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Daniel Meurois

Anne Givaudan

Essener

Erinnerungen

Die spirituellen

Lehren Jesu

Aus dem Französischen

von Rita Hörner und Rudolf Pohl

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Wir widmen dieses Buch allen Essenern von

heute, von hier und anderswo, euch allen,

Familien und Freunden, die ihr uns, jeder auf

seine Art, so gut zu begleiten wusstet.

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Zerah

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Ich war damals gerade vier Jahre alt. Meine Eltern und ich wohnten in einem kleinen Dorf in Galiläa zwei Tagesreisen zu Fuß nordöstlich von Jappa. Jappa, das war die Großstadt, das Abenteuer. Oft stand ich auf der niedrigen Mauer des Gartens, der unsere bescheidene Behausung umgab, und betrachtete die Kamelkarawanen, die gemächlich dorthin zogen.

Dies war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich malte mir aus, wie die Händler auf einem Platz in der Stadt begannen, den geheimnisvollen Inhalt der gewaltigen, an den Seiten des Zaumzeugs befestigten Körbe auszupacken.

Ich hatte dieses Schauspiel nur einmal erlebt, aber es hatte mein kindliches Gemüt und meine Vorstellungskraft stark beeindruckt. Das fremdartige Leben in den hitzeglühenden Gässchen, die Krambuden der Handwerker und Händler, der Geruch der Gewürze, das Lärmen des Viehs, das bunte Treiben im Hafen – all das war so ganz anders als das ruhige und geregelte Leben im Dorf.

Mein Vater war Töpfer und reiste nur selten nach Jappa. Und wenn, dann musste ich ihn lange darum bitten. Er zog den immer gleichen Rhythmus seiner Töpferscheibe dem Geschrei der Händler vor.

Unbewusst ärgerte mich das ein wenig. Gab es in Jappa wirklich nichts anderes zu tun, als einmal im Jahr Korn zu kaufen? Meine Mutter versuchte manchmal, vernünftig mit mir darüber zu reden. Auch sie war völlig an das harte, einfache Landleben gewöhnt; schließlich hatte sie schon immer da gelebt, ebenso wie alle anderen Bewohner des Dorfes, das die Leute aus Jappa das »Dorf der Brüder« nannten.

Brüder von was? Ich wusste es nicht, aber mein Vater und die Bewohner der Nachbarhäuser sagten oft, dass wir alle Brüder seien und dass ich diese Bezeichnung in Ehren halten solle. Weiter gingen meine Fragen auch nicht; außer in jenen Zeiten unruhiger Neugierde, die dem erwachenden Geist der Kinder eigen ist, fühlte ich mich in unserer kleinen Gemeinschaft warm und geborgen.

Wie viele waren wir in diesen zusammengewürfelten Behausungen aus Lehm und Stein, die sich hoch an der Seite eines Hügels hinzogen? Einhundertfünfzig vielleicht oder höchstens zweihundert. Eine niedrige Mauer aus grauem Stein, die mir damals wie ein Festungswall erschien, umgab unser Dorf; in Wirklichkeit war sie kaum höher als ein Meter. Wie um sicher zu sein, dass die Worte sich mir einprägten, wiederholte mein Vater mir immer wieder, dass sie die »heilige Umfriedung« sei und dass alles, was in ihrem Schatten weilte und wuchs, für uns geschützt und gesegnet war.

Jedes Haus des Dorfes war von ein paar Morgen Land umgeben, die den Bedürfnissen des Alltags genügten. Aber im Tal, auf beiden Seiten der Straße nach Jappa, bestellten wir alle größere Felder. Ich erinnere mich, dass wir gemeinsam dort arbeiteten. Niemandem fiel es ein, zu sagen:

»Das hier ist mein Land; deins ist dort.«

Jeder sagte:

»Das ist unser Land.«

Unstimmigkeiten gab es nur selten, denn jede Ernte wurde sogleich gerecht geteilt. Die Folge war ein großer Friede, und so liebte ich mein Dorf und seine Brüder von meinen ersten Lebensjahren an. Mir schien, als gäbe es ein Gesetz für uns, das die anderen – die Kaufleute und die Bewohner der Städte – nicht befolgten. Es war ein undeutliches Gefühl, das ich mir nicht erklären konnte.

Wenn ich mit meiner Mutter den engen Pfad hinunterstieg, der sich durchs Buschwerk wand, und wir das Dorf verließen, um ein paar hundert Meter weiter unten unsere Wasserkrüge zu füllen, entschwand unser Haus und das der anderen meinen Blicken. Nur ein paar grau- und ockerfarbene Würfel waren hinter Steineichen und Granatapfelbäumen zu erahnen.

Im Herzen unseres Dorfes war früher eine Quelle geflossen, aber die Natur schien sich anders besonnen zu haben, und so mussten wir mehrmals täglich die heilige Umfriedung verlassen. Für mich war es eine Art Spiel, meine Mutter zu begleiten, je nach Jahreszeit strolchte ich im Weinberg oder unter den Feigenbäumen umher.

Weiter unten, in der Nähe der großen Straße, erstreckten sich wie blaue und goldene Bänder die Felder mit Flachs und Getreide. Oft warf ich kleine Kieselsteine in ihre Richtung, wie um mir meine Kraft und meinen Wunsch zu beweisen, später dort zu säen und zu ernten.

So verwandelte sich die Last des Wasserholens in ein Spiel, und ich zweifelte nicht daran, dass der Krug ein paar Jahre später vom Kopf meiner Mutter auf meine Schultern wandern würde: aufgrund seiner Arbeit brauchte mein Vater immer sehr viel Wasser, und im Dorf gab es nur wenige Esel. Ein anderes Spiel bestand darin, meinem Vater zuzusehen, wie er mit wenig Erde und viel Geschick Formen schuf. Aber dies war ein Spiel, das mich beunruhigte. Ich hielt die gekonnten Bewegungen seiner Hände und Füße für eine Art Magie. An seinem Lächeln und dem lebhaften Blick sah ich, dass er seine ganze Ehre in die Vollkommenheit des geringsten Stückes legte, das unter seinen Händen Leben gewann. Was er herstellte, war einfach und edel und für den täglichen Gebrauch bestimmt. Es waren die Teller, von denen wir aßen, die Krüge, in denen wir den Traubensaft gären ließen, und tausend andere Dinge.

Er arbeitete genug, um unsere kleine Gemeinschaft zu versorgen, und manchmal kaufte ein vorbeiziehender Händler ihm ein paar Näpfe und Krüge ab. Wenn einem Bruder des Dorfes ein Haushaltsgegenstand fehlte, gab mein Vater ihn ihm, und im Gegenzug arbeitete jener in seinem Weinberg oder führte eine Schreiner- oder Tischlerarbeit aus. So gab es einen ständigen Austausch, bei dem jeder sich wohl fühlte. Meine Eltern erzählten mir damals, dies sei eine Regel unserer Gemeinschaft und ein Teil unserer Kraft. Diese Erklärung verstärkte in mir das unbestimmte, aber mächtige Gefühl, »anders« zu sein.

