Die Erstausgabe erschien 1955 bei Olympia Press, Paris, und 1958 bei G.P. Putnam’s Sons, New York.
Der Text folgt: Vladimir Nabokov, Gesammelte Werke, Band 8, herausgegeben von Dieter E. Zimmer.
Überarbeitete Ausgabe April 2017
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2007
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ISBN Printausgabe 978-3-499-22543-7 (überarbeitete Ausgabe 2017)
ISBN E-Book 978-3-644-05631-2
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Nabokov über den Namen seines Protagonisten, Humbert Humbert: «Das doppelte Grummeln ist sehr unangenehm, glaube ich, sehr suggestiv. Es ist ein widerwärtiger Name für einen widerwärtigen Menschen. Es ist auch ein königlicher Name, und ich brauchte ein königliches Vibrato für Humbert den Wilden und Humbert den Humblen. Gestattet auch eine Reihe von Wortspielen» (Interview mit Alvin Toffler im Playboy, 1964). In ‹Humbert› schwingt das ombra (Schatten) der romanischen Sprachen mit; die dunkelbraune Farbe Umbra; das englische hummingbird oder humbird (Kolibri); Humbug (laut Webster unter anderem «eine Person, die in der Regel absichtsvoll andere in Bezug auf ihre wahre Lage, Eigenschaften und Einstellungen täuscht oder irreführt».)
Gray Star ist ein fiktiver Ort im äußersten Nordwesten der Vereinigten Staaten, in Alaska (möglicherweise in der Gegend von Juneau), wo Lolita – jetzt Mrs. Richard F. Schiller – am 25. Dezember 1952 stirbt. Der Name bedeutet «Grauer Stern» (also von einem Dunstschleier, englisch haze, verhüllter Stern), lässt aber auch an den «Grauen Star» der deutschen Sprache denken (also an das getrübte Auge). Da H.H. auf seinen beiden Reisen mit Lolita in jeden der 48 zusammenhängenden Staaten der USA gekommen ist, hat sich Mrs. Schiller also schließlich in den einzigen Staat zurückgezogen, den die «Schleimspur» ihrer Reisen mit H.H. nicht berührt hat.
Vivian Darkbloom: Clare Quiltys Mitarbeiterin (und spätere Biographin); Anagramm von «Vladimir Nabokov». In der russ. Fassung heißt die Dame «Vivian Damor-Blok» («Damor nach der Bühne, Blok nach einem ihrer ersten Ehemänner»). Sie ist «falkenhaft, schwarzhaarig, auffallend groß». Mein Q ist natürlich «Mein Quilty»; engl. klingt es genau wie «my cue», mein Stichwort. Wenn Nabokov die Dame mit einem Anagramm seines eigenen Namens ausstattete, hatte das wohl den Grund, dass er in einer bestimmten Phase der Niederschrift glaubte, Lolita werde, wenn überhaupt, nur pseudonym veröffentlicht werden können; für diesen Fall wollte er eine versteckte Signatur anbringen.
In einem maßgebenden Urteil sprach der Bundesrichter John M. Woolsey (1877–1945) James Joyces Ulysses 1933 vom Vorwurf der Obszönität frei; seitdem darf der Roman straffrei in die USA eingeführt werden.
Blanche Schwarzmann ist einer der «schwarz-weißen» Namen des Buches.
In der russ. Fassung von Nabokov hinzugefügt: «… und garantiert wird binnen zehn Jahren der Begriff Nymphette in Wörterbüchern und Zeitungen zu finden sein.»
Vielleicht eine Anspielung auf den englischen Botaniker und Taxonomen John Ray (1627–1705); gewiss keine Anspielung auf Donald Rayfield, den englischen Herausgeber und Übersetzer der von Havelock Ellis mitgeteilten Fallgeschichte eines ukrainischen Sexomanen – Rayfield trat erst dreißig Jahre nach der Niederschrift von Lolita auf den Plan.
Nabokov über den Namen seiner Protagonistin: «Für meine Nymphette brauchte ich ein Diminutiv mit lyrischem Klang. Einer der lautersten und leuchtendsten Buchstaben ist das L. Die Nachsilbe -ita besitzt eine Menge romanischer Zartheit, und auch die brauchte ich. Darum: Lolita. Sie sollte jedoch nicht so ausgesprochen werden, wie die meisten Amerikaner sie aussprechen: Lou-lih-da, mit einem schweren, klammen L und einem langen, diphthongierten O. Nein, die erste Silbe sollte klingen wie in Lollipop, das L liquide und zart, das -li- nicht zu scharf. Spanier und Italiener sprechen es natürlich mit genau der richtigen Mischung von Schalkhaftigkeit und Liebkosung aus. Eine weitere Erwägung war das willkommene Murmeln ihres Herkunftsnamens: jene Rosen und Tränen in ‹Dolores›. Zusammen mit der Niedlichkeit und Klarheit musste das herzzerreißende Schicksal meines kleinen Mädchens berücksichtigt werden. Dolores versah sie mit einem einfacheren, vertrauteren und kindlicheren Diminutiv: Dolly, das sich gut mit dem Nachnamen ‹Haze› verträgt, worin sich irische Nebel mit einem deutschen Häschen mischen – ich meine einem kleinen Hasen» (Interview mit Alvin Toffler in Playboy, 1964).
In den Romanentwürfen hieß Lolita Haze noch fast bis zum Schluss ‹Juanita Dark›, ‹Johanna die Dunkle›, ein Anklang an ‹Jeanne d’Arc›.
Der ursprünglich spanische Name ‹Dolores› bedeutet wörtlich ‹Schmerzen› und ist die verkürzte Form eines der Beinamen Marias, Nuestra Señora de los Dolores, ‹Unsere Frau von den Schmerzen›, bedeutet also etwa ‹die Schmerzensreiche›. ‹Lola› ist die Lallform von Dolores, ‹Lolita› (‹kleine Lola›) deren Diminutiv. Das Ehepaar Haze nennt die Tochter ‹Lolita› zum Gedenken an die Flitterwochen in Veracruz, während deren sie gezeugt wurde und die etlichen mexikanischen Nippes in ihrem Haushalt hinterlassen haben. Eine englische Kurzform ist ‹Dolly› (wörtlich ‹Püppchen›), eine andere ‹Lo› (eine altertümliche Interjektion, die Aufmerksamkeit heischt, etwa in ‹lo and behold›, ‹schaut nur!›). Die Mittelsilbe -li- ist klanglich identisch mit den Nachnamen der beiden Annabels (s. folgende Anm.), ‹Lee› oder ‹Leigh›. Engl. haze bedeutet Dunst oder Nebel(-Schleier).
