Über den Friedhof von Plainpalais flogen Wolken wie Fetzen von versengtem Papier, ein scharfer Wind blies und wirbelte bisweilen ein paar Schneeflocken um Luises Kopf. Sie war hinter den wenigen Trauernden dem Leichenwagen gefolgt. In der Todesanzeige war ein falscher Tag für die Beerdigung angegeben worden, mit Absicht, vermutete Luise, so kannten das richtige Datum nur die Eingeweihten, denn das Ganze sollte möglichst wenig Aufsehen erregen. Sie zog ihren Mantel enger um sich, er war zu dünn für die Jahreszeit. Bald würde sie einen von Frau Lydia tragen können, sie hatte ihr das Testament gezeigt: Ihre ganze Garderobe und tausend Franken wollte sie Luise hinterlassen. In letzter Zeit hatte sie zwar behauptet, das Geld gehe ihr allmählich aus, doch einst galt sie als die reichste Frau der Schweiz. Natürlich hatte sie bei der Scheidung einen großen Teil ihres Vermögens dem Mann überlassen müssen und eine beträchtliche Summe zugunsten ihrer Kunststiftung abgezweigt, im Frauengut blieb gewiss genug für ihre Bedürfnisse übrig. Sie hatte wieder Escher genannt werden wollen wie als Ledige, doch Luise hatte sich nicht umgewöhnen können. In den fünf Jahren ihrer Dienstzeit hatte sie die Hausherrin gnädige Frau oder Frau Welti und in vertraulichen Momenten immer öfter Frau Lydia genannt.
Luise stand am Rand des Begräbnisplatzes, sie hielt einen deutlichen Abstand zur Trauergemeinde ein, deren aufgespannte Schirme im Wind schwankten. Den Sarg hatte man bereits ins offene Grab gesenkt, auf dem Holzkreuz daneben stand, mit eingebrannten Buchstaben: Lydia Welti-Escher, 1858–1891. Ein Grabmal aus Marmor, hatte Professor Vogt, Frau Lydias Nachbar, Luise erklärt, werde später aufgestellt, der Auftrag sei bereits erteilt. Er gehörte zu den angesehenen Leuten, die nahe beim Grab standen, während der Pfarrer mit kaum vernehmlicher Stimme ein Gebet sprach. Als die Zeremonie schon im Gang war, hatten sich zwei Männer, ganz in Schwarz, zu den Trauernden gesellt, begleitet von einem dritten in grüner Uniform, der einen Kranz mit Schleife trug. Rote Rosen und weiße Gerbera, das erkannte Luise von weitem, und auf der Schleife entzifferte sie die Inschrift Le Conseil fédéral. Sie kannte die beiden Männer, es waren Vater und Sohn Welti, und sie schauten zu, wie der beleibte Bundesratsweibel, der im Belvoir stets im Vorzimmer gewartet hatte, feierlich den Kranz zu den spärlichen Sträußen legte. Die beiden Weltis hatten Luise bestimmt bemerkt, aber es war schon immer so gewesen, dass der Vater bei seinen Besuchen im Belvoir gleichsam durch sie hindurchgeschaut, nur aufs Glas gedeutet hatte, sobald er wünschte, dass sie ihm nachschenke. Mit dem Sohn allerdings, der sie nun auch geflissentlich übersah, hatte sie mehr zu tun gehabt; für ihre Hilfe in schwierigen Situationen hatte er mit schmalem Lächeln gedankt, ein einziges Mal mit Geld. Luise kam nicht davon los, dass diese zwei Männer, zusammen mit dem Maler Stauffer, Frau Lydia in die Verzweiflung getrieben hatten. Das hätte sie nie laut gesagt, auch dem Weibel nicht, der sich nun neben sie stellte und ihr zunickte. Einmal schaute sich der jüngere Welti doch nach ihr um, da glaubte sie, Tränen in seinem verkniffenen Gesicht zu bemerken, der Vater allerdings stand unbeweglich da wie eine Statue.
Niemand hielt eine Rede, die Trauergemeinde verharrte ein paar Minuten im stummen Gebet, auch Luise faltete die Hände. Dann gingen die Leute auseinander. Man hörte die Zurufe von Kutschern, das Anrollen der Wagen.
Luise begann zu frieren, zum Leichenmahl war sie nicht eingeladen, der Weibel würde wohl draußen auf die Weltis warten und dann mit ihnen zum Bahnhof fahren. Sie kehrte zurück in die Villa Ashbourne oberhalb des Flusses. Der Gasgeruch war ihr vor drei Tagen, als sie der Wäscherin beim Bügeln half, zu spät aufgefallen, aber was nützte es, dieses Versäumnis zu bereuen? Sie band ihr Kopftuch fester und wischte sich, den Wind im Gesicht, die Tränen aus den Augen.
Über Professor Vogt hatte der jüngere Welti ihr am Vortag mitgeteilt, er werde in den nächsten Tagen mit einem Wagen erscheinen und Möbel und Gegenstände, die der Familie gehörten, abtransportieren lassen. So lange solle das Dienstmädchen – Kammerjungfer sagte er – im Haus bleiben und fürs Nötige sorgen. Offenbar hatte er es nicht für nötig befunden, Luise dies selbst zu erklären. Bei früheren Gelegenheiten war er froh gewesen, sein Herz vor ihr, die doch weit unter ihm stand, auszuschütten. Der Professor hatte ihr zudem im Namen der Familie Welti ein Monatsgehalt übergeben, ein letztes, richtete er aus. Die Vogts hatten Luise, als Übergangslösung, ein Zimmer in ihrem Haus angeboten, mit der Möglichkeit, danach in ihren Dienst zu treten. Lieber wäre sie gleich bei Henri eingezogen, der als Oberkellner im Café Bout-du-Monde eine Mansarde bewohnte. Die war zwar in dieser Jahreszeit bitter kalt, zu zweit hätte man sich unter der Decke aneinander wärmen können; aber sie waren ja erst verlobt, noch nicht verheiratet.
Der Weg zur Villa schien Luise lang, sie übersah die Pfützen auf dem Friedhofweg, ihre Schuhe wurden schmutzig und ließen Wasser durch. Das Schneegestöber nahm zu, vermischte sich mit dem Regen. Sie verwünschte sich, dass sie keinen Schirm mitgenommen hatte, es gab niemanden mehr, der sie deswegen getadelt hätte.
Sie ging gleich über die vertrauten Stufen in ihr Dachzimmer hinauf, der kleine Ofen war schon fast erkaltet. Da oben gab es kein Gas. Sie schaufelte Kohle durch die Ofentür, sie blies hinein und fachte die Glut an. Dann zog sie sich um, spürte endlich trockene Kleider auf der Haut, auch wenn es bloß ihr altes Unterhemd und der graugemusterte Alltagsrock waren, über dem sie, nach Anweisung von Frau Lydia, stets eine saubere Schürze zu tragen hatte. Auf das Häubchen hatte sie hier in Genf verzichtet, es war auch der Hausherrin lächerlich vorgekommen.
