehalten.
»Ja«, erwidert sie. Als sie sich weiter anzieht, zittern ihre Hände.
»Du leidest tatsächlich unter Wahnvorstellungen, richtig?«
Sie knöpft ihre Bluse zu und schließt ihren Rock. »Ich begreife nicht, warum du dich so verhältst.«
Wieder lache ich. »Nein, Adriana? Was meint denn dein Seelenklempner zu unserem kleinen Arrangement?«
Sie erbleicht, und ihr fällt die Kinnlade herunter. »Woher weißt du das?«
Beim Anblick ihres Gesichtsausdrucks schnaube ich sarkastisch. »Glaubst du allen Ernstes, es ist ein großes Geheimnis, dass du auch einen Therapeuten hast? Es sollte mich erleichtern, dass du noch genug Verstand besitzt, um zu erkennen, wie nötig du Hilfe brauchst. Verrat mir eines: Gibt es für deine Störung eine Diagnose?«
Ihr Atem bebt. »Ich … ich bin nicht bereit, das mit dir zu erörtern. Wie unsere Sitzungen sind auch meine vertraulich. Das verstehst du doch, oder?« Sie hat sich wieder gefasst. Ein Hauch von Warnung schwingt in ihrem Tonfall mit. Am liebsten würde ich erneut loslachen, aber die verfahrene Situation hat plötzlich etwas Bedrückendes.
»Verschon mich mit diesem Vertraulichkeitsmist, Adriana. Ich bin bei dir, seit ich siebzehn bin. Seit ich achtzehn bin, lutschst du mir den Schwanz. Wahrscheinlich war es sogar dir zu kritisch, die Grenze zur Pädophilie zu überschreiten.«
Ihr aufgesetzter Mut verfliegt. Sie streckt eine Hand aus. »Du wirst … Du darfst niemandem von uns erzählen, Quinn.«
»Da ist kein uns!«, zische ich. »Streite doch nicht ab, dass du eigentlich erwischt werden willst. Immerhin ist die Tür meistens nicht abgeschlossen, wenn du mir einen bläst. Die Vorstellung, dass jemand hereinkommen könnte, gibt dir einen billigen Kick, richtig?«
Schuldbewusstsein malt sich auf ihrem blassen Gesicht. Aber ihr Blick gleitet mit ekelerregender Geilheit über mich.
Ich marschiere zur Tür und reiße sie auf.
»Nächste Woche um die gleiche Zeit«, sagt sie hinter mir.
Ich gehe, ohne ihr zu antworten.
* * *
Zwei Stunden später. Ich befinde mich in der VIP-Lounge des XYNYC, des Clubs in Soho, den ich gemeinsam mit einem Kumpel aus West Point besitze. Der Club ist einer der vielen Unternehmen, deren stiller Teilhaber ich bin. Irgendwo muss das viele schmutzige Blackwood-Geld ja hin, oder?
Den zweiten Whiskey in der Hand beobachte ich die leicht bekleideten Mädchen, die unterhalb meiner mit einem Seil abgetrennten Lounge tanzen. Einige werfen mir verstohlene Blicke zu. Ich taxiere nüchtern, verwerfe alle. Meine Augen suchen, finden aber nicht das Gewünschte. Ich frage mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache. Vielleicht will ich mich der Unausweichlichkeit der immer größer werdenden Dunkelheit noch nicht ergeben.
Wünsche ich mir womöglich, dass die Dinge anders lägen, obwohl ich mein Schicksal kenne und mich damit abgefunden habe?
Seit ich hier bin, summt schon zum vierten Mal das Telefon in meiner Tasche. Ich höre mit den sinnlosen Grübeleien auf, strafe das Telefon jedoch mit Nichtachtung. Ich bin nicht in der Stimmung, um mich mit Maxwell Blackwood zu befassen. Der kann warten.
Ich entscheide mich für eine schlanke Brünette im silbernen rückenfreien Kleid und winke sie mit gekrümmtem Zeigefinger zu mir.
Die Geschwindigkeit, mit der sie ihre Freundinnen stehen lässt und die Stufen zu mir herauftrippelt, ist beinahe komisch. Ich bedeute dem Sicherheitsmann mit einem Nicken, sie durchzulassen, und nehme sie mit zu den Samtsofas im hinteren Teil. Mein Privatkellner serviert ihr ein Glas Jahrgangschampagner. Ich lehne mich zurück und protestiere nicht, als sie ihren langbeinigen Körper neben mich platziert. Übertönt von einer dröhnenden The-Weeknd-Nummer plappert sie irgendeinen Mist. Ich schweige. Beim dritten Glas Champagner wird sie kühner. Sie beugt sich zu mir herüber. Ihre Finger nesteln am Knopf meines Hemdes. Anmachsprüche werden mir ins Ohr geflüstert.
Ich gestatte meiner Hand, mit ihrem Haar zu spielen, während ich tiefer in meinem ganz persönlichen Abgrund versinke. Am Rande nehme ich wahr, dass die Dunkelheit wächst, seit ich die Versuche eingestellt habe, sie zurückzudrängen.
Als ihre Hand über meinen Schritt kriecht, summt wieder mein Telefon.
Ich lehne den Kopf zurück und öffne das Gewölbe, in dem meine finstersten Pläne wohnen.
In achtzehn Monaten werde ich dreißig.
Ich werde fünfzehn Milliarden Dollar erben.
Ich werde einer der reichsten Männer der Welt sein.
Und, falls alles glattgeht, außerdem ein Mörder.