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Die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) wurde seit 2010 zunächst als Novellierung der EU-Vermittlerrichtlinie (IMD) entwickelt. Der Prozess stand erkennbar stark unter dem Eindruck der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Sollte die abzulösende Vermittlerrichtlinie noch grundsätzlich sehr wirtschafts- und wettbewerbsfreundlich den Europäischen Binnenmarkt für Versicherungsvermittler öffnen, versuchte man nun auch umfassende Verbraucherschutzansätze mit dieser Richtlinie zu verwirklichen. Über die Vermittlung hinaus werden Teile der Wertschöpfungskette der Versicherungsbranche einbezogen wie die Produktentwicklung oder die Personalqualifizierung und -entwicklung.
Das Ergebnis kann nicht überzeugen. Die IDD hat den fünffachen Umfang der IMD. Dieser wird noch um einen vielfachen Umfang an Rechtstexten – Delegierte Rechtsakte auf Basis Technischer Durchführungsstandards – ergänzt. Die nationalstaatliche Souveränität in der Umsetzung wird durchbrochen, für die Praxis wichtige Umsetzungsbestimmungen werden aus europäischer Ebene entwickelt und unmittelbar gegen die Wirtschaftssubjekte wirksam.
Es bleibt nicht aus, dass diese umfassenden Bestimmungen aus verschiedenen Quellen alles anders als widerspruchsfrei sind. Es gibt offene Zielkonflikte auch mit anderen europäischen Rechtsetzungen. Als Beispiel sei nur genannt, dass Versicherer den Solvabilitätsrichtlinien folgend verantwortungsbewusst mit dem knappen Gut Eigenkapital umgehen und die Leistungsversprechen an ihre Kunden durch risikoorientiert differenzierte Eigenkapitalunterlegung sichern sollen. Das geht nur, wenn man bei der Produktentwicklung und deren Absatz sehr klare wirtschaftliche Steuerungsziele verfolgt. Die 8IDD setzt dem das Wohlverhaltensparadigma diametral entgegen, wonach Versicherungsvertreiber das bestmögliche Interesse der Kunden als Handlungsmaxime zu beachten haben. Das kann zu einem schwer auflösbaren Interessenkonflikt führen.
Auch stellt sich die grundsätzliche Frage, ob im Versicherungsvertrieb derart schwerwiegende Fehlentwicklungen bestehen, dass ein tiefer Eingriff des Richtliniengebers in den Markt gerechtfertigt erscheint. Vielmehr hat sich die IMD durchaus überwiegend bewährt und bedurfte eher einer punktuellen Weiterentwicklung. Selbst beachtliche Skandale wie derjenige um die Vermittlung von Restschuldversicherungen durch Banken im Vereinigten Königreich wären durch nationale, aufsichtsamtliche Maßnahmen auf Basis der IMD zu verhindern gewesen. Es fällt schwer zu verstehen, dass 27 andere EU-Mitgliedstaaten solche nationalen Erfahrungen teilen und verschärfte Regulierungsansätze hinnehmen müssen. Der Akzeptanz des Europäischen Binnenmarktes und der Europäischen Union insgesamt ist dies nicht zuträglich. Eine Ironie der Geschichte ist, dass das Vereinigte Königreich mit dem Brexit die EU verlassen will, die von ihrer Regulierungsgeschichte maßgeblich mitgeprägte IDD aber bleibt der Gemeinschaft erhalten.
Andererseits muss man die Grundlogik der IDD als gelungen bezeichnen: Sie will Versicherungsvertreiber dazu anhalten, nicht nur den Teil Vermittlung aus der Wertschöpfungskette herauszugreifen und durch verbraucherschützende Maßnahmen wie Marktzugangs- und Berufsausübungspflichten eine sachgerechte Qualität zu leisten. Eine gute Beratung über nicht bedarfsgerechte Produkte kann zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis für den Kunden führen, ebenso wie umgekehrt eine schlechte Beratung zu grundsätzlich bedarfsgerechten Produkten ebenfalls inakzeptable Folgen haben kann. Deshalb macht es Sinn, Versicherungsvertreiber zunächst dazu anzuhalten, sich mit dem Bedarf der Kunden auseinanderzusetzen und bedarfsgerechte Produkte zu entwickeln. Wird hierüber anschließend qualifiziert beraten, hat der Kunde zumindest bei Vertragsschluss ein qualitativ akzeptables Ergebnis erreicht. Kommen dann noch qualitativ hinreichende Prozesse wie zum Beispiel bei der laufenden Nachberatung und Anpassung an veränderliche Bedarfssituationen („Betreuung“) oder im Schaden- und Leistungsfall hinzu, ist die Wertschöpfungskette aus Sicht der Kunden vollkommen. Die letztgenannten Bestandteile der Wertschöpfungskette werden allerdings aus der IDD ausgeblendet – eigentlich inkonsequent.