Nun begann Luise doch zu weinen. Die lange und schwierige Geschichte, die sie mit den Weltis verband, ging dem Ende entgegen. Es war ungerecht, aber sie fühlte sich im Stich gelassen. Ihre Mutter hatte Luises Aufstieg in höhere Sphären, wie sie es nannte, ohnehin immer abgelehnt, und ihr Vater war schon lange tot, ertrunken in Bergamo. Zum Glück hatte sie Henri kennengelernt. Es war zu spät, jetzt noch den Weg zu ihm, ins Bout-du-Monde, unter die Füße zu nehmen. Aber morgen würde sie hingehen; morgen würde sie Henri erzählen, wie es gewesen war, das hatte sie ihm versprochen. Sie setzte sich aufs Bett, tastete nach dem Ring an ihrer Hand, dem schmalen Verlobungsring, den Henri ihr vor fast einem Jahr geschenkt hatte. Seither hatten sie nun, der Umstände wegen, auf die Hochzeit gewartet. Kalt war das Metall, das ihr Finger berührte, aber es schimmerte im Kerzenlicht. Nun begann eine andere Zeit, Luise konnte es noch immer nicht fassen. Ein kleiner Strom von Glück vertrieb ihren Kummer. Sie schüttelte den Kopf, als würde jemand sie beschuldigen; die Tote hätte sie verstanden, das wusste sie.
Luises Tante kannte die Köchin im Belvoir, Johanna, und als Frau Welti-Escher nach einer neuen Kammerjungfer suchte, bat die Tante diese Johanna, sich bei der Dienstherrin für die fünfzehnjährige Luise einzusetzen. Sie sei willig und höflich, kenne sich aus in Haushaltsdingen und habe vor allem keine Burschen im Kopf, sie sei auch, durch ihren Dienst im Pfarrhaus von Pfäffikon, daran gewöhnt, mit besseren Herrschaften umzugehen.
So kam es, dass Luise sich, frisiert und im hellblauen Sonntagsrock, bei Frau Welti vorstellen konnte. Der Diener, der sie von oben herab musterte, führte sie ins Empfangszimmer, das sie allein durch seine Größe und den spiegelnden Parkettboden einschüchterte. Sie wartete lange, horchte auf das Ticken der Standuhr und versuchte, ihre Aufregung niederzukämpfen. Sie nannte die vornehme Dame, die endlich eintrat, »gnädige Frau«, was diese aber mit einem Lächeln korrigierte: »Sag Frau Welti, mehr braucht es nicht.« Luises Wangen begannen vor Verlegenheit zu glühen, und einige Male stolperte ihre Zunge bei der nun einsetzenden Befragung doch wieder über die gnädige Frau. Im hochgeschlossenen dunkelbraunen Hauskleid saß die Hausherrin da. Sie wirkte weder hochnäsig noch zudringlich, sondern eher sanftmütig und aufgeschlossen, und Luise beneidete sie um die Bordüren an ihrem Kleid, um den schmalen Zopf, der ihr Gesicht einrahmte und von einer Schleife in der Farbe des Kleids festgehalten wurde. Sie übergab Frau Welti den Taufschein, den sie auf Anweisung der Tante mitgebracht hatte.
»Marie-Louise heißt du also mit vollem Namen«, sagte die Frau, nachdem sie das Papier auseinandergefaltet und gelesen hatte.
Das Mädchen nickte. »Ja. Marie-Louise Gaugler. Aber ich werde von allen Luise gerufen. Das mag ich lieber.«
»Dann würde ich es auch so halten.« Die Frau lächelte erneut, mit einer Wärme, die Luises Aufregung milderte. »Kannst du denn lesen und schreiben?«
»Ja. Ich war sechs Jahre in der Schule.«
»Gut so.« Sie schob das Buch, das auf dem Teetisch lag, zu Luise hinüber, und ein Duft nach Rosen erreichte sie plötzlich.
»Schlag es auf und lies ein paar Sätze.«
Luise setzte dort ein, wo ihr Finger auf den ersten Seiten hingeraten war: »… und das Mädchen begann, seine Puppe mit den langen Blättern des Wegekrautes zu bekleiden, so dass sie einen schönen grünen und ausgezackten Rock bekam; eine einsame rote Mohnblume, die da noch blühte, wurde ihr als Haube über den Kopf gezogen und mit einem Grase festgebunden, und nun sah die kleine Person aus wie eine Zauberfrau, besonders, nachdem sie noch ein Halsband und einen Gürtel von kleinen roten Beerchen erhalten. Dann wurde sie hoch in die Stengel der Distel gesetzt und eine Weile mit vereinten Blicken angeschaut, bis der Knabe sie genugsam besehen und mit einem Steine herunterwarf.«
Lydia winkte ab. »Genug. Weißt du, von wem das ist?«
Luise schüttelte den Kopf.
»Ach, das spielt ja auch keine Rolle. Aber es ist wahr: Du liest gut, und hoffentlich schreibst du auch so gut.«
»Ich war die Beste in der Klasse«, antwortete Luise. Doch sie schämte sich nachträglich, dass sie beim Lesen einige Male gestockt hatte.
»Das hat man mir gesagt.«
»Und ich bin Kindermädchen in Pfäffikon, bei den Meyers im Pfarrhaus, da habe ich den zwei jüngsten Kindern das Alphabet beigebracht. Sie wollten das unbedingt.«
Ihre Blicke trafen sich wieder. In Lydias Lächeln war ein wenig Traurigkeit. »Ah ja? Ich sag dir jetzt trotzdem, wie der Mann heißt, der die Sätze schrieb, die du gelesen hast: Gottfried Keller.« Sie sprach den Namen beinahe feierlich aus. »Er ist unser größter Dichter. Und er ist oft bei uns zu Gast.«
Luise hatte den Namen schon gehört, man hatte auch im Pfarrhaus mit Verehrung von ihm gesprochen. Aber sie schwieg und nickte, sie wollte mit ihrem Wissen nicht auftrumpfen.
»Du wirst ihn kennenlernen«, fuhr Frau Lydia fort. »Ich glaube, er wird dich mögen …«
Das klang, als wäre die Wahl schon auf sie gefallen, doch sie war nicht sicher, ob sie es glauben sollte.
Die Frau richtete sich auf und wirkte nun fast einschüchternd. »Sag mir, was weißt du von Haushaltsdingen?«
Luise ihrerseits sank im ungewohnten Sessel ein wenig zusammen. Sie errötete und zögerte, ehe sie aufzuzählen begann. »Ich kann den Herd einfeuern, ich kann das Parkett fegen und wichsen, ich kann das Geschirr waschen, die Betten aufschütteln, Fenster putzen …«
Die Frau fiel ihr ins Wort: »Das genügt. Du wirst zwar hauptsächlich für mich da sein, als Kammerjungfer und als Mädchen für alles, du wirst mir die Kleider bereitlegen, mich frisieren, aber zwischendurch wirst du der Köchin helfen, manchmal auch den Gärtnern. Und anderes mehr, je nach Bedarf. Traust du dir das zu?«
»Ja«, sagte Luise, ohne lange nachzudenken. Sie wollte diese Stelle, sie wollte sich bewähren in diesem prächtigen Haus und die Vertraute von Frau Welti werden. Stockend fragte sie: »Bedeutet das … dass Sie mich nehmen?«
Die Frau schien sie zu überhören. »Noch etwas«, sagte sie. »Du sprichst Italienisch, oder? Parli italiano?«
»Sì, signora, ho vissuto a Bergamo, ma solo i primi anni della mia vita.«
Jetzt endlich war sie zufrieden, die reiche Frau. »Ich mag diese Sprache, sie ist mir die liebste, klangvoller als Französisch.« Sie überlegte. Dann schien ihr Gesicht aufzuleuchten, und das machte sie hübscher. »Ja, ich nehme dich in meinen Dienst.«
Luise hätte beinahe in die Hände geklatscht vor Freude, doch stattdessen neigte sie den Kopf und sagte sehr leise: »Ich danke Ihnen, gnädige Frau.«
»Die gnädige Frau gewöhne dir ab, ich hab’s dir schon gesagt.« Ihre Miene wirkte streng, aber ihre Mundwinkel zuckten, als müsste sie gleich lachen.
