Keiner kann heute seine Kultur noch so leben, als ob es keine daneben gäbe. In gemischten Gesellschaften steht jede Kultur neben anderen. Das heißt: Es gibt keine selbstverständliche Kultur, keine selbstverständliche Zugehörigkeit mehr. Die Außenperspektive – dass es nämlich immer anders sein könnte, dass man jemand anderer sein, etwas anderes glauben, anders leben könnte – ist heute Teil jeder Kultur. Und diese Veränderung betrifft jeden Einzelnen. Sie verändert den Bezug zur Gemeinschaft, zur eigenen Identität.
Die Philosophin Isolde Charim wendet ihre These auf verschiedene gesellschaftliche Themen an, von der Integrationspolitik über die Definition des Heimatbegriffs bis hin zu den Debatten um religiöse Zeichen.
Zsolnay E-Book
Isolde Charim
Ich und die Anderen
Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert
Paul Zsolnay Verlag
Für Moritz und Noah
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1
Ein Blick zurück: Die Illusion der homogenen Gesellschaft
Kapitel 2
Im Jetzt: Warum es mehr Aufwand bedeutet, weniger Ich zu sein
Kapitel 3
Schauplatz Religion: Der pluralisierte Gläubige
Kapitel 4
Schauplatz Kultur: Die feindliche Übernahme der Moderne durch die Tradition
Kapitel 5
Schauplatz Politik – Partizipation: Vom Parteimitglied zum Fan
Kapitel 6
Schauplatz Politik – Populismus: Es ist an der Zeit, über politische Emotionen zu sprechen
Kapitel 7
Schauplatz Political correctness: Identitätspolitik von rechts und links
Nachwort:
Was tun? Eine Frage als Symptom
Danksagung
Anmerkungen
Vorwort
Die ungarische Philosophin Ágnes Heller hat einmal erzählt, dass sie mit zwanzig Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben einen Schwarzen gesehen hat. Das war ein Besucher. Denn »so jemanden« gab es im damaligen Budapest nicht. Wenn man heute mit westeuropäischen Kindern spricht – in großen Städten, aber zunehmend auch in kleineren Orten –, dann erzählen diese Kinder von ihren Schulklassen, wo es fünf, sechs, sieben verschiedene Sprachen gibt: Deutsch, Serbisch, Bulgarisch, Arabisch, aber auch Chinesisch, Italienisch und Französisch. Und ebenso verhält es sich bei den Herkunftsländern, bei den Hautfarben und den Religionen. Was für eine Veränderung!
Die Welt der jungen Ágnes Heller, aber auch die Welt meiner Wiener Kindheit ist versunken – ebenso versunken wie die DDR. Im Fall der DDR war ich an Ort und Stelle – am Tag, besser gesagt in der Nacht ihres Untergangs. Am 9. November 1989. Am Checkpoint Charlie und in Ostberlin. Da konnte man in Realzeit sehen, wie eine Macht implodiert. Für das Ende des früheren Europas, des früheren Wiens lässt sich kein Moment, kein Datum angeben.
Dieses Versinken war kein punktuelles Ereignis, sondern eine schleichende Entwicklung, die man erst bemerkte, nachdem sie sich vollzogen hatte. Man war also gewissermaßen gar nicht dabei, als die österreichische, die Wiener, die europäische Welt eine andere wurde – auch wenn man an Ort und Stelle war. Weil man es nicht bemerkte. Man war gar nicht dabei, als man selber ein anderer wurde, weil man es nicht mitbekommen hat. Auch wenn diese Veränderung ebenso massiv war wie der Fall der Berliner Mauer – die Veränderung, die die Pluralisierung bedeutet. Man hat sie nicht erlebt. Sie ist einem widerfahren. Eines Tages ist man in einer neuen Welt und als eine neue Person aufgewacht.
So eine grundlegende Veränderung war innerhalb eines Menschenlebens möglich. In ein und demselben Leben konnte man die Erfahrung der jungen Ágnes Heller machen, also die Erfahrung einer relativ homogenen, einer relativ einheitlichen Gesellschaft, und im selben Leben kann man unsere heutige Erfahrung machen. Diese unsere heutige Erfahrung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wir leben in einer pluralisierten Gesellschaft.
Kapitel 1
Ein Blick zurück: Die Illusion der homogenen Gesellschaft
Wir leben in einer pluralisierten Gesellschaft. Das ist nicht nur ein relativ neues Faktum. Das ist auch ein unhintergehbares Faktum: Es gibt keinen Weg zurück in eine nicht-pluralisierte, in eine homogene Gesellschaft. Das ist eine einfache Feststellung. Nicht ganz so einfach ist die Klärung der Frage, was das genau bedeutet: Was ist eine pluralisierte Gesellschaft? Welche Auswirkungen hat das für jeden von uns? Oder anders gefragt: Was heißt es eigentlich, in einer solchen Gesellschaft zu leben?
