ANAND DÍLVAR
DER
SKLAVE
Der spirituelle Bestseller
aus Mexiko
Aus dem Spanischen von
Sonja Hagemann
Die mexikanische Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel »El Esclavo« im Verlag Francisco Javier Ángel Real, Editión especial, Mexiko.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Engel an meinem Bett«, übersetzt von Wolfgang Hunklinger, im Verlag Lüchow in J. Kamphausen Verlag & Distribution GmbH, Bielefeld.
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1. Auflage
Taschenbuchausgabe August 2018
© 2018 Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
© 2001 Anand Dílvar (Francisco J. Ángel Real)
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: Boris Austin/getty images
Lektorat: Sabine Stechele
SSt · Herstellung: cb
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-22142-3
V001
www.goldmann-verlag.de
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»Wer die Freiheit um der Sicherheit willen aufgibt, der verdient weder Freiheit noch Sicherheit.«
Anand Dílvar (geboren als Francisco Javier Ángel Real)
EINS
Als ich zu mir kam, wurde mir sofort klar, dass hier irgendetwas nicht stimmte, weil mir Licht in den Augen brannte und ich nicht einmal blinzeln konnte. Vergeblich versuchte ich, den Blick abzuwenden oder mir schützend die Arme vors Gesicht zu halten. Mein ganzer Körper war völlig gelähmt und zugleich von Kälte und Schmerz erfüllt, wie ich es noch nie zuvor verspürt hatte.
Deshalb wollte ich schreien und um Hilfe rufen, schaffte es aber nicht. Irgendetwas wurde mir in den Mund geschoben und brannte dann im Hals, während mir furchtbarer Lärm in den Ohren dröhnte. Mehrere Stunden verstrichen und erfüllten meinen Verstand mit reinster Verzweiflung, die dann Entsetzen Platz machte, als sich erste Gedanken ihren Weg durch den Schmerz bahnten …
Wo bin ich hier nur gelandet? Was ist bloß los? Bin ich etwa tot?
Die Mischung aus Entsetzen, Schmerz und diesen Gedanken trieb mich irgendwann erneut in die Bewusstlosigkeit. Gott sei Dank. Länger hätte ich nämlich nicht durchgehalten.
Als ich wieder zu mir kam, hätte ich nicht sagen können, ob Stunden oder Tage verstrichen waren. Auf jeden Fall lag ich noch immer mit weit aufgerissenen Augen reglos da. Der Schmerz hatte ein wenig nachgelassen, und das Licht blendete mich zwar, wurde jedoch erträglicher. Jetzt erkannte ich, dass der furchtbare Lärm nach lauter, kräftiger, angestrengter Atmung klang … allerdings nicht meiner eigenen, da war ich mir sicher.
Dass der körperliche Schmerz nun etwas zumutbarer war, führte bloß zu neuer Qual, zu innerer Fassungslosigkeit und dem dringenden Bedürfnis nach Antworten.
Bin ich wirklich tot? Was ist das für eine Atmung, die ich da höre? Was steckt in meinem Mund und kratzt mich im Hals?
Nach und nach kehrten Erinnerungen an den Zeitraum zurück, den ich für den Abend des Vortags hielt: die Feier, der Alkohol, der Streit mit Laura und Eduardos Drängen, diese blöde Droge zu probieren, die er so faszinierend fand.
»Schatz, bitte hör auf zu trinken. Merkst du denn nicht, dass du dich damit noch umbringst?«, bedrängte mich Laura. »Willst du das etwa?«
»Ich will mich nicht umbringen, sondern einfach nur ablenken.«
»Aber wovor willst du denn nur davonlaufen? Du bist ja verrückt!«
»Ja, ich bin verrückt, und du verstehst mich einfach nicht … das tut niemand.«
Als Letztes erinnerte ich mich noch daran, wie ich von Eduardo zwei blaue Pillen entgegennahm und mir in den Mund schob. Mehr weiß ich nicht.
Himmel, habe ich es tatsächlich geschafft und meinem Leben ein Ende gemacht? Das kann doch nicht sein … Aber was passiert dann hier mit mir? Warum kann ich mich nicht bewegen? Wieso kann ich die Augen nicht schließen?
Dieser Schwachkopf hat mich vergiftet, dachte ich. Und jetzt stecke ich hier in der Hölle, muss für all meine Sünden büßen … Und die ist ja noch viel schlimmer als erwartet.
Eigentlich glaubte ich gar nicht an ein Leben nach dem Tod. In diesem Augenblick fand ich für meinen Zustand jedoch keine andere Erklärung.
Nein, Gott, verzeih mir bitte … Gib mir noch eine letzte Chance …
In diesem Moment unterbrach das Geräusch einer sich öffnenden Tür meine Überlegungen. Ich hörte die Stimme einer Frau. »Was für einen Krach dieses blöde Ding macht!«, sagte sie.
»Ach, du weißt doch, wie es in diesem Laden läuft«, entgegnete ein Mann. »Einen anderen Apparat haben wir nun mal nicht.«
»Wie kann es denn sein, dass es hier nur ein einziges Beatmungsgerät gibt?«
»So ist es leider, deshalb müssen wir uns mit dem Vorhandenen arrangieren.«
»Und der hier, was ist mit dem?«
»Der? Der ist doch hinüber. Sieh ihn dir ruhig an und überzeug dich selbst.«
Ich spürte, wie ein Laken von meinem Gesicht weggezogen wurde und sah eine Frau im weißen Kittel, die mich mit halb verblüfftem, halb entsetztem Gesichtsausdruck anschaute.
»Der ist ja wach!«, rief sie.
Der Mann an ihrer Seite beugte sich vor, um mich unter die Lupe zu nehmen. »Von wegen, so haben sie ihn schon gebracht. Die aus der Notaufnahme haben gesagt, dass er einen Unfall hatte. Er stand unter Drogeneinfluss, war aber bei der Einlieferung bei Bewusstsein. Er hat wohl immer wieder gesagt: ›Laura! Vergib mir, Laura!‹ Danach ist er ins Koma gefallen und wurde von einer Art Totenstarre erfasst. Deshalb konnten sie ihm nicht die Augen schließen.«
»Armer Trottel, für ihn wäre es wohl besser gewesen, gleich tot zu sein.«
»Und für uns! Jetzt müssen wir ihn am Leben erhalten wie eine Pflanze. Er belegt ein Bett, das wir anderweitig nötig hätten, und verbraucht auch noch Strom.«
»Aber … kann der denn was hören, fühlen oder sehen?«
»Natürlich nicht, guck ihn dir doch an …«
Ich beobachtete, wie der Mann einen Schlauch direkt neben mir bewegte, und spürte ein schreckliches Stechen im Arm.
»Das tut weh, du Mistkerl … Ich lebe nämlich, ich bin nicht besinnungslos! Hilfe!«, versuchte ich vergeblich zu schreien.
»Na, wenn du schon mal hier bist, dann kannst du auch gleich die Infusion austauschen«, sagte der Mann. »Irgendwer muss die Blumen ja gießen.«
Beide brachen in Gelächter aus, während mich Wut und Verzweiflung erfüllten. Dann verließ zuerst der Mann den Raum, während die Frau noch rasch eine Flasche auswechselte, die neben meinem Bett hing, und ihm dann eilig folgte.
Jetzt hatte ich ja ein paar meiner Antworten … und ließ mir das Gespräch der beiden immer und immer wieder durch den Kopf gehen: Ein Unfall …? Koma …? Vergib mir, Laura … Irgendwer muss ja die Blumen gießen … die Blumen gießen … die Blumen.