Wenn ich mit Kindern meines Alters in den staubigen Gassen unseres Dorfes herumtollte, bemerkte ich oft Gruppen ernsthaft aussehender Männer und Frauen, deren Blick seltsam tief war. Nicht alle Gesichter waren mir vertraut, und mir wurde bald klar, dass unsere Gemeinschaft als eine Art Zwischenstation diente und fremde Brüder aufnahm, die lange gereist waren.

Die Ankunft solcher Besuche auf unserem Gebiet gefiel mir und erweckte stets meine Neugierde. Es war wie ein Ritual, eine süße Gewohnheit, die ich nie versäumen wollte. Sobald einer jener Neuankömmlinge mit der sonnenverbrannten Stirn und dem von den steinigen Wegen gekrümmten Rücken die Umfriedung unseres Dorfes überschritten hatte, lief ihm eine Schar von Kindern entgegen, zu der auch ich gehörte. Immer gab es dann ein oder zwei Frauen, die uns verscheuchten und den Unbekannten in einen kleinen Hof im Schatten einer Mauer oder eines wilden Weinstocks führten.

Dort zogen sie ihm wortlos die Sandalen aus, wuschen ihm die Füße, trockneten sie mit einem Leintuch und boten ihm eine Frucht an. Dies taten jedoch nicht nur die Frauen, oft habe ich Männer ebenso handeln sehen. Ich begriff sehr schnell, dass es keine »untergeordneten«, nur einer bestimmten Gruppe vorbehaltenen Aufgaben gab.

Der so erfrischte Gast hatte oft das Bedürfnis, sich mit ausgebreiteten Armen und dem Gesicht nach unten auf die Erde zu legen. Er schien den Boden mehrere Male zu umarmen, dann erhob er sich. Nachdem man ein großes weißes Tuch auf seinen Kopf gelegt hatte, begleitete man ihn zu der Wohnung, die ihn aufnehmen sollte. Uns Kindern war es im Allgemeinen nicht erlaubt, den auf die Ankunft eines Fremden folgenden Unterhaltungen beizuwohnen. Es wurde uns nicht direkt verboten, aber es war eine Regel, eine vollendete Tatsache, über die es keine Diskussionen gab und die ihre Gründe hatte.

Aber es ist immer reizvoll, eine verbotene Frucht zu kosten, und ich erinnere mich, dass es mir einmal gelang, mich im Schatten einer Tür zu verstecken, als wieder einmal einer jener ewigen Reisenden unsere Schwelle überschritt.

Ich sah, wie mein Vater ein Knie vor ihm auf den Boden setzte und die Arme auf der Brust verkreuzte, wobei er den rechten Arm über den linken legte. Dann neigte er den Kopf, und der Unbekannte legte ihm die Hand auf den Scheitel.

Dieses Schauspiel überraschte mich so, dass ich mich auf der Stelle davonmachte und in meiner Ungeschicklichkeit die Aufmerksamkeit der beiden Männer erregte. Am selben Abend kam mein Vater zu der kleinen Mauer, die meinen kindlichen Träumen als Zufluchtsort diente. Ein böiger Wind brauste durch die Feigenbäume und ließ die hier und da verstreuten Lichter einiger Öllampen zittern. Ich versuchte, langsam zu gehen, denn ich wollte nicht mit meinem Vater sprechen, den ich als Unterlegenen gesehen zu haben glaubte. Zu Hause stellte er mich auf eine riesige Truhe aus Holz und sah mir gerade in die Augen.

Antworte mir, Simon: Wer, glaubst du, ist wichtiger, der Herr oder der Diener?

Ich verstand nicht, was er mir sagen wollte.

Beide, fuhr er fort und betonte jede Silbe. Beide sind gleich wichtig, denn sie sind wie die zwei Hände eines einzigen Körpers, wie die zwei Augen eines einzigen Gesichtes. Sie sind der Wind und das Segel, das Schwert und die Scheide. Jedes ist nur die Hälfte von sich selbst, wenn das andere nicht existiert.

Ich begriff ihn immer noch nicht richtig, er schien es zu spüren, denn er drückte mich an sich. Dann fuhr er mit warmer Stimme fort:

Simon, du musst jetzt lernen, wie wir leben. Morgen bringe ich dich zu Zerah, dem Mann mit dem langen Bart, der in der Nähe des alten Brunnens wohnt. Er wird dir viele Dinge erzählen, über die du dich wundern wirst.

Über die Schultern meines Vaters hinweg sah ich, wie meine Mutter mich anschaute. Sie hatte sich im Halbdunkel auf eine kleine Matte gekauert und bereitete wie üblich das Essen für morgen vor: einen Weizenfladen und ein paar Oliven.

Eine Veränderung also! Mein kleines Leben, das monoton immer so weiterzugehen schien, bislang geprägt von dem Wunsch, Flachs zu ernten und hinter den Karawanen nach Jappa herzulaufen, konnte erschüttert werden! Ich hatte damals das flüchtige Gefühl, dass ich das Gesehene nie verstanden, dass man mir alles verborgen gehalten und dass man mich als ein Kind eingestuft hatte, wo mir doch das Recht zustand, zu wissen …

Am nächsten Tag weckte mich das dumpfe Gesumm der ersten Bienen. Meine Mutter, die bereits Wasser im Tal geholt hatte, wusch sich im Hof, das Surren der Töpferscheibe zeigte, dass mein Vater am Arbeiten war. Ich konnte meine Ungeduld kaum bezähmen, und einige Augenblicke später sprang ich mehr als ich ging an Büschen und Olivenbäumen vorbei zum »Haus am alten Brunnen«.

Zerah war ein alter Mann mit einem langen, grauen Bart, den die Sonne und die Jahre leicht rötlich gefärbt hatten. Natürlich hatte ich ihn oft bei meinen Spielen gesehen und wusste, dass viele ihm Achtung und Bewunderung entgegenbrachten. Die pergamentartige Haut seines Gesichtes wurde von langen Falten durchzogen, sein Blick war sanft und durchdringend zugleich, seine Worte bald rätselhaft, bald klar. Er war einer jener verehrungswürdigen Greise, deren Porträt die Händler oft in ihren Geschichten zeichneten.

Friede sei mit dir, Josche, begrüßte er meinen Vater, der mich vor sich herschob. Ich wusste, dass es nicht lange dauert, bis du mir diesen da bringst.

In einem langen, ehemals weißen Leinengewand stand Zerah an der Schwelle seines Hauses und streckte mir die Arme entgegen. Er nahm mich bei der Hand, und ich war so beschäftigt mit seiner großen schwieligen Faust, dass ich gar nicht bemerkte, dass mein Vater uns nicht in das angenehm kühle Dunkel der Behausung gefolgt war. Die Bleibe des Alten schien mir noch kärglicher als die unsre, obwohl diese doch schon nur das Nötigste enthielt. Im einzigen Raum erblickte ich im warmen, staubigen Licht eines winzigen Fensters nur zwei oder drei Matten und ein paar Utensilien, die auf der festgestampften Erde lagen.