Lola Lola heißt die (von Marlene Dietrich gespielte) Kabarettsängerin in Josef von Sternbergs Film Der blaue Engel (1930), die den alternden wilhelminischen Professor Rath verführt. In der literarischen Vorlage des Films, Heinrich Manns Roman Professor Unrat (1905), heißt sie Rosa Fröhlich. Nabokov hat weder Roman noch Film gekannt.
Michael Maar hat in Artikeln und einem Buch (2004) darauf aufmerksam gemacht, dass der Berliner Autor Heinz von Lichberg (Pseudonym für Heinz von Eschwege, 1890–1951) eine in Vergessenheit geratene Novelle mit dem Titel Lolita verfasst hat (veröffentlicht in dem Erzählungsband Die verfluchte Gioconda, Darmstadt: Falken, 1916), deren Hauptfigur eine goldhaarige Wirtstochter im spanischen Alicante ist, die einen deutschen Gast bezirzt und am Ende geheimnisvoll stirbt. Maars Entdeckung war nicht so gemeint, wurde aber verschiedentlich als eine Art Plagiatsvorwurf verstanden. Dass Nabokov, der sehr wenig deutschsprachige Literatur las, von dieser drittklassigen Erzählung in irgendeiner Hinsicht inspiriert wurde oder sie auch nur gekannt hat, bedürfte eines unabhängigen Beweises; er wurde bisher nicht erbracht.
Maurice Couturier (2004) hat aus diesem Anlass im übrigen darauf hingewiesen, dass der Name Lolita in den Titeln mehrerer Bücher vor Nabokovs Roman auftaucht: En Villégiature. Lolita von Isidore Ges (1895), La chanson de Lolita von René Riche (1920), Cette saloperie de Lolita von Chriss Frager (1953). Außerdem erinnerte er an eine Passage in Valéry Larbauds Des prénoms féminins (1927), deren Tonfall Nabokovs Romananfang vorwegzunehmen scheint: «Bei Vornamen ist in der westlichen Welt tatsächlich Spanien am besten gerüstet, da es eine Reihe von Diminutiven besitzt, die alle erdenklichen Nuancen ausdrücken: das Alter, die Vertrautheit der betreffenden Person. Lolita ist ein kleines Mädchen; Lola ist im Heiratsalter; Dolores ist dreißig; Doña Dolores ist sechzig. Von Liebe beflügelt, flüsterte ich eines Tages: Lola. Und in der Hochzeitsnacht habe ich dann Lolita in den Armen.»
Alexander Dolinin (2005) hat ein «wirkliches» Urbild für Lolita ausfindig gemacht: ein 11- oder 12-jähriges Mädchen aus Camden, New Jersey, namens Florence Sally Horner, die am 15. Juni 1948 von dem 50-jährigen Automechaniker Frank La Salle aus ihrem Elternhaus entführt wurde, 21 Monate in seiner Gewalt blieb und mit ihm quer durch die Vereinigten Staaten reiste, bis sie in Kalifornien auf Anraten einer Freundin die Polizei anrief, die sie befreite und ihn verhaftete. Beschrieben wurde sie als «pausbäckig», «reif aussehend», hellbraunes Haar, blaugrüne Augen. Sie starb 1952 bei einem Autounfall; La Salle wurde zu 30–35 Jahren Gefängnis verurteilt. Gefügig gemacht hatte er sie mit der Drohung, er sei FBI-Agent und würde sie für einen geringfügigen Ladendiebstahl (ein Notizheft im Wert von 5 Cent) festsetzen lassen. Der Fall, über den zwischen 1948 und 1950 die Zeitungen berichteten, wird in Nabokovs Roman (Kapitel II/33) einmal kurz erwähnt.
1 Meter 47 (4 × 30,48 plus 10 × 2,54 cm). In der russ. Fassung misst Lolita 5 Fuß minus 2 werschki (2 × 4,44 cm), also 143,5 Zentimeter, fast vier Zentimeter weniger als im amerikanischen Original.
Anspielung auf Edgar Allan Poes letztes Gedicht, die Ballade Annabel Lee (1849), neben Mérimées Carmen der wichtigste «Subtext» des Romans: «It was many and many a year ago / In a kingdom by the sea …» Nabokov schreibt möglicherweise darum «princedom» und nicht wie Poe «kingdom», weil der Ort Monaco sein könnte, offiziell Principauté de Monaco. In der deutschen Nachdichtung von Theodor Etzel lautet Poes Ballade: «Ist ein Königreich an des Meeres Strand, / Da war es, da lebte sie – / Lang, lang ist es her und sie sei euch genannt / Mit dem Namen Annabel Lee. / Und ihr Leben und Denken war ganz gebannt / In Liebe und mich liebte sie. // In dem Königreich an des Meeres Strand / Ein Kind noch war ich und war sie, / Doch wir liebten mit Liebe, die mehr war denn dies – / Ich und meine Annabel Lee – / Mit Liebe, dass strahlende Seraphim / Begehrten mich und sie. // Und das war der Grund, dass vor Jahren und Jahr / Eine Wolke Winde spie, / Die frostig durchfuhren am Meeresstrand / Meine schöne Annabel Lee; / Und ihre hochedele Sippe kam, / Und ach! man entführte mir sie, / Um sie einzuschließen in Gruft und Grab, / Meine schöne Annabel Lee. // Die Engel, nicht halb so glücklich wie wir, / Waren neidisch auf mich und auf sie – / Ja! das war der Grund (und alle im Land / Sie wissen, vergessen es nie), / Dass der Nachtwind so rau aus der Wolke fuhr / Und mordete Annabel Lee. // Weit stärker doch war unsre Liebe als die / All derer, die älter als wir – / Und mancher, die weiser als wir – / Und die Engel in Höhen vermögen es nie / Und die Teufel in Tiefen nie, / Nie können sie trennen die Seelen von mir / Und der schönen Annabel Lee. // Kein Mondenlicht blinkt, das nicht Träume mir bringt / Meiner schönen Annabel Lee; / Jedes Sternlein, das steigt, hell die Augen mir zeigt / Meiner schönen Annabel Lee; / Und so jede Nacht lieg zur Seite ich sacht / Meinem Lieb, meinem Leben in bräutlicher Pracht: / In dem Grabe dort an der See, / In der Gruft an der tosenden See.» (Aus Edgar Allan Poe, Gedichte Essays, München, 1966.)
