INVENTORY
Angriff der Atome
Aus dem Englischen
von Simone Wiemken
Sab – ein wahres Weltwunder
Und für Crumbs … ohne dich ist die Welt
ein Stückchen leerer
1. Auflage 2018
Text © Andy Briggs, 2016
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2018 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Aus dem Englischen von Simone Wiemken
Umschlaggestaltung: Juliane Hergt, unter Verwendung des Originalcovers
© by permission of Scholastic Ltd
ISBN 978-3-401-80759-1
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EINE KLEINE VORFÜHRUNG
Kardach gab auf der Ducati nur wenig Gas. Der Hochleistungsmotor hatte zwar um einiges mehr Power, aber Kardach wollte auf keinen Fall von der Polizei gestoppt werden. Er warf einen Blick auf die Uhr, die an das Visier seines Helms projiziert wurde. Er kam zu spät, aber das störte ihn nicht. Er bog von der Schnellstraße ab und fuhr in die Stadt. In der schweren Lederkluft schwitzte er sich halb tot. Er konnte es nicht erwarten, endlich den Helm abzunehmen.
Es war nicht mehr weit. Das heruntergekommene Parkhaus, in dem er seinen Kontaktmann treffen sollte, war schon zu sehen. Kardach blinkte vorschriftsmäßig. An der Einfahrt zog er ein Ticket und wartete geduldig, bis sich die Schranke hob. In aller Ruhe fuhr er hinauf bis in die fünfte Ebene. Nur kein Aufsehen erregen, sagte er sich.
Sein Kontaktmann, ein muskelbepackter Südafrikaner namens Christen Sandberg, marschierte bereits ungeduldig um seinen riesigen Cadillac Escalade herum und schaute demonstrativ auf die Uhr, als Kardach auf das Parkdeck fuhr. Christen – der unter diversen mörderischen Decknamen bekannt war – hatte die Anweisung bekommen, allein zu dem Treffen zu kommen. Natürlich hatte er trotzdem drei Leibwächter mitgebracht, die allesamt dunkle Sonnenbrillen trugen.
Kardach drehte den Gasgriff voll auf, als er auf sie zufuhr, und das Röhren der Maschine hallte über das leere Parkdeck. Bei den Männern angekommen, stellte er den Motor ab, stieg von der Ducati und klappte mit einem Fußtritt den Seitenständer aus.
»Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund, mich warten zu lassen«, fauchte Christen mit seinem südafrikanischen Akzent.
Kardach nahm den Helm ab und holte tief Luft. Er ignorierte Christens erwartungsvollen Blick. Stattdessen zerrte er die Kiste vom Gepäckträger der Maschine und stellte sie vor seinen Füßen ab. Ihr Gewicht riss ihm fast die Arme aus den Schultern. Die Metallkiste landete mit einem lauten Krachen.
Christen sah seine Männer fragend an. »Ich glaube, der Typ hört nichts. Sind Sie taub, Mann?«
Kardach öffnete die Kiste. In ihr befand sich eine Box, in der sich mehrere olivgrüne Plastikteile befanden, die alle in Schaumgummi gebettet waren. Mit geübten Bewegungen setzte er die Teile zusammen, die mit einem Klicken ineinanderglitten. Nur Sekunden später hatte er etwas zusammengebaut, das wie ein Gewehr aussah. Mit besonderer Sorgfalt fügte er das letzte Teil hinzu, eine Kugel, die unter dem Lauf hing.
Christen fing an zu lachen. »Das ist es? Deswegen die ganze Geheimnistuerei? Das Ding sieht aus wie eine Wasserpistole!«
Seine Männer fielen in das Gelächter ein. Kardach grinste und hob das Plastikgewehr mit beiden Händen. Er stemmte den Kolben gegen seine Schulter und richtete die Waffe fast spielerisch auf die lachenden Bodyguards.
»Mir scheint, Sie verschwenden meine Zeit«, sagte Kardach. »Man hat mir versichert, dass Sie eine ernsthafte Organisation leiten. Und ernsthafte Geschäfte im Visier haben.«
Kardach legte einen Schalter um und das Gewehr erwachte mit einem Summen zum Leben. Er zwinkerte dem Südafrikaner zu. Dann betätigte er den Abzug.
Er spürte die dumpfen Schwingungen in den Händen, dann der Schulter und bis hinunter zu seinen Füßen. Schließlich vibrierte der Betonboden so sehr, dass sich von seinem Standort aus feine Risse bildeten. Doch Kardach rührte sich nicht. Er wusste, was er zu erwarten hatte.
Mit einem tiefen Dröhnen schoss eine Welle blauen Lichts aus dem Plastiklauf. Die Luft waberte wie bei einer Hitzewelle, als der Energiestoß das Auto und die drei Kerle traf. Ein Ton, so schrill, dass er fast nicht mehr zu hören war, begleitete das Schmelzen des Autos. Doch es schmolz eigentlich nicht; es schrumpfte zusammen, da sich die Atome, aus denen es bestand, mit ungeheurer Kraft gegenseitig anzogen.