Um diese Frage zu beantworten oder um sich einer Antwort auch nur zu nähern, muss man zuerst einmal einen Blick zurück werfen. Um die Reichweite und das ganze Ausmaß der Neuheit zu ermessen, muss man sich den »prä-pluralen« Gesellschaften, also den Gesellschaften Westeuropas vor ihrer Pluralisierung zuwenden. Denn diese geben das Vergleichsmodell ab. Diese homogenen Gesellschaften, also diese Gesellschaften einer relativen ethnischen, religiösen und kulturellen Einheitlichkeit sind gewissermaßen die Negativfolie. Der Hintergrund, von dem sich unsere heutige, unsere pluralisierte Gesellschaft abhebt.
Diese homogenen Gesellschaften waren nicht einfach da. Sie sind nicht einfach gewachsen, sozusagen natürlich. Sie mussten vielmehr erst hergestellt werden. Dazu hat es vieler politischer Eingriffe bedurft. Oftmals brutaler und repressiver Eingriffe. Homogene Gesellschaften sind also das Resultat von bewusstem politischen Handeln. Ein anderes Wort für diesen Vorgang lautet: Nationenbildung.
Es gibt eine Vielzahl hervorragender historischer Studien, die belegen, welcher symbolischen und materiellen Gewalt es bedurfte, um die Nationenbildung seit dem 19. Jahrhundert voranzutreiben. Die Nationenbildung war eine künstliche Vereinheitlichung. Eine Vereinheitlichung, die erst durchgesetzt werden musste. Durchgesetzt gegen eine vorhandene Vielfalt. Dazu bedurfte es eines massiven Vorgehens, eines Vorgehens auf vielen Ebenen und in unterschiedlichen Bereichen: Es brauchte eine materielle, eine emotionale und eine kulturelle Vereinheitlichung.
Nehmen wir etwa die Sprache. Was für ein langwieriger Vorgang war es, all die regionalen Sprachen, all die Dialekte einzuhegen oder auszugrenzen, um eine einheitliche Hochsprache als Landessprache durchzusetzen.
Oder nehmen wir etwas scheinbar Einfaches wie einen Zugfahrplan: Wie viel muss so einem Fahrplan an Vereinheitlichung, an materieller, gegenständlicher Vereinheitlichung vorangehen, damit er funktioniert? Da braucht es die Durchsetzung eines minutengenauen Zeitbewusstseins, die Informationen über Ankünfte und Abfahrten müssen zirkulieren, und sie müssen für alle einsehbar sein. So etwas Einfachem wie einem Zugfahrplan geht eine große materielle, physische Anstrengung voraus: die Anstrengung, eine ganze Gesellschaft auf einen Takt zu stimmen.
Aber diese Anstrengung allein reicht nicht aus. Eine homogene Gesellschaft muss nicht nur materiell vereinheitlicht werden. Sie muss auch emotional in Einklang gebracht werden. Die Einheit einer Gesellschaft muss auch in den Gefühlen verankert werden. Ein ganzes Set an Akteuren – von der Literatur über die Musik, die Bildung bis hin zu den Schulen haben daran mitgewirkt. Etwa indem sie eine zentrale Kategorie der Nation aufgeladen haben: das Territorium. Dazu wurden Orte, Orte wie Grenzen, Landschaften, Städte, Flüsse emotional besetzt. Die emotionale Imagination der Nation vollzieht sich also – auch – im Medium der Territorialisierung nationaler Emotionen, der Rückbindung von Gefühlen an den Raum. Dies vollzieht sich mittels vieler ganz konkreter Praktiken. Natürlich in den Schulen, aber auch bei ganz banalen Alltäglichkeiten – etwa beim Wetterbericht, wie Benedict Anderson berichtete, wo die Umrisse, also die Grenzen des Territoriums eingeprägt und als ein kompakter, eigener (Wetter-)Raum vermittelt werden. So viele, so vielfältige Einübungen in die emotionale Besetzung des Raums. Erst wenn das gelingt, erst wenn es gelingt, die Gefühle mit der Geografie zu verbinden, sind Orte nicht mehr einfach irgendwelche Orte. Erst dann werden sie zu Symbolen.
Die Nationenbildung hat also das Staatsgebiet verdoppelt: Sie hat dem materiellen ein symbolisches Territorium hinzugefügt, um es zu jenem Gebiet zu machen, an das die Gefühle andocken konnten.