Wann war es? H.H. wurde 1910 geboren, Lolita am 1. Januar 1935. Er lernte sie bei seinem Einzug in Ramsdale im Mai 1947 kennen, als sie zwölf Jahre und fünf Monate und er siebenunddreißig war. Am Ende von Kapitel I/4 sagt er, bei seinem Einzug in Ramsdale sei die Annabel-Episode 24 Jahre her gewesen; in Kapitel I/10 macht er daraus 25 Jahre. An anderer Stelle schreibt er, die Annabel-Episode habe nach seinem 13. Geburtstag stattgefunden. Demnach muss sie in den Sommer 1922 oder, wahrscheinlicher, 1923 gefallen sein. Da war er gerade dreizehn geworden, und es war zwölf Jahre vor Lolitas Geburt.
Den genauen Geburtstag erfährt der Leser nicht. Er muss aber in der ersten Jahreshälfte 1910 gelegen haben, da die Annabel-Episode im Sommer 1923 nach seinem 13. Geburtstag stattfand.
Paläopedologie ist vorgeschichtliche Bodenkunde. Ironischer Nebensinn hier: Erforschung alter Pädophiler.
Das ‹Hotel Mirana› ist eine Mischung von frz. mirage (Luftspiegelung), se mirer (sich spiegeln) sowie Mirabella und Fata Morgana (Brief an Alfred Appel, Jr., vom 2.4.1967).
Fives ist ein englisches Ballspiel; Erläuterung in der russ. Fassung: «… bei dem man den Ball mit dem Racket oder der Handfläche gegen eine Wand schlug.» Auch ‹Wandball› genannt.
Vanessa ist eine Gattung von Tagfaltern. Zu ihr gehört vor allem Vanessa atalanta L., deutsch Admiral, bei dem Nabokov darauf bestand, er müsse eigentlich Admirabel heißen, der Bewundernswerte. Der Name Vanessa wurde von Jonathan Swift für seine junge Freundin Esther (Esse) Vanhomrigh erfunden.
Etliche Kritiker haben angemerkt, Humberts (ungewisse) Erklärung für seine sexuelle Ausrichtung klinge so freudianisch, dass er (und sein Autor) gar nicht die Verächter der Psychoanalyse sein könnten, als die sie sich geben, sondern verkappte, getarnte Freudianer sein müssten. Ob Humbert (und sein Autor) im Ernst meint, das Annabel-Erlebnis sei die Ursache seiner Pädophilie, lässt sich nicht entscheiden. Die heutige Sexualmedizin hält eine entsprechende Prägung in der Adoleszenz teilweise nicht für ausgeschlossen. Die Freud’sche Theorie behauptet jedoch nirgends, dass eine frustrierte Sexualbeziehung zwischen zwei gleichaltrigen Adoleszenten zur Pädophilie führe. Insofern ist Humberts ätiologischer Versuch ganz und gar unfreudianisch. Freud hätte sich viel mehr für Lolitas Beziehung zu ihrem Stiefvater interessiert als für dessen Beziehung zu ihr.
Das Wort ‹Uranisten› klingt nach einem avantgardistischen Literatenzirkel, ist aber ein ausgefallenes Wort für ‹Homosexuelle›, eingeführt von Karl Heinrich Ulrichs in seiner Theorie der männlichen Homosexualität (1864).
Die Verse sind eine Montage verschiedener Stellen aus T.S. Eliots Poem Gerontion (1920): «… Fräulein von Kulp / Who turned in the hall, one hand on the door …»; «… De Bailhache, Fresca, Mrs. Cammel, whirled …»; «… Gull against the wind, in the windy straits / Of Belle Isle …». Nabokov über Eliot (1965): «In den zwanziger und dreißiger Jahren war ich, ungleich vielen meiner Zeitgenossen, nie der Lyrik von Eliot und Pound ausgesetzt. Ich las sie spät in der Saison, etwa 1945, und zwar im Gästezimmmer eines amerikanischen Bekannten, und sie ließen mich nicht nur völlig gleichgültig; ich konnte nicht einmal begreifen, warum irgendjemand Aufhebens von ihnen machte.»
In den Briefen an seinen Freund Benjamin Bailey formulierte der Dichter John Keats (1795–1821) seine Poetik. Mit dem «Proust-Thema» sind wohl einige Zeilen in Keats’ Brief vom 22. November 1817 gemeint, in denen er die Vorstellungskraft gegen den Verstand ausspielt – die Vorstellungskraft, die der Realität in der Erinnerung zu einer schöneren und eindrucksvolleren Form verhilft, als sie sie selber je besaß. In Die wiedergefundene Zeit, Kapitel 3, entwickelt Prousts Marcel seine Gedanken über die Macht der Vorstellungskraft, die einen aus der Knechtschaft der Zeit befreit.
Das griechische Wort nymphe bedeutet ‹junge Frau›, ‹Braut›. In der griechischen Mythologie waren Nymphen weibliche Geisterwesen göttlichen oder halbgöttlichen Ursprungs, die an bestimmten Orten der Natur hausten, die Dryaden z.B. in Bäumen und Wäldern, die Najaden in Quellen und Bächen, die Oreaden auf Bergen, die Nereïden im Meer.
Nymphen konnten die Menschen verzaubern; der Zustand der Verhexung durch eine Nymphe heißt Nympholepsie (nicht zu verwechseln mit Nymphomanie, Mannstollheit): «… eine Art dämonischer Begeisterung, die den Alten zufolge von jenem Besitz ergriff, der von einer Nymphe besessen oder behext war; emotionale Raserei (etwa entzündet von einem unerreichbaren Ideal)» (Webster).
Im Volksglauben der Antike und des Mittelalters trat Nympholepsie oder der «Mittagsdämon» vorwiegend um die Mittagszeit auf, wurde vermeintlich durch Nymphen und später vom Teufel ausgelöst und äußerte sich in Bewegungsunfähigkeit, Erschlaffung, Krämpfen, Depression, Verstummen, delirantem Reden. Die heutige Medizin würde die Symptome eher einem Sonnenstich zuschreiben.
In der Medizin sind die Nymphen die kleinen Schamlippen.
In der Entomologie heißen Nymphen die Larven von hemimetabolen Insekten, also von Insekten, die kein Puppenstadium durchlaufen (Heuschrecken zum Beispiel). Das Wort wird aber auch für holometabole Insekten wie z.B. Schmetterlinge verwandt und bedeutet dann so viel wie Puppe in ihrer letzten Phase. In genau diesem Sinn verwendet es Nabokov: die Nymphe als eine in der Metamorphose befindliche Jugendform, bei der sich bereits die Züge der künftigen Imago ausmachen lassen – die durch die kindliche Umhüllung hindurchscheinende Frau.