Innerhalb weniger Sekunden hatte sich der große Geländewagen zur Größe einer Murmel verdichtet. Diese fiel mit einem harten Krachen zu Boden und hinterließ einen Krater im Beton.
Kardach deaktivierte die Waffe und legte sie neben das Motorrad, um seine schmerzenden Arme zu entlasten. Christen starrte ungläubig auf das, was gerade noch sein Auto gewesen war. Es dauerte einen Moment, bis er merkte, dass auch seine drei Leibwächter verschwunden waren.
»Wo sind meine Männer?«
»Sie haben nichts gespürt. Die Schwerkraftwelle hat sie sofort zerquetscht. Ihr Auto hat mehr Widerstand geleistet.«
Christen versuchte, das aufzuheben, was von seinem Auto noch übrig war. Die Metallkugel bewegte sich keinen Millimeter.
Kardach grinste. »Diese Murmel wiegt immer noch genauso viel wie Ihr Auto. Nur ist es jetzt superverdichtet.«
Christen musterte Kardach einen Moment lang. Er war gut gebaut und sah mit den dunklen schulterlangen Haaren und dem schmalen Gesicht eigentlich ganz normal aus. Doch da war eine Leere in seinen Augen, die Christen nicht lange ertragen konnte. Er wandte den Blick ab. Stattdessen starrte er begierig die Waffe auf dem Boden an.
»Woher kommt sie?«
»Das spielt keine Rolle. Mein Chef hat mir nur gesagt, dass ich sie Ihnen bringen soll.« Kardach beobachtete, wie Christen auf die Waffe zuging und kurz zögerte, bis er dann doch in die Hocke ging und mit einer Hand über das Plastik strich. »Und dass ich dafür sorgen soll, dass Sie den Anweisungen Folge leisten.«
Christens Kopf fuhr hoch. »Welchen Anweisungen?«
Kardach warf ihm einen kleinen Ohrhörer hin. Aus einem Reflex heraus fing Christen ihn auf.
»Die bekommen Sie, wenn es so weit ist. Aber zuerst bringe ich Ihnen bei, wie man das Ding benutzt.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf die Waffe. »Man nennt es Newtons Arrow. Das Material ist ein schwerkraftresistenter Polychro-Mix. Was immer das bedeuten soll. Ich weiß nur, dass es ein echt widerstandsfähiges Zeug ist. Mit dem Regler an der Seite lässt sich die Stärke des Gravitationsflusses einstellen …«
»Was für Anweisungen?« Christen hatte sich wieder aufgerichtet und sah Kardach misstrauisch an. »Ich dachte, diese Waffe wäre ein Geschenk.«
Kardach lächelte. »Betrachten Sie es als Tauschhandel. Sie bekommen ein schickes neues Spielzeug und tun uns dafür ein paar Gefallen.«
Nachdenklich betrachtete Christen den Metallklumpen, der einmal sein Auto gewesen war, und sagte dann: »Dieser Chef von Ihnen, Double Helix. Wie ist er?«
»Niemand, dem man in die Quere kommen sollte. Außerdem möchte ich Ihnen raten, diesen Namen nicht laut auszusprechen. Bleiben Sie lieber bei ›Shadow Helix‹, das ist der Name der Organisation. Und der einzige, den Sie kennen müssen.«
Christen nickte. Nur mit Mühe und unter angestrengtem Schnaufen gelang es ihm, die Waffe – Newtons Arrow – vom Boden aufzuheben. Er wog sie in den Händen und grinste. »Dann zeigen Sie mal, wie man sie benutzt.«
MANN DER TAT
»Bist du bereit?«, fragte Lot und ihre Stimme verriet, wie aufgeregt sie war.
Dev lächelte und schnaubte nur. Sein Lächeln war unecht und er hoffte, dass Lot nicht merkte, wie viel Angst er hatte. Als die Maschine in ein Luftloch fiel und sie in der Kabine durchgeschüttelt wurden, war sein Lächeln wie weggeblasen – das von Lot dagegen wurde immer breiter.
»Zehn Sekunden!«, brüllte Sergeant Wade vom Cockpit aus.
Die Turbulenzen drehten Mason den Magen um und er hatte kaum genug Kraft, den Eisenfaust-Handschuh zu halten, damit Dev seine Hand hineinstecken konnte.
Ihre erste Mission war ein echter Albtraum. Mason hatte fast den ganzen Flug in der winzigen Toilettenkabine verbracht und sich übergeben. Dev war in Gedanken immer wieder Eemas Simulationen durchgegangen. Und Lot, die Tochter eines Air-Force-Testpiloten, war total begeistert von dem Eiodolon-Fighter, mit dem sie unterwegs waren.
Ein Warnton schrillte durch das Flugzeug und Sekunden später senkte eine Hydraulik die Heckrampe ab. Der plötzliche Luftstrom traf die drei wie ein Hammerschlag. Der Eiodolon wurde langsamer, flog aber immer noch mit Überschallgeschwindigkeit. Lot und Mason hatten sich in die Sicherungsseile an der Decke eingeklinkt, Dev jedoch nicht und er spürte, wie ihn der Luftstrom zur offenen Rampe zog.