9Einige Neuerungen der IDD dürften in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen, weil sie hiesigen Überzeugungen von einem professionellen und seriösen Vertrieb entsprechen. So hat die Versicherungsbranche beispielsweise selbst mit der „gut beraten“-Initiative eine Weiterbildung der Vermittler angestoßen.
Andere Aspekte werden allerdings den Markt stark verändern. So könnten beispielsweise die erheblich verschärften Anforderungen an Informations- und Beratungspflichten zu Versicherungsanlageprodukten im Ergebnis eine ganze Kategorie für viele Kunden interessanter und bedarfsgerechter Produkte aus dem Markt herausregulieren. Dem wird der Staat begegnen müssen, wenn die ergänzende, private Vorsorge trotzdem gestärkt werden soll – unter Umständen mit einem mehr oder weniger sanften Abschlusszwang.
Die Umsetzung der IDD wird allerdings auch genutzt, um nationale Anliegen voranzutreiben. Dazu zählt vor allem das Ziel der Großen Koalition, die Honorarberatung zu fördern. Kurz vor Ende der Legislaturperiode wurde dieses Ziel nun auch im Versicherungsvertrieb umgesetzt, nachdem in der Finanzanlageberatung und der Immobiliarkreditberatung bereits entsprechende Maßnahmen erfolgt sind. Schließlich war das Thema Provisionsabgabeverbot zu lösen, das sich seit 2011 in einer rechtlich unklaren Situation befindet. Die bisherigen Rechtsverordnungen wurden zudem im Zuge der VAG-Novelle auf den 1. Juli 2017 befristet, sodass kurzfristig Handlungsbedarf bestand.
Die IDD-Umsetzung ist ein komplexes Vorhaben, das unter großem Zeitdruck sowohl seitens der EU als auch national durch die Bundestagswahl im Herbst 2017 umzusetzen ist. Dass dabei die nötige Zeit fehlt, eine grundlegende Definitionsarbeit und eine zukunftssichere, verständliche und dogmatisch saubere Umsetzung vorzubereiten, liegt auf der Hand.
Es ist aber auch zu bedauern, dass in den rund zehn Jahren seit der – damals schon um zweieinhalb Jahre verspäteten – Umsetzung der IMD keine Bereitschaft erkennbar war, diese notwendige Grundlagenarbeit zu leisten. Vielmehr entstand der Eindruck, als sei das Thema Versicherungsvertrieb trotz mancher offensichtlicher Mängel beispielsweise bei der Verhaltensaufsicht über Vermittler oder dem Direkt- und Onlinevertrieb vor allem den Aufsichtsbehörden und den ihnen vorgesetzten Ministerien eher lästig. Die Klärung der Grenzen zwischen Tippgeben und Vermitteln wurde ebenso der Rechtsprechung anhand von Einzelfällen überlassen wie der wettbewerblicher 10Missbrauch gewerberechtlicher Statuszuweisungen. Wie Beratungen und Beratungsdokumentationen durchzuführen sind, erfahren die Betroffenen erst nach und nach anhand obergerichtlicher Rechtsprechung.
Unsere Einführung in das neue Versicherungsvertriebsrecht will versuchen, bei aller gebotenen Eile in der Vorbereitung sorgfältig über die Hintergründe der IDD, deren Regelungsansätze sowie über die neuen definitorischen Grenzen zwischen Provisions- und Honorarvermittlung und -beratung zu informieren. Es sollen eine kritische Würdigung des Gesetzgebungsverfahrens, erste Einschätzungen zu den Auswirkungen und dem Handlungsbedarf der betroffenen Marktparteien geleistet werden. Dabei müssen wir notwendigerweise auf die Einbeziehung der bei Verabschiedung des IDD-Umsetzungsgesetzes noch ausstehenden, europäischen Rechtsakte sowie auf die deutsche Rechtsverordnung (überarbeitete Versicherungsvermittlungsverordnung) verzichten. Hierzu werden wir in der Folge eine Anschlusspublikation erstellen.
