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© 2018 Wörterseh Verlag, Gockhausen
Lektorat: Andrea Leuthold, Zürich
Korrektorat: Claudia Bislin, Zürich
Umschlaggestaltung: Thomas Jarzina, Holzkirchen
Layout und Satz: Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth
Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Print ISBN 978-3-03763-094-5
E-Book ISBN 978-3-03763-743-2
www.woerterseh.ch
Über das Buch
Über den Autor
Vorwort
Faksimile des Bundesbeschlusses
zur No-Billag-Initiative
Und dafür soll ich Billag zahlen?
Olivier Kessler: Eine bessere Welt
Der Erzfeind
Macht und Monopol
Dumm gelaufen
Sonderfall Schweiz
Und was genau ist Service public?
SRG: Das Geldverschleuderungsmonster
Und dann dieses grässliche Programm!
Faktencheck SRG
Sündenbock Roger de Weck
Fragen und Antworten
Der Tag danach
Denkzettel
Danke
Während Jahrzehnten bekämpfte Roger Schawinski das SRG-Monopol und kritisierte zugleich das SRG-Management in aller Schärfe. Die Existenz der SRG aber stellte er nie infrage. Er war und ist der festen Überzeugung, dass die Schweiz, genau wie alle anderen rechtsstaatlichen Länder, ein duales System mit öffentlich-rechtlichen und privaten Radio- und TV-Stationen braucht. Als Pionier der privaten Schweizer Medienlandschaft, der mit seinen Sendern das SRG-Monopol als Erster herausgefordert hat, entschloss er sich, in der aktuell aussergewöhnlichen Situation das vorliegende Buch zu schreiben. Dank seinen langjährigen Erfahrungen bei Radio und Fernsehen sowie als SRG-Mitarbeiter und ehemaliger Geschäftsführer von Sat.1 in Berlin kann er Befürwortern wie auch Gegnern der No-Billag-Initiative die Informationen liefern, mit denen sie sich eine eigene, fundierte Meinung bilden können. Zudem zeigt er detailliert auf, welche Folgen eine Annahme der Initiative am 4. März 2018 hätte und wie dies die Schweiz nachhaltig verändern würde.
Roger Schawinski, geb. 1945, doktorierte an der HSG in Ökonomie und arbeitete danach für das Schweizer Fernsehen, wo er den »Kassensturz« entwickelte. 1977 wurde er Chefredaktor der Tageszeitung »Tat«, gründete zwei Jahre später Radio 24, den ersten privaten Radiosender der Schweiz, und lancierte 1994 mit Telezüri den ersten Schweizer Privat-TV-Sender. 1998 startete er mit Tele 24 das erste nationale Privatfernsehen und verkaufte sein Unternehmen drei Jahre später. 2003 wurde er Geschäftsführer von Sat.1, lancierte 2008 Radio 1 und übernahm später den Jugendsender Planet 105. Von der Uni Freiburg wurde ihm 2016 die Ehrendoktorwürde verliehen. Roger Schawinski lebt in Zürich.
No Billag kann die Schweiz stärker verändern als jede andere Abstimmung seit Generationen. Ein Ja zu dieser Initiative würde die Medienlandschaft in so gewaltigem Ausmass umpflügen, dass die Folgen noch nicht einmal in Umrissen erkennbar sind. Das Ende des mehrheitlich mit Gebühren alimentierten Radio- und TV-Systems wäre in Europa ohne Beispiel. Kein anderes Land hat sich entschieden, das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen auf einen Schlag abzuschaffen.
Dieses Buch will aufzeigen, wie sich die Schweiz in diese beispiellose Situation manövriert hat. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen in vielen Bereichen des Mediensystems möchte ich Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigen, die zu einer faktengestützten Meinungsbildung beitragen sollen. Und dann geht es natürlich auch um das, was nach einem Ja zu erwarten wäre.
Frühere »epochale« Abstimmungen haben oder hätten viel weniger weitreichende Folgen gehabt, als es ein Ja zu No Billag tun würde. Das Nein zur heftig umstrittenen EWR-Entscheidung im Jahr 1992, die bis heute als Paradebeispiel für eine Richtungswahl gilt, hatte nur beschränkte Auswirkungen. Dies, weil der EWR das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU nur marginal berührt hätte. Auch mit dem später gewählten bilateralen Weg hat sich die Schweiz dem EU-Recht immer weiter angenähert. Die Unterschiede zu den im EWR verbliebenen EFTA-Staaten Liechtenstein, Norwegen und Island, zu denen wohl auch die Schweiz gehört hätte, sind deshalb vernachlässigbar.
Selbst eine Annahme der radikalen Initiative zur Abschaffung der Schweizer Armee, der GSoA-Initiative, die 1989 zur Abstimmung kam, hätte das Land nicht radikal umgepflügt. Zwar wäre eine mächtige und traditionell verankerte Organisation eingemottet worden. Aber das Leben in der Schweiz hätte sich dadurch nicht grundsätzlich verändert. Und auch die knappe Annahme der extrem scharf formulierten Masseneinwanderungs-Initiative im Jahre 2014 mit ihrer Absage an die Personenfreizügigkeit hat das Verhältnis zur EU nicht in den Grundfesten erschüttert. Durch die spätere, durch das Parlament verabschiedete Verwässerung wurde dieser Entscheidung die Wirkungskraft entzogen. Und es gibt noch eine Vielzahl weiterer solcher Beispiele.