Hastig schob er seine Hand in die Eisenfaust. Nur zu gern hätte er den mechanischen Kampfanzug sofort aktiviert, aber Sergeant Wade hatte ihm mehrmals eingeschärft, damit zu warten, bis er sich außerhalb des Flugzeugs befand. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr dazu gekommen war, seine Jackentaschen auszuleeren. Er hatte Mason einen Streich mit einer Erfindung namens »Hart wie Luft« spielen wollen, einer kleinen Spraydose voll … irgendwas, das er heimlich aus dem Inventory mitgenommen hatte. Er hatte das Etikett zwar nur überflogen, aber es schien sich um etwas Witziges zu handeln, mit dem er seinen Freund garantiert reinlegen konnte.
»Wartet«, sagte er und versuchte, mit der freien Hand in die Tasche zu greifen. »Ich habe da noch ein …«
»Es geht los! Wir stoppen!«, brüllte Wade aus dem Cockpit.
Ein Ruck ging durch die Passagiere, als das Flugzeug abrupt stoppte. Im selben Augenblick sprangen die Trägheitsdämpfer an, die verhinderten, dass sie gegen die Bordwand klatschten. Dev war immer noch dabei, sich an die Simulation zu erinnern, und rechnete nicht damit, dass Lot ihn zur Rampe schubsen würde.
»Los! Los!«, brüllte sie.
Dev sah sich um. Lot strahlte ihn begeistert an, doch bei Mason reichte es nur für einen halbherzig gereckten Daumen. Und dann verpasste ihm Lot einen kräftigen Tritt in den Hintern.
Dev stolperte die Rampe hinunter. Er fiel, schlug jedoch nicht auf dem Boden auf … jedenfalls noch nicht. Das lag daran, dass sie sich ungefähr hundert Stockwerke oberhalb der belebten Straßen von Toronto befanden.
Der Wind war ohrenbetäubend, während Dev hinabstürzte. Panik machte sich in ihm breit: Würde ihn der Kampfanzug schützen oder blieb nach der Landung nur Matsche von ihm übrig? Dann kamen ihm noch verrücktere Gedanken: Würde das »Hart wie Luft«-Spray durch den veränderten Luftdruck platzen und ihm das Bein abreißen? Würde er jemals die Chance bekommen, seine Mathe-Hausaufgaben zu machen?
Sein Gehirn versuchte verzweifelt, Dev vom eigentlichen Problem abzulenken: seiner Höhenangst.
Bei den Kampf-Simulationen im Inventory war der freie Fall nie so grauenhaft gewesen. Wenn er dort »gestorben« war, hatte er einfach den Helm abgenommen und war zur Schule gefahren. Aber für das blanke Entsetzen, das ihn jetzt erfasst hatte, gab es keine Simulation – genauso wenig für die wild flatternden Schmetterlinge in seinem Bauch. Oder waren es Wespen? Es fühlte sich jedenfalls so an.
Dev ballte die Fäuste und besaß zumindest genug Geistesgegenwart, um sich auf seine einzigartige Synästhesie zu konzentrieren – eine Begabung, die es ihm erlaubte, mechanische Gegenstände zu kontrollieren. Der Eisenfaust-Handschuh ließ ihn nicht im Stich. Nur Sekunden später war sein ganzer Körper mit sechseckigen Plättchen bedeckt und er steckte in dem bequemen Kampfpanzer.
Sofort war das Brüllen des Windes wie ausgeschaltet. Der Helm aktivierte sich und er hatte einen Rundumblick auf die Außenwelt, als steckte sein Kopf unter einer Glasglocke. Die Bilder wurden von Informationen überlagert, die direkt in seine Augen projiziert wurden und stets zu seiner Blickrichtung passten. Er bekam alle nötigen Daten geliefert, wohin er auch schaute.
Dazu gehörte unter anderem der Höhenmesser, der rasend schnell runterzählte.
Das war der Augenblick, in dem Dev seufzte und sich wünschte, dass das Welt-Konsortium diesen Kampfanzug weiterentwickelt hätte. Er trudelte haltlos auf die Erde zu und fand es echt mies, dass die Eisenfaust nicht fliegen konnte. Oder wenigstens einen eingebauten Fallschirm hatte.
Margery Steinbeck war überzeugt, dass heute ein ganz besonderer Tag sein würde. Er hatte mit einem lebhaften Traum begonnen, in dem ihr kürzlich verstorbener Wellensittich ihr die Lottozahlen zuflüsterte. Also war sie losgegangen, um einen Lottoschein auszufüllen, doch auf dem Weg in den Laden war über ihr plötzlich mit einem Donnerknall ein futuristisches, pfeilförmiges Flugzeug aufgetaucht. Fast im selben Augenblick schrillte in der Bank, an der sie gerade vorbeikam, der Alarm. Noch verrückter wurde es, als ein viereinhalb Meter großer Roboter vom Himmel fiel und mit dem Gesicht voran so heftig auf dem Boden aufschlug, dass er einen Krater hinterließ.
Sie wartete, aber der Roboter bewegte sich nicht.
