Über die Autorin
Danielle Strickland ist Majorin der Heilsarmee in Los Angeles und eine international gefragte Rednerin. Sie ist Autorin mehrerer Bücher und hat auf dem Willow Creek-Leitungskongress 2016 in den USA die Massen begeistert.
Für meine Mutter und meinen Vater,
die das Chaos ertrugen
und Impulsgeber für
das schöne Durcheinander
meines neuen Lebens im
Reich Gottes waren.
INHALT
Danksagung
Einleitung
1 Unvermeidliches Chaos
2 Anonyme Ordnungsabhängige
3 Gegen die Dunkelheit treten
4 Denken Sie größer
5 Sicher landen
6 Jahreszeiten
7 Das Leben: überwältigende Einfachheit
8 Die Menschheit
9 Ruhe: der Sklaverei zum Trotz
Schlusswort
Anmerkungen
DANKSAGUNG
Jill Rowe hat das gesamte Buch editiert, Kritik geäußert und Vorschläge zum Inhalt gemacht sowie die Fragen zur Reflektion am Ende der jeweiligen Kapitel formuliert. Ihr Engagement, mit dem sie Menschen die Augen öffnet für den schöpferischen, göttlichen Plan in ihrem eigenen Leben, ist beispielhaft. Ich bin so dankbar für ihr Leben und ihre wertvolle Hilfe beim Schreiben dieses Buches.
EINLEITUNG
Wenn mich Leute fragen, wie es mit meiner Arbeit so läuft, antworte ich fast immer: „Es ist ein schönes Durcheinander.“ Darauf erhalte ich unterschiedliche Reaktionen. Manche Leute messen Erfolg in ganz konkreten Abstufungen. Andere haben die Begabung, perfekt durchdachte Pläne zu entwerfen – mit Unterpunkten für besondere Ziele in ihrer geistlichen Arbeit, die sie für ein optimales Wachstum an ganz bestimmten aufeinanderfolgenden Stufen erreicht haben wollen. Schon immer habe ich Menschen beneidet, deren Leben perfekt zu sein scheint. Meines war es nie.
Meine Erfahrungen mit dem Leben mit Gott sind chaotisch. Mein Leben ist eine Mischung aus Scheitern und Erfolg, Mut und Furcht, Glaube und Zweifel. Es ist – nun, ein schönes Durcheinander. Seitdem ich Gott kennengelernt habe und mich auf die schöpferische Schönheit seiner Welt einließ, geht es in meinem Leben drunter und drüber – und doch ist es schön. Dieses Durcheinander ist schön, weil es ein Zeugnis für den Schöpfungsplan von Gottes Liebe im Hier und Jetzt unseres Lebens ist. Mein Leben sieht nun ganz anders aus, als wie es einmal war. Ich wurde neu erschaffen von einem Designer, der es liebt, Dinge zu „recyceln“.
Mein Leben hat eine neue Form angenommen. Es ist von Licht und Leben gekennzeichnet; es breitet sich aus und verändert sich ständig und doch bleibe ich verwurzelt im Fundament der Liebe Gottes. Es ist voll von einfachen und komplexen Wahrheiten, die mich dazu führen, Gott zu vertrauen und mit ihm zusammen Menschen einzuladen, den Himmel auf die Erde zu bringen. Mein Leben ist ein Fest, das – auch wenn es etwas außer Kontrolle geraten zu sein scheint – unter der Kontrolle eines liebenden Gottes steht, der einen Plan hat. Es ist wie ein wilder, wunderschöner Garten, in dem neues Leben blüht.
Dieses Buch ist eine Einladung. Die Einladung zu einer Reise hinein in Gottes Schöpfungsplan, um aus Ihrem Leben und Ihren Plänen ein schönes Durcheinander zu machen. Wie ein Meisterkünstler ist Gott bereit, die Farben Ihres momentanen Lebens zu nehmen und daraus ein Kunstwerk zu gestalten, dessen Schönheit jenseits Ihrer Vorstellungskraft liegt.
Mit einem schönen Durcheinander fängt es bei Gott immer an. Im hebräischen Schöpfungsbericht der Bibel lesen wir, wie Gott aus einem dunklen, formlosen Nichts – aus dem puren Chaos – die Schönheit dieser Welt hervorbringt. Die Schöpfungsgeschichte aus dem 1. Buch Mose wird in diesem Buch nicht als wissenschaftliche Grundlage verwendet, sondern als ein Fenster, durch das man Einblicke in das Herz und die Strategien eines Künstlergottes erhält. Ich staune darüber, dass Gott noch heute in einer ähnlichen Art und Weise erschafft und gestaltet wie bei der Entstehungsgeschichte unserer Welt. Vor allem staune ich darüber, wie er auch in uns immer wieder neue Schönheit formt.