Ruhig bedeutete Zerah mir, ich solle mich setzen, er selbst nahm mit untergeschlagenen Beinen mir gegenüber Platz. Im Halbdunkel blieb mir gerade Zeit, an der Wand hinter ihm eine Art Stern mit acht gleich langen Spitzen wahrzunehmen. Ich wunderte mich nicht, denn wir besaßen den gleichen.

Simon, du bist nun alt genug, um zu erfahren, was du hier tust und wer wir sind. Hör mir gut zu: Hast du schon einmal unsere Kleider betrachtet?

Ja, erwiderte ich sofort, unsere Gewänder sind weiß, sie sind nicht so wie die in der Stadt, außerdem kratzen sie auf der Haut, aber mein Vater sagt, das wäre gut so und würde mit der Zeit vergehen.

Zerah schmunzelte leise und fuhr dann fort:

Das Problem ist nicht, dass sie kratzen, sondern dass sie von denen der anderen verschieden sind. Die Gewänder der Männer und Frauen, die dem Gesetz der Stadt folgen, oder die der Soldaten sind blau, gelb, rot. … Sie haben alle möglichen Farben. Es ist gut, dass du es bemerkt hast. Weißt du auch, warum das so ist? Weil die Menschen von Jappa nicht die gleiche Sprache sprechen wie wir, sie sprechen nicht die sanfte Sprache …

Aber ich verstehe sie doch! antwortete ich ungestüm.

Du verstehst ihre Worte, aber du wirst bald erfahren, dass du nicht ihr Herz hörst und dass du dich zwingen musst, zu ihnen zu gehen. Das ist das Schwierige, denn wenn du auch den Pulsschlag ihres Lebens hören möchtest, so werden sie nicht oft den deinen hören wollen. Aber du bist nicht gekommen, um bittere Worte zu hören, Simon, du bist hier, um sehen und denken zu lernen.

Du weißt schon seit langem, dass wir nicht so leben wie die Menschen in den Städten und wie die Händler mit den Kamelen, du sollst jetzt wissen, weshalb … Stell dir ein riesiges Flachsfeld vor, das die Mitglieder einer Familie unter sich aufteilen. Jeder heiratet und bekommt viele Kinder: da sind die Nachkommen von Joseph, die von Saul, von Jakob und viele andere. Es sind so viele, dass sie sich bald nicht mehr kennen und sich befehden. Einige verlieren dabei ihr Stückchen Land und müssen, um zu überleben, die anderen um Asyl bitten, das diese widerwillig gewähren.

Die ganze Erde ist diesem Flachsfeld vergleichbar, wir in diesem Dorf und in ein paar anderen sind wie die Überlebenden eines vergangenen Krieges, in dem wir die von unserem Vater verteilten materiellen Güter verloren haben. Wir sind im Exil bei Verwandten, die unsere gemeinsame Herkunft vergessen haben. Wir sind die Überlebenden einer Epoche, in der die Sonne ihr Gesicht nicht so zeigte wie heute, in der ihre Strahlen jedoch mehr die Herzen erwärmten. Wir sind der Stachel in der Ferse eines Riesen. Sieh mich nicht so an, du wirst es bald verstehen.

Zerah hielt ein paar Sekunden inne, sicher hatte er meine Verwunderung bemerkt. Er legte mir die Hände auf die Schultern und fuhr dann fort:

Du musst wissen, dass wir nicht zu denen von Abraham und Jakob gehören, Simon. Unsere Väter haben sich vor vielen Monden getötet. … Es ist länger her, als du dir vorstellen kannst. Sieh dir den Stern genau an, der hinter mir hängt; er ist eines der Symbole unseres Volkes. Du wirst ihn auf dieser Erde bei all jenen finden, die beim Sprechen die Hand auf ihr Herz legen. Dies ist ein Zeichen, das du kennen musst. Es gibt viele andere, von denen du später erfahren wirst.

Viele Völker leben in diesem Land, ich sage nicht, dass wir das beste von ihnen sind, aber unser Vater im Geiste hat uns ein Wort gegeben, und wir haben es bewahrt, ohne ein Jota wegzulassen oder hinzuzufügen. Zu seinem und zum Ruhm aller deiner Menschenbrüder solltest du es hören und wiederholen können. Dann wirst du wie alle hier im Dorf das Recht haben, das lange weiße Gewand zu tragen, und du wirst die Sprache der Sanftheit sprechen … und durch sie heilen.

Ich soll heilen?

Ja, du wirst heilen, wie viele von uns, die den Eid abgelegt haben. Aber du wirst nicht nur die leidenden Körper behandeln, du wirst die Seelen heilen wollen …

Die Seelen? Was ist eine Seele?

Die Seele, Simon, ist … sie ist jene große Kraft, die in dir wohnt und dir erlaubt, jeden Morgen etwas Ähnliches zu sagen wie »Das bin ich, und ich heiße Simon«. Sie ist die Flamme, die dich Nacht für Nacht verlässt und sich in einem Land ergeht, aus dem sie Träume und anderes mitbringt. Es ist das Land, in dem es keine Grenzen gibt und wo …

Aber ich habe diese Flamme noch nie gesehen!

Du wirst lernen, sie zu sehen, und ich versichere dir, du wirst sie sogar berühren können.

Ich verstand kaum, was die warme, gedämpfte Stimme Zerahs mir sagte, aber ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass er eine Tür nach der anderen vor mir öffnete … Es war, als ob er ein Häuflein Asche bewegen und die kleine vergessene Flamme, deren Namen er ausgesprochen hatte, wieder zum Leben erwecken würde.

Und wieso kann eine Flamme krank sein? fragte ich und riss die Augen auf.

Die wird krank, wenn sie sich zu weit von dem Feuer entfernt, aus dem sie hervorgegangen ist. Merk dir das gut, Simon. Dann verbrennt sie alles, was sie berührt, anstatt es zu erwärmen. Es ist einfach, nur wir komplizieren alles.

Zerah griff dann nach meinem linken Handgelenk und befestigte mit geschickten Bewegungen eine feine schwarze Kordel daran – Zeichen des Schatzes, den er mir anvertraute, und des Gebäudes, dessen Grundstein er soeben gelegt hatte.

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Das Purimfest

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Die Monate vergingen, aus ihrem gleichförmigen Verlauf hoben sich nur die häufigen Besuche bei Zerah ab.

Der alte Mann vom »Haus am Brunnen« schien mich unter seinen Schutz genommen zu haben und unterhielt sich mit mir nicht mehr wie ein Lehrer, sondern wie ein Großvater, der zu seinem Enkel spricht. Das Zusammensein mit ihm wurde zu einem Bedürfnis und seine bescheidene Bleibe zu einem zweiten Zuhause.

Meine Eltern beobachteten nur aus der Ferne, wenn ich zu ihm ging, doch redeten wir nie darüber. Aber ihre Blicke sagten mir, dass die Besuche ihnen nicht missfielen.

Mein Vater sprach weniger von der Feldarbeit und bestand eher darauf, dass ich beim Formen und Kneten des Tons zusah. Und meine Mutter entschied, dass ich von nun an Hände und Füße waschen sollte, bevor ich das Haus betrat. Diese Forderung empörte mich nicht – im Gegenteil: Ich fühlte mich geschmeichelt.