Natürlich ist die Behauptung solch einer Homogenität sehr leicht zu widerlegen. Viele Kritiker haben der Nation vorgeworfen, dass sie ihre Homogenität nie wirklich erreicht hätte. Die Einheitlichkeit der Gesellschaft bleibt immer bis zu einem gewissen Grad eine Fiktion – eine Fiktion, die durch massive politische Eingriffe immer wieder hergestellt werden musste. Selbst dort, wo die Nationenbildung äußerst erfolgreich war. Ein ganzes Genre der kritischen Geschichtswissenschaften hat sich diesem Nachweis gewidmet: Die Nation war niemals vollständig. Die homogene Gesellschaft war also niemals gänzlich homogen. Aber all diese Erkenntnisse einer kritischen Geschichtsforschung reichen nicht aus. Denn sie übersehen etwas Wesentliches, etwas, das man nicht unterschätzen darf: Es war eine funktionierende Fiktion.
Die Vorstellung einer homogenen Gesellschaft mag immer eine Fiktion gewesen sein. Aber es war eine Fiktion, die funktioniert hat. Die Nation war sogar eine äußerst funktionsfähige Fiktion.
Seit Benedict Anderson wissen wir: Die Nation ist eine »imagined community« – eine vorgestellte Gemeinschaft. Dieser Titel seines wohl bekanntesten Buches (1983) ist zu einem geflügelten Wort geworden. »Imagined community« bedeutet, dass die Nation als Vorstellung, als Imagination funktioniert. Man könnte auch sagen: Die Grundlage des politischen Gebildes »Nation«, die Grundlage der homogenen Gesellschaft war die politische Vorstellungskraft. Die Leute haben an die Nation geglaubt. Sie haben an die Nation als an eine Realität geglaubt. Und deshalb hat die Nation, so fiktiv sie auch immer gewesen sein mag, funktioniert. Deshalb hat diese Vorstellung, die Vorstellung »wir sind eine Nation«, tatsächlich eine nationale Gesellschaft hervorgebracht. Das heißt nicht, dass die Homogenität jemals wirklich vollständig erreicht wurde. Es gab immer Abweichungen von der Homogenität. Aber die Nation war die politische Form, um eine vielfältige, eine heterogene Masse zu verbinden, zu integrieren. Sie war die politische Erzählung, um die Massen zu einer Gesellschaft zu machen.
In der Literatur wird diese Form der nationalen Imagination immer an Andersons Behauptung festgemacht, die imaginierte Gemeinschaft funktioniere, weil die Mitglieder einer Nation in der Illusion leben würden, alle anderen Mitglieder zu kennen. Insofern sei die Nation eben imaginiert. Und insofern sei sie auch eine Gemeinschaft. Warum aber konnten die Leute das glauben? Die Illusion, dass man alle Mitglieder seiner eigenen Nation kennt, konnte funktionieren, weil die Nation eben nicht nur eine materielle Vereinheitlichung ist – also die Vereinheitlichung von Sprache, Zeit und Raum. Sie konnte funktionieren, weil die Nation nicht nur eine emotionale Vereinheitlichung ist, die ihren Raum und ihre Symbole emotional besetzt. Die Nation brauchte vielmehr noch eine weitere, eine dritte Vereinheitlichung, und das ist eine kulturelle. Diese ist nicht in erster Linie im Sinne einer üppigen, traditionsreichen Hochkultur zu verstehen. Die kulturelle Vereinheitlichung hat sich massenwirksam ganz anders durchgesetzt denn als Hochkultur. Sie hat vielmehr einen Typus entwickelt, den nationalen Typus. Dieser ist ein Typus mit eindeutigen Identitätsmerkmalen. Ein Typus mit ganz klar definierten Eigenheiten. Zum Beispiel der Typus des Österreichers. Oder der Typus des Deutschen.
Aber was genau ist das, dieser nationale Typus?
An dieser Stelle gilt es, eine kurze Anmerkung zu machen. Es gab historisch zwei Bewegungen, die kongruierten: die Demokratisierung der europäischen Gesellschaften und deren Nationalisierung. Diese sind historisch gemeinsam aufgetreten. Eine Verbindung, die Jürgen Habermas »die geschichtliche Symbiose des Republikanismus mit dem Nationalismus«1 nennt, die Koppelung des demokratischen politischen Prozesses mit der nationalen Mehrheitskultur. Nun ist es aber so, dass diese beiden Prozesse zwar gleichzeitig aufgetreten sind, identitätspolitisch aber ganz unterschiedlich sind. Mehr noch: Identitätspolitisch sind Nation und Demokratie sogar gegenläufig. Denn was passiert da in Bezug auf die Identitätsbildung des Einzelnen?
Wir alle, die wir in westlichen, also in demokratischen Nationen leben, wir alle sind bekanntlich verdoppelt: Wir sind Bourgeois und Citoyen, also Bürger und Staatsbürger zugleich. Als Bürger sind wir Privatpersonen. Einzelne mit ganz bestimmten Merkmalen. Mit Merkmalen, die uns unterscheiden: Wir sind Mann oder Frau, arm oder reich, Beamter, Bauer, Lehrer. Was auch immer. Als Citoyen jedoch, also als Staatsbürger, als öffentliche Personen, da sind wir alle gleich. Und genau darin besteht ja das demokratische Moment: Es macht uns zu abstrakt Gleichen.