Im Kern dieses Buches geht es darum, die Fähigkeit eines großen Künstlers zu feiern, aus allem ein schönes Durcheinander zu machen und um die Einladung, sich dann selbst auf diesen künstlerisch-chaotischen Schöpfungsprozess einzulassen. In diesem Sinne: Auf das neu erschaffene Leben!
Danielle Strickland
Sommer 2014
Beginnen wir mit einem Blick darauf, wie alles begann: Die Welt wurde aus dem Chaos heraus erschaffen. Dies ist einer der faszinierendsten Teile der biblischen Schöpfungsgeschichte und er begegnet uns in allen anderen Geschichten, die Menschen je erzählt haben, um sich unsere Existenz zu erklären. Chaos. In jedem einzelnen Schöpfungsbericht auf dem Planeten kommt dieser Begriff vor und wenn wir ehrlich sind, ist das Chaos auch in jeder persönlichen Lebensgeschichte präsent.
Chaos ist der Ausgangspunkt jeder neuen Schöpfung.
Es lauert hinter jeder Ecke und wartet darauf, uns zu packen und zu Fall zu bringen. Es versteckt sich inmitten jedes Gesprächs, möchte uns verunsichern und dazu bringen, alles zu hinterfragen. Es nistet sich im Herzen jedes Aktivisten ein, der es wagt zu glauben, dass der Status Quo unerträglich ist. Es brodelt unter der Oberfläche jeder Vorstandsetage, wo sich Leute insgeheim an die große Vision des Unternehmensgründers erinnern, die beim Streben nach größerem Ansehen und wirtschaftlichem Erfolg verloren gegangen zu sein scheint.
Was ist „es“?
Es ist die Einladung, alles neu anzuordnen. Es ist der Ausgangspunkt jeder neuen Schöpfung. Es ist der bunte Farbeimer, aus dem der Künstler schöpft, um etwas Wunderschönes zu malen. Es ist die Möglichkeit, dass Dinge sich ändern können – zum Besseren. Es ist – das herrliche Potenzial von Chaos.
Die Encarta-Enzyklopädie* nennt folgende Definitionen für Chaos:
(* Encarta 2005; deutsche Übersetzung des englischen Encarta-Eintrags)
Für viele Menschen ist Chaos ein negatives Wort. Chaos ist etwas, das in Ordnung gebracht werden muss; es muss ausgemerzt oder zumindest versteckt werden, um die Illusion von Ordnung zu erzeugen, auch wenn es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelt. Nach dem allgemeinen Verständnis ist Chaos eine destruktive Kraft, die man schnell in den Griff bekommen muss, damit wieder Ordnung herrscht – sowohl in unseren persönlichen Bereichen, als auch in unserem Arbeitsalltag. Aber was wäre, wenn es eine andere Art gäbe, Chaos zu sehen?
Für viele Menschen ist Chaos ein negatives Wort.
Aber was wäre, wenn es eine andere Art gäbe, Chaos zu sehen?
Was, wenn Chaos etwas Gutes wäre?
Was, wenn es die Wurzel jeglicher Kreativität wäre?
Was, wenn es die Voraussetzung für jedes Wachstum wäre, sowohl im persönlichen Bereich als auch bei den von uns geführten Menschen und Organisationen?
Was, wenn es der Nährboden für soziale Veränderung und Umgestaltung wäre?
Was, wenn es die Ketten der Ungerechtigkeit lösen könnte?
Was, wenn es Gefangene befreien könnte? Was, wenn es im Leben von Menschen Prozesse in Gang setzen könnte, die sie wiederherstellen und heil werden lassen würden?
Was, wenn wir es einfach „sein Ding machen“ lassen und sehen würden, dass es „gut“ ist?
Wachstum durch Veränderung. Darum geht es. Wachstum, ob nun persönlich oder innerhalb einer Organisationsstruktur, kann nur dann geschehen, wenn man sich auf das Chaos einlässt. Zu viele Menschen haben die Vorstellung verinnerlicht, dass das Leben ohne Chaos besser sei, dass Unbekanntes nicht wünschenswert und das Unerklärbare bedrohlich sei.