Es war reines Glück, dass sie stehen geblieben war, um sich das Spektakel anzusehen, denn andernfalls wäre sie von drei Comicfiguren umgerannt worden, die aus der Bank stürmten – einem Frosch, einem Elch und einer Ente. Die drei maskierten Männer hatten dicke Taschen dabei und blieben abrupt stehen, als sie den Riesen entdeckten, der mit dem Gesicht nach unten auf der Straße lag. Dann drehten sie sich gleichzeitig um, denn fünf Polizeiwagen kamen mit heulenden Sirenen um die Kurve gerast.
Erst da fiel Margery auf, dass die Diebe so etwas wie Jetpacks auf dem Rücken trugen. Flammen schossen heraus, die drei hoben ab und flogen die Straße hinunter. Einzelne Banknoten flatterten aus ihren Taschen.
Margery fragte sich, wieso ihr Wellensittich nichts davon erwähnt hatte. Sie eilte in die Lotto-Annahmestelle, denn das alles konnte nur ein gutes Omen sein, um ihr Glück zu versuchen.
Dev stöhnte. Der Aufprall hatte ihm zwar nicht wehgetan, dafür hatte die Panzerung gesorgt, aber er war doch ziemlich durchgerüttelt worden.
»Devon, du verschwendest Zeit.« Die Stimme gehörte seinem Onkel Charles Parker, übertragen aus dem Kommandobunker des Inventorys. Wie üblich hatte er diesen ungeduldigen und vorwurfsvollen Tonfall drauf.
»War anders geplant gewesen«, murrte Dev und überprüfte, ob alle Systeme einwandfrei arbeiteten. Eigentlich hatte er wie ein Superheld auf den Füßen landen wollen, aber das war schwieriger, als es aussah.
»Improvisiere halt. Zumal deine Zielpersonen bereits auf der Flucht sind. Also hör auf, dir selbst leidzutun, und steh auf.«
Unter missmutigem Gemurmel erhob sich Dev. Er konnte sich ganz normal bewegen, der Panzeranzug machte alles mit. Er richtete sich zu seiner vollen Höhe auf und …
Etwas rammte ihn von hinten. Ein Geschoss?
Er stolperte vorwärts und drei Polizeiwagen wichen ihm in letzter Sekunde aus. Erst da begriff Dev, dass ein weiteres Fahrzeug gegen ihn geprallt sein musste. Das bestätigte sich den Bruchteil einer Sekunde später, als der Wagen über seinen Kopf hinwegflog, nachdem er seinen Rücken als Startrampe benutzt hatte.
Ohne lange zu überlegen, schnappte sich Dev den Polizeiwagen aus der Luft, bevor er aufschlagen konnte und die Beamten darin schwer verletzt wurden. Dev konnte ihre erschrockenen Gesichter sehen, als er das Auto sanft wieder auf seine Räder stellte.
»Gern geschehen, Jungs.«
Doch in dem Moment, in dem Dev das Polizeiauto losließ, quietschten die sich immer noch bei voller Geschwindigkeit drehenden Räder, das Fahrzeug beschleunigte und krachte durch das Schaufenster eines Bekleidungsgeschäfts. Dev hatte nicht bedacht, dass der geschockte Fahrer noch keine Gelegenheit gehabt hatte, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen.
Über sein Headset hörte Dev das gereizte Seufzen seines Onkels. »Devon, hör bitte auf, mit der Polizei zu spielen, und fang die Diebe.«
Dev sprang über den zweiten Polizeiwagen, der stehen geblieben war, weil seine Besatzung den Riesenroboter anstarrte, und sprintete hinter den beiden anderen Streifenwagen her, die die Verfolgung der Jetpack-Räuber aufgenommen hatten.
Passend zu seiner Größe konnte Dev in seinem Anzug Riesenschritte machen und ein paar Dutzend Sprünge reichten, um die Verfolgung aufzunehmen. Sein Zielsuchcomputer richtete sich auf die drei fliehenden Diebe, die dicht über dem Boden flogen und offensichtlich wenig Flugerfahrung hatten.
In der Zwischenzeit hatte der Computer des Inventorys die Jetpacks als drei Prototypen identifiziert, die der Collector gestohlen hatte. Das Inventory war ein gigantisches Lager unter der Erde, in dem das Welt-Konsortium schon seit Jahrhunderten die größten Erfindungen der Menschheit verwahrte. Dev und sein Onkel waren dafür zuständig, die Sammlung zu bewachen, bis … alles furchtbar schiefgegangen war.
»Okay, Devon, das sollte kein Problem sein. Ich empfehle den Einsatz des Magnetimpulses.«
Die Eisenfaust war ein faszinierender Entwurf des genialen Erfinders Nikola Tesla, doch bevor der Kampfpanzer sein volles Potenzial erreichen konnte, war der Superhandschuh im Inventory eingelagert worden. Bei seinem Raubzug war es dem Collector nicht gelungen, die Eisenfaust zu erbeuten, und so hatten die Wissenschaftler des Welt-Konsortiums die Chance bekommen, sie zu studieren und ein paar Modifikationen vorzunehmen. Dev brauchte keine Schalter umzulegen oder Sprachkommandos zu geben; er nutzte einfach seine besondere Begabung, um sich durch das Computersystem zu tasten, das in seinem Kopf wirkte wie ein Labyrinth aus leuchtenden Fluren, musikalischen Tönen und pulsierenden Lichtern – das alles war ein Teil seiner Synästhesie.