»Ich danke Ihnen, Frau Welti«, sagte Luise, sie stand auf und machte einen förmlichen Knicks, wie sie es von der Tante gelernt hatte.
Jetzt lachte die Frau einen Moment lang ganz ungehemmt. »Das musst du noch üben. Für den Fall, dass du mal eine Herzogin bedienen solltest.«
Eine Herzogin? Herzoginnen gab es doch gar nicht in Zürich, das war wohl ein Scherz. In ihr aufschießendes Glück mischte sich ein wenig Bangigkeit. Würde sie diese Frau, die an ein so anderes Leben gewöhnt war, zufriedenstellen können? »Ich werde mir alle Mühe geben, Frau Welti«, erwiderte sie, doch eine Sorge plagte sie, und sie suchte nach Worten. »Ihr Herr Gemahl, wird er auch …«
Die Frau wurde von einem Moment auf den andern wieder ernst. »Einverstanden sein? Ja, das wird er. Du wirst ihn bei Tisch bedienen, wenn er da ist. Seine Schuhe putzen. Ihm bisweilen Mantel und Hut reichen, wenn er weggeht und der Diener anderweitig beschäftigt ist. Mehr hast du kaum mit ihm zu tun.«
Das erleichterte Luise. Eigentlich war sie nicht auf den Mund gefallen, Tante und Mutter hielten es ihr oft vor, bei den Nachbarn galt sie als frech, und in Bergamo sei sie ein Wildfang gewesen, sagte die Mutter. Aber Herren gegenüber, die ihren Stand durch Tonfall und Miene betonten, verschlug es ihr die Sprache.
Frau Lydia stand auf, trat zu Luise, um ihr die Hand zu reichen, das Kleid bauschte sich bei ihrem raschen Schritt und fiel gleich wieder zusammen. Ihre Hand war schmal, gepflegt, ohne Risse, ohne Schmuck, die Ärmelsäume mit ihren Rüschen berührten Luises Finger leicht, beinahe kitzelnd wie Insektenbeine. Die Frau war einen halben Kopf größer als Luise und schaute ihr forschend in die Augen; das Mädchen zwang sich, dem Blick standzuhalten. »Wir machen es so: Der Verwalter wird ein Papier aufsetzen für deine verwitwete Mutter und deinen Vormund. Das müssen beide unterschreiben und du meinetwegen auch. Du kannst nächste Woche bei uns anfangen, am 1. Juni, und bekommst zunächst fünfzehn Franken im Monat. Einverstanden?«
Der Lohn? Den hatte Luise ganz vergessen, dabei hatte die Mutter ihr eingeschärft, danach zu fragen, unter zehn Franken dürfe es bei so vermögenden Leuten nicht sein.
Aber jetzt fünfzehn Franken! Davon konnte sie einen großen Teil bei den Großeltern abgeben, wo die Mutter und ihre Geschwister seit acht Jahren lebten. Sie errötete wieder, dieses Mal vor Freude, sie sagte ja und wünschte sich, als die Frau ihre Hand losließ, daran riechen zu können. Der Abschied war schnell, Frau Welti ging mit einem letzten flüchtigen Nicken hinaus, ihr bodenlanges Kleid glitt übers Parkett, das unter den Hausschuhen leicht knarrte. Das Kleid hätte die Frau Pfarrer Meyer von Pfäffikon bestimmt gekürzt, denn sie mochte es nicht, wenn teurer Stoff unnötig abgenutzt wurde. Von draußen hörte Luise Stimmen. Sie war unsicher, was sie jetzt tun sollte. Sie drehte sich um, entdeckte das große Bild an der Wand hinter ihrem Rücken: eine mit Gepäck überladene Kutsche im Gebirge, von Schimmeln gezogen, die ein verängstigtes Kalb vor sich hertrieben. Ob das gutgeht?, fragte sich Luise, ob die Kutsche nicht gleich kippt? Und erkannte bei genauerem Hinsehen, dass die Pferde durch eine ganze Kuhherde gefahren waren und dabei eine große, den Hintergrund verschleiernde Staubwolke aufgewirbelt hatten. Das Bild war so lebensecht gemalt, dass Luise beinahe das Muhen des gehetzten Kalbes und das Fluchen des Kutschers zu hören glaubte, der die Zügel mit aller Kraft hielt und zugleich die Peitsche knallen ließ. Wie alt war sie gewesen, als sie damals, bei Einbruch des Winters, über den Splügen gegangen waren? Sechsjährig oder jünger. Kutschen überholten die Familie, ihre Mutter mit den sieben Kindern, auf der verschneiten und schlecht gespurten Straße, und sie mussten sich mit ihrem löchrigen Schuhwerk an den Straßenrand stellen. Wie erlösend, wenn sie beim einen oder anderen Fuhrwagen aufsitzen und, eng zusammengedrängt, eine Strecke mitfahren konnten. Die Erinnerung überfiel Luise, als würden die schnaubenden Pferde sie angreifen und vom Weg drängen, sie drehte sich weg, da kam zum Glück die Köchin herein, um sie abzuholen.
Sie kannte Johanna schon von ihrem Besuch mit der Tante im Pfarrhaus, wo die Köchin das Mädchen und dann die Herrschaften länger ausgefragt hatte als jetzt Frau Welti. Sie war klein und stämmig, trug eine lange weiße Schürze, unter der Haube drängten sich weiße und graue Haare hervor, ihr stupsnasiges Gesicht, in dem die Augen tief eingesunken schienen, war freundlich. »Willkommen im Belvoir.« Ihre Worte hallten im großen Zimmer wider. »Sie nimmt dich also.«
Die laute und rauhe Stimme der Köchin, fast wie die eines Mannes, hatte Luise schon im Pfarrhaus verwundert. »Ja, sie nimmt mich«, sagte sie und bemühte sich, trotz ihrer Freude bescheiden zu wirken.
»Meine Glückwünsche«, trompetete die Köchin und deutete, nah zu Luise tretend, eine Umarmung und einen Wangenkuss an. »Ich glaube, das hast du verdient.« Sie roch nach Ragout, und Luise, die seit dem Morgengrauen nichts mehr gegessen hatte, spürte ihren leeren Magen. Es ging indessen erst gegen elf Uhr, da aß man in solchen Häusern noch lange nicht.
