Alex Wu

Wie der Körper sich selbst heilt

Eine verblüffend einfache Gebrauchsanweisung aus der chinesischen Medizin

Aus dem Englischen von Jochen Lehner

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Alex Wu

© Alex Wu

Alex Wu beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit Tradi­tioneller ­Chinesischer Medizin. Der studierte Computer-­Ingenieur litt selbst unter mehreren chronischen Beschwerden, die er aber mithilfe von TCM erfolgreich in den Griff bekam. Dies löste sein Interesse an TCM aus. Sein intensi­ves Studium der Konzepte der chinesischen Heilkunst legte den Grundstein für dieses Buch. Wu landete damit einen Best­seller in China.

Für weitere Informationen: https://meritech.wixsite.com/manual

Impressum

© 2005 by Alex Wu

© 2018 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

© 2018 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Anke Schenker

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Die Quellenangaben der Abbildungen im E-Book finden sich direkt an den Bildern mit Ausnahme: Silhouette mit Meridianen: ensiferum/Shutterstock.com; Ornament: Katja Gerasimova/Shutterstock.com; Kalligrafie: FinePic

ISBN 978-3-426-45197-7

Viele chronische Krankheiten entstehen durch einen falschen Umgang mit dem Körper. Was wir brauchen, sind keine wundersamen Therapien, sondern eine korrekte Gebrauchsanweisung für den menschlichen Körper.

Alex Wu

Basis der TCM ist der Vergleich des menschlichen Körpers mit bekannten Naturphänomenen.

Alex Wu

Einleitung

Sind Sie bereit für ein Leben von mehr als hundert Jahren?

Vor einiger Zeit habe ich einen dreiundneunzigjährigen Freund im Krankenhaus besucht. Er lag zusammen mit zwei anderen Patienten in einem Zimmer, der eine neunzig, der andere vierundneunzig Jahre alt. Ich staunte. Wenn ich in meiner Kindheit in Tainan, einer Stadt im südlichen Taiwan, an einer Bestattung teilnahm, ging es meist um Leute, die noch keine achtzig waren. Wer damals über siebzig wurde, bekam anerkennende Worte über sein hohes Lebensalter zu hören, während es heute völlig normal ist, dass man achtzig oder neunzig oder noch älter wird. Aber ist das wirklich ein gesegnetes Alter? Wenn ich mir Leute in mittleren Jahren ansehe, finde ich kaum jemanden, der nicht an irgendeiner chronischen Krankheit leidet, sei es hoher Blutdruck, Typ-2-Diabetes, Gicht oder auch etwas weniger Gravierendes wie Gedächtnisschwäche oder Arthritis.

In meiner Altersgruppe scheint es normal zu sein, dass man von irgendwelchen Malaisen geplagt wird. Die Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention, einer Bundesbehörde des US-Gesundheitsministeriums, besagen sogar, dass ungefähr die Hälfte der Erwachsenen in den USA – und das wären um die 162 Millionen – an chronischen Beschwerden leidet und jeder vierte Erwachsene zwei oder mehr solcher Beschwerden hat. In den meisten Fällen werden sich diese chronischen Krankheiten mit den Jahren verschlimmern, die Betroffenen werden für den Rest ihres Lebens von Medikamenten abhängig sein. Das können schon mal vierzig bis sechzig Jahre des Ringens mit Krankheiten sein. Ein erschreckender Gedanke.

Im 20. Jahrhundert ist die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit drastisch gestiegen. Um 1900 lag sie in den USA und den meisten entwickelten Ländern für Männer und Frauen bei etwa fünfzig Jahren. Bis 2014 stieg sie in den USA bei Männern auf 77,4 und bei Frauen auf 82,2 Jahre, und in mehr als dreißig Ländern lag sie bei über achtzig Jahren. Besonders erstaunlich: Die Zuwachsrate ist seitdem nicht wesentlich zurückgegangen, weshalb wir davon ausgehen können, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Gut möglich, dass die jetzt unter Fünfzigjährigen weit über achtzig oder neunzig Jahre alt werden und die Lebenserwartung dann ebenfalls über neunzig klettert. Über hundert Jahre alt zu werden wird dann keine Seltenheit mehr sein, nicht mehr hohes Ziel, sondern Normalität.