Dev aktivierte den MagImpuls und beobachtete, wie sich die Metallplättchen an seinem Unterarm vorwölbten, als sich das Material in eine Waffe verwandelte. Er richtete sie auf den nächstbesten Dieb, den Frosch, und feuerte.
Es gab keinen Knall, keinen Lichtblitz. Ein unsichtbarer magnetischer Impuls traf das Jetpack und der Bankräuber wurde zurückgerissen wie an einem Gummiseil. Banknoten fielen bündelweise aus seiner Tasche. Dev fing den Mann und riss ihm das Jetpack vom Rücken. Der Räuber fiel zu Boden und landete auf der Motorhaube eines Polizeiwagens.
Dev staunte, wie einfach das gewesen war. »Nummer eins.« Er befestigte das Jetpack an einem Clip auf seinem Rücken und sprintete hinter den beiden anderen Räubern her, die abgebogen waren und sich in einer anderen Straße davonmachen wollten, die ebenfalls von Wolkenkratzern gesäumt war.
»Devon?«
»Ich weiß, ich weiß«, murrte Dev. Sein Onkel konnte jede seiner Bewegungen über einen Satelliten verfolgen, der viele Kilometer über ihm seine Bahnen zog.
Dev beschleunigte seine Schritte und der zweite Dieb kam in Sichtweite. Der Mann, der immer noch seine Comic-Elchmaske trug, drehte sich im Flug so mühelos auf den Rücken, als würde er im Wasser schwimmen. Er richtete eine Waffe auf Dev. Das beunruhigte ihn nicht, denn er wusste aus Erfahrung, dass seine Panzerung kugelsicher war.
Von Charles kam die nächste Mahnung. »Devon!«
»Ich sehe es!«, fauchte Dev. »Kannst du aufhören, mich zu nerven? Ich kriege das hin.«
Der Mann feuerte. Dev machte keine Anstalten, dem Schuss auszuweichen, weil er damit rechnete, dass die Kugel von ihm abprallen würde.
Aber es war keine Kugel.
Ein Plasmaklumpen haftete an Devs Panzer und plötzlich durchfuhr ein so starker Stromstoß den metallischen Anzug, dass Dev nur noch Stimmengewirr hörte. Seine Adern fühlten sich an, als stünden sie in Flammen – dann wurde er ohnmächtig.
ADRENALIN-JUNKIE
Ein ganzer Chor schriller Alarmtöne weckte Dev aus seiner Bewusstlosigkeit. Er brauchte einen Moment für eine Bestandsaufnahme. Er steckte immer noch in dem Anzug und lag mitten auf der Straße. Der Schuss aus der Plasmakanone hatte irgendwie einen Kurzschluss im Kampfanzug verursacht. Anscheinend war er rückwärtsgetaumelt … und den Briefen nach zu urteilen, die überall herumflatterten, war er offenbar über ein Postauto gestolpert.
Charles’ Stimme kam aus dem Headset. »Devon, du musst …«
Dev hatte keine Lust, sich noch mehr Vorwürfe anzuhören, und stellte sowohl den nervigen Alarm als auch die Übertragung aus dem Inventory ab. Der Dieb mit der Elchmaske, der auf ihn geschossen hatte, kam zurück, um nachzusehen, ob er den Riesen-Roboter wirklich außer Gefecht gesetzt hatte. Dev vermutete, dass auch die Plasma-Waffe zu den Dingen gehörte, die aus dem Inventory gestohlen worden waren. Er machte einen schnellen Check und stellte fest, dass alles einwandfrei funktionierte. Es gab also keinen bleibenden Schaden.
Dev spielte tot und wartete, bis sein Angreifer in Reichweite kam. Dann sprang er so schnell auf, dass der Bankräuber keine Chance zum Entkommen hatte, denn Dev war in einer einzigen fließenden Bewegung auf den Beinen. Er riss dem Mann die Waffe mit solcher Wucht aus der Hand, dass sie in mehrere Stücke zerbrach – und die Hand des Typen sah vermutlich nicht viel besser aus.
Der Dieb sauste senkrecht nach oben, aber Dev griff nach ihm und packte seinen Fuß, was ihn zum Stillstand brachte. Das Elchgesicht brüllte vor Schmerz, weil das Jetpack ihn nach oben zerrte, während sein Fuß in einem Klammergriff steckte wie auf einer mittelalterlichen Streckbank.
»Jetzt geht’s abwärts«, fuhr Dev ihn an und streifte ihm das Jetpack vom Rücken. Der Kerl stürzte ab und landete mit einem riesigen Platscher in einem Springbrunnen. Er war nicht länger Devs Problem; jetzt konnte sich die Polizei um ihn kümmern.