»Komm, ich zeig dir das Haus. Damit du schon mal eine Ahnung hast, wo was ist. Und du siehst dann auch, wo du schlafen wirst.« Sie musterte die einfachen Schnürschuhe des Mädchens, ließ sie als sauber genug durchgehen und zog Luise trotz des freundlichen Tons unsanft und gebieterisch mit sich. Diese passte ihre Schritte den kurzen und eiligen der Köchin an, die in den langen Gängen beinahe zu einem Getrommel wurden. Die Villa war noch weitläufiger, als es von außen den Anschein hatte. Der Speisesaal für die großen Einladungen mit den hohen Fenstern gegen den See hin und die Stuckdecke beeindruckten Luise am meisten. Daneben lag das Esszimmer für den Alltag. Der Salon und kleinere Räume für Gäste, mit Betten und Schränken. Hier werde schon bald der Maler Stauffer eintreffen, um die Hausherrin zu porträtieren, erläuterte die Köchin, das werde – sie räusperte sich – gut und gerne ein paar Wochen dauern. Dann ein Badezimmer mit fließendem Wasser, Klosett und Badewanne. Eine große Garderobe. Im ersten Stock, über eine teppichbelegte Treppe erreichbar, die privaten Zimmer der Herrschaften, in die nur das Personal Einblick haben durfte. So sah Luise das Arbeitszimmer von Herrn Welti, das Schreibzimmer seiner Gattin samt Frisiertisch, zum Schlafzimmer blieb die Tür zu, nicht aber zum Bad mit seinen blauen Kacheln, die, berichtete die Köchin, im vorigen Jahr bei einem kleinen Umbau der Maler Stauffer auf Wunsch der Hausherrin ausgewählt habe. Sie fasste Luise scharf ins Auge. »Vor dem nimm dich in Acht! Du bist hübsch und schon erwachsen genug für einen solchen Frauenhelden.«
Luise spürte, dass sie errötete. »Ich weiß, wie man sich die vom Leib hält.«
Johanna lachte laut auf. »Ah ja?«
Sie gingen die steile Dienstbotentreppe hinunter, danach ins Untergeschoss. Zuerst in die Vorratsräume mit Säcken voller Reis, Mehl, Dörrbohnen. In die Waschküche, wo Bottiche mit eingeweichten Leintüchern standen, aus denen es nach Lauge und Kernseife roch. Die zwei Waschfrauen kämen morgen wieder, erklärte die Köchin, mit feineren Stoffen müsse sich dann wohl Luise beschäftigen. Das gebe schrumpelige Hände, so wie der Abwasch. Sie wies Luise ihre Hände vor, die aber nicht schrumpelig waren, sondern rot und geschwollen. In den Keller mit dem Holz und dem Wein würden sie ein anderes Mal gehen, das Feuerholz hole jeweils der Knecht. Endlich landeten sie in der Küche. Auch sie war groß, weit größer als jede Küche, die Luise je gesehen hatte. Überall und ohne ersichtliche Ordnung standen und hingen Töpfe und Pfannen. Vor dem mächtigen Herd stand ein mageres Mädchen, jünger als Luise, und rührte in einem großen Topf, aus dem eine Dampfwolke mit verlockendem Duft aufstieg.
»Das ist Aloysia«, sagte die Köchin. »Ein seltener Name bei uns. Und katholisch ist sie auch. Sie kommt eben aus dem Vorarlbergischen.« Sie knuffte das Mädchen halb freundschaftlich, halb mahnend in die Seite. Es schaute kaum auf und rührte weiter. Die Köchin wies zum langen Tisch, um den herum ein paar einfache Stühle standen. »Der ist fürs Gesinde. Zwar ist es noch zu früh fürs Mittagessen, aber du bekommst trotzdem etwas. Setz dich.«
Luise gehorchte, schielte hinüber zum Mädchen am Herd, das seinerseits einen Moment zur Besucherin aufblickte. Die Köchin schöpfte vom Ragout in einen tiefen Teller, löffelte aus einer anderen Pfanne Kartoffelstock dazu, stellte das Essen vor Luise hin, die sich den Magen in kurzer Zeit füllte wie schon lange nicht mehr.
Die Köchin sah ihr zu. »Das schmeckt dir, wie?«
Luise sagte ja mit vollem Mund, das Fleisch war noch zäh, das Gemüse in der Sauce aber weich und gut gewürzt, am Kartoffelstock war sogar Butter.
»Der Herr Welti«, sagte die Köchin, »will das Fleisch so weich wie möglich, aber bis er isst, dauert es noch fast zwei Stunden, er und die Frau essen um halb zwei, wenn er überhaupt da ist, und sie mag vor allem das Gemüse und den Nachtisch. Und er am liebsten frischen Fisch, Felchen aus dem See, gedünstet und mit brauner Butter übergossen.« Sie strich Luise übers Haar. »Schöne Locken hast du. Aber wenn du hier unten aushilfst, wirst du eine Haube brauchen. Der Herr Welti mag keine Haare in der Suppe.«
Das Mädchen am Herd kicherte kaum vernehmlich, und die Köchin brach in ein nahezu wieherndes Gelächter aus, das Luise erschreckte. Wie sollte sie das alles im Kopf behalten? Es war schwül in der Küche, weit wärmer als draußen, trotz zwei offenen Oberlichtern, und Luise schämte sich, dass sie zu schwitzen begonnen hatte, wischte sich mit der Serviette, die Johanna ihr zugeschoben hatte, über die Stirn und den Mund.
Die Führung war noch nicht zu Ende. Sie gingen über einen gekiesten Weg hinüber ins Gesindehaus, begegneten dem Gärtner und seinem Gehilfen, die das Rosenbeet jäteten und die verwelkten Blüten wegschnitten. Die beiden musterten Luise, der Ältere schob seinen Strohhut in den Nacken.
»Die Neue?«, fragte er.
»Ihr werdet sie schon noch kennenlernen.« Johanna zog Luise weiter. Der Rosenduft betäubte sie beinahe, und sie hätte sich jetzt, da die Sonne so stark schien, auch einen Hut gewünscht. Sie staunte über die Größe des Parks, die sie beim Herkommen vor Aufregung gar nicht wahrgenommen hatte. Hohe Nadelbäume standen da, Eichen, Blutbuchen, und auf einer kleinen Wiese, neben einem Teich, wuchsen Massen von dunkelblauen Schwertlilien. Irgendwo schnatterten Enten, Wachhunde schien es nicht zu geben. Weiter unten, gegen den See hin, blühte eine ganze Hecke mit Rhododendren. Ein Fest von Farben, vor allem flammendes Rot, auch Rosa und Orange. Den komplizierten Namen kannte Luise von drei Büschen im Pfarrhausgarten, aber so etwas hatte sie noch nie gesehen.