Demokratie, wie wir sie bisher kannten, ist die Herstellung solch eines »Individuums des Universellen«, wie Pierre Rosanvallon2 das genannt hat. Die Herstellung des politischen Subjekts als Staatsbürger und Wähler, die Herstellung des juristischen Subjekts als Rechtssubjekt. Demokratie bedeutet die Individualisierung der Gesellschaft. Man muss also festhalten, dass die Individualisierung nicht erst mit unserer Gesellschaft aufkommt, sondern eine viel ältere Bewegung ist, die bereits um 1800 herum entstand.
In dieser Bewegung, die man als das erste Zeitalter des Individualismus bezeichnen könnte, tritt der Einzelne aus seinen vorgegebenen Zusammenhängen hinaus. Dieser erste, aus unserer Perspektive der »alte« Individualismus hat den Einzelnen aus den Festschreibungen der Ständegesellschaft befreit. Es hört sich widersprüchlich an, aber Individualismus bedeutete, dass die Individuen alle gleich werden. Denn ein Individuum war man eben als Staatsbürger, als Wähler, als juristisches Subjekt – also dort, wo man von allen Unterschieden, von allen Besonderheiten wie Stand, Klasse oder Religion absah. Es war dies das Individuum von Großformationen wie Nationen oder Parteien. Dieses Individuum betrat als Gleicher die öffentliche Arena.
Dieser alte Individualismus war also – und das ist hier das Entscheidende – ein anderer Individualismus als unser heutiger. Er war die Herstellung eines anderen Typus von Individuum. Denn das Rechtssubjekt, der Wähler, der Staatsbürger entsteht durch Abstraktion. Privat, als Einzelne sind die Individuen je konkret und unterschiedlich. Als öffentliche Person aber werden sie Gleiche gerade durch die Abstraktion von dem, was sie unterscheidet. Das heißt, nur unter Absehung ihrer spezifischen Differenz werden sie gleiche Teile des Ganzen – gleiche Teile des Souveräns. Insofern ist das Verbindende zwischen den Individuen die Abstraktion von ihren spezifischen Bestimmungen. Gleicher Teil des Ganzen ist man nur, wenn man von dem absieht, was uns unterscheidet. Diese abstrakte Allgemeinheit des universellen Individuums wird bei Wahlen, sie wird beim Wähler besonders augenfällig.
Bei Wahlen gilt: eine Person – eine Stimme. Egal, wie verschieden wir sind – als Wähler sind wir alle gleich. Jeder zählt als einer. Jeder hat den gleichen Anteil. Deshalb werden die Stimmen auch gezählt und nicht gewichtet, nicht gewertet. Jede Stimme ist gleich viel wert.3 Aber warum eigentlich?
Weil wir als Wähler alle unsere Besonderheiten abstreifen. Weil man beim Wählen von dem absieht, was uns unterscheidet. Das heißt: Beim Wählen lösen sich alle Unterschiede in eine Zahl auf: eine Person – eine Stimme. Egal, wer wir sind: Jede Person wird zu einer Zahl. Das allgemeine Wahlrecht hat uns zu Gleichen gemacht – aber zu arithmetisch Gleichen. Dies ist eine abstrakte Gleichheit.
Wir wissen, dass es ein langer und teilweise blutiger Prozess war, diese Abstraktion durchzusetzen, denken wir etwa an das Zensus- oder an das Frauenwahlrecht. Es war also historisch ein schwieriger Weg, diesen Staatsbürger, diesen Citoyen, diese Abstraktion herzustellen. Für unsere Überlegungen ist entscheidend, dass dieses Individuum nur auf Grundlage der Abstraktion (von seinen besonderen Bestimmungen) zum gleichen Teil des Ganzen, zum »politischen Atom« werden kann, wie Claude Lefort den Citoyen genannt hat. Diese Gleichen sind sozusagen der »Nullpunkt des Gesellschaftlichen«4, da sie aus der Abstraktion aller gesellschaftlichen Bestimmung, aus dem Absehen von allen Unterschieden, hervorgehen. Was Lefort jedoch nicht benennt, ist: Die Identitätsbildung der demokratischen Nation erschöpfte sich darin nicht. Was er nicht erwähnt, ist die Ergänzung, die es noch brauchte. Die Ergänzung, die zu der Abstraktion hinzukam. Das aber ist der Moment, der für uns heute drängend, der akut wird.