Mein Vater und seine Freunde, die vielen Fremden, der alte Zerah und alle, die das lange weiße Gewand trugen, taten dies seit jeher. Mir schien, dass ich durch diese Verpflichtung von den Erwachsenen akzeptiert wurde und ein Geheimnis mit ihnen teilte. Meinen Spielkameraden erzählte ich nie davon.

So verbrachte ich meine Zeit zwischen Zerah, der Töpferscheibe meines Vaters und … den Mandelbäumen, die ich von Jahreszeit zu Jahreszeit blühen und wachsen sah. Aus irgendeinem Grund beteiligte ich mich nur selten an den Spielen der Kinder meines Alters; einzig Miriam, die Tochter des Webers, teilte meine Träumereien unter dem Zitronenbaum, den ich zum Gefährten gewählt hatte, weil er einen ausgezeichneten Beobachtungsposten für die Straße nach Jappa darstellte.

Miriam hatte lange, widerspenstige rote Locken, und in ihrem Verhalten lag eine gewisse Wildheit; immer trug sie ein weites Gewand in verwaschenem Ocker. Ich hielt sie ganz selbstverständlich für »die Kleine«, obwohl ich doch kaum älter war als sie. Meine Einstellung änderte sich, als ich eines Tages zufällig sah, wie sie Füße und Hände reinigte, bevor sie ein Haus betrat. Also wusste auch sie etwas! Vielleicht ging sie genauso zu Zerah wie ich? Ich konnte es mir nicht verkneifen, sie danach zu fragen.

Nein, Simon, mein Vater möchte, dass ich das tue. Er sagt, unser Haus und wir selbst seien wie Tempel, in denen eine kleine Flamme brennt, und deshalb müssten wir uns sauber halten …

Er hat Recht, ich habe diese Flamme schon einmal gesehen, sie leuchtet wie die Sonne.

Mein Blick erforschte die Tiefen ihrer grauen Augen. Sie schienen ernst und spöttisch zugleich, und ich hatte nicht den Mut, weiter zu fragen.

Also hatte sie, die »Kleine«, schon gesehen, was der alte Zerah mir an vielen Vormittagen beschrieben hatte. Ich hatte ihm zugehört, ohne weiter nachzudenken, so, als ob er schöne Fabeln aus vergangenen Zeiten erzählte, von denen ich viele zu kennen glaubte … Aber in Wirklichkeit wusste ich nichts, denn ich hatte die Flamme nicht gesehen, während Miriam …

Ohne dass ich etwas einwenden konnte, hatte sie mich bei der Hand genommen und führte mich über die staubigen Pfade des Dorfes zur Behausung ihrer Eltern, die die Farbe der Erde hatte und mehr schlecht als recht an einen mit Flechten bewachsenen Felsen gebaut war.

Schau, wisperte sie mir ins Ohr, während sie mit dem Finger auf eine der Mauern aus getrocknetem Schlamm zeigte.

Nach ein paar Schritten entdeckte ich eine kleine Nische, die in das Mauerwerk des Hauses eingelassen war und von einem Busch halb verdeckt wurde; in einen Stein war etwas eingraviert, das für mich so aussah wie der Stern Zerahs.

Das ist also deine Flamme? murmelte ich ein wenig enttäuscht.

Pscht! Schau!

Ich sah, wie Miriam ein Schälchen aus geschwärztem Metall an sich zog, aus dem noch ein zarter weißer Dunst stieg.

Wortlos hob sie einen flachen Stein am Ende der Nische auf und brachte ein anderes Behältnis zum Vorschein, das eine Art grob zerstoßenes Pulver und getrocknete Blätter enthielt. Sie nahm eine Prise davon und gab sie in den ersten Tiegel. Mit einem leisen Knistern stieg dichter, bläulich-weißer Rauch spiralförmig aus ihm auf und erfüllte die Luft mit Wohlgeruch.

Ich kannte diesen Duft, er hing oft über den Gassen unserer Gemeinschaft. Für mich war er wie die unsichtbare, aber durchaus lebendige Präsenz eines jener Wesen, die das Universum bevölkern. Sein Duft vermischte sich mit dem der Akazienbäume und des Korianders.

Das ist doch Weihrauch, sagte ich, der alte Zerah kauft ihn für uns alle bei den Kameltreibern, die aus dem Land der roten Erde1 kommen. Es liegt sehr weit weg hinter den Bergen, dort, wo der große Fluss ist … Das ist also deine Flamme!

Es hilft, sie zu sehen … Mein Vater hat gesagt, ich müsste mich jeden Tag einige Zeit ruhig hinsetzen und mit geschlossenen Augen den Duft einatmen … so, als würde ich alle Düfte der Welt in mich aufnehmen. Also habe ich es getan, und eines Tages habe ich die kleine Flamme gesehen, sie war blau, ganz blau, und stand zwischen meinen beiden Augen. Sie strahlte und strahlte und ist schließlich so groß geworden, dass ich aufhören musste, sie anzusehen.

Miriam schwieg; wir blieben noch lange dort und betrachteten die zarten Bänder, die über unseren Köpfen schwebten.

Erst da wusste ich, dass die Worte meines alten Freundes keine Fabeln waren. Die kleine Miriam vom Zitronenbaum hatte es mit der Hand auf dem Herzen gesagt.

Als Kind und auch später als Erwachsener behielt ich diesen Augenblick als den Zeitpunkt meiner Geburt im Gedächtnis, als den Moment, in dem der kleine Funke, der über mein ganzes Leben entscheiden sollte, in die Welt gekommen war …

Dies geschah am Vorabend des Purim2, und ich erinnere mich noch genau an die Geschäftigkeit der Brüder unseres Dorfes, die mit ihren Flachsbündeln auf den Schultern den schmalen Pfad hinaufstiegen. Sie sangen ein seltsames Lied in einer mir unbekannten Sprache.

Es war auch der Tag, an dem Neuankömmlinge sich bei uns einrichteten: eine dreiköpfige Familie, deren Kind, ein Junge, etwa im gleichen Alter zu sein schien wie ich. Der Mann war sehr viel älter als die Frau, und aus seinen Gesichtszügen sprachen Autorität und die Gewöhnung an die harte Arbeit unter der heißen Sonne Galiläas. Er arbeite mit Holz, hatten meine Eltern mir gesagt, und wurde oft zu anderen Brüdern in die Dörfer jenseits der Hügel gerufen, um ihnen beim Bau ihrer eigenen Häuser oder bei der Errichtung von Hospizen für die Kranken zu helfen.

Miriam und ich bemerkten sofort, dass ihm große Verehrung entgegengebracht wurde. Sogar der alte Zerah war vor ihm gesehen worden, hatte das Knie gebeugt und die Hände vor der Brust gekreuzt. Zerah war auch der erste gewesen, der ihnen entgegengeeilt war, als sie die heilige Grenze unseres Dorfes überschritten. Zum Willkommen hatte er ihnen vor dem ganzen Dorf den dreifachen Bruderkuss gegeben. Diese Geste wurde als bedeutsam angesehen: Zerah, den die Last des Alters drückte, bewegte sich nicht unnötig.