Bei einer Annahme der No-Billag-Initiative wäre alles anders. Deshalb wird diese Entscheidung zur Mutter aller Abstimmungen. Sie könnte zu massiven Verwerfungen im Mediensystem führen, das als vierte Gewalt im Staat bezeichnet wird. Und es gäbe keine Möglichkeit, dass Parlament oder Bundesrat dies wie in anderen Fällen hinterher abfedern könnten. Der knallharte Text der No-Billag-Initiative lässt keinen Interpretationsspielraum offen.
Wegen der Radikalität wurde das Anliegen zuerst belächelt und als völlig chancenlos abgetan. Hinzu kam, dass die kleine Truppe der politisch kaum verdrahteten No-Billag-Initianten ungelenk auftrat. Es war bereits eine Überraschung, dass sie für ihr Ansinnen die notwendigen Unterschriften zusammenbrachten. Mehr würde nicht sein, war man sich einig. Der Totalangriff auf die in allen Umfragen sehr positiv benotete Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) wurde deshalb lange als chancenloser Versuch einiger weniger Extremisten beurteilt.
Dass nun aber gemäss Umfragen mit einem knappen Ausgang zu rechnen ist, hat nicht nur in Kreisen der SRG, sondern bis hinauf zur Medienministerin Doris Leuthard zu panischen Reaktionen geführt. Denn die permanent mit strahlendem Lächeln auftretende Bundesrätin erinnert sich mit Schrecken an ihre bisher grösste Niederlage, als sie 2013 den Preis der Autobahnvignette erhöhen wollte. Bei der Volksabstimmung warfen über 60 Prozent aus Protest ein Nein ein, weil man die Preiserhöhung von 40 Franken auf immer noch massvolle 100 Franken als unsägliche und unnötige Abzockerei durch die Berner Elite empfand. Dieser Reflex kann sich jetzt wiederholen. Bei Gebühren kann der emotionale Widerstand eben leicht angestachelt werden, wie sich nun auch bei der No-Billag-Initiative wieder manifestiert.
Wie aber hat es so weit kommen können? Wer sind die Verantwortlichen für diese Form von russischem Roulette, das zurzeit mit unserem Mediensystem gespielt wird? Denn aus jüngsten Erfahrungen hat man gelernt, dass jede hart umkämpfte Volksabstimmung auch durch kleinste Erschütterungen in letzter Minute entschieden werden kann. Wenn es im Ergebnis um Zehntelprozente geht, stehen dem Zufall Tür und Tor offen.
Als Gründer von Radio 24 und Telezüri gelte ich als Medienpionier, der sich durch seinen jahrelangen Kampf gegen die SRG profiliert hat. Von vielen Beobachtern wird sowohl meine Tätigkeit als Moderator der SRF-Sendung »Schawinski« als auch mein Engagement gegen die No-Billag-Initiative als Seitenwechsel oder gar als Verrat an früheren Idealen gesehen. Wie ich es noch ausführlich erläutern werde, ist diese Sicht falsch. Ich führte von Beginn weg nicht einen Kampf gegen die Existenz der SRG, sondern gegen das Monopol der SRG und für mehr Medienvielfalt. Dabei habe ich die Führung der SRG oft hart kritisiert, die während der entscheidenden Jahre alles tat, um die von mir angestrebte Liberalisierung zu torpedieren. Aber es war nie mein Ziel, die SRG zu zerstören, wie es die No-Billag-Initiative bezweckt. Deshalb sehe ich es als meine Verantwortung, mich in diese wichtige Diskussion mit Fakten, Hintergründen und Prognosen einzubringen.
Das vorliegende Buch umfasst vier Teile. Im ersten Teil werden die unterschiedlichen Motive für ein Ja zu No Billag präsentiert. Dann werden die Initianten und ihre Motive durchleuchtet. Und schliesslich werden auch die Frontlinien aufgezeigt, die sich gebildet haben. Im zweiten Teil wird analysiert, wie es zu dieser aussergewöhnlichen Situation kommen konnte und wer dafür Verantwortung zu tragen hat. Im dritten Teil wird die SRG in all ihren Facetten durchleuchtet und aufgezeigt, wie sie die heutige Diskussion beeinflusst. Zudem wird untersucht, welches die Auswirkungen einer Annahme der Initiative für die privaten Sender wären. Im vierten Teil schliesslich werden die Folgen einer Annahme für die SRG und die Schweiz als Ganzes dargestellt.
Es ist möglich, einzelne Teile oder Kapitel zu überspringen. Man kann sich auch zuerst den Folgen der No-Billag-Initiative in Teil 4 zuwenden. Wenn man sich wirklich dafür interessiert, wie diese in der Geschichte der Schweiz einmalige Situation entstehen konnte, empfiehlt sich aber ein chronologisches Lesen dieses Buches.