Im zweistöckigen Gesindehaus, wo es schlecht roch, war alles eng und im Vergleich mit der Villa unwirtlich. Im oberen Stock – er war für die weiblichen Dienstboten bestimmt – öffnete die Köchin die Tür zu einer Kammer, das Fenster war klein und trüb. Auf einem Tischchen stand eine Waschschüssel. »Wasser gibt es unten«, sagte Johanna, »der Abtritt ist ganz hinten. Halte ihn sauber.«
»Das Licht?«, fragte Luise. »Ich meine, eine Lampe?«
Die Köchin schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du die brauchst. Du stehst im Sommer um halb sechs auf, ins Bett kommst du meistens nach zehn, da bist du müde genug.«
»Darf ich?«, fragte Luise und öffnete das Fenster, so dass ein wenig frische Luft hereinkam. Sie hatte hier immerhin mehr Platz als im Pfarrhaus, da schlief sie mit den drei Kindern in einem Raum, sie musste das Husten der Kleinen aushalten und sie mitten in der Nacht trösten, wenn sie zu weinen anfingen. Ganz zu schweigen vom kleinen Haus in Russikon, bei den Großeltern, da lagen sechs Geschwister nebeneinander auf zwei zusammengeschobenen Matratzen, sie meist zwischen Lina und Barbara, oft im Spalt, weil sie sich zu wenig dagegen wehrte. Die drei Buben ganz an der Wand, und nebenan die Großeltern, die abwechselnd schnarchten, und die Mutter, die manchmal laut seufzte.
Die Köchin tätschelte Luises Wange. »Im Winter bekommst du dann eine Wolldecke, jetzt reicht ein Leintuch.« Sie deutete auf das Bett, dort lagen ein Kissen und ein nachlässig zusammengefaltetes Laken. »Einen Schrank stellen dir die Burschen noch hinein. Die sind unten, hörst du. Und haben hier oben sonst nichts zu suchen. Da ist die Frau Welti streng. Sie behandelt uns ja gut, aber wenn es um die Moral geht, lässt sie nicht mit sich spaßen.« Jetzt tätschelte sie Luises Wange nicht mehr, sondern kniff sie leicht, und Luise drehte den Kopf von ihr weg. Die Köchin tat erstaunt. »Sei nicht wehleidig. Und wenn die Männer dich belästigen, dann komm zu mir, und ich sag’s der Frau Welti. Die Kutscher schlafen zum Glück über dem Stall, das sind die Schlimmsten.« Sie gab einen missbilligenden Laut von sich. »Und der Gärtnerjunge, der hat seine Hände überall, wenn er dir zu nahe kommt. Also, Abstand halten, verstanden?«
»Ich kenne ihn ja noch gar nicht«, wagte Luise erstmals zu widersprechen und spürte die Hitze auf ihren Wangen. »Es gibt auch Anständige.«
»Aber ich kenne ihn.« Die Köchin schob sie resolut aus der Kammer in den Gang mit seinem rohen Bretterboden hinaus. Draußen trafen sie ihn wieder, den Jungen, er ging mit zwei vollen Gießkannen schwerfällig vor ihnen her, bei jedem zweiten Schritt spritzte ein wenig Wasser aus der Brause und benetzte seine nackten Füße; die Steine auf dem Weg schienen ihm nichts auszumachen.
Am ersten Juni also würde Luise hier anfangen, schon am Vorabend mit ihrem Gepäck ankommen, viel hatte sie nicht. Aber jetzt musste sie zurück nach Pfäffikon ins Pfarrhaus, es war heiß am frühen Nachmittag, und sie ging, möglichst im Schatten der Häuser, zum Bahnhof zurück. Den Weg kannte sie jetzt, er machte ihr keine Angst, trotz der vielen entgegenkommenden Leute. Und auf die Fuhrmänner, die ihr nachpfiffen, achtete sie gar nicht. Sie tastete nach dem Billett, das sie unter den Ärmel geschoben hatte. Es war noch da, aber sie hätte doch gescheiter eine kurzärmlige Bluse angezogen, bloß taugte die einzige, die sie besaß, nicht für einen Besuch im Belvoir.
Am Bahnhof musste sie fast eine Stunde auf ihren Zug warten, sie erkundigte sich drei Mal, auf welchem Gleis er abfahren würde, setzte sich dann auf eine Wartebank, wo sie noch knapp Platz fand, und staunte in die Halle hinauf, die größer und höher war als die Kirchen, die sie kannte. Dazu schaute sie immer wieder auf den vorrückenden Zeiger der großen Bahnhofsuhr und hörte mit halbem Ohr den Gesprächen der anderen Wartenden zu, die auf die vollen Taschen zwischen ihren Füßen achteten und darüber klagten, wie teuer in der Stadt alles sei. Eine Bäuerin mit Kopftuch zeigte einen schwarzen Schirm mit roten Tupfen: »Den hab ich fast auf die Hälfte heruntergehandelt.« Ein Kommen und Gehen, ein Durcheinander, das Luises Reiselust weckte. Stimmengewirr, das Fauchen der Lokomotiven, die schrillen Töne der Signalpfeifen, Rauchwolken von den Perrons her, die durch die Halle trieben, dazu der starke Geruch nach Kohle. Dann wurde Luises Zug von einem Mann ausgerufen, der mit einer Glocke und einer Kelle am Gleiskopf stand. Luise fand die vollbesetzte dritte Klasse vorne, am Anfang des Zuges, sie stieg ein, musste stehen und sich, Leib an Leib, an einem Ledergriff festhalten.
Beim Pfarrhaus in Pfäffikon nahmen die drei Kinder sie schon am Zauntor in Empfang, bestürmten sie mit Fragen. Sie hatte ihnen nichts mitgebracht, keine Bonbons, ihr weniges Zehrgeld hatte sie für sich behalten, eingeknotet in ihr Taschentuch, und die Pfarrfrau, die auch wissen wollte, wie es gewesen sei, sagte, das sei ja bloß vernünftig, die Kinder dürfe man nicht verwöhnen. Abends am Tisch, im Schein der Petrollampe, betete der Pfarrer für Luise, er empfahl sie dem Schutz des Allmächtigen und bat den lieben Gott, ihr zu helfen, sich am neuen Platz zu bewähren. Ja, schon die Frau Pfarrer hatte gesagt, sie wolle Luise nicht im Weg stehen, ihre Schwester Lina könne sie ersetzen. Das von allen gemurmelte Amen überhörte Luise, denn sie war in Gedanken wieder im Belvoir. Vom Sauerkraut in ihrem Teller aß sie beinahe nichts, das Wurstrad schob sie zur Seite, nur den dünnen Milchkaffee trank sie aus. Ob ihr nicht gut sei, fragte die Pfarrfrau. Es sei alles ein bisschen viel für sie, antwortete Luise.
Sie half den Kindern beim Auskleiden und beim Zuknöpfen der Nachthemden. Die Gutenachtgeschichte, die sie erzählte, handelte vom Mädchen, das Sterntaler aufsammelte. Regula, die Älteste, wünschte sich dieses Märchen immer wieder und zweifelte jedes Mal daran, ob auch sie selbst den Armen alles weggegeben hätte, bis sie ganz nackig – da kicherte sie – gewesen wäre. Ich schon, rief Karl, der Jüngste der drei, und strampelte übermütig die Decke von sich weg, und Luise musste sie wieder über ihn legen, damit er später nicht fror und sie mit seinem Jammern aufweckte. Das Nachtgebet sprachen sie im Chor, monoton, aber fehlerlos. Und dann schaute noch die Frau Pfarrer herein, als die Kerze schon ausgeblasen war, und gab jedem Kind einen Kuss auf die Stirn.