Auch die Frau unseres neuen Bruders rief große Ehrerbietung hervor: kaum hatte sie unser Dorf betreten, als meine Mutter mit ein paar Freundinnen auch schon herbeilief, um ein großes Tuch aus weißem Linnen vor ihr auszubreiten, auf das sie die Füße setzte.

Die Unbekannte mit dem feinen ovalen Gesicht war noch sehr jung: die Aufmerksamkeit schien sie verlegen zu machen, und sie stammelte ein paar Worte, als ob sie sich entschuldigen wollte.

Zerah, zu dem ich gleich hinübergelaufen war, erzählte mir, sie sei »Taube«3 in einem großen Tempel gewesen. Sie hatte dort ein sehr reines Leben geführt und das Geheimnis und die Riten einer alten Tradition unseres Volkes bewahrt.

Miriam und ich waren beeindruckt. Unsere kindliche Neugier fand schnell heraus, dass die beste Möglichkeit, noch mehr Wunderbares über sie zu erfahren, darin bestand, ihren Sohn zu befragen.

Aber wir mussten unser Vorhaben auf den folgenden Tag verschieben, denn Joseph – so nannten ihn alle – wurde von den Brüdern, die sich um ihn drängten, ganz und gar in Beschlag genommen.

Miriam konnte sich einen Ausruf des Erstaunens nicht versagen, als sie sah, dass einer von ihnen den Boden vor ihm küsste. Die Geste schien Joseph zu missfallen, jedenfalls verwirrte sie ihn, denn wir sahen, wie er einige Schritte zurückwich und den Blick dessen, der ihn so geehrt hatte, aufmerksam studierte.

»Ehli um«, sagte er halblaut, »El com … «

Dann versteckte er den Kopf im Mantel seines Vaters und blickte auf den Staub zu seinen Füßen.

Der folgende Tag versprach angenehm zu werden, und obwohl wir das Purim nicht feierten, hatte ich mir vorgenommen, zur Straße hinabzugehen und die lange Prozession der Gläubigen auf dem Weg ins nächste Dorf zu bewundern.

Beim ersten Schein der Morgendämmerung verließ ich meine Matte. Ich ließ den großen Mantel fallen, in den ich mich jeden Abend einrollte, zog den Gürtel meines Gewandes fest und stieg barfuß den abschüssigen Pfad hinab.

Unten waren schon viele kleine Gruppen unterwegs, die es recht eilig hatten, zum Tempel zu kommen. Man lief hinter Maultieren und Eseln her, Trompeten erklangen – ein buntes Völkchen, das glücklich war, im Tempel ein Opfer darbringen zu können.

He, Kleiner, kommst du nicht mit? rief ein junger Mann im gestreiften Gewand mir lachend zu.

Lass ihn, siehst du nicht, dass er ein Nasiräer4 ist?

Ein anderer war dazwischengekommen und zog seinen Gefährten fort, der mich nun leicht verächtlich ansah.

Ein Nasiräer? Aber nein, ich war kein Nasiräer … Und warum sahen mich alle so an?

Wie festgewachsen blieb ich am Rande der Straße nach Jappa stehen und wagte nicht mehr, der freudig gestimmten Menschenkolonne entgegenzulächeln.

Als ich mich wieder auf dem steilen Fußweg zum Dorf befand, von dem ich durch Feigen- und Olivenbäume im Moment nur ein paar stufenförmige Terrassen sah, kamen mir die Worte des alten Zerah wieder in den Sinn, die wie ein Leitmotiv waren: »Simon, du musst wissen, dass wir nicht zu denen von Abraham und Jakob gehören.«

Zerah saß übrigens gerade oben an der Stelle, wo der Pfad in die Umfriedung einmündete, auf der niedrigen Mauer und sah mir zu, wie ich atemlos den Hügel hinaufstürmte.

Zerah, brach es aus mir heraus, sobald ich in seiner Nähe war, ist es wahr, dass ich ein Nasiräer bin?

Wer hat dir das gesagt, Simon? Die von unten? Du bist kein Nasiräer, aber es wäre keine Schande, wenn du einer wärst. Sieh, oft verstehen die Menschen aus der Stadt und vom Land ringsum nicht die, die anders denken als sie und dem Vater nicht denselben Namen geben. Komm, setz dich … Du musst mir jetzt zuhören und gut aufpassen.

Mit einem Satz sprang ich auf die Mauer, die die ersten Sonnenstrahlen zu wärmen begannen. Durch die Worte meines alten Freundes hatte ich auch meine Heiterkeit wiedergefunden.

Sie bezeichnen alle, die behaupten, nicht von Abraham und Moses abzustammen, als Nasiräer. Für sie ist es das Gleiche, als würden sie ›Ketzer‹ oder ›Unreine‹ sagen. Später wird man dir noch andere Namen geben. Du wirst oft ›Nazarener‹5 hören, aber auch das ist falsch. Der wahre Name, der Einzige, der dir zusteht und auf den wir alle Anrecht haben, ist ›Essania‹6, was in der Sprache unseres Volkes ›Kinder der Sonne‹ bedeutet. Aber dieser Name wird dir nicht oft zu Ohren kommen, denn nur wenige kennen ihn. Die Leute aus Jerusalem sagen ›Nazarener‹, weil das für sie verschiedenes bedeutet: etwa sich nicht die Haare zu schneiden, oder die Gebetsschnur mit den 108 Perlen am Hals zu tragen …

Warum haben wir eigentlich so lange Haare, Zerah?

Zur Erinnerung an eine Zeit, in der die Söhne des Vaters, die von den Sternen, uns den Weg gewiesen haben … Aber ich kann dir jetzt nicht mehr darüber sagen.

Aus dem Tal unten kam ein langgezogener, tiefer Ruf, der sich mehrmals wiederholte. Es war der Bruder Hirte, der seine Tiere sammelte und seinen Abmarsch anzeigte. Auch ich wurde an die Zeit erinnert und half Zerah zu seinem Haus zurück.

Beim alten Brunnen sah ich, dass Miriam schon dort war; sie saß auf dem Boden und sprach mit Joseph, unserem neuen Freund von gestern Abend.

Ich verabschiedete mich von Zerah, der mir lächelnd verzieh, und eilte zu den anderen.

Meine Mutter ist meine Mutter, sagte Joseph rätselhaft und langsam und betonte jedes Wort. Mein Vater hat mir einmal gesagt, sie sei ›Taube‹ in einem großen Tempel unseres Volkes gewesen. Auch ihr Vater war Hohepriester in diesem Tempel, das war in Jerusalem, ich glaube, im Tempel des Lichts und der Brüder in Weiß7. Niemand durfte sie berühren, und es war ihr verboten, die Füße auf den Boden zu setzen.

Obwohl die Stimme Josephs sehr sanft war, hallte sie über den ganzen Platz; seine hellblau strahlenden Augen, die sich vom matten Teint des Gesichtes wie Perlen abhoben, lachten.

Wie Nasiräer oder Nazarener trug auch er langes Haar, es schimmerte wie kastanienbraunes Kupfer und fiel in feinen Locken auf seine Schultern, die breiter waren, als dies bei einem Kind seines Alters im Allgemeinen der Fall ist.