C. S. Lewis beschreibt in „Der König von Narnia“, wie Lucy in einem ganz besonderen Wandschrank feststeckt und Unglaubliches erlebt. Sie befindet sich mitten in einem spannenden Versteckspiel, bei dem es tatsächlich keinen besseren Ort zum Verstecken gibt als diesen alten Wandschrank. Sie denkt zunächst, er sei wie jeder andere Schrank auch – mit überschaubaren Maßen und vollgestopft mit alten Mänteln. Ein super Versteck und ein Ort der Sicherheit. In diesem muffigen Schrank will sie bleiben, solange es sein muss. Ihr Herz klopft, weil sie nicht gefunden werden möchte. Vorsichtig streckt sie ihre Hand aus, um die Tiefe des Wandschranks herauszufinden, damit sie weiß, wie viel Platz sie zum Verstecken hat. Aber statt die Rückwand zu berühren, findet sie einen unbegrenzten Raum – einen Raum, den sie weder verstehen noch ergründen kann. Es ergibt für sie keinen Sinn. Dieser Schrank ist nicht so, wie er sein sollte. Aber anstatt vor diesem Nichts davonzulaufen, geht sie angstfrei darauf zu und erkennt das Potenzial von dem, was dort zu finden sein könnte. So beginnt das Abenteuer ihrer Reise in eine neue Welt voller Wunder: der Schrank ist die Pforte in das Königreich „Narnia“.
Die alte, hebräische Geschichte, die die Schöpfung der Welt beschreibt, beginnt damit, dass sich Jahwe über dem Chaos und dem Nichts bewegt. „Gott schuf Himmel und Erde – alles Sichtbare und alles Unsichtbare. Die Erde war eine Suppe von Nichts, eine grundlose Leere, tiefste Schwärze. Gottes Geist brütete wie ein Vogel über dem wässrigen Abgrund“.1
Die Bildsprache ist kraftvoll: Gott herrscht über das Chaos und ist gleichzeitig in ihm gegenwärtig. Die Geschichte geht weiter mit einer Reihe von unterschiedlichen Phasen: Erst kommt das LICHT, dann die WEITE, dann das LAND, dann kommen die JAHRESZEITEN, dann kommt das LEBEN, dann die FORTPFLANZUNG und schließlich die RUHE.
An dieser Geschichte erkennen wir ein Muster für den göttlichen Verlauf der Dinge. Ich bezeichne es als „schönes Durcheinander“. So erschafft Gott das Leben neu:
Was Gott schafft, ist sehr gut. So hat er es gesagt. Wie ein Künstler, der es kaum erwarten kann, anderen sein Kunstwerk zu präsentieren, wie eine Mutter und ein Vater, die strahlen, wenn sie ihr kleines Baby hochhalten, wie ein Gärtner, der mit Schmutz unter den Fingernägeln einen Schritt zurücktritt, um die reine Schönheit des Geschaffenen zu bewundern – so muss Gott sich gefühlt haben, als er seine Schöpfung betrachtete und sie „sehr gut“ nannte.
Aber alles beginnt mit Chaos.
Im Innersten, im Mittelpunkt der Geschichte ist diese
unkontrollierbare, schöne, wundervolle Unordnung,
aus der alles andere kommt.
Der Punkt ist, dass ohne das Chaos
nichts sonst
daraus hätte
geboren werden können.
Der Schöpfung hätte kein Atem verliehen werden können.
Nur durch den chaotischen Anfang
wurde Ordnung ermöglicht.
Nie war es andersherum!
Immer zuerst das Chaos.
Wir leben jedoch in einer Kultur, die Chaos zu verstecken versucht. Gibt man zu, dass im eigenen Leben Chaos herrscht, ist dies ein Zeichen von Schwäche und Scheitern. Wenn man sein Leben nicht perfekt organisiert und alles im Griff hat, scheint das wie ein Verstoß gegen die gesellschaftliche Ordnung zu sein.
Dieses Durcheinander
namens Chaos ordnet
die Dinge in unserem
Leben neu. Es verschiebt und verändert unsere Werte und kann uns auf das Wesentliche
zurückschmeißen.
Infolgedessen sind viele Menschen erheblich mit Vertuschungsversuchen beschäftigt. Ihr Leben scheint eine aufgeräumte Fassade zu haben, hinter der sich unbeantwortete Fragen, großer Selbstzweifel und ein persönlicher Stillstand verbergen. In Wahrheit haben wir Angst vor Dingen, die wir nicht kontrollieren können. Chaos ist per Definition unkontrollierbar – und es ist unvorhersehbar, welche Auswirkung es haben wird. Dies beunruhigt diejenigen von uns, die sich vor Veränderung und Kontrollverlust fürchten. Wir mögen es zu wissen, was uns bevorsteht, und wir mögen es, unsere Umwelt zu kontrollieren. Aber das Chaos schert sich nicht um unsere Angst. Es kommt herein und stellt alles auf den Kopf. Vielleicht ist das genau die richtige Vorgehensweise mit denjenigen von uns, die glauben, sie würden alles zusammenhalten; mit denjenigen von uns, die Angst vor Veränderung und Umständen haben, die außerhalb ihres Kontrollbereichs liegen. Dieses Durcheinander namens Chaos ordnet die Dinge in unserem Leben neu. Es verschiebt und verändert unsere Werte und kann uns auf das Wesentliche zurückschmeißen.