Die Herstellung dieser abstrakten Gleichheit war zwar die – durchaus fortschrittliche und emanzipierende – Bewegung des demokratischen Prozesses. Aber bislang galt: Wir brauchen nicht nur die demokratische Abstraktion, diese allein reicht nicht. Wir brauchen noch etwas anderes. Und dieses andere lieferte die Nation. Die Nationenbildung war – wie gesagt – identitätspolitisch eine gegenläufige Bewegung zur Demokratie. Die Nation war das genaue Gegenteil der demokratischen Abstraktion. Die Nation hat dem abstrakten demokratischen Subjekt, dem abstrakten Citoyen, der abstrakten Rechtsperson das Gegenteil einer Abstraktion angeboten. Sie hat ihm eine Gestalt angeboten. Eine Gestalt mit positiven Identitätsmerkmalen für das Individuum als öffentliche Person. Ist der Wähler ein abstrakt Gleicher, der nur in numerischer Hinsicht zählt, ist das politische und das juristische Subjekt ein abstrakt Gleiches, das nur in dieser Hinsicht gleicher Teil des Souveräns ist, so ist das nationale Subjekt konkret, spezifisch. So war man nicht nur abstrakter Teil des Gesellschaftsganzen. Diese Ergänzung des demokratischen Individualismus, dieses Gegengewicht zur demokratischen Abstraktion ist es, das Lefort nicht benannt hat: die nationale Gestalt, den »nationalen Typus«.
Was ist dieser nationale Typus? Es ist der Typus, der die öffentliche Person charakterisiert. Und bestimmt. Wir alle kennen das: Der Österreicher ist so und so, der Deutsche so und so, der Italiener. Charmant, aber hinterfotzig. Pedantisch und autoritätsgläubig. Lebenslustig, aber unzuverlässig. (Zuletzt haben wir bei der Griechenlandkrise eine Neuauflage dieser nationalen Stereotype im großen Maßstab erlebt.)
Man denke an diese Art von Witzen: Ein Schiff droht unterzugehen. Der Kapitän überlegt, wie er die Leute dazu bringt, über die Reling zu springen. Dem Engländer sagt er, es sei unsportlich, nicht zu springen. Dem Franzosen sagt er, springen wäre schick. Dem Deutschen sagt er, es sei ein Befehl, und dem Italiener, springen sei verboten.
Es gibt Legionen solcher Witze über nationale Unterschiede. Wir sollten sie nicht zu schnell als Stereotype abtun. Diese sind nicht einfach nur Stereotype, also unzulässige Verallgemeinerungen. Sie sind auch etwas anderes. Sie sind Einübungen in die nationale Gestalt. So übt man, so lernt man Zugehörigkeiten (und natürlich auch Abgrenzungen von anderen).
Das Narrativ der Nation bildete also eine Klammer, die den konkreten Einzelnen mit dem öffentlichen Einzelnen verband, indem sie diesem eine konkrete Gestalt für seine öffentliche Identität anbot – eine Gestalt, mit der er sich nicht nur als abstrakter, numerischer Teil in das Ganze integrieren konnte, sondern auch als konkreter Teil mit positiven Identitätsbestimmungen. Kurzum: Das nationale Narrativ bot dem demokratischen Individuum eine Figur, in der er sich als öffentliche Person wiedererkennen konnte. Wobei die Konturen dieser Gestalt wandelbar sind.
Und genau deshalb – wegen dieser Gestalten – glauben wir, alle anderen Angehörigen unserer Nation zu kennen. Wir identifizieren uns, wir identifizieren die anderen mit diesem Typus. Genau weil es solche Gestalten gab, funktionierte die nationale Illusion, genau deshalb hat die Illusion der homogenen Gesellschaft funktioniert.
Nationale Demokratien haben die Individuen nicht nur in Bürger und Citoyens (zunächst ja nur die Männer), in politische Individuen und private verdoppelt. Sie haben diese nicht nur in eine Abstraktion verwandelt und diese gleichzeitig mit einer Gestalt versorgt. Diese gesamte Bewegung ging noch darüber hinaus. Oder anders gesagt: Als dominante Erzählung war die Nation ein noch weitreichenderer Eingriff in die Identität der Einzelnen. Denn die Nation war nicht einfach das Angebot einer weiteren Bestimmung, sie war vielmehr das Angebot einer herausragenden Bestimmung für jeden Einzelnen. Auch in national geeinten Gesellschaften besteht die Identität der Einzelnen natürlich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bestimmungen: geschlechtliche, klassenspezifische, religiöse, ethnische und so weiter. Die Nation hat nun dort, wo sie erfolgreich war, eine dieser Bestimmungen – eben die nationale – zur wesentlichen Bestimmung gemacht. Das bedeutet, dass das nationale Identitätsmoment alle unterschiedlichen anderen biografischen Elemente – Mann, Frau, Arbeiter, Künstler, jung, alt, was auch immer – auf spezifische Weise verbindet und organisiert. Es fasst sie zu einem Ganzen zusammen, zu einem einheitlichen Ganzen, zu etwas, das man mit Louis Althusser eine »expressive Totalität« nennen könnte5: ein Ganzes mit einem Zentrum, das jeden Teil in seinen Ausdruck verwandelt. Für die Nation bedeutet das: Die nationale Bestimmung wird zur zentralen identitären Bestimmung, die alle anderen biografischen Momente in deren Ausdruck, in den Ausdruck dieses Zentrums, verwandelt. So werden beispielsweise aus Männern deutsche Männer, aus Arbeitern österreichische Arbeiter, aus Frauen Französinnen. Das Narrativ der Nation hat die gesellschaftlichen Differenzen neu organisiert.
