Heiko Fritschen

"Dann müssen die halt mal schwitzen!"

Mobbing für Fortschreitende

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Inhalt

Vorwort

Hinweise

1 Einführung

1.1 Die rechtliche Sichtweise in der Übersicht

1.2 Die üblichen Gefangenen: Beleidigung, Verleumdung, Üble Nachrede

2 Wahre Mobber sind selten

3 Was ist Mobbing?

3.1 Ein typischer AK

3.2 Ein typischer Doofling

3.3 Ein typischer Weekender

3.4 Ein typischer Mobber

3.5 Mobbing durch den Vorgesetzten – Bossing

3.6 Der Schoßhund

3.7 Der Jurist

4 Auslöser für Mobbing

4.1 Manchmal ist es so einfach

4.2 Die Unfehlbarkeit der Verwaltung

4.3 Kehren wir zum AK zurück

4.4 Eunuchenwissen vs Fachwissen

4.5 Verwaltungskraft vs Hands-on-Mentalität

4.6 Beispiel Weisungsbefugnis – Entstehen einer weiteren Illusion

4.7 Olymp-Denken vs Realität

4.8 Kontrollwahn vs Lange Leine

4.9 Das Dogma der Mittelwerte, Kennzahlen und Ranking vs Realität

4.10 Digitales Büro vs Papierakten

5 Das Entstehen von Mobbing

5.1 Karrieretyp vs Teamplayer

5.2 Petze vs Virtuose

5.3 Reparaturverhalten und Flickschusterei

5.4 Reparaturverhalten und Kompetenz-Schutz

5.5 Abhängigkeiten der Systeme bei Reparaturverhalten

5.6 Beispiel gedämpfte Systeme

6. Unmoralisches Verhalten durch Statusdenken und Neid

6.1 Sich-mit-fremden-Federn-schmücken und Sabotage

6.2 Der imaginäre Vorgesetzte

7 Sabotage

7.1 Zurückhalten von Maßnahmen

7.2 Torpedieren von Ergebnissen als weitere Sparbüchse für den persönlichen Erfolg

7.3 Sabotage durch Fehlerzwang

7.4 Sabotage durch Zurückhalten von Informationen

7.5 Sabotage der Rechtfertigung

8 Strategisches Mobbing

8.1 Ausgangssituation für das Praxis-Beispiel bei strategischem Mobbing

8.2 AK-Schritt 1: Übernahme und Zugriff durch AK und GF

8.3 AK-Schritt 2: Klarstellung Endergebnis

8.4 AK-Schritt 3: Vernichtung von Kompetenz und Ansehen

8.5 AK-Schritt 4: Externe Kontrolle

8.6 AK-Schritt 5: Fehlervertuschen

8.7 AK-Schritt 6: Isolieren

8.8 AK-Schritt 7: Kompetenzillusion

8.9 AK-Schritt 8: Sabotage durch Ertragsminderung

8.10 AK-Schritt 9: Sabotage durch Ausbremsen

9 Flankierende Maßnahmen des Mobbers

9.1 AK-Schritt 10: Zwingen von Verbündeten in eigene Reihen

9.2 AK-Schritt 11: Suchen von verbündeten Ja-Sagern

9.3 AK-Schritt 12: Konstruieren eines BL-Fehlverhaltens durch eingeschränkte Privilegien

9.4 AK-Schritt 13: Konstruieren von Konflikten

10 Die Kür im Mobbing

10.1 AK-Schritt 14: Das Auslegen von vergifteten Brotkrumen

10.2 AK-Schritt 15: Direkte Schuldzuweisung in großer Runde

10.3 AK-Schritt 16: Die verschärfte Variante – Vorwürfe mit Sabotage

10.4 AK-Schritt 17: Strategisches Erzeugen von Vorwürfen

10.5 AK-Schritt 18: Der Das-kann-er-auch-nicht-Nachweis

11 Mobbing durch Überforderung

11.1 Die 100 % AK-Erfolgsmethode

11.2 Üben ohne Gefahr – Das freie Probieren in fremden Gefilden

11.3 Das freie Probieren des AK

11.4 AK-Absicherung durch Schuldzuweisung

12 Was tun bei Mobbing

12.1 Also lange Rede kurzer Sinn: Was brauchen Sie?

12.2 Woraus die Datengrundlage besteht

12.3 Die einfachste Quelle sind Mails

12.4 Der Mobbende stolpert über seine eigene Arroganz

12.5 Andere Quellen?

12.6 Existieren Gegenmaßnahmen?

12.7 Antipathie bei Kollegen

12.8 Persönliche Angriffe

12.9 Modifizierte Vorwürfe

12.10 Die BWA und Ihre Arbeitsleistung

12.11 Betrachten Sie deshalb Ihre Leistungen unabhängig

12.12 Vorwürfe aus der Mobbing-Ebene

13 Genug von anderen

13.1 Schauen wir uns Ihren Chef an

13.2 Ihr Gegner ist das Schoßhündchen des Chefs

13.3 Ihr Gegner ist ein Kollege

14 Nun sind Sie soweit – entscheiden Sie

14.1 Die Fragen

14.2 Kommen wir also zu den entscheidenden Fragen

14.3 Wie steht Ihr Partner dazu?

14.4 Planen Sie den Ausstieg

14.5 Was passiert bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht?