Bochum, im Oktober 2017 |
Matthias Beenken |
Hans-Ludger Sandkühler |
ABl. |
Amtsblatt |
Abs. |
Absatz |
AltvPlBV |
Altersvorsorge-Produktinformationsblattverordnung |
AltZertG |
Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz |
Art. |
Artikel |
AVAD |
Auskunftsstelle über Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in Deutschland e.V. |
Az. |
Aktenzeichen |
BaFin |
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BGHZ |
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) |
BMWi |
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie |
Buchst. |
Buchstabe |
BVK |
Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. |
DeckRV |
Deckungsrückstellungsverordnung |
DIHK |
Deutscher Industrie- und Handelskammertag |
EG |
Europäische Gemeinschaften |
EIOPA |
European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) |
EU |
Europäische Union |
EWG |
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft |
16f., ff. |
folgende(r) |
2. FinMaNoG |
Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz |
FinVermV |
Finanzanlagenvermittlungsverordnung |
FRUG |
Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz |
FSAP |
Financial Services Action Plan (Aktionsplan der Europäischen Kommission für Finanzdienstleistungen) |
GDV |
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. |
GewO |
Gewerbeordnung |
GewO-E |
Entwurf für ein Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung |
IDD |
Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Insurance Distribution Directive – Versicherungsvertriebsrichtlinie) |
IHK |
Industrie- und Handelskammer |
IMD |
Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (Insurance Mediation Directive – Versicherungsvermittlerrichtlinie) |
IPID |
Insurance Product Information Document (Informationsblatt zu Versicherungsprodukten) |
Kap. |
Kapitel |
KWG |
Kreditwesengesetz |
LG |
Landgericht |
LVRG |
Lebensversicherungs-Reformgesetz |
MiFID |
Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (Markets in Financial Instruments Directive – Finanzmarktrichtlinie) |
MiFID II |
Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/ EU (Markets in Financial Instruments Directive II – Finanzmarktrichtlinie II) |
17MiFIR |
Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (2004/39/EG) (Markets in Financial Instruments Regulation – Finanzmarktverordnung) |
Nr. |
Nummer |
OLG |
Oberlandesgericht |
POG |
Product Oversight and Governance (Aufsichts- und Lenkungsanforderungen an Produktentwicklungsprozesse) |
PRIIP |
Packaged Retail and Insurance-based Investment Products (Verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte) |
RDG |
Rechtsdienstleistungsgesetz |
r+s |
recht und schaden |
S. |
Seite |
TMG |
Telemediengesetz |
Unterabs. |
Unterabsatz |
UWG |
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb |
VAG |
Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen |
VerBAV |
Veröffentlichung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen |
VersR |
Versicherungsrecht |
VersVermV |
Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung |
VG |
Verwaltungsgericht |
VGA |
Bundesverband der Assekuranzführungskräfte e.V. |
VVG |
Gesetz über den Versicherungsvertrag |
VVG-InfoV |
VVG-Informationspflichtenverordnung |
VZBV |
Verbraucherzentrale Bundesverband |
WpDVerOV |
Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung |
WpHG |
Wertpapierhandelsgesetz |
z. B. |
zum Beispiel |
Assekurata 2016: Assekurata Solutions, Einfluss der Vermittlerregulierung auf die private Altersvorsorge der deutschen Bevölkerung – Studie, 2016
BaFin 2017: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Ergebnisbericht zur Marktuntersuchung Restschuldversicherungen, 21. Juni 2017 (bafin.de)
Baumann 2013: Baumann in Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 3. Aufl., 2013
Beenken 2009: Beenken, Assekuradeur – was ist das?, Versicherungsjournal vom 27.4.2009
Beenken 2010a: Beenken, Doppelagenten im Dienste der Versicherungswirtschaft, Versicherungsjournal vom 31. März 2010
Beenken 2010b: Beenken, Können gebundene Vertreter „umfassend“ beraten?, Versicherungsjournal vom 2. Juni 2010
Beenken 2013: Beenken in Gebert/Erdmann/Beenken, Praxishandbuch Vermittlerrecht, 2013
Beenken 2015: Beenken, IDD bietet Chance für eine Vermittlungsaufsicht, Zeitschrift für Versicherungswesen, Heft 22/2015, S. 747-751
Beenken 2016: Beenken, Was ist das bestmögliche Interesse des Kunden?, Zeitschrift für Versicherungswesen, Heft 11/2016, S. 347-350
Beenken 2017: Beenken, Vertreter und Berater unter einem Hut, Versicherungsmagazin Aktuell, 8. Februar 2017
20 Beenken/Noack 2016: Beenken/Noack, Insurtechs: Viel Schein, aber auch Sein?, Zeitschrift für Versicherungswesen, Heft 4/2016, S. 114-117
Beenken/Radtke 2017: Beenken/Radtke, Provisionen und Courtagen, Was die Versicherer ihren Vermittlern zahlen, 2017
Beenken/Rasfeld 2014: Beenken/Rasfeld, Statusbezogene Erstinformation – für Kunden wenig hilfreich, Zeitschrift für Versicherungswesen, Heft 10/2014, S. 295-298