Dev klinkte auch das zweite Jetpack auf seinem Rücken ein. Er spürte, wie er beinahe abhob. Er hatte gehofft, dass zwei der Raketenantriebe ausreichen würden, um ihn in seinem Riesenanzug zu tragen. Sein Onkel hatte ihm erklärt, dass seine besondere Begabung ihm erlaubte, technische Dinge aufeinander abzustimmen und sie zusammenarbeiten zu lassen. Er konnte sie mit der bloßen Kraft seiner Gedanken neu programmieren und neue Erfindungen gewissermaßen aus dem Ärmel schütteln. Dass er das konnte, hatte Dev erst vor Kurzem erfahren und er musste erst lernen, damit umzugehen.
Dev sah sich nach dem dritten Bankräuber um, dem Entengesicht. Er entdeckte den verräterischen Abgasstrahl des Jetpacks zwischen zwei Hochhäusern. Kaum hatte er den Befehl auch nur gedacht, da erwachten Devs Raketenantriebe zum Leben und ließen ihn emporschießen.
Der Anzug war nicht fürs Fliegen gemacht, aber solange Dev nicht nach unten sah, hatte er seine Höhenangst im Griff … zumindest halbwegs. Er stellte sich vor, wie begeistert Lot wohl wäre, wenn sie so fliegen könnte.
Er nahm eine Kurve zu weit und streifte eine Turmuhr. Das Glas splitterte und etliche Mauersteine prasselten auf den Boden.
»’tschuldigung!«, rief er.
Der Strahl des Jetpacks hinterließ Kondensstreifen am Himmel, die sich wanden und drehten wie die Spuren einer Achterbahn. Dev widerstand der Versuchung, einen Looping zu fliegen. Er war nicht sicher, ob seine Flugkünste dafür ausreichten, und wollte auf keinen Fall riskieren, sich in der Enge des Anzugs zu übergeben.
Dev brauchte dem letzten Dieb nicht mehr zu folgen, er hatte ihn längst entdeckt: Vor ihm erhob sich der CN Tower in den Himmel, eine schlanke Nadel aus Beton und Stahl. Im oberen Drittel befand sich die Aussichtsplattform, die an ein UFO erinnerte. Es war der höchste Punkt der Stadt und der Dieb stand auf dem Dach der Plattform. Mit einem Arm hielt er eine vollkommen verängstigte Frau umklammert.
Sie trug einen knallorangefarbenen Overall. Dev begriff nicht, wie die Frau dorthin gekommen war. Er wusste, dass die Jetpacks nicht genug Power hatten, um jemanden vom Boden aus mitzunehmen. Doch dann entdeckte er weiter unten auf der Aussichtsplattform noch mehr Leute, die auch solche Overalls trugen, und ihm wurde alles klar. Auf dem CN Tower konnten Adrenalin-Junkies, nur durch ein Stahlseil gesichert, außen um die Plattform herumlaufen. Offenbar hatte der Verbrecher sich die Frau aus der Gruppe gegriffen und benutzte sie nun als Geisel.
Dev umkreiste den Turm und wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte den Typen mit der Entenmaske von der Plattform schießen, aber dann würde die Frau ebenfalls abstürzen. Auch wenn sie gern verrückte Sachen machte, Basejumping ohne Fallschirm gehörte sicher nicht dazu.
Er landete auf dem Dach, mehrere Meter von den beiden entfernt. Als Dev sprach, verstärkte der Anzug seine Stimme und ließ sie aggressiv klingen. »Lassen Sie die Frau gehen!«
»Na klar!«, höhnte der Dieb. »Direkt über die Kante. Vierhundertfünfzig Meter nach unten. Willst du das auf dem Gewissen haben, Mann? Ich tu es!« Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, schob er die Frau dichter an die Kante. Es war nur ein kleines Stück, aber es reichte, um sie panisch loskreischen zu lassen.
Dev lief es eiskalt über den Rücken. Er hatte keine Ahnung, wie man mit Geiselnehmern verhandelte, und jetzt hing das Leben eines Menschen von ihm ab. Hinter den beiden konnte er den Eiodolon-Fighter sehen, der in einiger Entfernung mitten über dem riesigen Ontariosee schwebte, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen.
Obwohl Dev über mehr Kraft und etliche Waffensysteme verfügte, blieb ihm nur noch eine Option übrig – die Wahrheit.
Der Dieb sah fassungslos zu, wie die Metallplättchen, aus denen der Anzug bestand, nach und nach verschwanden und Dev zum Vorschein kam. Der Anblick eines vierzehnjährigen Jungen schockierte die beiden Erwachsenen.
Der Dieb nahm die Entenmaske ab und packte die Frau fester. »Soll das ein Witz sein?«
Dev sprang aus der unteren Hälfte des Anzugs und hielt beide Hände hoch, um zu beweisen, dass er unbewaffnet war. Er versuchte, den starken Wind zu ignorieren, der ihn mühelos über die Kante wehen konnte. Schon der Gedanke an die Höhe ließ seine Knie zittern. »Kein Witz. Das bin nur ich. Sie brauchen also keine Geisel, oder? Ich meine, wegen eines Jungen?«
Der Dieb sah sich hektisch um, als rechnete er mit einem Hinterhalt, doch es war niemand da.