14.6 Ab da sind Sie frei

Impressum neobooks

Inhalt

„Dann müssen die halt mal schwitzen!“

Mobbing für Fortschreitende

Heiko Fritschen









Vorwort





Dieses Buch zeigt viele reale Beispiele, in denen die derzeitige Darstellung verschiedener Mobbingfälle – es handele sich um ein emotionales Problem – nicht mehr zeitgemäß ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und den unterschiedlichen Instanzen ist ein Ausgang eines Rechtstreites nicht vorauszusehen.

Mitarbeiter können nach den Entscheidungen der Arbeitsgerichte fristlos entlassen werden, weil sie den Chef beleidigen. Andere Beleidigungen wie durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche, geisteskranke und dahergelaufene Staatsanwältin fallen dagegen aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes eher unter die freie Meinungsäußerung. Diese Grätsche zwischen den verschiedenen Wahrnehmungen der Handlungen durchzieht die Mobbing-Diskussion. Aufgrund der Besetzung vieler Stellen der Personalführung mit Juristen schwappt das juristische Weltbild auch in die Betriebsleitung herüber.

Viele Aktionen von Mobbenden fallen schon heute unter Straftatbestände wie z.B. Üble Nachrede, Beleidigung und andere. Unabhängig von der juristischen Wertung legt dieses Buch auch dar, wie und mit welchen Mitteln die Firma durch den Mobbenden geschädigt wird, nur damit der Täter seine persönlichen Ziele erreicht.

Mit Hilfe der Beispiele werden Führungskräfte in die Lage versetzt, Präventionsmaßnahmen durchzuführen. Den Opfern wird verdeutlicht, wann Gegenmaßnahmen überhaupt sinnvoll sind, welche Dokumente man sichern sollte und was beim Fortschreiten zu beachten ist.

Alle Beispiele sind dem Autor während seiner Führungstätigkeit über den Weg gelaufen.









Hinweise





Dieses Buch soll Hinweise geben, die Ihnen helfen können, sich im Dschungel der Emotionen und Anschuldigungen zurechtzufinden – es stellt keine Rechtsberatung und nur die persönliche Meinung des Autors dar.

Da von Frauen und Männern gleichermaßen – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten – gemobbt wird, ist in diesem Buch die Geschlechterbezeichnung für das einfachere Lesen in der männlichen Form erfolgt



AK = Arschloch-Kollege

BL = Betriebsleiter

GF = Geschäftsführung

BWA = Betriebswirtschaftliche Auswertung

KMU = Klein- und Mittelständische Unternehmen

OP = Opportunitäten, passende Gelegenheit

PC-Dienstleistungsverträge = Performance-Contracting

vs = versus, gegen

Bossing = der Chef mobbt bzw. unterbindet die AK-Aktionen im Mobbing-Bereich nicht

Mobbing im Handlungsverbund = aufeinanderfolgende Aktionen, die in Zusammenhang gesetzt werden müssen



Die Benutzung dieses Buches und die Anwendung der darin enthaltenen Informationen erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko. Der Verlag und auch der Autor können für etwaige Schäden jeder Art aus keinem Rechtsgrund eine Haftung übernehmen. Haftungsansprüche gegen den Verlag und den Autor materieller oder ideeller Art, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter Informationen und/ oder unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind daher ausgeschlossen. Das Werk inklusiver aller Inhalte wurde unter größter Sorgfalt erarbeitet. Der Verlag und der Autor übernehmen jedoch keine Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit und Qualität der bereitgestellten Informationen. Druckfehler und Falschinformationen können nicht völlig ausgeschlossen werden. Der Verlag und der Autor übernehmen keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte des Buches, ebenso nicht für Druckfehler. Es kann keine juristische Verantwortung sowie Haftung in irgendeiner Form für fehlerhafte Angaben und daraus entstandenen Folgen vom Verlag bzw. Autor übernommen werden.