Beenken/Sandkühler 2007: Beenken/Sandkühler, Das neue Versicherungsvermittlergesetz, 2007
Beenken/Schradin/Wende 2014: Beenken/Schradin/Wende, Vergütung in der Versicherungsvermittlung und Auswirkungen der Regulierung in Europa, Symposium 14. November 2014, Mitteilung 1/2014 des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität Köln
Bernardino 2017: Bernardino, The future of the European Insurance Industry in a digital era: turning challenges into opportunities, Redemanuskript, Süddeutsche Zeitung Insurance Day, Bergisch-Gladbach 25. Januar 2017
Brömmelmeyer 2016: Brömmelmeyer, Gläserner Vertrieb? – Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln in der Richtlinie (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb, recht und schaden, Heft /2016, S. 269-277
DIHK 2014: Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Beratung zum PKV-Tarifwechsel durch Versicherungsvermittler, Rundschreiben an die IHK-Organisation vom 1. Juli 2014
Dunkley 2016: Dunkley, Banks braced for additional £22bn in PPI claim payouts, Financial Times, 4. April 2016
EIOPA 2012: European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA’s Initial Overview of Key Consumer Trends in the EU, Dokument Nr. CCPFI 11/029, 1. Februar 2012
EIOPA 2017a: European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA’s new Insurance Product Information Document is a major step forward for consumers, Pressemitteilung, 7. Februar 2017
EIOPA 2017b: European Insurance and Occupational Pensions Authority, Technical Advice on possible delegated acts concerning the 21Insurance Distribution Directive, Dokument Nr. EIOPA 17/048, 1. Februar 2017
European Commission 2007: European Commission, Business insurance sector inquiry, Interim report, Januar 2007
Europe Economics 2014: Europe Economics, Retail Distribution Report, Post Implementation Review, 16. Dezember 2014
GDV 2016: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 21. November 2016 für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb (IDD), Berlin 12. Dezember 2016
Gercke/Gerhard 2013: Gercke/Gerhard in Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 3. Aufl., 2013
HM Treasury/FCA 2016: Her Majesty’s Treasury/Financial Conduct Authority, Financial Advice Market Review, Final report, März 2016
HM Treasury/FCA 2017: Her Majesty’s Treasury/Financial Conduct Authority, Financial Advice Market Review, Progress report, April 2017
Marktwächter Finanzen 2016: Marktwächter Finanzen, Klartext oder Rätsel – wie informativ sind Standmitteilungen?, Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg im Rahmen des Projektes Marktwächter Finanzen, Juli 2016
Matusche-Beckmann 2015: Matusche-Beckmann in Beckmann/ Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., 2015
Mc Donald 2005: McDonald, Marsh, Spitzer Settle With $850 Million – An Apology to Clients, The Wall Street Journal vom 1. Februar 2005
Mönnich 2015: Mönnich in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., 2015
Pohl 2014: Pohl, Zulassung als Makler und Vertreter? Nein! II, Portfolio International, 8. Oktober 2014
Reiff 2015: Reiff in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., 2015
22 Reiff 2016a: Reiff, Die Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) in das deutsche Recht, Versicherungsrecht, Heft 24/2016, S. 1533-1542
Reiff 2016b: Reiff, Die Richtlinie 2016/97 über Versicherungsvertrieb, recht und schaden, Heft 12/2016, S. 593-602
Rixecker 2016: Rixecker in Langheid/Rixecker, Versicherungsvertragsgesetz – Kommentar, 5. Aufl., 2016
Ruhkamp 2009: Ruhkamp, Deutschlands größter Versicherungsskandal, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. Mai 2009
Schmitt 2012: Schmitt, Das Katz- und Mausspiel des Mehmet Göker, Handelsblatt vom 24. November 2012
Schönleiter 2009: Schönleiter in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung – Kommentar, 55. Ergänzungslieferung 2009
Schwintowski 2007: Schwintowski, MiFID, VVR – Zeit für (die) Neuorientierung bei den deutschen Finanzdienstleistern, 2007
Slaughter and May 2014: Slaughter and May, Introduction to the legislative processes for European Union directives and regulations on financial services matters, April 2014 (slaughterandmay.com)
Temmen 2014: Temmen, Vermittlung von Versicherungsverträgen durch gesetzliche Krankenkassen aus Sicht der BaFin, 3. Februar 2014 (bafin.de)
Treanor 2016: Treanor, Bill for PPI mis-selling scandal tops £40bn, The Guardian vom 27. Oktober 2016
Versicherungsombudsmann 2017: Versicherungsombudsmann, Tätigkeitsbericht 2016 der Verbraucherschlichtungsstelle Versicherungsombudsmann e.V., 1. Februar 2017
Übersicht 1: Handelsrechtliche Gliederung des Versicherungsvertriebs |
28 |
Übersicht 2: Rechtlich/vertragliche sowie wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber dem Versicherungsunternehmen |
29 |
Übersicht 3: Gewerberechtliche Gliederung des Versicherungsvertriebs |
30 |
Übersicht 4: Definition „Versicherungsvermittlung“ nach der IMD |
35 |