Vor diesem Hintergrund wird es wichtig für uns alle, eine so hohe Lebensqualität sicherzustellen, dass wir die zusätzlichen Jahre dann auch genießen können. Je nach gesundheitlicher Verfassung können die gewonnenen Jahre entweder eine Verlängerung der jugendlichen Frische sein oder den zermürbenden täglichen Kampf um die Aufrechterhaltung des Lebens durch Medikamente und andere Mittel bedeuten.

Nehmen wir etwa jemanden, der von akuter Gicht betroffen ist und ständig Schmerzen leidet, von den Bewegungseinschränkungen ganz zu schweigen. Sich draußen im Freien zu vergnügen wird für diesen Menschen zu einer fernen Erinnerung. Alles, was täglich zu tun ist und bisher mühelos war, wird jetzt zur schmerzhaften Herausforderung. Oder nehmen wir jemanden mit fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes, der sich sehr bewusst ernähren und ständig den Blutzucker kontrollieren muss und dabei auch noch erhebliche Komplikationen zu fürchten hat. Kurz, es ist sehr wichtig, dass wir uns schon in jungen Jahren um gesunde Lebensgewohnheiten bemühen, damit die zusätzlichen Jahre ein Vergnügen werden und wir unser Leben wirklich ausschöpfen können. Wenn wir künftig mit einer hohen Lebenserwartung zu rechnen haben, kann es nicht mehr nur darum gehen, sehr alt zu werden.

Das Renteneintrittsalter liegt heute in den meisten entwickelten Ländern bei zwischen sechzig und fünfundsechzig Jahren, und diese Festlegung stammt aus einer Zeit, als die durchschnittliche Lebenserwartung in diesen Ländern bei etwa siebzig Jahren lag. Das heißt, dass ein fünfundsechzigjähriger Rentner mit durchschnittlich fünf Jahren Ruhestand rechnen konnte, bevor er starb. So stellte man sich in den meisten Gesellschaften den Lebensabend vor. Wenn nun die Lebenserwartung steigt und die Zahl der Jahre nach dem Renteneintritt zunimmt, muss sich auch unsere Haltung dazu ändern. Es geht ja nicht nur um die Frage, wie ein erfülltes Leben im Rentenalter aussehen soll, ob man in diesen Jahren über genügend Geld verfügt oder einen Partner hat, mit dem man in liebender Zweisamkeit diese Zeit verbringt, sondern der wichtigste Gesichtspunkt wird unsere Gesundheit sein.

Wenn ich mir die älteren Menschen in meiner Umgebung ansehe oder mit ihnen spreche, zeigt sich immer wieder, dass die ältesten unter ihnen nicht unbedingt ihr Leben lang gesund waren. Im Gegenteil, viele haben chronische Krankheiten, die schon vor Jahrzehnten festgestellt wurden und die sie seither zur Einnahme von Medikamenten zwingen. Ich sehe darin eine der vielen anerkennenswerten Leistungen der modernen Medizin: dass Menschen trotz gravierender Krankheiten sehr alt werden können. Das ist zweifellos eine Errungenschaft, aber nicht unbedingt erstrebenswert, wenn man es mehr auf Lebensqualität als auf die Zahl der Jahre anlegt.

Wenn wir uns also unsere Gesundheit und Jugendlichkeit so lange wie möglich erhalten wollen, sollten wir uns mit Methoden der generellen Verbesserung unserer Gesundheit befassen. Dabei wird es mehr um Vorbeugung gehen als um die Bekämpfung bereits aufgetretener Symptome mit Medikamenten. Wenn wir rechtzeitig umdenken und eine gesunde Lebensweise wählen, ist es gar nicht so schwierig, die Alterung zu verlangsamen und chronische Krankheiten zu vermeiden.