Luise löschte die Kerze aus, legte sich auf ihre Matratze an der Wand, hörte den unterschiedlichen Schlafgeräuschen der Kinder zu, die ihr doch mehr ans Herz gewachsen waren, als sie geglaubt hatte. Sie dachte an ihr neues Leben, sie würde von hier weggehen und ihre Familie im Nachbardorf, die sie an Sonntagen oft besuchte, kaum noch sehen. Würde sie ihre Geschwister sehr vermissen? Und die Mutter? Sie stand plötzlich vor Luises Augen, aber viel jünger als jetzt, so jung wie damals in Bergamo, in diesem großen steinernen Haus mit den vielen Zimmern, den vielen Familien, einer lärmenden Kinderschar, die im Sommer manchmal bis spätabends herumrannte, Luise mittendrin. Es roch nach Suppe, nach verschüttetem Wein. Lieder klangen durch die Sommernacht. Warum fiel ihr das alles wieder ein? Die Mutter mit einer Haut wie Milch und Honig, hatte einer gesagt, come latte e miele. Es stimmte ja gar nicht, es gab schon Falten darin und jetzt, acht Jahre später, Fältchen um die Augen herum, Krähenfüße, hatte die Tante gespottet. Aber das Gesicht des Vaters war verschwommen, kein Bild von ihm, weder ein inneres noch eine Fotografie, zu lange her, dass man ihn nass und reglos vom Fluss gebracht hat. Draußen prasselt der Regen, das Schreien der Mutter hört nicht auf. Nachbarinnen wollen sie trösten, sie stößt sie weg. Die Geschwister drängen sich weinend aneinander, Luise hält sich die Ohren zu, den toten Vater will sie nicht sehen. Warum ist er bloß hinausgegangen ins Unwetter, in Fischerstiefeln durch die Überschwemmung gestapft, zum Fluss? Er habe ein Kind retten wollen, hat die Mutter auch später stets behauptet, kein eigenes, er habe nicht schwimmen können, sei mitgerissen worden. Bald darauf mussten sie alle weg, von einem Tag auf den anderen, zurück in die Schweiz, sie hatten kein Geld mehr, um die Miete zu bezahlen. Die Verwandten des toten Vaters, der Seidenstoffe gewoben hatte, wollten sie nicht aufnehmen, so war ihr Ziel die Ortschaft Russikon, wo die Eltern der Mutter wohnten, dort wurden, neben dem Weben, auch Körbe geflochten, es war wenig Platz im Haus. Das wusste die Sechsjährige nicht, als sie aus Bergamo weggingen. Alles, was sie gekannt hatte, ließ sie hinter sich, sie folgte mit ihren Geschwistern der Mutter, die voranging mit dickem Bauch. Die Freunde, kleine und ein paar Erwachsene, folgten ihnen bis zum Stadtrand und noch ein wenig weiter. Sie trugen wenig mit sich, nur das Nötigste, das größte Bündel die Mutter, die Kinder kleine Säcke, die jemand für sie genäht hatte. Die Mutter verfluchte die Morla, die jetzt friedlich dahinfloss, Luise hätte gerne Steine hineingeworfen, um den Fluss zu strafen, aber sie tat es nicht. Einige Nachbarn aus Bergamo hatten Geld gesammelt für die Familie, es sollte ihnen erlauben, in Herbergen zu übernachten und für eine Strecke die Postkutsche zu bezahlen. Die Heimatgemeinde des toten Vaters hatte sich geweigert, die Reisekosten zu übernehmen. Auch das begriff Luise erst später. Aber die Bilder von der Reise, die ihr endlos schien, stiegen jetzt wieder in ihr auf. Das ständige Frieren, wie sie die Hände aneinanderrieben, die Nachbarn hatten ihnen auch Winterkleider geschenkt, die nützten nachts, in Scheunen und Ställen wenig, die Schuhe ließen bald Wasser durch. Es regnete oft, schneite dazwischen, manchmal konnten sie die Kleider bei mitleidigen Bauern und Wirtsleuten am Kaminfeuer trocknen lassen. Dörfer unter dem düsteren Himmel, abweisende Städte, eine hieß Chiavenna. Die Mutter wollte nicht betteln, sie waren nicht die einzigen Armen, die herumzogen, aber sie fragte Fuhrleute, ob sie aufsitzen dürften. Einer, der Weinfässer und Säcke mit Nüssen geladen hatte, nahm sie mit, bis sie in den Bergen waren und die Straße steiler wurde. Die hohen Felsen machten Angst, auch das Rauschen und Tosen der Wildbäche, aber der große Schnee war zum Glück noch nicht gefallen. Oskar, der Kleinste, war oft am Ende der Kräfte, dann brach plötzlich ein lautes Weinen aus ihm heraus, er wollte zurück nach Bergamo, und die größeren Kinder trugen ihn reihum eine Weile. Das war anstrengend, Luise strauchelte alle paar Schritte unter seinem Gewicht, mochte es aber, dass der Kleine seine Arme um sie schlang und sich mit dem ganzen Körper an sie presste, damit ging ein wenig Wärme von ihm auf sie über. Sie kamen in die Höhe, zum Hospiz, wo man sie unfreundlich empfing und ihnen dann doch ein ungeheiztes Zimmer zuwies, im Saal zwischen Fuhrleuten und Kutschern sogar Suppe für sie ausschenkte. Zwei herrschaftliche Kutschen hatten Rosina und die Kinder unterwegs überholt, von weitem schon hatten sie das »Fuori strada!« gehört. Die Kutschen standen nun vor dem Hospiz, die Herrschaften ließen sich nicht blicken, sie wären wohl gerne weitergefahren, aber die Pferde, vor denen sich Luise fürchtete, mussten gefüttert und abgerieben werden, acht seien es, erzählte Edmund, er war im Stall gewesen. Wenigstens ein paar Decken gab ihnen der Wirt ins kalte Zimmer mit, wo sie sich auf Matratzen verteilten, nahe beieinander, in der Mitte die Mutter, die wegen ihres Bauchs auf dem Rücken lag. Sie erwarte ein Kind, wusste Barbara, die zwischendurch von Hustenanfällen geplagt wurde, da werde der Bauch, in dem das Kind wachse, immer dicker. Aber wie es dort hineingekommen war, wusste Barbara auch nicht, die Mutter wollte es nicht sagen. Die Nacht war lang, die Körperwärme der Familie unter den Decken half, die dunklen Stunden auszuhalten. Sie mussten am nächsten Morgen zu Fuß weitergehen wie der Geschirrhändler, der einen vollen Korb am gebeugten Rücken trug. Die Fuhrleute, die Rosina angesprochen hatte, sagten, sie hätten keinen Platz auf ihren Wagen.