Übersicht 5: Grundlogik der Umsetzung der IMD nach Zielen, Gesetzen und wichtigsten Regelungsinhalten |
42 |
Übersicht 6: Definitionen der Versicherungsvermittler und -berater nach dem VVG |
46 |
Übersicht 7: Erlaubnisvoraussetzungen und Registrierung nach Vermittlertypus |
46 |
Übersicht 8: Beratungsgrundlagen und Mitteilungspflichten der Versicherungsvermittler/-berater |
50 |
Übersicht 9: Zielsystem der EU-Vermittlerrichtlinie (IMD) und EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) |
73 |
Übersicht 10: Grundlogik der IDD hinsichtlich des Vertriebs von Versicherungen |
73 |
Übersicht 11: Struktur des Lamfalussy-Verfahrens |
74 |
24 Übersicht 12: Anwendungsbereich der IDD |
76 |
Übersicht 13: Definition „Versicherungsvertrieb“ nach der IDD |
78 |
Übersicht 14: Berufliche und organisatorische Anforderungen der Versicherungsvertreiber |
91 |
Übersicht 15: Ziele und Anreize in der Kette des Versicherungsvertriebs |
95 |
Übersicht 16: Bestandteile des Begriffs „Versicherungsvertrieb“ nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 IDD |
101 |
Übersicht 17: Regulierung der Finanzdienstleistungen durch MiFID und IDD |
112 |
Übersicht 18: Potenzielle Quellen und Folgen von Interessenkonflikten |
115 |
Übersicht 19: Definition „Versicherungsvertreter“ nach § 34d GewO |
137 |
Übersicht 20: Definition „Versicherungsmakler“ nach § 34d GewO |
138 |
Übersicht 21: Zulässige Vergütungsarten bei Versicherungsvermittlern |
142 |
Übersicht 22: Definition „Versicherungsberater“ nach § 34d GewO |
145 |
Übersicht 23: Zulässige Vergütungsarten bei Versicherungsmaklern und -beratern |
146 |
Übersicht 24: Beaufsichtigung der Versicherungsvermittler |
149 |
Übersicht 25: Nachweispflicht einer Sachkundeprüfung bei natürlichen und juristischen Personen |
150 |
Übersicht 26: Gewerberechtliche Gliederung des Versicherungsvertriebs (neu) |
151 |
Übersicht 27: Überwachung der Weiterbildungspflichten |
153 |
Übersicht 28: Weiterbildungspflichten bei produktakzessorischen Vermittlern |
154 |
Übersicht 29: Wirkungskette der Ziel- und Anreizsetzungen |
169 |
25 Übersicht 30: Definition „Vertriebstätigkeit“ nach dem VVG |
186 |
Übersicht 31: Definition „Versicherungsvermittlung“ nach dem VVG |
186 |
Übersicht 32: Derzeitige Struktur der Beratungspflichten nach §§ 6, 61 VVG |
191 |
Übersicht 33: Mögliche, IDD-konforme Struktur der Beratungspflichten nach §§ 6, 61 VVG |
191 |
Übersicht 34: Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten |
201 |
Für ein besseres Verständnis der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) und deren Auswirkungen auf die Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler soll zunächst die Ausgangssituation dargestellt werden. Die derzeitige, nationale Struktur des Versicherungsvertriebs zeigt, wer in Deutschland wie von der Regulierung betroffen ist. Die EU-Vermittlerrichtlinie (IMD) stellt die Basis der IDD dar und wurde in Deutschland im Jahr 2007 umgesetzt. Auch weitere Regulierungsmaßnahmen betreffen den Versicherungsvertrieb. Abschließend soll der bisherige Stand der Regulierung gemessen an den Zielen der IMD kritisch bewertet werden.
Der deutsche Versicherungsvertrieb lässt sich rechtlich zum einen nach dem Handelsgesetzbuch typologisieren. Danach kommen grundsätzlich drei Arten des Intermediärs in Frage, die einem Auftraggeber (Versicherer) Kunden zuführen. Dabei handelt es sich um die Angestellten des Versicherers (Handlungsgehilfen, § 59 HGB), die Versicherungsvertreter als Unterfall des Handelsvertreters (§§ 84, 92 HGB) und die Versicherungsmakler als ein allerdings nicht namentlich benannter Unterfall des Handelsmaklers (§§ 93 ff. HGB).
Versicherungsvertreter lassen sich weiter in Ausschließlichkeits- und Mehrfachvertreter gliedern, abhängig von der Tatsache, ob sie ein Wettbewerbsverbot mit ihrem Auftraggeber vereinbaren oder nicht. Handelsrechtlich ist zudem die Unterscheidung in die haupt- und die nebenberufliche Tätigkeit relevant, weil bei einer 28hauptberuflichen Tätigkeit ein besonderes soziales Schutzbedürfnis des Handelsvertreters angenommen wird. Dieses drückt sich in mit der Tätigkeitsdauer ansteigenden Kündigungsfristen (§§ 89, 92b HGB), einem grundsätzlich bei Vertragsbeendigung bestehenden Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) sowie nur bei Ausschließlichkeitsvertretern zusätzlich einer Pflicht zur Sicherung von Mindestarbeitsbedingungen (§ 92a HGB) aus.
Der Versicherungsmakler wurde durch die Rechtsprechung vom traditionellen Bild des Handelsmaklers als neutralem Mittler, der wahlweise von beiden Vertragsparteien beauftragt werden kann, weiterentwickelt zum treuhänderähnlichen Sachwalter des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 – IV a ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359)). Damit ordnete der BGH den Versicherungsmakler dem Kunden zu, trotz der Tatsache, dass der Makler traditionell vom Versicherer im Weg einer nur vertragsähnlichen, einseitigen Courtagezusage vergütet (vgl. Matusche-Beckmann 2015, § 5 Rn. 196; Rixecker 2016, § 61 Rn. 14 ff.).