Das Wort nymphet wurde von Nabokov zwar nicht erfunden, aber durch ihn in Humberts Sinn neu definiert und dadurch zu einem neuen Begriff gemacht. Nabokov war verwundert, aber auch stolz, dass von allen seinen Neologismen gerade dieser in den Webster Eingang fand. Die ursprüngliche deutsche Übersetzung ‹Nymphchen› wurde dem nicht gerecht. ‹Nymphchen› ist einfach die Diminutivform von Nymphe und damit kein Wort, das einen eigenen Wörterbucheintrag erhielte. Für den speziellen Sinn, den Humbert ihm zumisst, ist es zudem auch zu harmlos, zu niedlich. Hier wird nymphet darum mit ‹Nymphette› übersetzt – dem Wort, das Nabokov im Gespräch mit dem befreundeten deutschen Photographen Horst Tappe selber gebrauchte. Beim gemeinsamen Gang durch ein Hotelschwimmbad in Gstaad, etwa 1962, bemerkte er ironisch, auf Deutsch: «Schauen Sie, diese schönen Nymphetten!»
Humbert verwendet für seinen Zustand das Wort ‹Pädophilie› (Kinderliebe) kein einziges Mal, obwohl es zu seiner Zeit die nächstliegende und völlig normale Bezeichnung gewesen wäre, eingeführt 1886 in der Psychopathia sexualis des Rechtsmediziners und Psychiaters Richard von Krafft-Ebing. Humbert ersetzt es durch das von ihm selbst geprägte Wort ‹Päderose› (wörtlich ‹Kinderzustand›) und durch eine Zweckentfremdung des Worts ‹Nympholepsie› (d.h. von einer Nymphe verursachte Raserei), einen scheinbar mythologisch geadelten Euphemismus, der ihm genehmer ist, weil er undeutlicher ist, seine eigene Befindlichkeit in den Fokus rückt und das Alter des Objekts unsichtbar macht.
Einige aktuelle Informationen zum Thema, vorwiegend aus der Wikipedia: Pädophilie findet sich ausschließlich beim männlichen Geschlecht. Man spricht nur dann von Pädophilie, wenn der Mann mindestens 16 und mindestens 5 Jahre älter als das Kind ist. (Die Liebe Humberts zu Annabel ist also keine Pädophilie und auch sonst nichts, was als seelische Störung zu betrachten wäre.) Die große Mehrheit der Pädophilen, schätzungsweise 80 Prozent, sind homosexuell, 20 Prozent fühlen sich von Mädchen angezogen. Für das bevorzugte Alter ihrer Objekte gibt es zwei Gipfel: 5 bis 6 und 11 bis 12 Jahre. Schätzungsweise 20 bis 40 Prozent aller Männer finden Mädchen kurz vor oder am Beginn ihrer Pubertät erotisch attraktiv, eine Neigung, die bei den allermeisten folgenlos bleibt und nicht als behandlungsbedürftige Störung gilt. Nach sehr ungewissen Schätzungen finden sich in der erwachsenen männlichen Bevölkerung 0,2 bis 0,8 Prozent aktive Pädophile, auch Pädosexuelle genannt. Die allermeisten von ihnen geben nur etwaigen günstigen Situationen nach, sind aber in ihrer sexuellen Ausrichtung nicht auf kleine Jungen oder Mädchen fixiert; etwa 5 Prozent sind es. Als fixierter Hetero-Pädosexueller verkörpert Humbert also einerseits ein seltenes, äußerstes, auch äußerst gefährliches Extrem des Pädophiliespektrums; in Deutschland gäbe es nach den obigen Zahlen etwa tausend Männer seiner Ausrichtung. Andererseits ist Lolita kein Mädchen vor ihrer Pubertät mehr, sondern an ihrem Ende, sodass seine Beziehung zu ihr zwar juristisch als Pädophilie gewertet würde, aber nicht unbedingt auch psychiatrisch; in manchen Kulturen hätte sie nichts Unangemessenes oder Anstößiges.
Unter ‹Lolita-Syndrom› wird die Ausrichtung auf adoleszente Mädchen verstanden (also auf Mädchen um das Ende ihrer Pubertät herum, die Humbert ‹Nymphetten› tauft), unter ‹Lolita-Komplex› (oder ‹Lolicon›) die Vorliebe für japanische Manga-Comics mit neotenen weiblichen Figuren vom «Kogal»-Typ.
Das englische Gesetz von 1933 ist sinngemäß, das amerikanische von 1957 wörtlich zitiert.
Umstrittener puritanischer Gelehrter und Pamphletist (1549–1612), Verfasser von A Consent of Scripture, einer Abhandlung über biblische Chronologie.
Jerichoer Hure, die zwei israelitische Spione in ihrem Haus versteckte (Josua 2).
Vergil, who could nymphets sing in single tone: wörtlich «Vergil, der Nymphetten in einem einzigen Ton besingen konnte». Unter den Belegen zum Stichwort «nymphet» findet sich im großen Oxford English Dictionary folgender: «Singleton Virgil I.60 Who could the nymphets sing?» Der Reverend Robert Corbet Singleton war ein englischer Vergil-Übersetzer des 19. Jahrhundert. Die als Beleg zitierte Stelle stammt aus der 9. Ekloge, Vers 19: «quis caneret nymphas?» (wer besänge die Nymphen?). Anders gelesen, lautete der versartig skandierende Satz also: «Vergil: Who could nymphets sing? (in Singleton)» Dass Singleton zu «single tone» wird, ist eine Anspielung auf den eintönig verniedlichenden Ton der Singleton’schen Vergil-Übersetzungen, für die die Verwandlung der Nymphen in Nymphchen ein Beispiel ist.
Der ägyptische König Echnaton (Amenophis IV.) hatte mit seiner Gemahlin Nofretete sieben Töchter und ist mit sechs von ihnen abgebildet.
Die Leptschas sind ein mongolisches Bergbauernvolk in Sikkim. H.H. hat die Information aus Havelock Ellis’ Studies in the Psychology of Sex (1891).
Dante … Petrarca: Die erste Begegnung mit seiner Beatrice beschreibt Dante in einem Jugendwerk, der Erzählung Vita Nova (1293). Was H.H. verschweigt: Als Dante seiner rein geistigen Geleiterin im Mai 1274 zum ersten Mal begegnete, war er zehn und sie neun. Auch im Fall Petrarca irrt H.H. tendenziös: Dieser lernte Laura am 6. April 1327 in der St.-Clara-Kirche in Avignon kennen, und da war er zweiundzwanzig und sie achtzehn.