1 Einführung





Der Begriff Mobbing ist in den letzten Jahren zu einem Modewort verkommen. Weder Opfer noch Täter haben eine klare Vorstellung davon, wann wirklich eine juristisch sicher zu erkennende Mobbing-Handlung vorliegt. Die abstrakte Willkür kann jedoch bei Kenntnis der Systematik in einzelnen Teilbereichen mit realen und bewertbaren Handlungen in einen Zusammenhang gebracht werden.

Als Erstes muss festgestellt werden, dass nicht nur die Mitarbeiter Opfer sind, die ein Fehlverhalten oder einer gestörten Wahrnehmung anheimfallen: Es sind die Täter. Denn aus Sicht der Justiz sind sie sich durch die gestörte Eigenwahrnehmung häufig ihrer Taten nicht wirklich bewusst, wodurch der Lösungsweg über die Justiz nur noch sehr eingeschränkt möglich ist.

Zur Beurteilung, ob eine für den Täter bewusste Handlung vorliegt oder nicht, muss somit auch der übliche Büro- oder Arbeitstag als Maßstab genommen werden. In einigen Abhandlungen werden einzelne Mitarbeiter als Arschloch-Kollegen (AK) bezeichnet. Sie existieren in vielen Firmen, sind aber nicht zwingend Mobbende, manchmal sind ihre Verhaltensweisen einfach sozial nicht erstrebenswert. Ein Betrieb unterscheidet sich nicht unbedingt von den Nachbarn in einer Wohnsiedlung oder in einer Straße. Kommen Sie mit jedem Nachbarn gut aus?

Es ist somit nicht alles Mobbing, nur weil man mit einem Kollegen nicht gut klarkommt.

Was derzeit das maßgebliche Problem darstellt ist die Sensibilisierung der Mitarbeiter und ebenso der Führungskräfte. Die Vorstellung, dass es sich um Straftaten handelt, die, würden diese außerhalb der Firma durchgeführt werden, auch durchaus als Strafsachen behandelt werden, ist vielen nicht bewusst.



Das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wählt als Definition:
„Unter Mobbing ist zu verstehen, dass jemand am Arbeitsplatz häufig über einen längeren Zeitraum schikaniert, dranglasiert, benachteiligt oder ausgegrenzt wird.“

Diese Definition macht den Eindruck, dass die Politiker den Bezug zur Realität verloren haben. Denn es reicht sicher nicht aus, in ein Gesetz hineinzuschreiben, dass jemand, der sich wegen Mobbings beschwert, vor Sanktionen geschützt werden soll. Neunzig Prozent aller Arbeitnehmer würden wahrscheinlich über eine solche Vorstellung lachen. Das ist jedoch für die Realität eine zu sachte Betrachtungsweise, denn Mobbing geht weit in den Bereich der Strafgesetzgebung hinein, Üble Nachrede oder Verleumdung dürften einen der größeren Bereiche stellen.

Viele Lösungsmöglichkeiten werden zwar in der Literatur vorgeschlagen, um die Opfer der Mobbenden zu schützen, meist existieren diese Vorgehensweisen aber nur in der Theorie. Tritt Mobbing wirklich auf, geschieht es nie plötzlich. Personelle Fehlentscheidungen, im Hintergrund ablaufende Prozesse, fehlerhafte Teambildungen – sogenannte Seilschaften – sind im Vorfeld als Auslöser zu sehen, und runden das Bild ab. Tritt also tatsächlich ein Mobbing-Fall auf, gingen dem meist vor Jahren durchgeführte Fehlentscheidungen als Auslöser voran. Die Lösung solcher Konfliktfelder bedarf einer kompetenten Führungskraft. Der tatsächliche Mobbing-Fall stellt den Kollaps des sozialen Gefüges eines Betriebes dar. Oftmals tritt er gleichzeitig mit einem deutlichen wirtschaftlichen Schaden auf, der dann aus Verzweiflung einzelner auch das Mobben – wie bei einer Krankheit – plötzlich ausbrechen lässt. Mobbing ist also ein Symptom fehlerhafter Führungskompetenz. Es bleibt jedoch ein Symptom.