Übersicht 1: Handelsrechtliche Gliederung des Versicherungsvertriebs.
Die dargestellten Arten des Intermediärs unterscheiden sich in ihrer vertraglichen Bindung und der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Versicherungsunternehmen voneinander. Angestellte sind auf Basis 29eines Arbeitsvertrags weisungsgebunden für das Versicherungsunternehmen tätig und wirtschaftlich von diesem abhängig.
Der Ausschließlichkeitsvertreter ist zwar im Wesentlichen frei seine Tätigkeit zu gestalten und seine Arbeitszeit zu bestimmen (vgl. § 84 Abs. 1 HGB), bindet sich aber durch einen Vertretervertrag mit Konkurrenzverbot an ein Versicherungsunternehmen (oder einen Versicherungskonzern) und verpflichtet sich, diesem ständig neue Versicherungen zuzuführen und diese zu betreuen. Damit ist er in der Interessensphäre des Versicherers angesiedelt. Er ist wirtschaftlich abhängig vom Versicherer.
Der Mehrfachvertreter verpflichtet sich ebenfalls, den vertragschließenden Versicherungsunternehmen ständig neue Versicherungen zuzuführen und diese zu betreuen, aber nicht ausschließlich. Damit steht er zwar auch in der Interessensphäre der Versicherer. Gleichzeitig hat er aber eine Wahlfreiheit, welche Versicherer er im Einzelfall seinen Kunden anbietet und genießt damit eine wirtschaftliche Unabhängigkeit von einem einzelnen Versicherer.
Der Versicherungsmakler verpflichtet sich hingegen implizit oder explizit per Maklervertrag, dem Kunden geeigneten Versicherungsschutz zu verschaffen. Von Versicherern benötigt er lediglich Courtagezusagen und damit die Möglichkeit, deren Versicherungsverträge anzubieten und im Erfolgsfall vergütet zu werden. Damit sind zwar Nebenpflichten verbunden, dennoch steht er im Lager des Versicherungsnehmers. Er darf sich rechtlich/vertraglich gar nicht an Versicherer binden. Dementsprechend ist er frei in der Entscheidung, welchen Versicherern er Geschäft anträgt, und damit auch wirtschaftlich unabhängig.
Übersicht 2: Rechtliche/vertragliche sowie wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber dem Versicherungsunternehmen.
Mit der Umsetzung der IMD in deutsches Recht wurde unter anderem die Gewerbeordnung erweitert und die Tätigkeiten als Versicherungsvermittler 30und als Versicherungsberater grundsätzlich einer Erlaubnis- und Registrierungspflicht unterworfen.
Übersicht 3: Gewerberechtliche Gliederung des Versicherungsvertriebs.
Ausgenommen hiervon sind Tätigkeiten, die nicht als Versicherungsvermittlung bewertet werden (z. B. Tippgeber), und Tätigkeiten, die als nicht gewerbsmäßige Versicherungsvermittlung zu werten sind. Letzteres betrifft die Versicherungsvermittlung als Handlungsgehilfe (Angestellter) eines Versicherungsunternehmens oder als selbstständiger, aber nicht gewerbsmäßiger Vermittler. Hierfür haben sich Bagatellgrenzen etabliert (vgl. Schönleiter 2009).
Ein Hauptziel sowohl der EU-Vermittlerrichtlinie als auch der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie besteht darin, den Versicherungsvermittlern den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt zu verschaffen. Dieser mit dem EWG-Vertrag 1957 begründete, gemeinsame Markt soll den Gewerbetreibenden Zugang zu Kunden in der gesamten Union verschaffen, den Wettbewerb fördern und dadurch auch den Kunden Nutzen stiften.
Kernrechte des EU-Binnenmarkts sind die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit. Unter Dienstleistungsfreiheit ist zu 31verstehen, dass der Gewerbetreibende überall in der EU Kunden seine Leistungen anbieten kann, ohne dort niedergelassen oder gar mit Geschäftssitz ansässig zu sein. Die Niederlassungsfreiheit bedeutet, dass der Gewerbetreibende beispielsweise zur Intensivierung seiner Tätigkeit in anderen EU-Mitgliedsländern als demjenigen, wo sein Geschäftssitz ist, eine Geschäftsniederlassung errichten kann (vgl. Mönnich 2005, § 2 Rn. 1 ff.). Damit werden praktische Hindernisse wie beispielsweise Erlaubnispflichten im jeweiligen Mitgliedsland der EU vermieden, durch die ausländische Vermittler an der Geschäftstätigkeit gehindert werden können.
Eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung des EU-Binnenmarkts ist die Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften. Dies erfolgt im Wesentlichen durch Richtlinien, Verordnungen und Beschlüsse des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates (vgl. Mönnich 2005, § 2 Rn. 15).
Der Fokus der Harmonisierung lag durchaus nicht nur auf den Rechtsvorschriften für Versicherungsunternehmen, wenn auch hier mit der Herstellung der vollständigen Rechte der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit bis zum 1. Juli 1994 weitaus früher und erfolgreicher gehandelt wurde als für die Versicherungsvermittler.