Frz. enfant charmante et fourbe: ein reizendes und schurkisches Kind.
Lilith ist dem Talmud zufolge Adams erste Frau, noch vor Eva; im jüdischen Aberglauben ein unheilbringender Sturmdämon. Siehe das Gedicht in der Zeittafel zur Entstehung des Romans, 1928.
Wohl Anspielung auf einen Bestseller von 1858, Robert Michael Ballantynes Roman The Coral Island (Die Koralleninsel), der von den vergnügten Abenteuern dreier englischer Knaben auf einer einsamen Insel erzählt.
Frz. frétillement: Wackeln, Schwenken.
Frz. cent: hundert.
Frz. tant pis: schade; na dann eben nicht.
Frz. petit cadeau: kleines Geschenk.
Frz. dix-huit: achtzehn.
Frz. Oui, ce n’est pas bien: Ja, das ist nicht in Ordung.
Frz. grues: Huren.
Frz. Il était malin, celui qui a inventé ce truc-là: Das war ein ganz Schlauer, der diese Sache erfunden hat.
Frz. posé un lapin: jemanden versetzt.
Frz. Tu es bien gentil de dire ça: Es ist sehr nett von dir, mir das zu sagen.
Fr. avant qu’on se couche: vor dem Hinlegen.
Frz. Je vais m’acheter des bas: Ich werde mir Strümpfe kaufen.
Frz. Regardez-moi cette belle brune: Sehen Sie sich diese schöne Brünette an! (In der russ. Fassung mit dem Zusatz: «schon im Brautkleid».)
Frz. qui pourrait arranger la chose: die die Sache arrangieren könnte.
Frz. son argent: ihr Geld.
Marie … stellarer Name: Ein Vesperhymnus (Ave Maria stella maris) nennt Maria ‹Meeresstern›, der über den Wogen der Welt strahlt.
Frz. mes malheurs: meiner Missgeschicke.
Frz. français moyen: Durchschnittsfranzose.
Frz. pot-au-feu: Eintopf.
Frz. à la gamine: wie eine kleine Range.
Frz. mairie: Bürgermeisteramt.
Frz. baba: Bäuerin, Trampel.
Frz. mon oncle d’Amérique: mein Onkel aus Amerika.
Der Nansenpass war ein vom Völkerbund geschaffener Ersatzpass für Staatenlose, zunächst vor allem für russische Flüchtlinge, benannt nach dem norwegischen Arktisforscher und Diplomaten Fridtjof Nansen, der seine Einführung angeregt hatte.
Frz. Mais qui est-ce?: Aber wer ist es?
Jean-Christophe ist ein zehnbändiger Gesellschaftsroman (1904–1912) von Romain Rolland.
Frz. le gredin: der Halunke.
Percy Elphinstone ist laut Nabokov ein wirklicher Autor, dessen Buch Ein Vagabund in Italien ihm in einer Krankenhausbibliothek begegnet war (Brief an Alfred Appel, Jr., vom 23. März 1967). Elphinstone heißt die Kleinstadt in Kapitel II/22, wo Humbert Lolita verliert.
Pym heißt auch der Held von Poes einzigem Roman, Der Bericht des Arthur Gordon Pym aus Nantucket.
Das Elsinore Playhouse ist ein wirkliches Theater an einem wirklichen Ort. ‹Elsinore› spielt auf den Schauplatz von Hamlet an, das Schloss Helsingör in Dänemark.
Erster namentlicher Auftritt von Humberts Widersacher Clare Quilty. Im Laufe des Romans erscheint er immer wieder; identifiziert aber wird er erst gegen Ende.
Humbert und Lolita sehen dieses Stück später zusammen (Kapitel II/18).
In der russ. Fassung: «für anderthalb Jahre».
Fiktive Lokalität, benannt nach Herman Melville und seinem Roman Pierre.
Drumlins sind ovale Hügel in Grundmoränenlandschaften, Gremlins koboldhafte Wesen, die Störungen in der Maschinerie herbeiführen.
Für Freudianer die elterliche Kopulation, deren das Kleinkind ansichtig wird und die es für sein Leben traumatisiert.
Prinets Gemälde aus dem Jahre 1898 zeigt in Nabokovs Worten «eine ungepflegte Pianistin, die sich nach Beendigung des Duos schlängelnd von ihrem Hocker erhebt und den Kuss eines behaarten Violinisten empfängt. Sehr unappetitlich und klebrig, aber so charmant, wie ‹Camp› eben sein kann.» Das Bild erschien seinerzeit in den Anzeigen der Parfum-Marke Taboo. Auf dem Bild wurde also gerade Beethovens Kreutzer-Sonate gespielt. Diese erinnert aber passenderweise auch an Tolstojs Roman Kreutzersonate, der von einer unerträglichen Ehe handelt, in der der Mann seine Frau schließlich ermordet; er ist auch ein Traktat über die Sittenverderbnis der Zeit und ein Aufruf zu Keuschheit und Enthaltsamkeit.
Frz. Roches Roses: rosa Felsen.
Frz. nouvelle: neue. In der russ. Fassung: «diese Nova».
Frz. fruit vert: unreife Frucht.
Frz. Au fond ça m’est bien égal: Im Grunde ist mir das völlig gleich.
Sundaes sind Eisbecher mit einer sehr süßen Sauce.
Heliotropismus ist die Fähigkeit vieler Pflanzen, sich nach dem Sonnenstand auszurichten.
In der russ. Fassung: «… überaus gesegnete Woche.» Westwind bedeutet in Neuengland meist gutes Wetter.
Priapos ist in der griechischen Mythologie der hässliche kleine Gott der Gärten mit dem großen Phallus.
Lat. delectatio morosa: (wörtlich) verdrossenes Vergnügen. Laut Leland de la Durantay (2007) handelt es sich um einen festen Begriff des mittelalterlichen Klosterwesens und bedeutet so viel wie ‹ungewollte Lust an sündigem Denken›, eine der innerlichen Sünden, neben gaudium (dem selbstgefälligen Verweilen bei begangenen Sünden) und desiderium (dem Wunsch nach sündhaftem Tun).
Edgar Allan Poe heiratete seine Cousine Virginia Clemm 1836, als er siebenundzwanzig war und sie dreizehn.
Frz. Je m’imagine cela: Ich stelle mir das so vor.
(Falsches) Frz. ne montrez pas vos djambes: zeigen Sie (!) Ihre Beine nicht.