Das blaue Gewand aus grobem Leinen ließ den Hals frei, und ich bemerkte außer der Gebetsschnur eine feine Kordel mit einem kleinen schwarzen Beutel, der fest zugenäht war.

Joseph hatte die Richtung meines Blicks erraten und kam meiner Frage lächelnd zuvor:

Ein paar alte Männer haben ihn mir vor langer Zeit nicht weit von Jerusalem gegeben …

Ich glaubte zu verstehen, dass er nicht mehr sagen wollte. Es blieb lange still zwischen uns. Dann erklärte Miriam, während sie langsam eine Handvoll Erde durch ihre Finger gleiten ließ:

Joseph hat zwei ältere Brüder, sie kommen morgen. Sie sind schon erwachsen, und deshalb helfen sie seinem Vater, die Ziegel für das Haus zu machen. Sie werden auch hier wohnen, das Dorf wird groß …

Joseph stand dann auf und meinte, die Sonne stehe schon hoch und er müsse noch mit seinem Vater reden. Unser Blick folgte ihm, während er sich, ganz im Gegensatz zum Ungestüm der übrigen Kinder des Dorfes, gemächlich entfernte.

Aber statt zur Bleibe seiner Eltern zu gehen, sahen wir, wie er einen Pfad durch die Dornen einschlug, der geradewegs den Berg hinaufführte. Als er verschwunden war, hatten Miriam und ich schon beschlossen, hinter ihm herzugehen. Unsere kindliche Neugier war stärker als die eigentlich gebotene Zurückhaltung, und lautlos folgten wir ihm auf dem steinigen Pfad.

Joseph war nicht mehr zu sehen. Bald waren wir nur noch von knorrigen Olivenbäumen und einem Teppich roter Blumen umgeben, die uns bis zu den Knien reichten. Wir hatten schon den Rückweg eingeschlagen, als wir in einer Mulde des Geländes plötzlich Joseph bemerkten: Er lag mit dem Gesicht nach unten auf der Erde und hatte die Arme kreuzförmig ausgebreitet.

Lasst ihn, sagte ernst die Stimme Zerahs, der hinter uns auftauchte, er spricht mit seinem Vater …

1 Ägypten

2 Fest im 12. Monat des israelischen Kalenders (Februar/März) zur Erinnerung an die Errettung der persischen Juden durch Esther

3 Vestalin

4 Die Nasiräer waren Angehörige des jüdischen Glaubens, die sich, meist für begrenzte Zeit, zum Gelübde des Nasiräats verpflichtet hatten: Sie durften keinen Wein trinken, sich die Haare nicht schneiden und keinen Toten berühren. (Anm. d. Üb.)

5 Auch: Nazoräer, Nazaräer. Der Beiname Jesu, meist in Zusammenhang gebracht mit seiner angeblichen Heimatstadt Nazareth, bezeichnet nach Epiphanios von Salamis (315–403 n. Chr.) in der Form »Nasaräer« eine vorchristliche jüdische Sekte, die wie die Essener Fleischgenuss und Tieropfer verwarfen. Nach Plinius d. J. und Flavius Josephus lebte die Sekte der Nazarener schon mindestens 150 Jahre vor Jesus an den Ufern des Jordans und am östlichen Ufer des Toten Meeres. »Nazaräer« ist von dem aramäischen Wort »nazar« abgeleitet, das »wachen«, »beobachten«, »bewahren« bedeutet, im übertragenen Sinn »sich für den Dienst Gottes verpflichten«. (Anm. d. Üb.)

6 Heute »Essener«

7 Der Heliostempel

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Die Abreise

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Im Schuppen knirschte die Töpferscheibe meines Vaters.

Du wirst bald sieben Jahre alt, Simon … und dein Leben wird sich ändern. Ich habe viel mit Zerah und ein paar anderen aus dem Dorf darüber gesprochen. Sieh, die Menschen sind ungefähr wie der Ton, den ich mit meinen Händen forme. Sie können eine ungestalte, vor sich hin dämmernde Masse bleiben oder sich dazu entschließen, zum Leben zu erwachen, um einem bestimmten Ziel zu dienen. Der einzige Unterschied ist, dass sie ihr eigener Töpfer sind.

Mein Vater warf die langen Haare zurück, die ihm ins Gesicht gefallen waren.

Du hast nun sieben Jahre lang die Erde zusammengetragen, mit der du dein ganzes Leben lang arbeiten wirst. Zerah, deine Mutter und ich haben nur ein wenig Wasser zum Binden beigegeben. Jetzt musst du ein Kelch werden, damit du all das empfangen kannst, was unser Volk über Generationen angesammelt hat. Aber vergiss nicht … ein Kelch empfängt nicht nur … Die Hälfte seines Reichtums verfliegt, wenn er zu lange wartet, bis er sich den Lippen derer darbietet, die Hunger und Durst haben.

Mein Vater hatte diese Worte in einem Zug ausgesprochen. Er betrachtete einen Lehmkegel, der unter seinen feuchten Händen Gestalt annahm und die Farbe der Erde Galiläas hatte. In seiner Stimme lag ein starkes Gefühl, das ich erst sehr viel später verstand. Instinktiv atmete ich tief ein, wie um einen langen Seufzer auszustoßen, es war, als hätte ich gewusst, was man von mir erwartete. Aber das war falsch!

Aus einem Winkel des Schuppens stieg der säuerliche Geruch des Tons. Mechanisch nahm mein Vater eine Handvoll Wasser aus einem Krug und benetzte die lehmige Masse mit beiden Händen; dann fuhr er fort:

Zwei Tagesreisen zu Fuß von hier gibt es einen Berg, der das Meer und die Ebenen von Jesreel beherrscht. Angehörige des Volkes von Essania haben dort vor sehr langer Zeit mit Hilfe der Könige vom Land der roten Erde eine bedeutende Schule errichtet. Sie haben dort alles hinterlegt, was sie wussten, und noch mehr … Die anderen und ich haben gedacht, es wäre gut, wenn du dorthin gehen würdest …

Die Worte trafen mich wie ein Donnerschlag. Ich hatte das Gefühl, eine Weizenähre zu sein, die den Hufen der Ochsen ausgesetzt wird, damit das Korn herausspringt.

Warum ausgerechnet ich? Die anderen nicht?

Ich weiß nicht mehr, ob dieser Schrei der Entrüstung wirklich über meine Lippen kam oder ob ich ihn tief in mir erstickte.

Die Ungerechtigkeit machte mich blind, und wie betäubt durch die anscheinende Gefühllosigkeit meines Vaters stürzte ich aus der Werkstatt.

Dies geschah an einem frühen Morgen des Monats Scheba8; eine frische Brise wehte über die Hügel, und die Strahlen der in dieser Jahreszeit eher zurückhaltenden Sonne wärmten noch kaum. Wohin sollte ich gehen? Zu Zerah? Auch er hatte mich im Stich gelassen; vielleicht hatte er sogar die ganze Sache eingefädelt? Oder wusste es doch jedenfalls schon lange? Deshalb also wollte er mich so oft sehen und gefiel sich darin, mir, einem kleinen Galiläer mit nackten Füßen, so viele Dinge einzuprägen, die seine Auffassungsgabe überstiegen …

Ich hatte den Eindruck, eine riesige Verschwörung aufzudecken, die genauso furchterregend war wie die Silexmesser der Erntearbeiter. Die Brüder des Dorfes hatten uns Kindern versprochen, nach dem Passahfest zum See Genezareth zu gehen, und nun würde ich nicht mitkönnen!