Doch die damalige EG war keineswegs untätig in Sachen Vermittlung, sondern versuchte bereits 1976, mit der Richtlinie 77/92/EWG, eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften anzustoßen. Deutschland blieb in dieser Hinsicht allerdings untätig und beschränkte sich auf nationale, aufsichtsamtliche Anordnungen. Mit ihnen wurden in- und ausländische Versicherungsunternehmen dazu angehalten, bei der Auswahl von Versicherungsvermittlern sorgfältig vorzugehen und sich namentlich von deren Zuverlässigkeit und geordneten Vermögensverhältnissen durch Einholung entsprechender Auskünfte zu überzeugen (vgl. Rundschreiben 1/94 und 2/94 des 32Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen, abgedruckt bei Beenken/Sandkühler 2007, S. 190 ff.).
Von Seiten der damaligen EG folgte 1991 die EG-Vermittlerempfehlung (92/48/EWG, Empfehlung der Kommission vom 18. Dezember 1991 über Versicherungsvermittler). Damit wurde insbesondere Deutschland aufgefordert, seine Rechtsvorschriften an europäische Standards anzupassen durch Schaffung unter anderem einer Erlaubnis- und Registrierungspflicht unter Einhaltung der Voraussetzungen Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, Haftungsregelung zur Befriedigung von Schadenersatzansprüchen und einer hinreichenden Qualifikation. Kunden sollten zudem bereits bei Beginn der Geschäftsbeziehung erfahren, welche Bindung des Vermittlers an ein Versicherungsunternehmen vorliegt, um den Grad seiner Unabhängigkeit einschätzen zu können. Allerdings beachtete Deutschland auch diese Vermittlerempfehlung nicht. Eine Bundesratsinitiative, mit der die Länder Niedersachsen und Saarland die untätige Bundesregierung 1997 zu einer Umsetzung bewegen wollten, scheiterte. Der damalige Ministerpräsident des Landes Niedersachsen griff die EG-Vermittlerempfehlung auch nicht mehr auf, als er kurz darauf selbst Bundeskanzler wurde.
Selbst die EU-Vermittlerrichtlinie (Richtlinie 2002/92/EG vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung) wurde von Deutschland unnötig verzögert umgesetzt. Statt bis zum 15.1.2005 schaffte es der größte Versicherungsmarkt innerhalb der Europäischen Union erst knapp zweieinhalb Jahre und ein Vertragsverletzungsverfahren später zum 22.5.2007, die nationalen Rechtsvorschriften anzupassen und den Weg für einen Europäischen Binnenmarkt der Versicherungsvermittler freizumachen.
Bis heute ist allerdings die grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung im Wesentlichen ein auf das Geschäft mit industriellen und großgewerblichen Versicherungsrisiken beschränktes Phänomen geblieben. Die EU geht von einem niedrig einstelligen Prozentsatz an Vermittlungsvolumen aus, das grenzüberschreitend erfolgt. Das Ziel einer Belebung des Wettbewerbs durch den Markteintritt ausländischer Vermittler in nationale Märkte ist bislang nicht erreicht worden. Aus deutscher Sicht lässt sich das wohl auf folgende Ursachen zurückführen:
▪ Deutschland weist einen sehr wettbewerblichen Markt auf mit allein 539 Versicherungsunternehmen unter Bundesaufsicht zuzüglich fast 1.000 Versicherern unter Landesaufsicht (vgl. GDV, Statistisches 33Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2016, Tabelle 2). Dadurch dürfte der Bedarf nach ausländischen Versicherungsangeboten in dem mit Abstand größten Marktsegment der Privatkunden sowie der Kleingewerberisiken gering sein.
▪ Beachtliche Anteile des Neugeschäfts der Versicherer (59 % Lebensversicherung, 66 % Krankenversicherung, 54 % Schaden-/Unfallversicherung) werden über Ausschließlichkeitsvertreter, Direktvertriebe und ausschließlich angebundene Kreditinstitute vermittelt (vgl. GDV, Anteile der Vertriebswege am Beitragsaufkommen 2011-2015, 2016). Diese Vertriebe sind national und manchmal sogar regional begrenzt tätig, woraus Versicherer in der Außendarstellung Alleinstellungsmerkmale ableiten (gute Kenntnis der lokalen und regionalen Kundenbedürfnisse).
▪ Es bestehen weiter sehr praktische Hindernisse im grenzüberschreitenden Handel mit Versicherungen, was das bisher unionsweit nicht harmonisierte Versicherungsvertrags-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht angeht.
▪ Sprache und Mentalität der Bevölkerung stellen weitere Hindernisse für eine Ausbreitung der grenzüberschreitenden Versicherungsvermittlung dar.