Dem Juristen stellt sich nun die Frage, ab wann ein Mitarbeiter sein Verhalten derartig ändert, dass daraus eine rechtlich zu beanstandende Tätigkeit wird. Dazu sind ausreichende Erfahrungen über betriebliche Strukturen und Verhaltensweisen erforderlich. Einige Strategien, die Mobber heutzutage anwenden, waren vor Jahren Unterrichtsmaterial für die Führungsebene, galten praktisch als herausragende Fähigkeiten einer Führungskraft. Erst später zeigte sich, dass die dadurch erzeugten Umsatzverluste ein Umdenken sinnvoll erscheinen ließ. Aber auch heute existieren noch diese konservativen Führungskräfte und Management-Ideologien, die von sogenannten Manager-Strategien, Taktiken und Mobbing nicht zu unterscheiden sind. Was auch verständlich ist – sie sind häufig identisch.

In diesem Buch werden verschiedene Lastfälle von Mitarbeiterverhaltensweisen und auch von Führungskräften aufgezeigt. Ziel ist es, eine klare Grenze zwischen dem Verhalten eines AK und eines Mobbenden zu ziehen, aber auch aufzuzeigen, welchen wirtschaftlichen Schaden eine einzelne Aktion beziehungsweise Person in einer Firma anrichten kann. Es wird ebenfalls dargelegt, dass Führungskräfte schnell in die Position eines potenziellen Mobbers rutschen, da sie fachlich von ihren Untergebenen in diese Situation hereinmanövriert werden, also auch schnell nach § 27 StGB der Beihilfe bezichtigt oder durch den § 278 BGB belangt werden können.

Auch den Opfern soll aufgezeigt werden, wie und vor allem mit welchen Dokumenten sie sich für einen möglichen Rechtstreit absichern sollten. Die Rechtsprechung in diesem Bereich ist nicht einheitlich, deshalb sind Prognosen zum Ausgang rechtlicher Auseinandersetzungen derzeit kaum sicher abzugeben. – Allerdings trifft dies auf beide Seiten zu.

Aber selbst bei einer Kündigung sollten die Opfer sich mit Unterlassungserklärungen gegen die Mobber persönlich absichern, was häufig vergessen wird.





1.1 Die rechtliche Sichtweise in der Übersicht





Dieses Kapitel mag etwas spröde sein, ist aber nötig, um die folgenden Festlegungen zu verstehen.

Es existieren verschiedene Urteile. Dabei ist zu beobachten, dass nur wenige Mobbing-Prozesse Erfolg haben.

Der eine Grund dafür ist relativ einfach: Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage. Es existieren somit wesentlich mehr Opfer-Erfolge vor Gericht, aber eben nicht zwingend mit einer Mobbing-Klage. Auch sollte man nicht vergessen, dass die meisten Lösungen über Vergleiche ablaufen. Und auch um einen Vergleich abschließen zu können, brauchen Sie eine vernünftige Datengrundlage.

Der andere Grund ist, dass einige Juristen die Meinung vertreten, dass Mobbing zur Basis der – bitte nicht lachen – „Doktrin der sozialen Konfliktaustragung als allgemeines Lebensrisiko“ gehört und sich deshalb nicht vor ein Gericht gehöre. Andere vertreten die Meinung, dass zur Mobbing-Bekämpfung ein auf das Prinzip der Nulltoleranz gegründeter und als verhaltenskulturelles Steuerungsmittel wirksamer Mobbing-Rechtschutz erforderlich ist.

Da derzeit keiner sagen kann, wie viele Vertreter die jeweilige Seite hat, können Sie genauso gut eine Münze werfen. Sind Sie aber gut vorbereitet, setzt sich der Arbeitgeber diesem Risiko nur selten aus, und wird Ihnen ein Angebot oder einen Vergleich finanzieller Art unterbreiten. Jeder fundierte Vorwurf ist für Sie somit bares Geld wert.



Der Antrag der Bündnis 90/ Die Grünen 18/ 12097 zielt in die Richtung, dieses Problem in der gesetzlichen Regelung zu lösen, was am Ende aber nicht zwingend den Einzug in die Rechtsprechung zur Folge hat.

Natürlich kann in einem Gesetz stehen, dass der Arbeitnehmer sich sanktionsfrei über ein Fehlverhalten seiner Kollegen oder direkten Vorgesetzten beschweren kann. In der beruflichen Realität – wenn Ihre Existenz davon abhängt – sollten Sie mit der Einforderung von gesetzlichen Auflagen durchaus vorsichtig sein.