Der Zorn, der mich überwältigte, verwandelte sich in dicke, kaum zurückzuhaltende Tränen. Ich hatte keinen Blick für die Pfade, die ich betrat, und mit blutig aufgeschürften Füßen verließ ich ohne Nachzudenken die Umfriedung des Dorfes.

Ich kannte einen riesigen Granatapfelbaum, den ich in der schönen Jahreszeit seines tiefen Schattens und seiner scharlachroten Blüten wegen liebte. Dort hielt ich inne – vielleicht in der Hoffnung, er würde meine Geschichte anhören. Hatte der Alte vom Brunnen mir nicht eines Tages anvertraut, man könne auch mit Pflanzen und Bäumen reden? Aber wer war schon, nach dem, was geschehen war, dieser Zerah?

Blau, Grau und Gelb erstreckten sich am Horizont die Silhouetten einsamer Täler wie Wellen. Nur ein fernes Blöken und der Ruf der Rebhühner ließ ein verborgenes Leben erahnen, dem eine innere Stimme mir zu folgen befahl.

Hinter einer Weißdornhecke erspähte ich ein kleines Gewand aus blauem Leinen; ich erkannte Joseph …

Er streifte oft allein durch die benachbarten Berge, und so war ich nicht erstaunt, ihm an dieser Stelle zu begegnen. Er wirkte verträumt, denn obwohl er in meine Richtung ging, schien er meine Gegenwart nicht zu bemerken.

Ein merkwürdiger Junge, dieser Joseph! Er war, wie man mir gesagt hatte, noch nicht einmal sechs Jahre alt, und trotzdem interessierte er sich kaum für unsere Spiele. Oh! Es gab Tage, da war er wie alle anderen Kinder, er lief umher, lachte und spielte »mit dem Stein«9, aber das dauerte nie lange, und bald sah man ihn wieder friedlich über die Disteln der Berge hüpfen.

Für Miriam und mich war er ein Rätsel; wir wussten nie, ob aus seinen Augen untergründliche Trauer oder bereits die gelassene Heiterkeit des Alters sprach. Mir fielen die Worte meiner Spielgefährtin ein:

Er ist eine alte Seele … Joseph hat die Jugend der alten Seelen … Ephram hat es meinem Vater gesagt, als sie zusammen Oliven pflückten.

Trotz seiner Zurückhaltung waren wir immer glücklich, ihn zu sehen, mit ihm zu spielen oder mit ihm zu sprechen, denn schon seine wenigen Worte zauberten ein Lächeln auf seine Lippen und in die Tiefe seines Blicks.

Ich gehe weg, Joseph, sagte ich, wie um seine Aufmerksamkeit zu erregen, zu mir selbst.

Aber Joseph hatte mich schon bemerkt und lief auf mich zu.

Und dann erlebte ich ein Schauspiel, das ich nie vergessen werde – einen jener Augenblicke, in denen die Zeit verlangsamt erscheint und man eine Tür öffnet, die sich nie wieder schließt.

Ich sah den kleinen Joseph, wie er über die Steine hüpfte, und dabei war er plötzlich von einem durchsichtigen azurblauen Schein umgeben, der fast die ganze Landschaft entzündete.

Es schien leise zu knistern. Lange Flammen in reinem Blau strömten aus ihm heraus wie Kräfte des Lebens, verwandelten sich in wunderbare weiße Spiralen und verschmolzen dann mit der Natur. Es war, als ob die Sonne die dünne Wolkendecke durchbrochen hätte, als ob der ganze Berg bebte und im Einklang schwang mit den Sprüngen des Kindes auf dem felsigen Untergrund.

Joseph war selbst eine Sonne geworden, eine blaue Sonne, die mir den Wunsch eingab, mich noch kleiner zu machen als ich schon war und meine Trauer zum Schweigen zu bringen.

Was ist los, Simon?

Die Verzückung ging langsam zu Ende; vor mir stand ein kleiner Junge von noch nicht einmal sechs Jahren, der mich groß anlächelte.

Ich gehe fort, Joseph, stammelte ich schließlich. Mein Vater will mich ans Meer schicken, an einen sehr wichtigen Ort, und er sagt, man könne dort viele Dinge lernen.

Ich weiß, Simon. Ich war dabei, als Zerah und die anderen darüber gesprochen haben. Das ist eine gute Nachricht, nicht wahr?

Seine Bemerkung war so einfach und klar, dass ich nichts zu antworten wusste. Und während wir uns über Banalitäten der Reisevorbereitungen unterhielten, gingen wir wieder in Richtung der Häuser.

Wir kümmerten uns nicht um den Weg; Joseph, dem ich unbewusst folgte, schien es zu gefallen, sich durch Dornen und Hecken einen Durchgang zu bahnen. Ganz offensichtlich hatte er seine eigenen, nur ihm bekannten Pfade, und während ich ihm so nachging, beruhigte ich mich vollends. Seltsamerweise schien er sehr viel über das zu wissen, was man in jener großen Schule machte, in die man mich schicken wollte. Er nannte mir viele Einzelheiten, die ich jedoch nur mit halbem Ohr hörte, ich stand noch ganz unter dem Eindruck seines umflammten Körpers einen Augenblick zuvor.

War das vielleicht die kleine Flamme, die Zerah so oft erwähnt hatte? Und wenn ich sie endlich, nach so vielen vergeblichen Hoffnungen, gesehen hatte?

Aber nein, meine Freundin hatte von einer Flamme, von einem Licht gesprochen, und ich hatte hundert, tausend oder noch mehr gesehen. Die ganze Landschaft hatte sich unter den Schritten Josephs in ein geheimnisvolles Feuer verwandelt.

Plötzlich sprudelte eine Frage aus mir heraus:

Warum hattest du das Recht, zuzuhören, was Zerah und die anderen sagten?

Die »anderen« waren für mich die Brüder, all die »alten« Männer und Frauen, die mehr als zwanzig Jahre zählten und berechtigt waren, das Gewand aus weißem Leinen zu tragen.

Ich hatte mir angewöhnt, allabendlich, wenn das Olivenöl in die alten Tonlampen gegossen wurde, zuzusehen, wie sie einer nach dem anderen das einzig wirklich große Haus des Dorfes betraten. Das völlig lautlose »Defilee« dauerte nur ein paar Sekunden, aber in dieser Zeit hatte jemand, den ich nie sah, auf der Terrasse des Hauses ein schwach glimmendes Feuer entzündet, in das Stücke wohlriechenden Harzes gegeben wurden.

Ich war an jenem Abend bei ihnen, ich hatte Glück, antwortete Joseph.

Aber mir war klar, dass er den heiklen Punkt meiner Frage umgangen hatte und sich zu diesem Thema nicht weiter äußern wollte … falls man ihn nicht um Verschwiegenheit gebeten hatte.