Frz. Poète à mes heures: gelegentlich Dichter, hier wohl eher «selber Dichter, wenn mir danach war».
H.H. sieht sich in der Nachfolge römischer Liebesdichter, vor allem Catulls (84–54 v. Chr.). Die wiederkehrende Wendung «diese Lolita, meine Lolita» stammt aus einem ironischen Gedicht Catulls: «Caeli! Lesbia nostra, Lesbia illa, / illa Lesbia, quam Catullus unam / plus quam se atque suos amavit omnes, / nunc in quadriviis et angiportis, / glubit magnamini Remi nepotes.» (Ach, Caelius! Unsere Lesbia, jene Lesbia, / jene Lesbia, die Catull als einzige / mehr liebte als das eigene Ich und alle die Seinen, / an Straßenkreuzungen und in Seitengassen / nimmt sie jetzt die Nachfahren des großherzigen Remus aus.)
Humbert hat sich verhört, der See heißt in Wahrheit Hourglass Lake, Stundenglas-See, und nicht «unser gläserner See».
Humbert zerlegt ‹Carmen› in ‹car-men›, Schaffner, wörtlich Wagen-Männer; Klein Carmen wird so zu Zwergschaffner.
Carmen ist die Heldin des gleichnamigen Kurzromans von Prosper Mérimée (1803–1870), auf dem auch Bizets Oper beruht – auch er die Geschichte einer Liebesleidenschaft, die die bürgerliche Existenz und schließlich das Leben des Liebhabers (Don José) vernichtet und die dieser kurz vor seinem Tod im Gefängnis erzählt. Der spanische Name Carmen heißt wörtlich Lied, aber auch Zauber; das Wort «Charme» geht auf die gleiche Wurzel zurück. Anspielungen auf Carmen sind neben solchen auf Poes Annabel Lee die häufigsten des Romans.
Der Film ist das Melodrama The Big Punch (1948), Regie Sherry Shourds.
Gegen Ende des Romans, als Humbert auf ihn schießt, setzt sich Quilty hin und sagt «Hach».
Den Ort gibt es nicht, aber sein Name bedeutet etwas. Ein «pisky» oder «pixie» ist ein Elf, ein frecher Kobold.
Frz. le mot juste: das rechte Wort.
«vermeillette fente»: Anspielung auf das Sonett L.M.F. des französischen Renaissancedichters Pierre de Ronsard (1524–1585). Dessen erster Vers lautet: «Je te salue, o vermeillette fante» (Ich grüße dich, kleine rote Ritze). Das erstmals 1553 gedruckte Gedicht wurde in allen Ronsard-Ausgaben zwischen 1619 und 1919 weggelassen.
Remy Belleaus «petit mont feutré de mousse délicate, tracé sur le milieu d’un fillet escarlatte»: Zitat aus einem Gedicht auf das weibliche Genital von Remy Belleau (1528–1577), wörtlich «Kleiner mit zartem Moos befilzter Berg, in der Mitte mit einem scharlachroten Fädchen versehen».
Zitat aus Poes Ballade Annabel Lee.
«Fluch der Iren» ist eine irische Redewendung für die erste Menstruation – die in Irland wohl darum mit gemischten Gefühlen gesehen wurde, weil die irische Fruchtbarkeit zur Überbevölkerung und Verarmung der Insel führte.
In der russ. Fassung «Frau Gebärmutter».
Frz. Ces matins gris si doux: diese grauen Morgen, so süß.
In der russ. Fassung: «[Humbert] als Besitzer einer Parfumfirma».
«Lo and behold» ist eine altertümliche englische Redensart für Siehe da! (Wörtlich: Achtung und schau!)
«Irving, der mir leidtut» – «weil er der einzige Jude unter all diesen Gojim ist» (Nabokov zu Alfred Appel, Jr.). In der russ. Fassung heißt er Mose Fleischman; Zusatz: «der mir leidtut wie jeder arme Vertriebene».
Frz. Mais allez-y, allez-y!: aber geht; lasst euch nicht stören; macht ruhig weiter.
Blanche Schwarzmann ist die im Vorwort erwähnte Psychiaterin. In der russ. Fassung: «… mich mit einem Beutel voller österreichischer Schillinge belohnt hätte, um ihrem Libidossier solch einen Libitraum einverleiben zu können.»
In der russ. Fassung ‹Traumregisseur›.
Frz. manège: Machenschaften, Schliche.
Humberts pseudomedizinischer Euphemismus für seinen Zustand, von grch. päd- = Kind, eros = Liebe, -osis = Krankheit.
Einer der Schüler auf der von Humbert kopierten Liste. Der Vorname ist der des englischen Jugendstil-Zeichners Aubrey Beardsley, auf den noch mehrfach angespielt werden wird.
Frz. la phalène: Nachtfalter.
Während Eva-Lolita (ahnungslos oder auch nicht) Adam-H.H. das erste Mal zum Orgasmus bringt, vertilgt sie einen paradiesischen Apfel der Sorte Golden Delicious.
Bobbysoxer: amerikanisches Slangwort für junge Mädchen, wörtlich «Bobbysox-Trägerin»; Bobbysox sind weiße, umgekrempelte Fesselsocken, wie sie unter amerikanischen Teenagern in den 1940er Jahren in Mode waren.
Der Unhold und die Holde: eine von verschiedenen Anspielungen auf ein Märchenmotiv, das am bekanntesten in der Fassung ist, die ihm die französische Kinderbuchautorin Jeanne-Marie Leprince de Beaumont (1711–1780) gab: La Belle et la Bête (Die Schöne und das Untier/Vieh/Biest/Monster), engl. The Beast and the Beauty. Um ihren Vater zu retten, begibt sich die schöne Belle in die Gewalt des Untiers, das sie durch die Macht ihrer Liebe erlöst – es entpuppt sich als verzauberter Prinz. 1946 hat Jean Cocteau den Stoff verfilmt.
Krause-Körperchen, entdeckt von dem deutschen Anatom Wilhelm Krause (1833–1910), sind sensible Nervenendkolben dicht unter der Epidermis, die als Rezeptoren fungieren und auf Geschwindigkeitsänderungen reagieren.
In der russ. Fassung heißt das Lager «kuwschinka [Wasserlilie] oder einfach Ku». Es liegt in der Nähe des Climax-Sees «in einem anderen Staat», der offenbar bergig und waldreich ist, also wohl in Vermont oder New Hampshire, in denen es viele Jugendferienlager gab und gibt.