Der Hauptunterschied zwischen Mobbing und anderen Klagepunkten liegt darin, dass eine einzelne Mobbing-Aktion rechtlich betrachtet neutral sein kann. Im Strafrecht jedoch reicht eine Einzelaktion. Die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers und der logischen Systematik der Einzelaktionen trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer. Unabhängig von einem Rechtstreit besteht für den Arbeitgeber auch die Gefahr, selbst als Täter belangt zu werden, woraus das Arbeitsgericht auch schließt, dass der Arbeitgeber bei einem Mobbing-Fall das Recht auf eine außerordentliche Kündigung hat (LAG Thüringen 15.02.2000, 5 Sa 102/2000). Auch muss der Arbeitgeber sich schützen dürfen, um zu verhindern, dass ein Mitarbeiter sich auf ein Zurückhaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB beruft und der vertraglichen Arbeitsleistung nicht mehr nachkommt. Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber jedoch auch zusätzlich Schadenersatzansprüche gegen den Mobbing-Täter geltend machen.





§ 628 Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung



(2) Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.



Somit kann bei einem Verstoß, der in einem Urteil eine Schadenersatzklage gegen den Arbeitgeber zu Folge hat, dieser Arbeitgeber auch den Auslöser – den Mobbenden – zur Rechenschaft ziehen. Auch deshalb kann das sogenannte Mobbing auch ohne Abmahnung und unabhängig davon, ob es in diesem Zusammenhang zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Für die Einhaltung der für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bestehenden zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB:





§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund



(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.



(2) 1 Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.



2 Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.



3 Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.



Es muss also nicht zwingend eine Kette von Mobbing-Aktionen sein – der Arbeitgeber kann somit zum Schutz der Firma auch bei einer Einzelaktion bereits handeln. Das tatsächliche Problem liegt an der unterschiedlichen Wahrnehmung der Verursacher des Schadens. Ein Vorgesetzter kann seinen Untergebenen als Telefon-Hure bezeichnen, gibt aber einem anderen Mitarbeiter eine Abmahnung, weil dieser in einer Mail seinem gleichgestellten Kollegen direkt schreibt, dass „in der Planung keine Struktur ist“. Begründet wird diese Abmahnung seitens GF dann mit der gestörten Umgangsform, so gehe man in dieser Firma nicht miteinander um. Bei einer derartig verschobenen Eigenwahrnehmung der Geschäftsführung ist eine sachliche Diskussion kaum durchführbar.

Unabhängig von der gestörten Wahrnehmung der Täter ist ein medizinischer Befund des Opfers nicht in jedem Fall ausschlaggebend, also nicht immer notwendig. Allerdings ist es für die Justiz ein deutliches Indiz für die beanstandeten Handlungen, die bei einem Suizid auch Rückschlüsse auf die Intensität der Handlungen des Mobbenden schließen lassen.



Folgt der Arbeitgeber einer Mobbing-Strategie oder wird er vom Täter subtil gelenkt gilt auch:



§ 242 Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.



Es muss jedoch ein Vorsatz nachgewiesen werden, der sich auch durch die nicht gedeckte Herbeiführung der psychischen Zermürbung und sozialer Entwürdigung des Opfers oder die Verwirklichung eines auf diesem Wege mit der Rechtsordnung nicht vereinbaren Herausdrängen aus beruflichen Positionen oder dem Beschäftigungsverhältnis zeigt. Es reicht aber aus, dass die Handlungen mit dem Ziel, das Opfer zu schädigen, förderlich sind. Tritt der Persönlichkeitsbekämpfungsvorsatz durch die äußere Erscheinungsweise oder völlige Unverhältnismäßigkeit einer Handlung nicht offen zu Tage, kann er trotzdem indiziert sein, wenn die Handlungen unter dem Verhaltensstandard eines intakten Beschäftigungsverhältnisses, indem nicht eine Person, sondern ein Sachproblem bekämpft wird, nicht plausibel ist. Allerdings kann die Gegenseite behaupten, dass es sich hierbei nur um einen Irrtum handelt. Kommen diese Vorfälle aber häufiger vor, ist die Irrtums-Ausflucht nicht mehr glaubwürdig (LAG Thüringen, 28.06.2005-5 Sa 63/04).