Die Unterschiede, die konkreten Unterschiede der einzelnen Bürger, werden durch den nationalen Typus natürlich nicht gelöscht. Auch nicht in einer homogenen Gesellschaft. Aber diese Unterschiede verlieren an Bedeutung. Wir mögen Bauern sein oder Unternehmer – aber beide sind Österreicher. Wir mögen Männer oder Frauen sein – aber wir sind alle Deutsche, Franzosen oder was auch immer. Die Differenzen in einer Gesellschaft wurden zu sekundären Differenzen angesichts der einen vorherrschenden Gleichheit, der nationalen. Die nationale Erzählung hat also allen – den Bauern, den Beamten, den Arbeitern – eine Identität angeboten, in der sie sich alle vereinen konnten.
Homogenität einer Gesellschaft bedeutet nicht einfach Vereinheitlichung. Homogenität einer Gesellschaft bedeutet vielmehr die Sekundarisierung der Unterschiede. Homogen ist eine Gesellschaft nicht, wenn es keine Unterschiede mehr gibt. Homogen ist eine Gesellschaft, wenn die Unterschiede zweitrangig werden, wenn die Unterschiede sekundär werden – angesichts des Gemeinsamen. Dieses Gemeinsame, das der nationale Typus bereitstellt, beruht auf dem Prinzip der Ähnlichkeit: In dessen Gestalt können sich alle Mitglieder der Nation wiedererkennen. Die »imagined community« ist eine Gemeinschaft der Ähnlichen.
In diesem Sinne war die Nation der Versuch, die Gemeinschaft unter den Bedingungen der Moderne in die Gesellschaft einzuführen – eine vorgestellte Gemeinschaft, die suggeriert, einander völlig Unbekannte würden einen Verbund von Gleichen, von Ähnlichen bilden. Die Erzählung von der Nation war also ein Weg, in Massengesellschaften tatsächliche Bindungen herzustellen.
Eine solche homogene Gesellschaft – so fiktiv sie auch immer sein mag – funktioniert auf zwei Ebenen: auf der Ebene der Identität und auf jener der Zugehörigkeit. Sie bietet uns eine besondere öffentliche Identität an, den nationalen Typus. Und sie bietet uns eine besondere Art der Zugehörigkeit an. Homogen ist eine Gesellschaft, wenn man glaubt, ihr unmittelbar anzugehören – unmittelbar und selbstverständlich. Wenn man also glaubt, ihr voll und ganz anzugehören, voll und ganz zu sein. Das ist ihre wesentliche Definition.
Was aber heißt das: voll und ganz sein? Seit Freud wissen wir, dass jede Identität, die glaubt, sie sei vollständig, ein Irrglaube ist. Jede Identität, die meint, man sei wirklich der, der man ist, der man zu sein glaubt, jede Vorstellung, man sei wirklich identisch mit sich selbst, ist eine Illusion. Seit Freud wissen wir: Jede Zugehörigkeit, die von sich meint, sie sei selbstverständlich und unmittelbar, sitzt einer Fiktion auf. »Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus« heißt Freuds wohl bekannteste Formel. Wesentlich ist, dass er damit beides in Frage stellt: sowohl das Ich als auch das Haus. Das Ich stellt er in seinem Selbstverständnis in Frage und das Haus als das Eigene. Und trotzdem. Die Nation war lange Zeit der erfolgreiche Versuch, genau diese zwei Illusionen im großen Maßstab, im Maßstab der Gesamtbevölkerung aufrechtzuerhalten.
Die Illusion des intakten Ichs, die Illusion – wenn ich einen nationalen Typus verkörpere, dann bin ich dieser auch. Voll und ganz. Die Illusion, ein Österreicher oder ein Deutscher zu sein, hieß, ein wirklicher Deutscher, ein echter Österreicher zu sein.
Ebenso aber hat die Nation auch die Illusion des Hauses, die Illusion des eigenen Hauses aufrechterhalten. Das Land als das eigene Haus des Ichs. Das Land als das Haus, in dem das nationale Ich der Herr ist.
Dieses »eigene Haus« ist das letzte Element, das unserer Karte der homogenen Gesellschaft noch gefehlt hat. Zu allen Vereinheitlichungen – zu der materiellen, zu der emotionalen, zu der kulturellen Vereinheitlichung kommt noch die des »eigenen Hauses« hinzu. Wenn ein Land zum »eigenen Haus« wird, dann bedeutet das: Sämtliche Institutionen, sämtliche Instanzen haben dieselbe Grundierung.