Frz. Berthe au Grand Pied: Bertha mit dem großen Fuß. So nannte man die Mutter Karls des Großen, deren einer Fuß etwas größer war als der andere. In einem Chanson de Geste von Adenet le Roi aus dem 13. Jh. verschwindet sie nach etlichen Misshelligkeiten am Ende abrupt im Wald – «aus dem sie ein Jahrtausend später in der Gestalt Humberts wiederauftaucht» (Carl R. Proffer).
Charlotte Hazes Liebesbrief erinnert ein wenig an den ungestümen Brief, den Tatjana an Onegin schrieb (Eugen Onegin 3.31). Tatjana kann besser Französisch als Russisch, und der Text, wie er in Puschkins Versroman steht, soll wohl eine Übersetzung aus dem Französischen sein und ist voller Gallizismen. In der russ. Fassung von Lolita geht Mrs. Haze im letzten Absatz des Briefes mehrfach vom Sie zum Du über.
Frz. mon cher, cher Monsieur: mein lieber, lieber Herr.
Falsches Frz. Departez; Mrs. Haze meint partez ‹reisen Sie ab› und schreibt in Anlehnung an das engl. to depart ‹abreisen› departez (richtig départez) ‹verteilen Sie›.
Frz. mon très, très cher: mein sehr, sehr Lieber.
Rev. Thomas Morell (1703–1784) dichtete das Lied See the Conquering Hero Comes (Sieh an, da kommt der bezwingende Held), das Georg Friedrich Händel in seinen Oratorien Joschua und Judas Makkabäus verwendete. In Joyces Ulysses wird Blazes Boylan, Molly Blooms Liebhaber, in der Kneipe mit diesem Vers begrüßt.
Die Zigarettenmarke Camel zeigt auf der Packung kein (zweihöckeriges) Kamel, das genau genommen Trampeltier hieße, sondern ein (einhöckeriges) Dromedar. Andere verwandelte Markennamen in dem Roman: Omen Faustum (Lucky Strike), Yak (Cadillac), Cougar (Jaguar, eigentlich Puma).
Lat. Pavor nocturnus: kindlicher Angsttraum.
Frz. peine forte et dure: (wörtlich) starker und harter Schmerz. Nach Leland de la Durantaye (2007) stammt der Begriff aus dem normannischen Gesetz, aus dem er ins englische Gesetz übernommen (er wurde 1772 abgeschafft) und bedeutet eine Form von Folter: Dem Gefangenen, der bei einem Gerichtsverfahren jede Mitwirkung verweigerte, wurden schwere Gewichte auferlegt. Der Begriff findet sich auch in Poes Kurzgeschichte William Wilson.
Zitat aus Childe Harold’s Pilgrimage (Junker Harolds Pilgerfahrt), Canto 3, Strophe CXVI, von Lord Byron (1788–1824).
Frz. quel mot: was für ein Wort.
pharmakopoietisch: die angewandte Pharmakologie betreffend (Neologismus).
Inkubus: wörtlich «der auf einem liegt». Albdruck, im Mittelalter als ein böser Geist (Nachtmahr) vorgestellt, der einen «bedrückt»; ein Teufel, der sich auf Frauen legt. Kubus heißt wörtlich «Würfel»; H.H. bildet sich das Wort wohl, indem er vom Inkubus das In- subtrahiert, in dem Sinn «der Liegende». Ein Sukkubus – eigentlich eine Sukkuba – ist demgegenüber «eine darunter Liegende», nämlich eine Dämonin, die Männer zum Geschlechtsverkehr verführt.
Frz. Une petite attention: eine kleine Aufmerksamkeit.
Frz. soi-disant: sogenannte.
Frz. arrière-pensées: Hintergedanken.
Ihr Mann will gerade eine antisemitische Bemerkung machen, und sie unterbricht ihn, weil sie nicht sicher ist, ob nicht auch H.H. Jude ist.
In der russ. Fassung: «unverzeihliches Geschwindel».
Wörtlich ‹Stundenglas-See›; vorher meinte H.H., er heiße Our Glass-See, ‹Unser-Glas-See›. In der russ. Fassung heißt er ‹Brillen- oder Brillenschlangen-See› (russ. glas, Auge).
Frz. c’est moi qui décide: ich bin es, der hier die Entscheidungen trifft.
Cavall und Melampus sind die beiden Boxerhunde der Farlows. Cavall (eigentlich ‹Pferd›) hieß König Artus’ Lieblingsjagdhund. In Ovids Metamorphosen (III.206) kommt ein spartanischer Hund namens Melampus vor. Melampus war auch jener alte Grieche, der die Sprache der Tiere verstand, nicht speziell die der Hunde.
Nämlich Leslie Tomson, der Schwarze, der hier frühmorgens gebadet hat und in den die Haushälterin der Farlows verliebt sein soll.
Der Zahnarzt Ivor Quilty im Nebenhaus, Onkel des Dramatikers Clare Quilty.
Frz., Was mich verrückt macht, ist, dass ich nicht weiß, was du denkst, wenn du so bist.
In der russ. Fassung: «… mit Lady Bimbom, einer Cousine des Königs von England, und Bill Bimbom, dem Gefrierfleischkönig».
Humbert vermischt die «Beefeaters» (wörtl. Rindfleischesser) der Tower-Wache mit der Bibermützen tragenden königlichen Garde zu «Beaver Eaters» (Biberessern).
Engl. merry old England: das fröhliche alte England.
Da die Karte des Staats in der Enzyklopädie zwischen «Chalet» und «Consommé» steht (im englischen Original nach «Canvasback»), kann es sich nur um Connecticut handeln.
In der russ. Fassung: «wie sie aufs Schlüsselbein zu küssen».
In der russ. Fassung Zusatz: «Und es ist schon seltsam, sich vorzustellen, dass sie jetzt alle alt sind, siebzehn …»
In der russ. Fassung: «… aus dem Schlüsselloch hing jener Schlüssel, der endlich gepasst und sich nun mit dem Bart dort verhakt hatte, verschiedene weitere häusliche Nachschlüssel lagen auf dem Tischchen».
In der russ. Fassung: «in jedes Glas eine Unze Selterswasser».
In der russ. Fassung Zusatz: «… der Leiterin von Camp Q».
So in der russ. Fassung. In der englischen heißt es: «Veranden oder dem Hausinneren verleiht ihre kostbare Oberfläche modernes Drama.»
Frz. Eh bien, pas du tout!, Nun, ganz und gar nicht!
In der russ. Fassung: «mit jenem Geklirr, das an den Spielautomaten in Nevada einen Hauptgewinn begleitet».