Es ging abwärts jetzt, in leichtem Schneegestöber, die Flocken schmolzen auf Luises Wangen. Linas einer Schuh war am Zerfallen, sie hatten ihr einen Lappen um den Fuß gewickelt, jetzt hinkte sie. Größere Sorgen machte ihnen Oskar, der ein wenig fiebrig wirkte. Die Straße wurde breiter, auf beiden Seiten Tannen mit ausladenden Ästen, kleine Hütten, die Kutschen überholten sie in voller Fahrt, Hufgetrappel, Peitschenknallen, Luise schaute furchtsam zurück, die Pferde schnaubend, mit geweiteten Nüstern, Atemdampf vor den Mäulern, wie rasch sie näher kamen, aus dem Weg, fuori strada! fuori strada! Luise schrie Oskar an, zog ihn mit ins verschneite Feld hinein, da rasselte die Kutsche vorüber, sie glaubte das Lachen des Kutschers zu hören, der die Peitschenschnur über ihre Köpfe tanzen ließ, bleiche Gesichter an den Scheiben wie ein Spuk, die Mutter, außer sich vor Zorn, schrie italienische Schimpfwörter, doch die wilde Jagd entfernte sich im raschen Trab, die Kinder reihten sich wieder ein am Straßenrand, gingen im Gänsemarsch weiter. Lange dauerte es, bis Luise nicht mehr zitterte und ihr Atem sich beruhigte. Der bärtige Mann auf dem Kutschbock hatte sie verspottet und ihnen Angst machen wollen. Die nächste Kutsche war langsamer, hielt Abstand zur Familie, der Kutscher, viel jünger als der vorige, hielt die Zügel straff, lachte die Kinder an, pfiff beim Anblick von Barbara, die schon fünfzehn war, anerkennend durch die Zähne.
Es war weit bis Russikon, sechs Tage noch. In Chur handelte die Mutter bei einem Postkutscher den Preis herunter, gab ihm den Rest ihres Geldes, sie fuhren einen Tag lang mit bis Rapperswil, der dicke Passagier im Innern spreizte die Beine, dass die drei Kinder, die auf seiner Seite saßen, noch enger zusammenrücken mussten. Er starrte die Mutter ihm gegenüber an, sie zog ihr Kopftuch halb übers Gesicht. Die andern, die der Kutscher zu sich auf den Bock beordert hatte, waren besser dran, denn er war ein witziger Kerl, erzählte lustige Geschichten, und ein wenig neidisch hörte Luise, wie laut Lina und Edmund manchmal lachten. Die letzte Strecke bis Russikon dann wieder zu Fuß, im Gänsemarsch, das Wimmern des kranken Oskars im Ohr.
Die Großeltern, die sie noch nie gesehen hatte, zeigten deutlich, dass sie nicht erfreut waren über den Zuwachs im Haus. Aber sie taten, was sie konnten, man musste Oskar und Barbara und die Mutter gesundpflegen, und die Großmutter hatte bald ihre Lieblinge, zu denen Luise nicht gehörte, dafür half sie dem schweigsamen Großvater beim Korbflechten, wie die zwei Brüder auch, die Finger wurden wund davon. Zu essen hatten sie genug, in Bergamo hatte es Pasta gegeben, hier nicht, an Kartoffeln mit Apfelmus und Speck mussten sie sich gewöhnen.
So vieles kehrte, nachts im Pfarrhaus, zurück aus dieser Zeit. Luise hatte die Decke abgeworfen, lag erhitzt im Nachthemd da, während sie doch damals geschlottert hatte. Die Pfarrkinder redeten unverständlich im Schlaf, hielten Luise auch mit Schnarchen wach, das manchmal in ein Ächzen, ein leises Röcheln überging. Sie zählte die Stundenschläge von der Kirche nebenan, schlief dann doch, und da waren sie wieder, die Pferde, blindwütig, mit aufgerissenen Mäulern galoppierten sie auf Luise zu. Sie wollte die Kleineren beschützen, nebenan floss der Fluss, die Morla, das Gelächter des Kutschers entfachte einen Zorn in ihr, der ihr beinahe die Brust sprengte, sie schrie, saß plötzlich wach im Bett, die Pfarrfrau kam von drüben: »Was hast du denn?« Luise rieb sich die Augen, ließ sich aufs Bett zurücksinken. »Nichts, bloß schlecht geträumt.« Die Pfarrfrau legte ihre kühle Hand auf Luises Stirn, das machte sie nur selten. »Schlaf weiter, denk an was Schönes.« Sie ging fast unhörbar hinaus, zog die Tür hinter sich zu. Draußen schien wohl der Mond, im kleinen Zimmer herrschte ein fahles Licht.
Was war das Schöne, an das Luise denken sollte? Ihre Zukunft im vornehmen Belvoir, an der Seite einer reichen Dame? Oder die unbeschwerten Tage in Bergamo, als der Vater noch lebte? Ein Vater ohne Gesicht. Luisa hatten die Kinder in Bergamo sie gerufen, mit klangvollem a. Nun war sie schon fast erwachsen, und niemand konnte ihr sagen, ob das Belvoir ihr Glück bringen würde oder nicht.
Die erste Zeit im Belvoir war streng. Zwischendurch sehnte sich Luise zurück ins Pfarrhaus; die Nähe der drei Kinder, die sie oft genug geärgert hatten, vermisste sie nun zu ihrem eigenen Erstaunen. Es gab so vieles, was sie sich merken musste, die Aufteilung und den Zweck all der Haupt- und Nebenräume, wer für was zuständig war, was alles von ihr erwartet wurde. Manchmal geriet sie außer Atem, wenn die Köchin Johanna sie hierhin oder dorthin schickte, dazu in die Hände klatschte und rief: »Aber spute dich, Mädchen!« Eigentlich war sie ja vor allem für die Bedürfnisse von Frau Welti angestellt worden, aber gerade ihretwegen, das schärfte ihr der Verwalter ein, musste sie in allem, was das Haus betraf, Bescheid wissen. Er stand über der Köchin und blieb der Neuen gegenüber hochnäsig, obwohl sie sich anstrengte, ihn zufriedenzustellen. Und Johanna ließ ihr punkto Exaktheit und Sauberkeit gar nichts durchgehen, führte Luise ärger am Gängelband als am Anfang die Frau Pfarrer in Pfäffikon, sie stellte ihr erfahrene Bedienstete zur Seite, die ihr beibrachten, das Parkett auf Hochglanz zu polieren, das Essen richtig aufzutragen, mit vollen Tabletts nicht zu stolpern, die Schürze richtig zu binden, die Kleider der Frau Welti zu bügeln, sie ordentlich zu falten und in den Schrank zu legen. Luise vermied es, dem Gärtnergehilfen Anton über den Weg zu laufen. Wenn er ihr einen neuen Strauß, meist Rosen, für Frau Welti oder für den Esstisch überreichte, machte sie’s kurz und ging auf seine flapsigen Sprüche nicht ein. Sie dachte an die Warnung der Köchin, und keinen Moment länger als nötig schaute sie sich die Sommersprossen an, die sein Gesicht übersäten.
In den zwei ersten Wochen sah sie Frau Welti kaum, offenbar hatte sie Anweisung gegeben, dass man Luise zuerst in allem anlernen müsse. Wenn sie ihr unter die Augen trat, saß die Hausherrin meist am Schreibtisch, sie hob kaum den Kopf vom Brief, den sie eben schrieb, oder von den Rechnungen, die sie quittierte, ab und zu roch sie mit gerunzelter Stirn am offenen Fläschchen, das bei den Schreibutensilien stand. Frau Welti, hörte Luise, sei es ja, die den ganzen Haushalt leite, das habe sie schon als Halbwüchsige gemacht, als ihr Vater, der Eisenbahnkönig, bettlägerig gewesen sei. Aber sie gab dem Dienstmädchen doch jedes Mal einen kleinen Auftrag, meist den, ihr ein Kännchen Tee zu holen, richtig starken, mit Milch und Zucker, oder Luise sollte ihr ein frisches Taschentuch aus einer der Schubladen in der großen Kommode heraussuchen, und einmal fragte sie Luise mit distanzierter, beinahe sorgenvoller Freundlichkeit, ob sie glaube, dass es ihr im Belvoir gefallen werde.