Die Theater und die Schulen, die Gerichte und die Kirchen, die Parteien und die Museen – sie alle haben dieselbe Grundierung. Mit Marx könnte man sagen: »Es ist eine allgemeine Beleuchtung, worin alle übrigen Farben getaucht sind – ein besonderer Äther.«6 Man könnte auch sagen: Sie alle sind nicht nur auf einen Takt, sie sind auch auf einen Ton gestimmt. Ein anderes Wort für diesen Gleichklang, für dieses gleich gestimmte, für dieses eigene Haus lautet: Milieu. Ein Milieu ist eine Umgebung. Eine Umgebung, die ein Ganzes bildet, eine Einheit. Im Fall der Nation umfasst dieses eine Milieu das ganze Land.
Hier, in einem solchen Milieu ist der nationale Typus verankert. Dieser schwebt nicht im luftleeren Raum. Er lebt vielmehr in einer Umgebung, die Milieu, die sein Milieu ist. Das heißt, eine Umgebung, die für ihn selbstverständlich ist. Und das ist vielleicht das zentrale Wort für die homogene Gesellschaft: selbstverständlich. Eine homogene Gesellschaft produziert Selbstverständlichkeit. Das ist ihr Medium. Und ein Milieu ist erst dann ein Milieu, wenn man es als selbstverständlich erlebt. Wenn man es als seine Welt erlebt. Ohne es zu hinterfragen. Anders gesagt: Der nationale Typus lebt in seinem Milieu – ganz unmittelbar. Und in diesem Sinne auch ganz »naiv«, nämlich direkt. Er muss sich diese Welt nicht erst »erarbeiten«, er muss sich diese Welt nicht erst aneignen. Er gehört ihr ganz direkt an. Das Milieu – im Fall der Nation umfasst es eine ganze Gesellschaft –, dieses Milieu ist seine Lebenswelt. Es ist das Biotop des nationalen Typus.
Und dieses Milieu der einen nationalen Welt garantiert dem Einzelnen seine Identität – als eine vollständige, als eine ganze Identität. Gegen alle Erkenntnisse der Psychoanalyse. Das Milieu garantiert dem nationalen Typus aber nicht nur seine Identität. Es garantiert ihm auch seine Zugehörigkeit, die Art seiner Zugehörigkeit: eine unmittelbare, eine selbstverständliche, eine unhinterfragte Zugehörigkeit.
Eine homogene Gesellschaft – in all ihrer Fiktion – besteht letztlich genau darin, eine bestimmte Art von Identität und eine bestimmte Form von Zugehörigkeit zu ermöglichen.
Homogen ist eine Gesellschaft nicht, wenn es keine Unterschiede gibt. Homogen ist sie, wenn man ihr voll und ganz angehören kann. Wenn man sich dieser Illusion hingeben kann. Denn das ist das Versprechen der homogenen Gesellschaft: Sie versorgt uns mit einer herausragenden Bestimmung, einer Bestimmung, die uns vereinheitlicht, die uns »ganz« macht, die uns mit einer vollen Identität versieht – auch wenn dies im Freud’schen Sinne immer eine Illusion bleibt.
Und genau das ist der Punkt, an dem sich der Unterschied zu unserer heutigen Gesellschaft ablesen lässt. Genau das ist der Hintergrund, von dem unsere pluralistische Gesellschaft sich abhebt. Die Folie, an der wir die Differenzen zu unserer heutigen Gesellschaft ablesen können.
Wir leben nicht mehr in dieser Welt der Homogenität. Diese ist in den letzten zwanzig, in den letzten dreißig Jahren langsam verschwunden. In einer schleichenden Entwicklung. Und zwar auf allen Ebenen.
Diese einheitliche Welt ist auf der ganz materiellen Ebene verschwunden. Verschwunden trifft es vielleicht nicht ganz. Aber sie hat eine massive Veränderung erfahren. Natürlich gibt es nach wie vor Fahrpläne. Aber nehmen wir eine andere Taktvorgabe – die Nachrichten, die »Zeit im Bild« oder die »Tagesschau«: die Vorstellung, dass sich die ganze Nation um 19.30 Uhr oder um 20 Uhr vor den Fernsehgeräten versammelt, um jeder für sich, aber doch alle gemeinsam die Nachrichten des Tages zu schauen. Diese Vorstellung ist nicht nur für junge Leute, die das niemals erlebt haben, absonderlich. Nein, diese Vorstellung ist sogar für jene, die es erlebt haben, die so aufgewachsen sind, kaum mehr vorstellbar. Zwischen Mediathek, Kabelfernsehen und YouTube ist unsere Gesellschaft in vielfacher Hinsicht nicht mehr auf einen Takt gestimmt.