Der Europäische Binnenmarkt bleibt daher im Bereich der Versicherungsvermittlung immer noch ein gutes Stück Utopie. Es wird noch viel Zeit und Anstrengungen benötigen, bis es normal sein wird, als inländischer Privatkunde Versicherungen über ausländische Vermittler zu erwerben. Eine Beschleunigung könnte dieses Thema durch 34den zunehmenden Erfolg von Internetvertrieben haben, bei denen der Geschäftssitz keine besondere Rolle mehr spielt. Aber selbst dann müssen die Vermittler damit rechnen, dass Kunden bevorzugt auf das Angebot derjenigen Versicherer zurückgreifen, die ihnen aus ihrem Heimatmarkt bekannt sind.
Die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (EU-Vermittlerrichtlinie, IMD) trat am 15. Januar 2003 in Kraft und sollte bis zum 15. Januar 2005 in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Richtlinie erlässt „Vorschriften für die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungsvermittlung durch natürliche oder juristische Personen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederlassen möchten“ (Art. 1 Abs. 1 IMD).
Ausgenommen vom Anwendungsbereich werden
▪ Bestimmte Vermittler, die Reise- und Garantieversicherungen anbieten, unter den in Art. 1 Abs. 2 IMD genannten Bedingungen,
▪ Vermittlungsleistungen bezüglich Risiken, die außerhalb der Gemeinschaft bestehen (Art. 1 Abs. 3 IMD),
▪ Tätigkeiten von Versicherungsunternehmen (Direktversicherung, Art. 1 Abs. 3 IMD).
Unter Versicherungsvermittlung versteht die IMD „das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall“, außer wenn diese Tätigkeit durch ein Versicherungsunternehmen bzw. dessen Angestellte ausgeübt wird. Weiterhin ausgenommen werden „die beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit“, sofern es dabei nicht um einen Vertragsabschluss geht, sowie die berufsmäßige Schadensverwaltung, -bearbeitung und -begutachtung (Art. 2 S. 1 Nr. 3 IMD).
Die Richtlinie verwendet demnach einen sehr weiten Vermittlungsbegriff, der sowohl den Zeitraum vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrages, 35wie auch den Abschluss des Versicherungsvertrages selbst und den Zeitraum nach dem Abschuss eines Versicherungsvertrages umfasst. Dabei werden strukturell Vorbereitungsarbeiten des Vermittlers zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, der Abschluss eines Versicherungsvertrages durch den Versicherungsvermittler und das Mitwirken des Versicherungsvermittlers während der Laufzeit des Vertrages unterschieden.
Übersicht 4: Definition „Versicherungsvermittlung“ nach der IMD.
Die Richtlinie enthält dabei keine Hinweise zur Abgrenzung der Vorbereitungsarbeiten vom Abschluss des Versicherungsvertrages. Die Verwendung des Begriffs „abschließen“ deutet darauf hin, dass damit der zivilrechtliche Abschluss des Versicherungsvertrages gemeint ist. Dieser erfolgt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen durch Angebot und Annahme. Der Abschluss eines Versicherungsvertrages durch den Versicherungsvermittler kommt daher nur in Betracht, wenn der Versicherungsvermittler auf einer Seite der Parteien aktiv an den Vertragsschluss beteiligt ist, indem er als bevollmächtigter Abschlussvertreter durch Abgabe einer Angebotserklärung der einen Partei oder durch Abgabe einer Annahmeerklärung der anderen Partei unmittelbar den Abschluss des Versicherungsvertrages herbeiführen kann. Dies setzt voraus, dass der jeweils handelnde Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler mit entsprechender Abschussvollmacht ausgestattet ist und eine eigene Willenserklärung mit Wirkung für den Vertretenen abgibt.
36Soweit der Versicherungsvermittler keine eigene Erklärung abgibt sondern lediglich Willenserklärungen des Kunden oder des Versicherungsunternehmens als Bote weiterleitet, ist diese Tätigkeit den Vorbereitungsarbeiten zuzuordnen. Die Weiterleitung kann nicht zum Vertragsschluss führen, sondern den Vertragsschluss nur vorbereiten.
Unter Versicherungsvermittler versteht die IMD „jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt“ (Art. 2 S. 1 Nr. 5 IMD).
Um Zugang zum Europäischen Binnenmarkt als Versicherungsvermittler zu erhalten, benötigen diese eine Eintragung. Damit sollen die Vermittler national wie grenzüberschreitend identifizierbar werden, die berechtigterweise die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung aufnehmen (Art. 3 Abs. 5 IMD). Zu diesem Zweck haben die Vermittler bei der erstmaligen Aufnahme der grenzüberschreitenden Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörde mitzuteilen, wo sie im Weg des freien Dienstleistungsverkehrs tätig werden oder eine Niederlassung errichten wollen. Daraufhin tauschen die nationalen Aufsichtsbehörden untereinander diese Information aus (Art. 6 Abs. 1 IMD).
Die Eintragung kann durch eine Behörde erfolgen, im Fall der sogenannten „vertraglich gebundenen Versicherungsvermittler“ auch durch Versicherungsunternehmen oder deren Verbände (Art. 3 Abs. 1 IMD).