Traditionelle Chinesische Medizin gestern und heute

Schon in meiner Jugend in Taiwan faszinierte mich die Geschichte von König Midas, der alles, was er berührte, in Gold zu verwandeln vermochte. Jahrhundertelang mühten sich die Naturkundigen, diesen Mythos Realität werden zu lassen. Die Alchemisten waren darauf aus, unedle Metalle in Gold zu verwandeln, und das wurde im Mittelalter zur treibenden Kraft für die Entwicklung der Naturwissenschaften. Im fernen Osten jedoch nahm die wissenschaftliche Forschung eine andere Richtung: Den Kaisern Chinas ging es weniger um Reichtum als um ewiges Leben, ewige Jugend.

Was sich daraus entwickelte, kennen wir heute als Traditionelle chinesische Medizin oder TCM. Kern der TCM ist eine Philosophie, in welcher der menschliche Körper mit einem Universum verglichen wird. Yin und Yang sowie die fünf Elemente sind die beherrschenden Prinzipien dieses Universums. Diese uralte chinesische Philosophie wurde im Westen erst im Laufe des vorigen Jahrhunderts bekannt, doch da ihr eine naturwissenschaftliche Basis nach abendländischem Verständnis fehlt, wurde sie im Westen und sogar in China von vielen als pseudowissenschaftlich abqualifiziert.

Mit dem Aufkommen des Internets sind Grundkenntnisse in Informationstechnologie unter gebildeten Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Wenn wir die alten TCM-Theorien von dieser Warte aus noch einmal neu betrachten, können wir sie auf neue und tiefere Art verstehen. Die Lehre von Yin und Yang und die Theorie der fünf Elemente waren, vereinfachend gesagt, Beschreibungen komplexer Systeme in einer Zeit, in der wissenschaftliche Instrumente und Datenverarbeitung noch unbekannt waren.

Basis der TCM ist der Vergleich des menschlichen Körpers mit bekannten Naturphänomenen. In der Entstehungszeit der TCM gab es die Möglichkeit noch nicht, ein komplexes System zu entwickeln, das den menschlichen Körper zu repräsentieren vermochte. So entstand stattdessen die Fünf-Elemente-Lehre. Die Beziehungen zwischen diesen fünf Elementen – Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser – waren damals Gemeingut, und es lag nahe, diese Beziehungen zur Beschreibung des menschlichen Körpers zu nutzen. Mit den technischen Kenntnissen und dem Systemverständnis unserer Zeit können wir heute anders vorgehen und brauchen uns nicht mehr an die eher primitiven alten Methoden zu halten. Die Lehren der TCM lassen sich in eine moderne Terminologie kleiden, die für Menschen unserer Zeit leichter zugänglich ist. Und darum geht es in diesem Buch: solch eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen.

Nach Jahren des Studiums der chinesischen Medizin kam ich zu dem Schluss, dass der Niedergang unserer Körperenergie (Blut und Qi, dazu mehr im 2. Kapitel) mit dem falschen Gebrauch unseres Körpers zusammenhängt, insbesondere mit falschem Schlafverhalten, falscher Lebensweise, falscher Ernährung und falschem Umgang mit Krankheiten. Mangel an Körperenergie oder Lebenskraft führt zu chronischen Krankheiten aller Art.

 

Schon immer hofften Menschen mit chronischen Krankheiten auf den Tag, an dem endlich eine Wunderkur für ihre Beschwerden entdeckt wird. Das ist keine sehr realistische Hoffnung. Wir können jedoch die Energie unseres Körpers durch eine gesunde Lebensweise und zutreffende Gesundheitsregeln auffrischen. Mehr Körperenergie sorgt für bessere Selbstheilungs- und Regenerationskräfte, und die sind unsere besten Mittel gegen chronische Krankheiten.