»Es gefällt mir schon jetzt«, erwiderte Luise vorschnell; sie wollte einen guten Eindruck machen, und die wahre Antwort wäre komplizierter gewesen. Ja, vieles gefiel ihr, sogar die burschikose Art der Köchin. Und es gefiel ihr, wenn sie zum Einkaufen mitgehen konnte, obwohl sie dann den vollen, schweren Korb zu tragen hatte. Sie fühlte sich geschmeichelt, wenn sie in den Läden mit Achtung behandelt wurde, man wusste bald, dass sie aus dem Belvoir kam. Weniger gefiel ihr der Umgang der Dienstboten untereinander. Noch durchschaute sie nicht, wer da wem Steine in den Weg zu legen versuchte, aber es waren viele Eifersüchteleien im Spiel, und Luise war klar, dass Frau Lydia das meiste nicht mitbekam und nur in schlimmen Fällen zur Schlichtung beigezogen wurde. Mit dem Küchenmädchen Aloysia freundete sie sich rasch an. Sie hatte ihre Kammer direkt neben der von Luise, und manchmal saßen sie trotz ihrer Müdigkeit spätabends noch im Dunkeln zusammen, meist bei Luise, zu zweit auf dem Bett, in der Hitze, die der Sommertag hinterlassen hatte. Die Kerze zündeten sie nicht an, das hätte die Mücken und Nachtfalter angelockt. Sie besprachen vieles, was tagsüber ungesagt geblieben war, erzählten einander halblaut von ihrem bisherigen Leben, von jungen Männern, die ihnen gefielen oder eben gerade nicht. Im Unterschied zu Luise fühlte sich Aloysia fast täglich schikaniert von der Köchin, die ihren Dialekt aus dem Vorarlberg so schlecht verstand, und Luise versprach der Freundin, bei Johanna ein gutes Wort für sie einzulegen, und wagte es dann doch nicht. Die Bilder, die überall im Haus hingen, schaute sie gerne an, doch dem einen im Empfangszimmer mit den galoppierenden Pferden und dem fliehenden Kalb wich sie lieber aus oder senkte, wenn sie dort das Parkett feucht aufwischen musste, den Blick. Sie fürchtete sich davor, dass dieses wilde Gespann sie nachts erneut verfolgen, dass sie, allein in ihrer Kammer, um Hilfe rufend aufwachen würde. Dennoch schlich sich das Bild in ihren Halbschlaf, sie konnte es nicht verhindern und wusste, dass hier niemand tröstend die Hand auf ihre Stirn legen würde. Sie wollte auch nicht, dass der Gärtnerjunge, der unten schlief, sie spöttisch fragte, ob sie Alpträume habe und sich vor dem Alleinsein fürchte. Aber die Männer hielten sich den beiden Mädchen gegenüber zurück und machten keine deutlichen Avancen, sie wussten, dass sie bei unziemlichem Verhalten, das Frau Welti zu Ohren käme, ohne Umstände entlassen würden.
Die erste große Bewährungsprobe kam, als Herr Welti an einem Nachmittag frühzeitig heimkehrte und Luise dem Ehepaar im Salon den Tee servieren musste, samt einem Johannisbeerkuchen, dessen Duft sie den halben Vormittag in der Nase hatte. Sie schob den Teewagen durch den Gang, klopfte an die Tür und fragte, ob es den Herrschaften recht sei, jetzt bedient zu werden. Ein doppeltes »Ja« hörte sie von drinnen. Die Sonne stand so, dass das Licht durch die halbgezogenen goldenen Vorhänge drang und überhelle Vierecke auf das Parkett warf, ein Lichtband lag auch schräg über den zwei Personen und dem runden Tisch, an dem sie saßen. Der Mann hatte eine gefaltete Zeitung neben sich, weiß wie eine Schneedecke, über die kleine Vögel mit winzigen Füßen getrippelt waren. Herr Welti, den Luise bisher kaum gesehen hatte, wandte sich zu ihr um, sein buschiger, über die Mundwinkel hängender Schnauz gab ihm etwas Ärgerliches und Undurchschaubares.
Er winkte sie zu sich heran. »Lass dich anschauen«, sagte er mit einer unangenehm hohen und leicht belegten Stimme.
Sie trat näher und ließ den Teewagen bei der Tür stehen, jetzt stand auch sie im Licht, sie merkte, dass ein Sonnenbalken über ihrem Haar lag, und ihr wurde plötzlich ganz heiß.
Er musterte sie und kniff dazu die Augen zusammen. »Du heißt Luise, nicht wahr?«
Sie nickte.
»Meine Frau erzählt mir Gutes von dir. Du seist fleißig, gelehrig, könnest lesen und schreiben.«
Luise nickte erneut und tadelte sich selbst, weil man dies ja als Selbstlob deuten konnte.
»Du musst dich bei uns strikte sauber halten, das weißt du.«
Luise errötete und nickte zum dritten Mal.
»Ich möchte übrigens mit Herr Doktor angesprochen werden, merk dir das.«
Ein viertes Nicken.
Frau Lydia schob das Buch, das vor ihr lag, zur Seite. »Jetzt lass sie endlich servieren. Du weißt doch Bescheid über sie, ich habe dir alles Nötige gesagt.«
Der Mann tätschelte ihre Hand, in der sie ein zusammengeknülltes Taschentuch hielt. »Richtig, sie ist ja dir unterstellt.« Er lachte kurz und knurrig.
»Das haben wir so abgemacht.« Frau Lydia bedeutete Luise, mit dem Service zu beginnen. Ihr Mann griff ohne weiteren Kommentar zur Zeitung und begann, darin zu blättern.
Es ging alles gut, sie stellte das Geschirr, das Besteck, die Servietten an die richtigen Stellen, sie goss Tee ein, ohne einen Tropfen zu verschütten, gab Milch nach Wunsch dazu, fragte nach der Menge des Zuckers und ließ die Zuckerstücke, die sie mit der Zange ergriff, sorgsam in den dunkelgoldenen Tee gleiten. Den Teller mit dem Kuchen, den sie vorher in sechs Stücke geschnitten hatte, stellte sie in die Mitte zwischen Herrn und Frau Welti und überließ es ihnen, sich davon zu nehmen, da seien, hatte die Köchin Luise belehrt, beide heikel, wollten, je nachdem, gar nichts davon oder gleich zwei Stücke. Luise hatte in der Küche von den Johannisbeeren und dem gezuckerten Eischnee, der ofengebräunt den Kuchen krönte, probieren dürfen. So etwas Köstliches hatte es im Pfarrhaus nie gegeben.
»Sie macht es gut, nicht wahr?«, wandte sich Frau Lydia an ihren Mann, der jedoch nicht reagierte.