Die folgenden Tage vergingen mit Vorbereitungen, und ich bemühte mich, ein frohes Gesicht zu zeigen. Miriam hielt sich abseits, ich sah wohl, dass sie keinen Geschmack fand an dem, was für mich zu einem Abenteuer wurde und mich in den Augen meiner Spielkameraden zum Zentrum der Gemeinschaft machte.

Wir brauchten zwei Esel, die wir im Dorf ausliehen. Sie gehörten den Brüdern Josephs, zwei kräftigen lustigen Burschen mit markantem Gesicht, das schon von der Mühsal der Arbeit gezeichnet war.

Naiv hatte ich mich gefragt, wie mein Freund zwei so alte und von ihm verschiedene Brüder haben konnte, wo doch seine Mutter so jung war. Die Antwort erhielt ich erst einige Jahre später: Sein Vater war schon einmal verheiratet gewesen; ein Unfall hatte ihn zum Witwer gemacht.

Meine Abreise fand kurz nach Neumond statt. Ein Esel wurde mit Lebensmitteln beladen: getrockneten Feigen, einem Käse, ein paar Weizenfladen und einigen warmen Mänteln. Vielleicht würden wir unter freiem Himmel schlafen müssen. Zuletzt wurde mit groben Stricken eine hölzerne Kiste auf dem Rücken des Esels festgezurrt. Er begann sofort zu schreien, und sein Genosse hatte nichts Besseres zu tun, als es ihm nachzumachen.

Ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte, war niemand zum Platz am alten Brunnen gekommen, als mein Vater und ich abreisten. Der Morgen dämmerte noch kaum, und nur meine Mutter und der alte Zerah, der sich auf seinen Stock stützte, standen in dicke Decken gewickelt da.

Meine Mutter umarmte mich kurz, flüsterte mir ein paar Worte ins Ohr und zog sich dann still zurück. Es war bei uns Brauch, seine Trauer nicht zu zeigen oder sie durch eine Flucht zu verbergen.

Mit seiner noch kräftigen linken Hand hielt Zerah den Esel, während mein Vater mit einem Satz aufsprang. Ich wurde rittlings vor ihn gesetzt, was das Tier zu weiteren Klagen veranlasste.

Als Abschiedsgruß ließ mein alter Freund den Zügel los und führte die weitgeöffnete rechte Hand zum Herzen. Das war alles. Die Tiere und ihre stummen Lasten begaben sich auf den schmalen Pfad zur Umfriedung.

Als wir an einem der letzten Häuser des Dorfes vorüberritten, erregten der Lärm schneller Schritte und der beruhigende Schein einer Öllampe meine Aufmerksamkeit.

Auf einer Dachterrasse über uns erschien für einen flüchtigen Augenblick das kaum erhellte Gesicht meiner Freundin vom Zitronenbaum, der kleinen Miriam. Ich erriet ein etwas erzwungenes Lächeln und hatte kaum die Zeit, eine Hand wahrzunehmen, die einen Lebewohl winkte. Denn schon lag die Wohnung hinter uns, und das dichte Blätterwerk verwehrte einen letzten Kontakt. Fast wären uns auf dem holprigen Weg die Tiere durchgegangen. Aber während mein Vater mit der einen Hand mich festhielt, ließ er mit der anderen einen feinen Zweig durch die Luft pfeifen, der die Kruppe des Esels leicht berührte.

Als wir auf der Straße nach Jappa waren, zeigte er mit dem Finger zum Himmel und brach eine Stille, die bedrückend wurde.

Schau, sagte er, das ist der große Morgenstern, wir nennen ihn ›Mond-Sonne‹ oder auch Ischtar10. Für unser Volk bedeutet er das Mysterium und das Licht. Behalte seinen Namen gut, Simon, er wird dir nützlich sein. Eine alte Legende behauptet, dass wir seinen Strahlen vieles verdanken. Sieh, er leuchtet wie kein anderer Stern am Himmel …

Am Himmelsgewölbe, auf dem noch die letzten Schleier der Nacht lagen, schien »Mond-Sonne« leicht zu blinken, und ich betrachtete das Gestirn, bis es wirklich hell wurde.

Unser Dorf war hinter uns verschwunden. Wir begegneten den ersten Kamelkarawanen, die nach einem kurzen Nachtlager unter freiem Himmel nun ihren Weg fortsetzten.

Mein Vater unterhielt mich mit diesem und jenem und bemühte sich, mich hinsichtlich meines Aufenthalts auf dem »Berg in der Nähe des Meers, dessen Name Karmel11 ist«, zu beruhigen. Ich müsse sehr viel lernen, wiederholte er, nämlich die Überlieferungen unseres Volkes, den Inhalt der uralten Bücher, das Heilen, und schließlich würde man mir für das ganze Leben eine Aufgabe geben.

Das begeisterte mich wenig, aber hatten mir nicht alle Brüder wieder und wieder versichert, dass ich Glück hätte und dass es nur wenigen erlaubt sei, den Karmel zu betreten? Vielleicht hatten sie Recht.

Mein Vater schien nach Worten zu suchen; er drückte mich fester an sich und fuhr dann fort:

Du musst mehrere Jahre dort bleiben … Weder deine Mutter noch ich haben das Recht, dich zu besuchen, aber wenn unser aller Vater erlaubt, dass wir ein paar Rollen Pergament finden, werden wir dir schreiben.

Er bemühte sich zu lachen und rief:

Du wirst sehen, du kommst noch gelehrter zurück als dein Freund Zerah!

Die sanfte Landschaft Galiläas mit ihren rosa-, gelb- und graufarbenen Pastelltönen und den kärglich-trockenen Kalksteinen, an denen sich schüchtern eine Pflanze hochwand, gingen unter den Hufen unserer Esel dahin, und ich wusste nicht, ob ich weinen oder über mein gütiges Geschick lachen sollte.

Bald zwang die Sonne uns, den Kopf mit einem Tuch zu bedecken, und öfters mussten wir anhalten, um den Tieren Zeit zur Erholung zu geben. Der Tag verging ohne besondere Ereignisse; ab und zu wechselten wir ein paar Worte mit einfachen Reisenden, die wie wir unterwegs waren.

Sobald sie näher kamen, bemühte ich mich, eine würdige Haltung einzunehmen, eine Haltung, die in etwa besagte: »Ich gehe in den Karmel«, aber niemand beachtete mich. Die Aufmerksamkeit galt eher meinem Vater mit seinem weißen Gewand und den langen, bis auf die Schultern reichenden Haaren.

Wir durchquerten ein paar kleine ockerfarbene Marktflecken, über denen der Geruch von Schafen und Ziegen lag. Schneller als ich es erwartet hatte, entzündete die Dämmerung die ersten Lichter am Horizont. Mein Vater war abgestiegen und trieb die Esel zu einer schnelleren Gangart.

Die Landschaft wurde waldreicher; Orangen-, Zitronen- und Olivenbäume wechselten einander ab. In der Nähe eines alten, windgebeugten Baumes liefen mehrere Wege zusammen; wir hielten uns rechts, bis wir an den Fuß eines Hügels gelangten, der trockener war als die anderen.