Aber die Pluralisierung der Gesellschaft beschränkt sich natürlich nicht nur auf technologische Entwicklungen. Auch die anderen Ebenen der Homogenisierung haben sich verschoben: Die emotionale Gleichstimmung ist in einem Europa der (mehr oder weniger) offenen Grenzen nicht mehr aufrechtzuerhalten. Vor allem aber der nationale Typus und dessen Milieu haben sich verändert. So ist etwa das katholisch grundierte österreichische Milieu ebenso wie das protestantische deutsche – das Milieu, das Schulen, Autoritäten, Institutionen bestimmte, das Milieu, das den strikten Unterschied zwischen Feiertagen und Werktagen vorgab und das eine intakte Hochkultur umfasste –, dieses ganze Milieu ist nicht verschwunden. Wie auch die Fahrpläne nicht verschwunden sind. Aber das Milieu erodiert. Seine Grenzen weichen sich auf. Sein Takt ist nicht mehr der einzige, sein Ton ist nicht mehr der vorherrschende. Und der nationale Typus? Nehmen wir etwa den österreichischen Typus. Das Trachtenpärchen, die Bourgeoisie im Lodenmantel. Wer erinnert sich noch an die Hofratswitwe mit Burgtheater- und Josefstadt-Abonnement? Sie alle sind noch da – unter anderen. Aber den Takt, den geben sie längst nicht mehr vor.
Nun könnte man einwenden: Gerade derzeit erlebt die Nation ein Comeback. Nehmen wir etwa den »Brexit« – das Votum der Briten für den Austritt aus der EU. Ein Votum gerade im Namen der Nation. Und eine Stimmung, die nicht nur für England symptomatisch ist. Sie findet sich vielmehr verbreitet in ganz Europa oder in den USA. Und trotzdem.
Wenn die Nation heute wieder vermehrt auftaucht, dann ist das kein Einspruch gegen die These von ihrer Erosion. Paradoxerweise ist das Comeback der Nationen sogar eine Bestätigung der These von ihrer Erosion. Denn das, was da wiederkehrt, ist nicht die alte Nation. Das, was da wiederkehrt, ist nicht eine politische Erzählung, um eine heterogene Masse zu verbinden. Es ist nicht eine Erzählung, die eine Vielfalt zu einer Gesellschaft verbinden will.
Die Nation, die sich heute aus dem Einspruch gegen die EU zurückgewinnen möchte, diese Nation ist eine andere geworden. Von einer verbindenden Erzählung ist sie zu einer spaltenden geworden. Denn sie gilt nur für fünfzig Prozent der Bevölkerung. Das heißt aber: Sie ist gegen die anderen fünfzig Prozent gerichtet. Die Nation war früher, als die Illusion noch intakt war, nach außen hin abgrenzend, aber nach innen verbindend. Das englische Beispiel aber zeigt deutlich: Heute, wo die Fiktion nicht mehr glaubwürdig ist, ist die Berufung auf die Nation nach innen spaltend. Die Nation hat sich verändert – von einer äußeren zu einer inneren Grenze. Diese Nation kann kein umfassendes Wir, sie kann nur noch ein halbes Wir herstellen. Ebenso wenig wie sie noch ein einheitliches Milieu bilden kann.
Und genau dadurch bestätigt dieses Comeback aber den Befund: In der pluralisierten Gesellschaft verschwindet die Nation nicht. Aber sie erodiert.
Diese Erosion bedeutet: Die Welt der Nation ist nicht mehr das eine Milieu, die selbstverständliche Welt. Sie ist nicht mehr das Versprechen einer vollen Zugehörigkeit und einer intakten Identität. Wichtig aber ist: Dieses Milieu ist nicht einfach durch ein anderes Milieu abgelöst worden, so wie auch der nationale Typus nicht durch einen anderen Typus abgelöst wurde. Es hat sich nicht einfach eine neue Vorherrschaft entwickelt. Die massivste Veränderung besteht vielleicht darin: Unsere Gesellschaft organisiert sich heute nicht mehr durch den einen Typus, sie organisiert sich nicht mehr durch das eine Milieu. Politisch bedeutet diese Veränderung: Die Nation und die Demokratie driften auseinander. Ihre lange Symbiose lockert sich. Und da stellt sich die drängende Frage: Kommen wir ohne eine nationale Figur, ohne eine eindeutige nationale Gestalt aus? Reicht die abstrakte Gleichheit der demokratischen Subjekte aus, um eine Gesellschaft zu bilden? Kann die Demokratie nackt funktionieren – nackt, also ohne nationale Gestalt?
In Bezug auf die Identität, die Identität jedes Einzelnen, bedeutet diese Veränderung jedoch: Wenn dieses Milieu der homogenen Gesellschaft sich langsam auflöst, dann können wir alle keine vollen Identitäten mehr haben. Dann können wir keine ganzen, selbstverständlichen, ungebrochenen Identitäten mehr haben. Dann können wir keine ganzen, selbstverständlichen, ungebrochenen Zugehörigkeiten mehr haben. Nicht einmal mehr als Fiktion.