Frz. petite: klein (weibl.); die kleinste der drei Normalgrößen (klein, mittel, groß, S, M, L).
In der russ. Fassung mit dem Zusatz «mit rundem Halsausschnitt».
In der russ. Fassung: «kurz vor meiner Befreiung aus der Leibeigenschaft».
Frz. aux yeux battus: mit Ringen um den Augen.
Frz. ensuite?: und dann?
Frz. C’est bien tout? C’est: Ist das jetzt alles? Das ist. (Lolita übersetzt wörtlich aus dem Englischen.)
In der russ. Fassung: «europäischen Linden».
Das «riesige Cabriolet» gehört Clare Quilty.
Anspielung auf Robert Brownings Versdrama Pippa Passes (Pippa geht vorüber, 1841), Zeile 92: «From a cleft rose-peach the whole Dryad sprang» (einem gespaltenen rosa Pfirsich entsprang die ganze Waldnymphe).
In der russ. Fassung: «mich, einen verdächtigen brünetten Typ, einer Prüfung».
In der russ. Fassung: «es kann auch ein Einzelzimmer sein».
Den Vornamen leiht sich Humbert von Edgar Allan Poe.
In der russ. Fassung: «Vom Himmel kommend, öffnete eine hübsche junge Schwarze die Fahrstuhltür von innen.»
Frz. Enfin seuls: Endlich allein.
Humberts Neuprägung ‹Spoonerette› bedeutet einmal so viel wie ‹Urheberin meiner Spoonerismen›, meiner Buchstabenvertauschungen, nach Leland de la Durantaye (2007) aber auch ‹meines sich anschmiegenden Löffelchens› (nach engl. spoon, Löffel).
Küchenlatein mit englischen, französischen, deutschen, italienischen Brocken. Wörtlich «Der Saft steigt, pulsiert, brennt, kitzelt, höchst verrückt. Der Fahrstuhl rasselt, hält inne, rasselt, Leute auf dem Gang. Niemand außer dem Tod nimmt sie mir weg! Schlankes kleines Mädchen, dachte ich höchst zärtlich, achtete auf gar nichts.»
Waldnymphen.
Lat. O Fama! O Femina!: O Ruhm! O Frau!
Pie ist ein beliebter amerikanischer Nachtisch – ein tortenförmiges Gebäck mit diversen Obstfüllungen.
Frz. le grand moment: der große Augenblick.
Humberts Schweizer Onkel Gustave Trapp (genauer ein Cousin seines Vater), ein «Bewunderer der Nacktheit», der Ähnlichkeit mit Clare Quilty hat. Frz. trappe heißt Falle. Im Zweiten Teil wird Humbert den unbekannten Verfolger, den er für einen Detektiv hält, Trapp nennen.
Der Vorname ist ausgeliehen von dem Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778). Dessen einflussreiche pädagogische Theorie, ausführlich dargelegt in dem Romanessay Emil oder Über die Erziehung (1762), beruhte auf der Annahme, der Mensch sei von Natur aus gut und werde nur durch die Einflüsse von Zivilisation und Gesellschaft verdorben. Dementsprechend brauchte man Rousseau zufolge das Kind nur gegen alle diese schädlichen Einflüsse systematisch abzuschirmen («negative Erziehung») und ihm die schlechte «positive Erziehung» (etwa das Auswendiglernen von Fakten) zu ersparen, um es mehr oder minder von allein zu einem körperlich und seelisch gesunden, klugen und gebildeten, sittlichen und religiösen Erwachsenen heranwachsen zu lassen. H.H. den «Pädagogen» dürfte daran vor allem die Idee der Abschirmung interessiert haben.
Nach Freud’scher Lehre die sexuell ereignislose Zeit zwischen dem «Ödipus»-Drama im fünften bis siebenten Lebensjahr und der Pubertät.
Frz. comme on dit: wie es heißt.
«mit Wiener Hilfe», «König Sigmund der Zweite»: Anspielung auf den Wiener Arzt Sigmund Freud, den Urheber der Psychoanalyse.
Vermutlich eine Anspielung auf den Diwan des persischen Mathematikers und Dichters Omar Chayyam (ca. 1045–1122), die Ruba’iyat, die in Europa durch eine sehr freie englische Nachdichtung durch Edward FitzGerald (1879) Furore machte.
Frz. entre nous soit dit: unter uns gesagt.
In der russ. Fassung mit dem Zusatz «(fast hätte ich ‹meine Eichel› geschrieben)». Die Wörter für ‹Kopf› und ‹Eichel› sind ähnlich, golowa und golowka.
Pommes heißen in Amerika French fries (französische Fritten).
Frz. grand Dieu: großer Gott!
Frz. La Petite Dormeuse ou l’Amant Ridicule: Die kleine Schläferin oder Der lächerliche Liebhaber.
Anspielung auf Alice im Wunderland von Lewis Carroll (1832–1898), die Nabokov 1923 ins Russische übersetzt hatte. Alfred Appel, Jr., zitiert Nabokov: «Ich nenne ihn immer Lewis Carroll Carroll, da er der erste Humbert Humbert war … Er steht H.H. ergreifend nahe, aber ein sonderbarer Skrupel hat mich davon abgehalten, in der Lolita auf seine elende Perversion und jene zweideutigen Photos anzuspielen, die er in trüben Zimmern machte. Er kam davon, wie so viele andere Viktorianer mit Päderastie oder Nympholepsie davonkamen. Seine kleinen Nymphetten waren traurig und mager, abgerissen und halb entkleidet, oder vielmehr halb enthüllt, als nähmen sie an einer schrecklichen und verstaubten Charade teil.»
In der russ. Fassung: «dann pass jetzt auf, wie es geht.»
Anspielung auf T.S. Eliots Gedicht Gerontion. Es beginnt: «Hier bin ich, ein alter Mann in einem Dürremonat, / Dem ein Junge vorliest …»
In der russ. Fassung: «… die sich mit dem fetten Rumpf einer Bisamratte abmüht.»
Phantasiegrch. kallipyg: mit schönem Hintern.
H.H.s juristische Überlegungen sind zunächst richtig, werden dann aber Wunschdenken: Die Heirat mit zwölf war damals nur in zehn Staaten der USA erlaubt; siebzehn erlaubten sie mit sechzehn (darunter Connecticut, wo die Verzauberten Jäger liegen); zwei erst mit achtzehn.
Offenbar die bei amerikanischen Schulmädchen jener Jahrzehnte verbreiteten, Golfschuhen ähnlichen saddle shoes, weiß mit dunkelfarbiger Kappe.