»Sie haben eine dicke Tasche voll Geld« – Dev zeigte auf die Sporttasche in der freien Hand des Mannes – »und ein Jetpack. Ich schätze, das ist alles, was man braucht, um einen draufzumachen. Sie müssen niemandem wehtun.«
Der Dieb runzelte nachdenklich die Stirn und warf seiner Geisel einen Seitenblick zu. »Ich glaube, du hast recht. Manchmal geraten die Dinge einfach schnell außer Kontrolle. Ich will auch nicht, dass jemand verletzt wird.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Anzug. »Woher hast du das Ding?«
»Von demselben Ort, von dem auch Ihr Jetpack stammt.«
Der Mann sah ihn verständnislos an.
Dev erkannte, dass der Dieb keine Ahnung hatte, woher die Packs kamen. »Hat … hat Ihnen jemand das Jetpack gegeben?«
Dev staunte nicht schlecht – der Mann sah aus, als könnte er sich beim besten Willen nicht erinnern, woher er den Raketenantrieb hatte. Dann sah er die Tasche mit dem Geld an, als sähe er sie zum ersten Mal. »Ich weiß ni…«
Plötzlich fiel der Dieb auf die Knie, ließ die Frau und die Tasche mit dem Geld los und hielt sich den Kopf. Er heulte vor Schmerz.
Die Frau wollte zu Dev rennen.
Doch dann passierten mehrere Dinge auf einmal.
Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen, sein Gesicht war schmerzverzerrt und er schrie: »Lass mich in Ruhe!«
Ein Windstoß erfasste die Tasche, das Geld flog heraus und nahm der Frau einen Moment lang die Sicht. Im nächsten Augenblick lag sie am Boden und sie und der Mann rollten auf die Kante zu.
»NEIN!« Dev hechtete auf sie zu. Leider fiel ihm zu spät ein, dass er seinen Anzug nicht trug und auch kein Jetpack, das ihm das Leben retten würde.
Der Dieb und die Frau stürzten schreiend über die Kante. Und da es dort oben nichts zum Festhalten gab, hatte auch Dev keine Chance …
Im Cockpit des Eiodolon versuchte Sergeant Wade zu erkennen, was in der Ferne vor sich ging. Sie wünschte, das Flugzeug hätte Überwachungstechnik an Bord, wie ursprünglich geplant. Aber da es nur ein Prototyp war, der bisher in einem Hangar des Inventorys herumgestanden hatte, war niemand auf die Idee gekommen, sie nachzurüsten. Wade hatte sich absichtlich ferngehalten, weil sie nicht riskieren wollte, dass der Dieb irgendwelche Dummheiten machte, wenn er den Fighter sah.
»Was zum Teufel macht er da?«
Das Cockpit war gerade groß genug für den Piloten, was Lot zwang, Wade über die Schulter zu sehen. Sie hatte ein Headset auf und schon mehrfach versucht, Kontakt zu Dev aufzunehmen.
»Er trägt den Anzug nicht mehr! Kein Wunder, dass er nicht antwortet!«
Mason reckte den Kopf durch den schmalen Spalt über Wades anderer Schulter. »Wow! Seht euch das an! Wenn er nicht aufpasst, fällt er runter. Oh, wartet … er fällt.«
Wades linke Hand riss den Schubregler mit solcher Wucht nach hinten, dass Lot und Mason durch das halbe Flugzeug geschleudert wurden, bevor die Trägheitsdämpfer ansprangen. Wade wusste zwar nicht genau, was sie tun sollte, um alle drei zu retten, aber sie hoffte zumindest, dass ihr in den nächsten zwanzig Sekunden etwas einfiel, bevor es eklig wurde.
Es waren Momente wie dieser, in denen Dev froh war, dass er den öden Vorträgen seines Onkels nie zuhörte. Vor allem, wenn es darum ging, dass er ohne Erlaubnis nichts aus dem Inventory mitnehmen durfte. Natürlich war seit dem Einbruch nicht mehr viel da, aber das wenige, was noch auf den Regalen lag, konnte im richtigen Augenblick ganz praktisch sein. Er hoffte nur, dass dies einer der Augenblicke war. Während sich Dev im Fallen immer wieder überschlug und obwohl sich ihm nun schon zum dritten Mal an diesem Tag der Magen umdrehte, schlossen sich seine Finger um die kleine Spraydose in seiner Jackentasche.
Er hörte nichts außer dem Heulen des Windes. Mit beiden Händen richtete er die »Hart wie Luft«-Sprühdose auf den Boden und drückte mit dem Daumen auf den Knopf. Wird schon schiefgehen, dachte er.
Die Sprühdose vibrierte leicht, während der Gehsteig auf ihn zuraste. Doch plötzlich fühlte sich die Luft um ihn herum unglaublich dick an, als würde er erst durch Wasser und dann durch Federn fallen. Nur wenige Meter über dem Boden wurden die drei so sanft abgebremst, als wären sie in einem weichen Federbett gelandet. Ein paar kurze Augenblicke lang konnten sie kaum atmen, denn die Luft war wie eine dicke Suppe, doch das gab sich schnell wieder.