Zu unterscheiden sind einzelne Aktionen, aber auch Mobbing-Elemente mit dauerverletzender Gestaltungswirkung. Dabei handelt es sich um Rechtsmaßnahmen, die ihren Adressaten über ihre bloße Kundgabe hinaus für den Zeitraum ihrer Wirkung mit einer dauerhaften Drucksituation und in Bezug auf die soziale Geltung belasten. Diese dauerverletzenden Elemente haben eine Klammerwirkung. Selbst wenn sie schon lange her sind, können sie im Zusammenhang mit einer aktuellen Aktion stehen – was die Kette der Mobbing-Aktivitäten weiter erhöht.



Es ist zwar nachvollziehbar, hängt jedoch auch von den Einzelfällen ab. Einer der häufigsten Fehler, den Opfer machen, ist die Betrachtung des Einzelfalls – eine Aktion, die jemanden persönlich am meisten trifft oder verletzt. Andere Aktionen, die er selbst aber kaum wahrnimmt, können juristisch jedoch sehr viel strenger gesehen werden. Sie ärgern sich also, dass jedes Mal nach Ihrem Urlaub Ihre Unterlagen durcheinander über den Schreibtisch verteilt liegen, nahmen aber ein Schreiben mit falschen Tatsachenbehauptungen, das hinter Ihrem Rücken an die Kunden der Firma rausgeht, nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis: Über die Unordnung lacht der Richter, für das Anschreiben an die Kunden droht er aber mit einer Haftstrafe, da dieses den Tatbestand der Üblen Nachrede erfüllen kann.



Die Datengrundlage muss also, auch wenn es in der Situation sehr schwer fällt, emotionslos erstellt werden: Nicht Sie werten den Sachverhalt, sondern ein Jurist.





1.2 Die üblichen Gefangenen: Beleidigung, Verleumdung, Üble Nachrede





§ 185 Beleidigung

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.



Werden Sie also von Ihrem Vorgesetzten als Telefon-Hure bezeichnet ist das kein Kavaliersdelikt.

Besteht aber eine reale Möglichkeit, sich gegen solche Äußerungen zu wehren? Wohl eher nicht.





§ 186 Üble Nachrede

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Vermutlich kennen Sie das unter: „Der hat die kalkulierten Werte schon wieder nicht erreicht.“





§ 187 Verleumdung

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.



Hier sind wir wieder bei dem Betriebsleitertreffen mit der Telefon-Hure angelangt – öffentlich in einer Versammlung ausgesprochen. Aber auch Rundmails gehören dazu, in denen behauptet wird, dass Sie einen Fehler gemacht haben oder zumindest dafür die Verantwortung tragen.

Nehmen Sie dies aber nicht als Anleitung für eine Strafanzeige. Obwohl rechtlich eine Straftat vorliegt, ist es in vielen Firmen zur Kultur geworden, diese Straftäter zu schützen. Eine Anzeige hätte somit für Sie vermutlich den Verlust Ihres Arbeitsplatzes zur Folge.

Einen weiteren Paragraphen sollten sie ebenfalls kennen:





§ 192 Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises

Der Beweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache schließt die Bestrafung nach § 185 nicht aus, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Fehler können passieren, aber manche Kollegen haben sonderbare Vorstellungen, wie man einen Fehler darstellt. Es ist also nicht immer so, dass es darauf ankommt, ob die Aussage der Wahrheit entspricht, sondern auch wie sie getätigt wird: „Hier machen die Mitarbeiter was sie wollen, wie konnte so einer nur Betriebsleiter werden?“ Als Mail an alle Geschäftsführer oder Kollegen ist grenzgängig.

Was aber die wenigsten beachten ist, dass sich ein Auflösungsvertrag auf die Verbindlichkeiten mit der Firma bezieht, nicht auf einzelne Personen. Durch den Auflösungsvertrag versuchen manche Firmen die potentiellen Straftäter zu schützen.

Festlegungen wie:

„Die Parteien sind sich einig, dass mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchen Rechtsgrund, seien sie bekannt oder unbekannt, nicht mehr gegeneinander bestehen.“

Das gilt ausschließlich für die Ansprüche Sie und die Firma betreffend.

Zum Schutz der potenziellen Straftäter werden gerne noch zusätzliche Klauseln von den Verursachern eingebunden:

„Das Gleiche gilt für Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung.“

Diese Klausel bezieht sich speziell auf die einzelnen Kollegen und ggf. zu beanstandende Verhaltensweisen. Taucht diese Klausel auf, wissen Sie, dass der Firma bekannt ist, dass der Kollege eine Straftat begangen hat und dies den Vertretern der Firma egal ist.