Die Geschichte dieses Buches

Die Traditionelle Chinesische Medizin blickt auf eine Jahrtausende umspannende Geschichte zurück. Sie umfasst eine komplexe Pflanzenheilkunde, die Akupunktur und eine ganze Reihe von Anwendungen im Bereich der Massagetechniken. Die meisten TCM-Theorien sind jedoch aus antiken chinesischen Schriften abgeleitet und deshalb schwer für Menschen zu übersetzen, die die Sprache nicht beherrschen. Selbst Menschen, die fließend Chinesisch sprechen, erfassen die volle Bedeutung nur mit Mühe.

Ich bin einen ziemlich ungewöhnlichen Weg zur TCM gegangen. In meinen jüngeren Jahren habe ich als Maschinenbau- und Computer-Ingenieur gearbeitet. Es folgten viele Jahre als Anlageberater und dann als Manager eines multinationalen Unternehmens. Und so erfolgreich ich in diesem Metier auch war, die Arbeit erwies sich auf die Dauer als ermüdend, und der ständige Druck untergrub meine Gesundheit. Schon mit achtundvierzig Jahren plagte ich mich mit allerlei chronischen Beschwerden wie starkem Haarausfall, allergischem Schnupfen und hartnäckiger Schlaflosigkeit. Das alles war nicht lebensbedrohend, schränkte aber die Lebensqualität ein und gab mir Anlass, um meine langfristige gesundheitliche Verfassung zu bangen. Ich versuchte es zuerst mit der modernen Medizin, musste aber feststellen, dass man hier eher die Symptome behandelt und diese Methoden nicht auf die Heilung meiner Gesundheitsstörungen abzielten.

Als man mir mitteilte, ich würde für den Rest meines Lebens Medikamente nehmen müssen, war ich außer mir. Zum Glück lernte ich in dieser Zeit eine TCM-Praktizierende und Massagetherapeutin in Schanghai kennen. Während der Behandlungen erläuterte sie mir die Grundzüge der TCM. Und der Behandlungserfolg öffnete mir die Augen für das Heilungspotenzial der TCM bei besonders beschwerlichen chronischen Leiden. Ich habe etliche Jahre dem Studium der chinesischen Medizin gewidmet, und aus dem Tagebuch, das ich dabei führte, wurde schließlich die erste Fassung dieses Buches.

2002 schloss ich die chinesische Fassung dieser »Gebrauchsanweisung« für den menschlichen Körper ab. Ich hatte nicht vor, sie als Buch zu veröffentlichen, sie blieb eine Textdatei unter vielen anderen auf meinem Computer. Meine besten Freunde wussten von meinem Interesse an der TCM und wollten immer wieder mal meine Meinung zu ihren eigenen Gesundheitsproblemen hören. Die waren meist chronischer Art, und anstatt nun die ganze Diskussion immer wieder neu aufzurollen, schickte ich ihnen einfach das Manuskript, das ich auf dem Computer hatte, und forderte sie auf, sich über meine Ideen Gedanken zu machen. Irgendwann fragte mich einer dieser Freunde, ob er es an Freunde weitergeben dürfe. Ich war sofort einverstanden, schließlich hatte ich es verfasst, um meine Vorstellungen mitzuteilen.

Ich dachte längst nicht mehr daran, dass mein Buch online weitergereicht wurde, bis ich 2005 mit einer neuen Bekannten Visitenkarten tauschte und sie sich beim Blick auf meinen Namen freudig überrascht zeigte. Sie war Inhaberin eines Restaurants und sagte, sie lese gerade mein Buch. Damit wusste ich erst einmal nichts anzufangen, ich hatte ja noch kein Buch veröffentlicht. Mein einziges »Buch« befand sich in Gestalt einer Datei auf meinem Computer. Sie zog einen gut gefüllten Ordner aus ihrer Handtasche – auf dem Umschlag standen der Titel meines Buches und mein Name. Nach beidem startete ich am Abend daheim eine Online-Suche und stellte fest, dass mein Buch auf Hunderten chinesischer Websites zum Download bereitstand. Wie sich weiterhin herausstellte, gehörte es zu den am häufigsten heruntergeladenen E-Books des Jahres.