Die Frau schnappte nach Luft, sah sich fassungslos um und brach dann vor Erleichterung in Tränen aus. Der Dieb regte sich nicht, er war vor Angst ohnmächtig geworden. Der Schatten des Eiodolon fiel auf sie. Dev lächelte und war recht zufrieden mit sich. Im Großen und Ganzen war ihre erste Mission eigentlich ein Erfolg gewesen.
Allerdings hatte er erst mal genug von Höhen. Worum es bei ihrer nächsten Mission auch ging, er würde zusehen, dass seine Füße auf dem Boden blieben, wie es die Schwerkraft vorsah.
NACHBESPRECHUNG 1
»Das war ein Desaster!«, verkündete Charles gereizt und lief in der Kantine des Inventorys auf und ab.
In einiger Entfernung saßen ein paar Techniker des Welt-Konsortiums an einem Tisch und hörten demonstrativ weg. Dev erinnerte sich gut daran, wie leer die Hallen und Flure gewesen waren, als es hier unten nur ihn, seinen Onkel und den kugelförmigen Verteidigungsroboter Eema gegeben hatte. Dev hatte die ganze Anlage praktisch für sich allein gehabt, aber seit dem Überfall wimmelte es von Mitarbeitern des Welt-Konsortiums. Überall waren Leute damit beschäftigt, die verbliebenen Dinge neu zu ordnen und die gestohlene Technik mit Charles’ Hilfe aufzuspüren.
»Wir haben alle drei Jetpacks zurückgebracht«, verteidigte sich Dev. »Mission erfüllt.«
»Und er hat wirklich nicht viel kaputt gemacht«, fügte Mason hinzu, doch Charles’ eisiger Blick brachte ihn schnell wieder zum Schweigen. Charles war zwar Devs Onkel, aber auch Masons Boss.
Lot saß neben Mason am Tisch und wippte mit dem Fuß. Sergeant Wade stand hinter den beiden und vermied es, Charles in die Augen zu sehen.
Charles zeigte auf Mason, Lot und Sergeant Wade. »Ihr drei wart gut. Es gab nichts, was ihr hättet tun können. Aber du, Devon … Dieser Einsatz sollte eine Geheimmission sein! Und du verlässt niemals den Eisenfaust-Kampfanzug. Was, wenn er den gestohlen hätte?«
Dev zuckte mit den Schultern. »Er hätte doch gar nicht gewusst, wie man ihn benutzt.«
»Das Risiko will ich nicht eingehen. Du hast mehrere Fahrzeuge zerstört, eine Ecke aus einem Gebäude herausgebrochen und dann noch das Leben einer Zivilistin aufs Spiel gesetzt! Wir sind eine geheime Organisation!«
Dev wurde allmählich sauer. »Du hast leicht reden – du warst ja nicht dabei! Du hast nur alles von hier aus beobachtet und nutzlose Kommentare abgegeben!«
»Wenigstens hat der DigiStörsender funktioniert«, bemerkte Wade in der Hoffnung, die Situation zu entspannen.
Charles nickte und konnte sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen. Den Digital-Störsender zu benutzen, war seine Idee gewesen. Er blockierte die Überwachungstechnik der ganzen Gegend. Es würde also keine Aufnahmen des Kampfanzugs, der Jetpacks oder des hypermodernen Flugzeugs geben, und wie üblich würden die Augenzeugenberichte zwar eine Zeit lang als urbane Mythen im Internet kursieren, aber dann in Vergessenheit geraten.
»Zum Glück«, sagte Charles.
»Mission erfüllt«, befand Dev. Er stand auf und streckte sich.
Sein Onkel hob eine Braue. »Was glaubst du, wohin du jetzt gehst?«
Dev deutete auf Lot und Mason. »Wir gehen nach draußen und suchen uns irgendwas, das Spaß macht.«
Sein Onkel lachte humorlos auf. »Allerdings geht ihr nach draußen. Mir scheint, dass euch das Reisen ein wenig durcheinandergebracht hat.« Er tippte auf seine Uhr. »Es ist Morgen, was bedeutet, dass ihr euch beeilen müsst, um nicht zu spät zur Schule zu kommen.«
»Schule?« Mason spuckte das Wort förmlich aus. Dev den ganzen Tag zuzusehen, war anstrengend gewesen, und er hatte sich schon darauf gefreut, nach Hause zu kommen und ins Bett zu fallen.
»Wir müssen den Schein wahren«, sagte Wade. »Außerdem ist es wichtig, dass ihr etwas lernt. Wegtreten.«
Sie verließen den Raum, doch bevor Dev gehen konnte, hielt ihn sein Onkel zurück, legte ihm eine Hand auf die Schulter und drehte ihn zu sich herum. Die andere Hand hatte er ausgestreckt.
Mit einem Seufzer gab ihm Dev das »Hart wie Luft«-Spray.
»Was habe ich über das Entwenden von Dingen aus dem Inventory gesagt?«
»Ich hab nur ein bisschen damit rumgespielt«, murmelte Dev.