Ich finde es interessant, wie beliebt Zombies in letzter Zeit sind. Was ist das Faszinierende an Zombies und der Vorstellung einer Apokalypse, dass es die Aufmerksamkeit einer ganzen Generation auf sich gezogen hat? Ich habe Leute gefragt, was sie darüber denken, und war überrascht von den Ergebnissen. Die meisten vermuteten, dass wir uns unter der extremen Kontrolle unserer modernen Welt über tiefere Dinge Gedanken machen. Zum Beispiel darüber, was wirklich wichtig ist. Wenn die ganze glänzende, kontrollierte Ordnung unseres Lebens hinweggenommen werden würde, was würde dann übrig bleiben? Was würde dann wirklich zählen?
Was ist mit der Leitung von Programmen und Initiativen? Das Gleiche gilt auch hier. Wenn ein Unternehmen aufgeräumt, geordnet und effizient ist, aber seltsamerweise seit Jahren in einem ähnlichen Zustand verharrt, wird dies von vielen als Erfolgsmerkmal gepriesen und das Unternehmen als ein guter Ort zum Arbeiten angesehen. Doch bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass das Leben aus dieser Organisation gewichen ist. Vielleicht besteht sie nur noch aus überholten Traditionen und die Kreativität wurde erfolgreich zugunsten einer vorhersehbaren und kontrollierbaren Ordnung unterdrückt.
Was, wenn das Streben nach Ordnung eine Liebe zum Status Quo geschaffen und die Leidenschaft für Gerechtigkeit beseitigt hat? Was, wenn wir uns mit der Bequemlichkeit so angefreundet haben, dass wir uns aus der Verantwortung gezogen haben, für Veränderung zu kämpfen? Geschah es nicht aus dem Chaos heraus, dass die Apartheit endete und der Eiserne Vorhang fiel?
Dieses Buch beschäftigt sich mit der Neuentdeckung des Chaos als Grundlage des Wachstums, sowohl persönlicher Art als auch innerhalb von Organisationen und Gemeinden. Chaos ist der notwendige Auslöser für den Wandel. Es geht um unsere Fähigkeit, die positive Dynamik des Chaos anzunehmen, uns nicht vor ihr zu scheuen und andere auf ihrer Reise zu begleiten, wenn sie das Potenzial von Chaos für ihr eigenes Leben entdecken. Im Leben geht es darum, wirkungsvoll mit dem Unbekannten umzugehen; es geht darum, den Weg zur nächsten Anlegestelle zu finden, ohne vorher das Ziel oder den nächsten Wegabschnitt genau zu kennen. Es geht darum, sich in dem wohlzufühlen, was sich chaotisch anfühlt – und die große Kreativität und Schönheit dieser Situation zu erkennen.
Wenn wir uns nun auf diese Reise begeben, statten uns die Worte Thomas Mertons, ein amerikanischer Katholik, der Mitglied des Ordens der Trappisten war, mit Proviant für dieses ungeheuerliche, von Chaos gekennzeichnete vor uns liegende Abenteuer aus:
Herr, mein Gott, ich habe keine Ahnung, wohin ich gehe.
Ich sehe die Straße vor mir nicht.
Ich kann nicht sicher wissen, wo sie enden wird.
Noch kenne ich mich wirklich selbst
und die Tatsache, dass ich deinem Willen nachfolge,
bedeutet nicht, dass ich ihn auch wirklich tue.
Aber ich glaube, dass allein schon der Wunsch, dir zu gefallen,
dir tatsächlich gefällt.
Und ich hoffe, dass ich diesen Wunsch in allem habe, was ich tue.
Ich hoffe, dass ich niemals etwas ohne diesen Wunsch tun werde.
Und ich weiß, dass, wenn ich dies tue,
du mich auf die richtige Straße führen wirst,
auch wenn ich nichts über sie weiß.
Daher werde ich dir immer vertrauen, auch wenn ich
verloren zu sein scheine im Schatten des Todes.
Ich werde mich nicht fürchten, denn du bist immer bei mir.
Nie wirst du mich verlassen, sodass ich mich den Gefahren meines Lebens allein stellen müsste.2
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